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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.02.2009
Aktenzeichen: 1 A 50/08
Rechtsgebiete: SGB X, BAföG
Vorschriften:
SGB X § 45 Abs. 2 S. 3 | |
BAföG § 29 Abs. 3 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT
Beschluss
Az.: 1 A 50/08
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Rückzahlung von Ausbildungsförderung
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger am 2. Februar 2009 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 4. Dezember 2007 - 3 K 269/07 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
Gründe:
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass ein Zulassungsgrund vorliegt. Das Darlegungserfordernis verlangt, dass ein Antragsteller im Zulassungsverfahren zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sind. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der von dem Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.
Die vom Kläger behaupteten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Der Kläger hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dargelegt. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, sprich der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind deshalb anzunehmen, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458).
Das Verwaltungsgericht hat entscheidungstragend darauf abgestellt, dass sich die Rückforderung von Ausbildungsförderung wegen des Vermögens rechtfertige, welches der Kläger am 11.9.2003 auf das Konto seines Bruders überwiesen hatte. Diese vor der Beantragung von Ausbildungsförderung am 30.10.2003 erfolgte unentgeltliche Vermögenszuwendung in Höhe von 43.100,- € stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar, so dass dieses Vermögen weiterhin zu berücksichtigen sei. Soweit der Kläger zur Rechtfertigung vortrage, dass es sich bei der Zuwendung um eine vorgezogene Unterhaltszahlung für den Zeitraum von 12 Jahren zugunsten seiner im Jahre 2003 geborenen Tochter gehandelt habe, fehle es an einem rechtlichen Zusammenhang mit der Übertragung des Vermögens auf den Bruder. Die hierfür vorgetragene Begründung, die Übertragung auf den Bruder sei erfolgt, weil es Schwierigkeiten mit der Eröffnung eines Minderjährigenkontos gegeben habe, sei nicht überzeugend. Selbst für diesen Fall liege keine Rechtfertigung der Vermögensverschiebung auf den Bruder vor, da das Vermögen bis zu einer Klärung der Problematik beim Kläger hätte verbleiben können. Zudem habe auch keine rechtliche Verpflichtung zu einer Unterhaltszahlung für die ersten 12 Lebensjahre seiner Tochter bestanden. Einer turnusmäßigen Unterhaltszahlung hätten keine Hinderungsgründe entgegengestanden. In der Herbeiführung der Bedürftigkeit im Zusammenhang mit der Beantragung staatlicher Leistungen liege ein vorwerfbares Verhalten. Dass unter dem im Antragsformular abgefragten Vermögen auch rechtsmissbräuchlich unentgeltlich an Dritte übertragenes Vermögen zu verstehen sei, hätte dem Kläger bewusst sein müssen, auch wenn in dem seinerzeit verwandten Formular nur nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung vorhandenen Vermögen gefragt worden sei.
Das Zulassungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Sichtweise. Ein Auszubildender handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er im Hinblick auf eine konkret geplante Ausbildung, für die Ausbildungsförderung in Anspruch genommen werden soll, um eine Anrechnung von Vermögen zu vermeiden, Vermögen an einen Dritten unentgeltlich überträgt, anstatt es für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einzusetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.1.1983, NJW 1983, 2829; SächsOVG, Beschl. v. 27.11.2008, 1 D 129/08 und Beschl. v. 11.3.2008, 1 D 9/08; BayVGH, Beschl. v. 27.11.2006, 12 C 06.1171; Beschl. v. 8.8.2007, 12 ZB 07.475 ; Beschl. v. 20.8.2007, 12 C 07.633 zitiert nach juris). Ein gewichtiges Indiz für die Absicht des Auszubildenden, durch die Vermögensübertragung eine Anrechnung von Vermögen zu vermeiden, liegt vor, wenn diese zeitnah zur Beantragung von Ausbildungsförderung erfolgt (vgl. SächsOVG, a. a. O.; BayVGH, Beschl. v. 8.8.2007, a. a. O.). Die Überweisung des Klägers erfolgte am 11.9.2003 und damit einerseits im Anschluss an seine Anfrage vom 4.7.2003 beim Beklagten zur Förderfähigkeit seines beabsichtigten Studiums und rund sechs Wochen vor der Beantragung von Ausbildungsförderung am 30.10.2003. Er hat für seine Vermögensübertragung ersichtlich keine Gegenleistung erhalten. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich auch nichts dazu entnehmen, wieso die angeführten Probleme mit der Errichtung eines Minderjährigenkontos zugunsten der Tochter des Klägers gut sechs Wochen vor der Beantragung von Ausbildungsförderung durch die Überweisung des Vermögens auf ein Konto seines Bruders gelöst werden mussten. Zudem fehlt es nach wie vor an einem nachvollziehbaren Grund dafür, dass mit diesem Vermögen der Unterhaltsanspruch seiner Tochter für die kommenden 12 Jahre vorab abgedeckt werden sollte.
Der Kläger kann sich entgegen dem Zulassungsvorbringen gegenüber der Rückforderung der zu Unrecht gewährten Ausbildungsförderung auch nicht auf Vertrauensschutz berufen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die der Rückforderung zu Grunde liegenden Bewilligungsbescheide beruhten nämlich auf Angaben, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Hinsicht unvollständig gemacht hat. Im Zeitpunkt der Überweisung an seinen Bruder am 11.9.2003, sprich gut sechs Wochen vor Antragstellung, muss ihm bewusst gewesen sein, dass er sein Studium und seinen Lebensunterhalt infolge dieser Vermögensübertragung nur noch mit der Hilfe von Leistungen nach der Bundesausbildungsförderung bestreiten können würde.
Wer im Fall einer zeitnah herbeigeführten Bedürftigkeit die hierfür kausale unentgeltliche Vermögensübertragung bei der Antragstellung auf Ausbildungsförderung verschweigt, verletzt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße (SächsOVG, Beschl. v. 11.3.2008, a. a. O.). Dies gilt auch für den Fall, dass im Antragsformular nicht ausdrücklich nach im Vorfeld der Antragstellung unentgeltlich an Dritte übertragenem Vermögen gefragt wird (SächsOVG, a. a. O.; BayVGH, Beschl. v. 20.8.2007, 12 C 07.63, Rn. 4 bei juris). Dem Kläger hätte es sich aufdrängen müssen, dass die Voraussetzungen für den Erhalt von Ausbildungsförderung erst durch diese Vermögensübertragung geschaffen wurden und deshalb zum vorhandenen Vermögen auch solches zählen könnte, welches zuvor ohne nach außen konkret ersichtliche Gegenleistung an einen Familienangehörigen überwiesen wurde. Auch einem Rechtsunkundigen muss sich hier aufdrängen, dass dem Missbrauch von Sozialleistungen Vorschub geleistet werden könnte, wenn Angaben zu solchen Vorgängen entbehrlich wären (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 11.3.2008, a. a. O.).
Eine Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht aus der Behauptung, die Vermögensübertragung habe - letztendlich - der Erfüllung von Unterhaltspflichten gedient. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass für eine Unterhaltszahlung in Höhe des mutmaßlichen Anspruchs für die kommenden 12 Jahre keine rechtliche Verpflichtung bestand. Forderungen sind hingegen nur dann vom Vermögen des Auszubildenden abzuziehen, wenn eine rechtliche Verpflichtung zu ihrer Begleichung besteht (SächsOVG, Beschl. v. 3.9.2007, 5 E 165/07, m. w. N.). Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt auch bei Vermögensübertragungen zur Erfüllung von - zukünftigen - Forderungen. Gründe für eine rechtliche Verpflichtung des Klägers zu einer Unterhaltsvorauszahlung für die kommenden 12 Jahre lässt das Zulassungsvorbringen nicht erkennen.
Der Kläger legt auch keinen beachtlichen Ermessensfehler des Beklagten mit der Behauptung dar, dass die auf im Zeitpunkt der Antragstellung vorhandenes aktuelles Vermögen beschränkte Fragestellung nicht berücksichtigt worden sei. Nach den vorstehenden Ausführungen kann sich der Kläger auch in Ansehung dieser beschränkten Fragestellung nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X berufen. Dass der Kläger für den Fall einer zeitnahen Rückforderung sein Studium hätte abbrechen müssen, ist auf seine rechtsmissbräuchliche und Vertrauensschutz ausschließende Vermögensübertragung zurückzuführen. Mangels schutzwürdigem Vertrauen stellt diese Folge keinen besonders zu berücksichtigenden Gesichtspunkt bei der Ermessensausübung dar.
Letztlich unsubstanziiert sind die Ausführungen des Klägers zum Vorliegen einer unbilligen Härte nach § 29 Abs. 3 BAföG. Hiernach kann ein weiterer Teil des Vermögens zur Vermeidung unbilliger Härten anrechnungsfrei bleiben. Aus welchen Gründen sein Vermögen in Höhe von 43.100,- € wegen der Geburt des Kindes, eines hierdurch bedingten Umzuges und einer Schädigung des Kindes sowie zur Sicherung von Unterhaltsansprüchen anrechnungsfrei sein könnte, lässt sich aus dem Antragsvorbringen nicht entnehmen. Die Unterhaltsansprüche des Kindes hätte der Kläger ohne weiteres turnusgemäß aus seinem Vermögen bestreiten können. Zudem hätte ihm ein zusätzlicher anrechnungsfreier Betrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BAföG zur Verfügung gestanden. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, welche Rolle § 29 Abs. 3 BAföG im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Rückforderung von Ausbildungsförderung spielen soll. Einschlägig ist § 29 Abs. 3 BAföG für die Bestimmung des für die Bewilligungsentscheidung maßgeblichen Vermögens eines Antragstellers. Insoweit spricht aber nichts dafür, das rechtsmissbräuchlich übertragene Vermögen im Zusammenhang mit den Bewilligungsentscheidungen zu späteren Antragszeiträumen anrechnungsfrei zu lassen. Ausbildungsförderungsrechtlich war dieses Vermögen auch zu jenen Zeitpunkten dem klägerischen Vermögen als vorhandenes Vermögen zuzurechnen, da sich auch für die späteren Bewilligungszeiträume nichts an der Unbeachtlichkeit der vorgenommenen Vermögensverschiebung geändert hat.
2. Der Kläger hat mit seiner Antragsschrift nicht dargelegt, dass die Berufung wegen der von ihm behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen ist. Hierfür hätte mit dem Zulassungsvorbringen eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht nicht beantwortete Rechtsfrage aufgeworfen werden müssen, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegung dieser Voraussetzungen erfordert wenigstens die Bezeichnung einer konkreten Frage, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, als auch für das Berufungsverfahren erheblich sein würde, und muss im Einzelnen aufzeigen, inwiefern das Verwaltungsgericht die Frage nach Auffassung des Antragstellers nicht zutreffend beantwortet hat. Darüber hinaus muss die Antragsschrift zumindest einen Hinweis auf den Grund enthalten, der die Anerkennung einer grundsätzlichen, d. h. über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Sache rechtfertigen soll.
Als klärungsbedürftig sieht der Kläger die Frage an, "ob sich ein Antragsteller trotz korrekter Beantwortung eindeutiger Fragen die Verletzung seiner Sorgfaltspflichten in besonders schwerem Maße entgegenhalten lassen muss, sofern eine Behörde Kenntnis davon hat, dass die formularmäßig gestellten Fragen unzureichend sind und bei korrekter Beantwortung zum Erlass rechtswidriger Bescheide führen können". In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Berufungsverfahren hier schon nicht stellen. Sie wäre auch einer allgemeingültigen Beantwortung nicht zugänglich. Für den hier interessierenden Zusammenhang einer zur Antragstellung zeitnahen Vermögensverschiebung, die wegen einer hierdurch herbeigeführten Vermögenslosigkeit als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist, wäre eine so gestellte Frage hingegen ohne weiteres auf Grundlage der zuvor genannten Rechtsprechung des Senats zu bejahen, ohne dass er für ihre Beantwortung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 188 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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