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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 24.04.2007
Aktenzeichen: 1 D 28/04
Rechtsgebiete: SächsLPlG, SächsGemO
Vorschriften:
SächsLPlG n.F. § 7 Abs. 4 | |
SächsLPlG n.F. § 8 | |
SächsLPlG a.F. § 12 | |
SächsGemO § 4 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Normenkontroll-Urteil
Az.: 1 D 28/04
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Nichtigkeit des am 27.12.2002 bekannt gemachten Regionalplanes Südwestsachsen
hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann sowie die Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und Dehoust aufgrund der mündlichen Verhandlung
am 24. April 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Regionalplan Südwestsachsen, beschlossen durch Satzung des Antragsgegners vom 14. Dezember 2000, in der Fassung des Genehmigungsbescheides des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 28. Januar 2002, geändert durch Bescheid vom 6. Juni 2002, öffentlich bekannt gemacht am 27. Dezember 2002, wird für unwirksam erklärt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Antragstellerin wendet sich gegen den am 27.12.2002 bekannt gemachten Regionalplan des Antragsgegners, durch dessen Festsetzungen zur Windenergienutzung sie sich in ihrer kommunalen Planungshoheit verletzt sieht.
Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss den Regionalplan Südwestsachsen am 14.12.2000. Das Sächsische Staatsministerium des Innern genehmigte diesen mit Bescheid vom 28.1.2002, geändert durch Bescheid vom 6.6.2002. Die Verbandsversammlung trat dem Genehmigungsbescheid mit Beschluss vom 2.11.2002 bei. Die Genehmigung des Regionalplanes wurde im Sächsischen Amtsblatt vom 27.12.2002 bekannt gemacht. Dabei erfolgte der Hinweis, wo Ausfertigungen des Planes einzusehen waren. Bei diesen "Ausfertigungen" handelte es sich um ringbuchartige Heftungen des Regionalplanes, die seinen Text- und Kartenteil enthielten. Ausfertigungsvermerke enthielten weder diese Pläne noch vorhergehende Entwurfsfassungen des Regionalplanes.
Die Antragstellerin ist eine Gemeinde mit Sitz im Satzungsgebiet des Antragsgegners. Mit ihrem am 23.12.2004 erhobenem Normenkontrollantrag macht sie die Fehlerhaftigkeit des Regionalplanes wegen der Ausweisung eines Vorrangstandortes zur Windenenergienutzung "westlich Hauptmannsgrün" in ihrem Gemeindegebiet geltend. Hierdurch sieht sie sich in ihrem Recht auf Flächennutzungsplanung zur Windenergie in ihrem Gemeindegebiet beeinträchtigt. Sie sieht diesen Vorrangstandort als verfehlt an. Die Ausweisung sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.
In formeller Hinsicht leide der Regionalplan an Mängeln des Planaufstellungs-, Abwägungs-, Auslegungs- und Bekanntmachungsverfahrens. Die Aufnahme des Vorrangstandortes "westlich Hauptmannsgrün" sei allein auf Grund des Windmessprogramms 1991 erfolgt. Dort sei ein Standort "oberhalb Hauptmannsgrün" Gegenstand gewesen. Dieser Standort müsse nicht mit dem als Vorranggebiet ausgewiesenen Standort "westlich Hauptmannsgrün" übereinstimmen. Das Windmessprogramm leide unter dem Mangel, dass die Messreihen nur einen Zeitraum von rund 18 Monaten umfasst hätten und keine brauchbare Langzeitexploration durchgeführt worden sei. Der Vorrangstandort "westlich Hauptmannsgrün" sei ungünstig gewählt, da er an zwei Seiten von Bebauung umschlossen sei und auf diese optisch belastend wirke. Eine Abwägung des Standortes mit dem Vorbehalt Erholung sei ebenso unterblieben wie die Beachtung von Ausschlusskriterien, wie z. B. Gebiete mit hoher landschaftlicher Erlebniswirkung/Landschaftsbilderleben, Gebiete mit weiträumigen Sichtbeziehungen und Gebiete mit Erholungsfunktion im Verdichtungsraum. Die Ausweisung "westlich Hauptmannsgrün" leide zudem an dem Mangel nicht parzellenscharfer Ausweisung. Es fehle an einer hinreichenden Bestimmtheit des Vorrangstandortes wie auch der Anordnung der in ihm zulässigen 5 Windenergieanlagen. Die fehlende Bestimmtheit der Gebietsgrenzen mache deutlich, dass Inhalt und Grenzen des Gebiets, Anzahl und Abstände der einzelnen Anlagen sowie eine Höhenbegrenzung weder geprüft noch abgewogen worden sein könnten. Auch könne es zu Überlagerungen mit anderen Festsetzungen, etwa regionalen Grünzügen, kommen.
Die Ausweisung des Vorrangstandortes "westlich Hauptmannsgrün" verletze Belange des Natur- und Landschaftsschutzes. Der Standort befinde sich auf einem landschaftsprägenden Höhenrücken, was ein Ausschlusskriterium darstellen müsse. Dieser Höhenzug sei weder industriell-gewerblich noch technisch vorgeprägt. Damit fehle es an einem wesentlichen Positivkriterium für die Ausweisung des Vorrangstandortes.
Der Schutz von Flora und Fauna sei nicht oder nur ungenügend berücksichtigt worden. In einem Gutachten vom 19.7.2004 komme das Staatliche Umweltfachamt (StUFA) zu dem Schluss, dass die Errichtung von 5 Windenergieanlagen am ausgewiesenen Standort Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege wegen erheblicher Beeinträchtigungen der Vogelwelt verletze und deshalb nicht genehmigungsfähig sei. Das Vorranggebiet weise hiernach mehrere unter Schutz stehende Vogelarten auf. Diese Beurteilung sei auch für die Ausweisung des Standortes "westlich Hauptmannsgrün" beachtlich, da sie nicht auf Erkenntnisfortschritten beruhe. Vielmehr sei die Ausweisung dieses Standortes von Anfang an fehlerhaft gewesen. Im Rahmen des Fortschreibungsverfahrens halte der Antragsgegner an diesem Standort nicht mehr fest.
Die Ausweisung "westlich Hauptmannsgrün" lasse die räumliche Nähe zum Vorrangstandort "nördlich Neumark" in der Gemeinde , der bis zu 5 Windenergieanlagen zulasse, unberücksichtigt. Der geringste Abstand der hiernach zulässigen Anlage betrage 4 km. Dies widerspreche dem Soll-Ziel nach Ziffer 7.2.3 des Regionalplanes, welches einen Mindestabstand von 5 km zwischen Windparks fordere.
Die Antragstellerin beantragt,
den Regionalplan Südwestsachsen, beschlossen durch Satzung des Antragsgegners vom 14. Dezember 2000, in der Fassung des Genehmigungsbescheides des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 28. Januar 2002, geändert durch Bescheid vom 6. Juni 2002, öffentlich bekannt gemacht am 27. Dezember 2002, für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält den Antrag für unbegründet. Der Regionalplan sei formell und materiell rechtmäßig, was er im Einzelnen darlegt. Bei den in der öffentlichen Bekanntmachung für die Zwecke der Einsichtnahme genannten Ausfertigungen handele es sich um die dem Senat vorliegende ringbuchartige Vervielfältigung des Regionalplanes. Sonstige "Ausfertigungen" des Regionalplanes existierten nicht.
Für den weiteren Inhalt des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten (3 Bände) und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge (30 Ordner und 4 Heftungen) verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der gegen den Regionalplan der Antragsgegnerin vom 14.12.2000 in der Fassung des Beitrittsbeschlusses vom 2.11.2002 gerichtete Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Er wurde gegenüber dem am 27.12.2002 öffentlich bekannt gemachten Regionalplan am 23.12.2004 und damit innerhalb der Zweijahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung erhoben. Gemäß § 195 Abs. 7 VwGO i.d.F. vom 1.1.2007 gilt diese Frist weiterhin für die Rechtsvorschriften, die vor dem 1.1.2007 bekannt gemacht wurden.
Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie kann sich auf eine Beeinträchtigung ihrer kommunalen Planungshoheit berufen.
2. Der Normenkontrollantrag ist begründet, da der Regionalplan der Antragsgegnerin mangels Ausfertigung nicht wirksam geworden, gleichwohl aber öffentlich bekannt gemacht worden ist. Auf den Beitrittsbeschluss der Verbandsversammlung vom 2.11.2002 ist keine die Übereinstimmung des Planes mit dem Genehmigungsbescheid des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 28.1.2002 in der Fassung des Bescheides vom 6.6.2002 entsprechende Ausfertigung des Regionalplanes vom 14.12.2000 erstellt worden. Es liegt lediglich eine ringbuchartige Fassung des Regionalplanes vor, die keinerlei Ausfertigungsvermerke enthält und zudem auch den Beitrittsbeschluss vom 2.11.2002 nicht erwähnt. Auf dem Titelblatt enthält sie den Hinweis "Stand: Juni 2002".
Bei der Ausfertigung von Satzungen handelt es sich um ein grundlegendes Element jeglichen Rechtssetzungsverfahrens, welches unmittelbar aus dem Rechtstaatsprinzip folgt (Quecke, in: Ders./Schmidt, SächsGemO, Stand: Dezember 2006, § 4 RdNr. 122; Gern, Sächsisches Kommunalrecht, 2. Aufl. RdNr. 294 m.w.N.; für den Bebauungsplan: BVerwG, Beschl. v. 16.5.1991 - 4 NB 26.90 -, RdNr. 13 bei juris; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 9.8.1989, NVwZ-RR 1990, 61). Die Ausfertigung von Satzungen stellt ein Gültigkeitserfordernis dar (SächsOVG, NK-Urt. v. 25.10.2006 - 1 D 3/03). Zu den grundlegenden Geboten des Rechtsstaats und der Rechtsstaatlichkeit gehört es, dass die auszufertigende Norm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt erlassen wird. Nur durch die Ausfertigung der Satzung ist sichergestellt, dass der textliche und zeichnerische Gegenstand der Satzung mit dem Willen des Satzungsgebers im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung übereinstimmt (SächsOVG, Urt. v. 25.10.2006 - 1 D 3/03 - UA S. 13; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.11.1988, NVwZ-RR 1989, 267 [269]). Sie ist zugleich die Grundlage für die Verkündung der Norm als letztem Akt ihrer Hervorbringung (BVerwG, Beschl. v. 9.5.1996, NVwZ-RR 1996, 630; Beschl. v. 27.10.1998, NVwZ-RR 1999, 161; Beschl. v. 27.1.1999, NVwZ 1999, 878; SächsOVG, NK-Urt. v. 20.3.2007 - 1 D 20/04 -, UA. S. 10; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.11.1988, aaO; OVG Saarland, Urt. v. 10.3.2003, BRS 66 Nr. 46). Als rechtsstaatliches Gültigkeitserfordernis ist die Ausfertigung einer Norm auch für den Fall erforderlich, dass sie nicht ausdrücklich einfachgesetzlich vorgeschrieben ist (Quecke, ebd., RdNr. 54; Swierczyna, ThürVBl. 2006, 241 m.w.N.). Es bedarf deshalb keiner näheren Betrachtung, ob die in § 7 Abs. 4 Satz 2 SächsLPlG n. F. genannte Bereithaltung einer "Ausfertigung" des Regionalplanes auf dessen förmliche Ausfertigung Bezug nehmen will oder schlicht die Bereithaltung einer Mehrfertigung an den dort genannten Stellen vor Augen hat (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 5 SächsLPlG a. F., der den Begriff der "Fertigung" verwendet).
Das Unterbleiben einer Ausfertigung stellt als Verstoß gegen ein verfassungsrechtliches Gültigkeitserfordernis einen stets beachtlichen Mangel dar, auf den fachgesetzliche Unbeachtlichkeitsregelungen keine Anwendung finden können (Quecke, ebd., RdNr. 122; OVG Rh.-Pf., ebd., S. 62; Ziegler, DVBl. 1987, 280 [287]; Gern, ebd., m.w.N). Die unterbliebene Ausfertigung eines Regionalplans stellt damit keine Verletzung einer ggf. unbeachtlichen Verfahrens- oder Formvorschrift i.S.v. § 8 SächsLPlG n. F. oder § 12 SächsLPlG a. F. dar. Dies erhellt auch § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SächsGemO, der entsprechend dem verfassungsrechtlichen Gebot der Ausfertigung eine unterbliebene Ausfertigung von der Unbeachtlichkeitsregelung in § 4 Abs. 4 Satz 1 SächsGemO ausnimmt. Als verfassungsrechtliches Gültigkeitserfordernis für das Entstehen einer Norm ist eine unterbliebene Ausfertigung einer "Heilung" oder Unbeachtlichkeit nicht zugänglich.
Der fehlenden Ausfertigung kommt im Fall des Regionalplanes zudem besonderes Gewicht zu. Nach dem hier - da es sich bei der Bekanntmachung um einen einzelnen Verfahrensschritt nach 24 Abs. 1 Satz 2 SächsLPLG n. F. handelt (SächsOVG, NK-Urt. v. 25.10.2006 - 1 D 3/03 -) - anwendbaren § 7 Abs. 4 Satz 1 SächsLPlG n. F. wird nicht der Regionalplan, sondern lediglich seine Genehmigung öffentlich bekannt gemacht. Es existiert damit keine öffentlich bekannt gemachte Fassung des Planes, durch den die vermeintlich beschlossene Fassung mit Bekanntgabewillen im Satzungsgebiet publiziert worden ist. Anders bei der Veröffentlichung einer Norm im Gesetzblatt fehlt es außerhalb der Ausfertigung an einer allgemein nachvollziehbaren und fixierten Fassung des Normtextes.
Ob der Regionalplan zudem auch an den von der Antragstellerin geltend gemachten Mängeln leidet, kann offen bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 60.000,- € festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und entspricht der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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