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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.02.2009
Aktenzeichen: 2 B 4/09
Rechtsgebiete: GG, SächsVerf, SächsHG, SächsHSG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 3
SächsVerf Art. 18 Abs. 1
SächsVerf Art. 29
SächsVerf Art. 21
SächsHG § 14 Abs. 6
SächsHSG § 19 Abs. 1
Die Universitäten können die zulassung von Gashörern zu Lehrveranstaltungen in zulassungsbeschränkten Fächern generell ausschließen.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 4/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Teilnahme an den Vorlesungen für das Studium Zahnmedizin im 7. Fachsemester; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke

am 24. Februar 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 8. Dezember 2008 - 4 L 1522/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 8.12.2008 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, ihn vorläufig im Wintersemester 2008/2009 als Gasthörer zu Lehrveranstaltungen im Studiengang Zahnmedizin und Humanmedizin zuzulassen, zu Recht abgelehnt.

Der Antragsteller begehrt die Zulassung als Gasthörer zu Lehrveranstaltungen im Studiengang Zahnmedizin, 7. Semester, und Humanmedizin, 5. Semester. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es sei bereits zweifelhaft, ob ein Anordnungsgrund vorliege. Jedenfalls habe der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch. Nach § 14 Abs. 6 SächsHG stehe die Zulassung als Gasthörer im Ermessen der Antragsgegnerin. Danach habe der Antragsteller lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Zulassungsantrag. Die Ablehnung sei ermessensfehlerfrei. § 16 Abs. 2 der Immatrikulationsordnung der Antragsgegnerin regle, dass zu Lehrveranstaltungen, die Bestandteil eines Studiengangs mit Zulassungsbeschränkung sind, Gasthörer nicht zugelassen werden. Diese Zulassungsbeschränkung sei legitim und sachlich gerechtfertigt. § 1 Abs. 3 Gasthörerordnung, nach der Gasthörer bei freier Kapazität nach Zustimmung des Institutes als Gasthörer zugelassen werden können, entfalte Gültigkeit nur im Rahmen der Immatrikulationsordnung. Einen Anspruch auf Gasthörerschaft könne der Antragsteller auch nicht aus Art. 12 oder Art. 5 Abs. 3 GG ableiten.

Hiergegen wendet der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung ein, das Verwaltungsgericht setze sich nicht damit auseinander, ob es ermessensfehlerfrei sei, generell und ohne Blick auf den Einzelfall sowie ohne das Abstellen auf tatsächliche Raum- oder Lehrkapazitäten zulassungsbeschränkte Studiengänge von der Gasthörerschaft auszunehmen. Wenn einer öffentlichen Stelle keinerlei Aufwand entstehe, sei die Ablehnung der passiven Teilnahme als Gasthörer willkürlich und verstoße gegen den Gleichheitssatz. Auch könne aus der Ausschöpfung der Kapazität im Studiengang Zahn- und Humanmedizin nicht auf eine Ausschöpfung der Kapazitäten einzelner Lehrveranstaltungen geschlossen werden. Nur diese sei aber für Gasthörer maßgeblich. Der Gasthörer könne sich zudem auch auf die Berufsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit berufen.

Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein einzugehen ist, rechtfertigen keine Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO ergeht eine einstweilige Anordnung, wenn das Bestehen eines zu regelnden Anspruchs, des sog. Anordnungsanspruchs, und die Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung, der sog. Anordnungsgrund, überwiegend wahrscheinlich sind.

Hier fehlt es dem Antragsteller an einem Anordnungsanspruch. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Sächsische Hochschulgesetz die Zulassung von Gasthörern in das Ermessen der Hochschulen stellt. Dies ergab sich zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aus § 14 Abs. 6 SächsHG in der bis 31.12.2008 gültigen Fassung. Seit 1.1.2009 ergibt sich dies aus dem inhaltsgleichen § 19 Abs. 1 SächsHSG.

Dies schließt zwar den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO auch dann nicht aus, wenn das Ermessen des Antragsgegners nicht auf null reduziert ist. Voraussetzung für eine vorläufige gerichtliche Regelung ist es in diesem Fall aber, dass der Antragsgegner einen Ermessensfehler begangen hat und er bei einer erneuten - fachgerechten - Ausübung seines Ermessens eine dem vorläufigen Begehren des Antragstellers entsprechende Regelung treffen wird oder er zumindest zur vorläufigen Neuverbescheidung zu verpflichten ist (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 22.10.2008 - 1 D 114/08 - sowie Beschl. v. 11.9.2002, SächsVBl. 2003, 45; NdsOVG, Beschl. v. 11.6.2008 - 4 ME 184/08 - juris).

Hier fehlt es bereits an einem Ermessensfehler der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen in § 16 Abs. 2 der Immatrikulationsordnung zu Recht generell dahingehend ausgeübt, dass zu Lehrveranstaltungen, die Bestandteil eines Studiengangs mit Zulassungsbeschränkung sind, Gasthörer nicht zugelassen werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO, ob die Entscheidung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise gebraucht gemacht ist. Der generelle Ausschluss von Gasthörern in zulassungsbeschränkten Studiengängen überschreitet indes nicht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens.

Das Recht, die Ausbildungsstätte frei zu wählen (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 29 Abs. 1 SächsVerf) in Verbindung mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf), sowie das Recht auf gleichen Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen (Art. 29 Abs. 2 SächsVerf) führen nicht zu einem Aufnahmeanspruch für Gasthörer. Das Ausbildungsgrundrecht verpflichtet die Hochschule nur zur Zulassung der die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllenden Bewerber zu dem gewünschten Studiengang im Rahmen der vorhandenen Kapazität und unter dem Vorbehalt des Möglichen. Ein Anspruch auf Teilhabe an bestimmten Lehrveranstaltungen durch Nichthochschulangehörige lässt sich aus der Ausbildungsfreiheit nicht ableiten.

In der Rechtsprechung ist zwar umstritten, ob sog. "Parkstudenten", die ein anderes Fach studieren, aus ihrer Ausbildungs- und Lernfreiheit ein Teilnahmerecht an Lehrveranstaltungen ihres Wunschstudiums ableiten können (verneinend: BayVGH, Beschl. v. 8.11.1979, NJW 1980, 662, 663; bejahend: VGH BW, Beschl. v. 22.5.1978, DÖV 1978, 738). Ein Teilhaberecht von Gasthörern besteht aber nicht. Der potentielle Gasthörer fällt im Gegensatz zum Parkstudenten nicht in den Schutzbereich der Ausbildungs- oder Berufsfreiheit. Die Ausbildungsfreiheit und das verfassungsrechtlich gewährleistete Zulassungsrecht stehen in engem Zusammenhang mit der späteren Berufsaufnahme; zusammen mit ihr und als ihre Vorstufe ist die Ausbildung integrierender Bestandteil eines zusammengehörigen Lebensvorgangs. Durch Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 29 SächsVerf wird demgemäß nur ein Zulassungsrecht geschützt, das auf ein volles Studium mit berufsqualifizierendem Abschluss gerichtet ist, mag es auch in Teilschritten realisiert werden. Diese Voraussetzung fehlt, wenn ein berufsqualifizierender Studienabschluss von vornherein und mit Sicherheit ausgeschlossen ist, z. B. weil in späteren Ausbildungsabschnitten alle Ausbildungskapazitäten zweifelsfrei erschöpfend genutzt sein werden. In einem solchen Fall hat die Inanspruchnahme von Teilkapazitäten keinen Bezug zur späteren Berufsaufnahme. Die Versagung entsprechender Teilzulassungen könnte lediglich an der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 15 SächsVerf) in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemessen werden, die einer solchen Versagung in zulassungsbeschränkten Studiengängen unter Berücksichtigung der weiteren Aufgaben der Universitäten in aller Regel nicht entgegenstehen werden. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn an einer Hochschule nur ungenutzte Kapazitätsreste für einzelne Semester vorhanden sind und ein Weiterstudium an einem unüberwindlichen Engpass im Folgesemester scheitert (BVerfG, Beschl. v. 21.10.1981, BVerfGE 79, 172, 205). Erst recht gelten diese Erwägungen, wenn nur freie Plätze in einzelnen Veranstaltungen vorhanden sind und der potentielle Hörer der Hochschule nicht angehört. Beim Gasthörer ist - weil er nicht immatrikuliert ist - der berufsqualifizierende Abschluss ausgeschlossen. Die Teilnahme an Veranstaltungen als Gasthörer lässt sich auch dann nicht als Teilschritt oder Teilstudium auffassen, wenn einzelne Bescheinigungen später anerkannt werden sollten. Zwischen dem - auch nach Darstellung des Antragstellers - "passiven" Gasthörer, der nicht Mitglied der Hochschule ist, und dem aktiv studierenden Hochschulmitglied, das Träger der Wissenschaftsfreiheit ist, bestehen derartige Unterschiede, dass die Tätigkeit des Gasthörens nicht als Teil des Studiums aufgefasst werden kann.

Auch aus der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 21 SächsVerf) kann der Antragsteller keine Rechte ableiten, da er weder der Universität angehört noch sonst wissenschaftlich tätig ist. Ein Teilhaberecht lässt sich aus der Wissenschaftsfreiheit regelmäßig nicht ableiten. Zudem unterfällt der passive Gasthörer nicht der Wissenschaftsfreiheit.

Der generelle Ausschluss von Gasthörern in zulassungsbedingten Studiengängen verstößt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 18 Abs. 1 SächsVerf.

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Willkürverbot ist genüge getan, wenn sich für die Differenzierung ein sachlicher Grund finden lässt. Dagegen verlangt die Verhältnismäßigkeitsbindung darüber hinaus, dass zwischen Normadressaten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Bei der verschiedenen Behandlung von Personengruppen unterliegen der Gesetzgeber und die Verwaltung grundsätzlich der strengen Verhältnismäßigkeitsbindung, wohingegen bei der verschiedenen Behandlung von Sachverhalten regelmäßig lediglich die Willkürkontrolle eingreift. Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.1.1993, BVerfGE 88, 87, 96 f.). Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen, die nicht an personengebundene Merkmale anknüpft, sondern an einen Sachverhalt, kommt den Besonderheiten des geregelten Lebens- und Sachbereichs für die Frage, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, erhebliche Bedeutung zu. Dabei sind dem Gestaltungsspielraum umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG, Beschl. v. 8.4.1997, BVerfGE 95, 267, 317 ff.).

Hier knüpft der generelle Ausschluss von Gasthörern an die Zulassungsbeschränkung des Studienganges und somit an sachbezogene Merkmale an. Spezielle Freiheitsgrundrechte sind nicht betroffen. Die Ungleichbehandlung ist deshalb gerechtfertigt, wenn sie sich sachlich begründen lässt.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist ein genereller Ausschluss von Gasthörern in zulassungsbeschränkten Studiengängen nicht willkürlich. Eine Zulassung von Gasthörern im Studiengang Zahn- oder Humanmedizin widerspräche der durch die Kapazitätsverordnungen festgelegten einheitlichen Ermittlung der Kapazität einer Lehreinheit. Die Lehrkapazität der Veranstaltungen, welche der Antragsteller als im Fach nichtimmatrikulierter Student besuchen will, ist bereits in die Berechnung der Gesamtkapazität der Lehreinheit eingegangen, die nach dem Stellenprinzip erfolgt (vgl. §§ 8 und 9 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen [Kapazitätsverordnung - KapVO] vom 29.3.1994 [SächsGVBl. S. 786]). Neben diese Berechnung müsste im Falle der Zulassung zu einzelnen Lehrveranstaltungen eine Berechnung nach dem tatsächlich vorhandenen Lehrpersonal und dem räumlichen Platzangebot treten. Dies widerspräche aber dem Kapazitätsermittlungssystem der Kapazitätsverordnung, das lediglich die Ermittlung der Gesamtkapazität nach diesem System vorsieht. Es ergäbe sich eine Kapazitätsfeststellung nach zweierlei Maßstäben, bei der es zu Widersprüchen und Unzuträglichkeiten kommen könnte (vgl. im Einzelnen: BayVGH, Beschl. v. 8.11.1979, NJW 1980, 662, 663). Dies lässt es sachgerecht erscheinen, sich in zulassungsbeschränkten Studiengängen auf die Kapazitätsermittlung und -beschränkung nach einem System, hier dem Stellenprinzip, zu beschränken.

Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn Hochschulen das Recht zur Teilnahme an Lehrveranstaltungen in zulassungsbeschränkten Studiengängen von der Zulassung zu einem Studiengang abhängig machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 62 Abs. 2, § 47 Abs. 1, 3, § 53 Abs. 3 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat berücksichtigt dabei Nummer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt z. B. bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Anh § 164 Rn. 14). Von einer Minderung des Streitwertes auf die Hälfte sieht er wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ab.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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