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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.10.2009
Aktenzeichen: 2 B 451/09
Rechtsgebiete: VwGO, SächsBG
Vorschriften:
VwGO § 80 Abs. 5 | |
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6 | |
SächsBG § 35 |
2. Zur Interessenabwägung bei einem Eilantrag gegen eine Versetzung.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 2 B 415/09
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Versetzung; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hier: Beschwerde
hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn
am 27. Oktober 2009
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 15. Juni 2009 - 11 L 222/09 - geändert. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe:
Die Antragstellerin, die seit 1993 im Justizvollzugsdienst des Antragsgegners tätig ist, wendet sich im Eilverfahren gegen die Versetzungsverfügung vom 18.3.2009, mit der sie mit Wirkung vom 1.5.2009 von der Justizvollzugsanstalt Bautzen in die Justizvollzugsanstalt Zeithain versetzt wird. Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag der Antragstellerin stattgegeben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches bis einen Monat nach Zustellung der Entscheidung über den Widerspruch angeordnet. Zur Begründung hat es angeführt, ein dienstliches Bedürfnis für ihre Versetzung liege mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor. Der Antragsgegner habe im Gerichtsverfahren nachvollziehbar dargelegt, dass in der Justizvollzugsanstalt Bautzen im Vergleich zur Justizvollzugsanstalt Zeithain ein Personalüberhang bestehe. Die Interesseabwägung gehe aber gleichwohl zu Gunsten der Antragstellerin aus, da bei ihr nach der eingeholten amtsärztlichen Stellungnahme eine psychische Störung bestehe, die eine weitere Dienstunfähigkeit zur Folge habe sowie die Fortführung psychotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen erfordere. Da aus ärztlicher Sicht bei einer Versetzung jedenfalls krankheitsbedingte Dienstausfallzeiten wahrscheinlich seien, müsste vor Vollzug der Versetzung hinreichend sicher geklärt sein, dass keine erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen einträten. Die Kammer ging dabei davon aus, dass die erforderlichen Untersuchungen im Widerspruchsverfahren veranlasst werden.
Gegen die Entscheidung, die dem Antragsgegner am 23.6.2009 zugestellt worden ist, wendet er in seiner Beschwerdebegründung ein, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch den Ortswechsel ausgegangen. Hierfür fänden sich auch in den ärztlichen Stellungnahmen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Tatsache, dass mit Dienstausfallzeiten zu rechnen sei, lasse nicht den Rückschluss auf eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung zu. Zudem sei die Antragstellerin nur bis einschließlich 7.5.2009 arbeitsunfähig gewesen. Danach habe sie ihren Dienst bei der Justizvollzugsanstalt Zeithain angetreten, wo sie bis zum 30.6.2009 zunächst in den Arbeitsbetrieben, danach im Schichtdienst auf einer Station im Regelvollzug eingesetzt worden sei. Erst seit dem 1.7.2009 sei sie - aufgrund des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses - wieder bei der Justizvollzugsanstalt Bautzen tätig. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass es beabsichtigt sei, die Antragstellerin erneut dem Amtsarzt vorzustellen. Mit am 19.8.2009 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsgegner eine amtsärztliche Stellungnahme vom 4.8.2009 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die krankheitsbedingten Dienstausfallzeiten der Antragstellerin hätten keine medizinischen Ursachen, sondern resultierten aus familiären Problemen, dem Unverständnis der Antragstellerin über ihre Versetzung und der unzureichenden Gesprächsführung im Rahmen dieser Versetzung.
Hiergegen hat die Antragstellerin u. a. eingewandt, die von dem Antragsgegner veranlasste Stellungnahme des Amtsarztes sei nicht brauchbar, da dieser sie nicht selbst untersucht und zum anderen unberücksichtigt gelassen habe, dass sie zwischenzeitlich wieder in der Justizvollzugsanstalt Bautzen tätig sei, mit der Folge, dass der Grund für ihre psychische Erkrankung derzeit nicht gegenwärtig sei. Der Referatsleiter, der die Beschwerde unterschrieben habe, sei nicht vertretungsbefugt. Dies sei nur der Behördenleiter. Darüber hinaus sei die Auswahlentscheidung des Antragsgegners ermessensfehlerhaft.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.
Die Beschwerde ist wirksam erhoben. Der Referatsleiter des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin vertretungsbefugt. Zur Prozessvertretung sind nicht nur - wie von der Antragstellerin angenommen - die Behördenleiter, sondern auch alle übrigen Beschäftigten mit der Befähigung zum Richteramt zugelassen. Dies ergibt sich aus Bundesrecht. Gemäß § 67 Abs. 4 VwGO können sich Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse durch eigene Beschäftigte mit der Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Dienstes einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Der Leiter des Referates IV.1 des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz hat die Befähigung zum Richteramt. Auch Landesrecht steht einer Vertretung durch das Staatsministerium der Justiz nicht entgegen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 VertrVO konnte das Staatsministerium den Fall an sich ziehen.
Die vom Antragsgegner dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht unter anderem in Fällen, in denen der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs entfallen lässt (Absatz 2 Nr. 3), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Hier hat der Widerspruch der Antragstellerin gegen ihre Versetzung gem. § 54 Abs. 4 BeamtStG/§ 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG a. F. keine aufschiebende Wirkung.
Maßstab der gerichtlichen Entscheidung sind grundsätzlich die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs. Hier lässt sich die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Antragstellerin ergangenen Versetzungsverfügung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage jedoch nicht abschließend beurteilen. In einem Hauptsacheverfahren wird sowohl das dienstliche Bedürfnis für eine Versetzung als auch die Ermessensentscheidung, dass und wie von der Versetzungsbefugnis Gebrauch gemacht werden soll, einer näheren Überprüfung zu unterziehen sein. Beim dienstlichen Bedürfnis spielt das Personalkonzept des Antragsgegners eine wichtige Rolle. Der Antragsgegner hat hier zwar einen großen Planungs- und Entscheidungsspielraum. Gleichwohl bleibt aber zu prüfen, ob legitime Ziele verfolgt werden, der Abwägung ein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt und das Konzept zu den verfolgten Zielen nicht deutlich außer Verhältnis steht oder von willkürlichen Gesichtspunkten geprägt ist. Nach den vorgelegten Zahlen besteht in der Justizvollzugsanstalt Zeithain ein geringerer Personalbestand als in der Justizvollzugsanstalt Bautzen. Ob daraus ein Bedürfnis folgt, Beamte von der Justizvollzugsanstalt Bautzen weg und gegebenenfalls zur Justizvollzugsanstalt Zeithain hin zu versetzten, lässt sich aber erst beurteilen, wenn Zahlen zum Personalbestand und zum voraussichtlichen Personalbedarf der übrigen Anstalten vorliegen. Nur dann lässt sich einschätzen, ob die Justizvollzugsanstalt Bautzen auch im Vergleich zu anderen Justizvollzugsanstalten einen Personalüberhang aufweist und welche Alternativen zu einer Versetzung von Mitarbeitern aus Bautzen nach Zeithain in Betracht kommen. Der Antragsgegner hat indes bislang keine Zahlen zum Personalbestand und -bedarf der übrigen Justizvollzugsanstalten vorgelegt. Ist ein dienstliches Bedürfnis sowohl für die Wegversetzung von Beamten aus der Justizvollzugsanstalt Bautzen als auch für die Hinversetzung nach Zeithain zu bejahen, wäre weiter zu fragen, ob das der Verfügung zugrundeliegende Auswahlverfahren mit dem Ergebnis, dass die Antragstellerin nach Zeithain wechseln muss, ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Gegebenenfalls müsste hier Beweis erhoben werden.
Bei sonach offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens hat der Senat im Rahmen einer eigenen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Versetzungsverfügung mit dem Interesse der Antragstellerin, vorläufig von deren Wirkungen verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Diese Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin, weil nach den im Beschwerdeverfahren vorliegenden Erkenntnissen nicht ersichtlich ist, dass der Vollzug der Versetzungsverfügung für sie mit nicht hinnehmbaren Nachteilen verbunden wäre.
Erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen infolge der Versetzungsverfügung sind nicht zu erwarten. Dies ergibt sich aus der vom Antragsgegner nunmehr vorgelegten (weiteren) amtsärztlichen Stellungnahme vom 4.8.2009. Gegen das Drohen erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen spricht auch, dass die Antragstellerin vom 17.5.2009 bis 30.6.2009 ihre Arbeit in Zeithain verrichtet hat, ohne erneut zu erkranken.
Die amtsärztliche Stellungnahme kann berücksichtigt werden, obwohl sie beim Oberverwaltungsgericht erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist. Zwar ist das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO auf die Prüfung der vom Beschwerdeführer innerhalb der Beschwerdefrist dargelegten Gründen beschränkt. Dies schließt es aber nicht aus, die vorgetragenen schriftlichen Gründe auch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist zu ergänzen und zu vertiefen. So liegt es hier. Der Antragsgegner hatte innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist Gründe dafür angeführt, dass die Versetzung für die Antragstellerin zu keiner erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung führt. Gleichzeitig hat er eine amtsärztliche Begutachtung angekündigt. Diesen Vortrag hat er mit dem nachgereichten Schriftsatz vom 19.8.2009 ergänzt und mit Vorlage der weiteren amtsärztlichen Stellungnahme vertieft. Da sich hierdurch auch kein neuer Streitgegenstand ergibt (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 15.10.2007, SächsVBl. 2008, 23), kann die Stellungnahme im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden.
Soweit die Antragstellerin gegen die ärztliche Stellungnahme einwendet, der Amtsarzt hätte sie selbst untersuchen müssen, ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Der Amtsarzt entscheidet grundsätzlich nach seinem Ermessen, ob er zu einer Stellungnahme auf Grundlage der vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen in der Lage ist oder eine eigene Untersuchung erforderlich ist. Gründe dafür, dass der Amtsarzt hier zwingend selbst eine Untersuchung der Antragstellerin hätte vornehmen müssen, werden von ihr nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin ausführt, der Amtsarzt habe unberücksichtigt gelassen, dass sie zwischenzeitlich wieder in der Justizvollzugsanstalt Bautzen tätig sei, handelt es sich um eine Behauptung. Aus der vorliegenden amtsärztlichen Stellungnahme lässt sich eine solche Schlussfolgerung nicht ableiten.
Auch weitere Gründe, die das in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommende generelle öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Versetzungsverfügung überwiegen würden, sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin lebt mit ihrem Lebensgefährten in ............ Die Strecke von ........... nach Zeithain kann mit einem Kraftfahrzeug in ungefähr 1 1/2 Stunden zurückgelegt werden (vgl. Routenplaner unter www.falk.de). Eine tägliche Fahrzeit zwischen Wohn- und Dienstort von drei Stunden stellt für sich genommen keine besondere Härte dar. Deren Bewältigung kann von der Antragstellerin jedenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens verlangt werden. Auch ein Umzug nach Zeithain oder die Begründung einer Nebenwohnung dort ist der Antragstellerin grundsätzlich nicht unzumutbar.
Soweit die Antragstellerin die Notwendigkeit einer Versetzung von Bediensteten aus Bautzen nach Zeithain und die Fehlerfreiheit der Auswahlentscheidung des Antragsgegners in Frage stellt, muss die Prüfung dieser Fragen - wie ausgeführt - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Der Senat hat die Kostenentscheidung zur Klarstellung insgesamt neu gefasst. Sie folgt für das Beschwerdeverfahren aus § 154 Abs. 1 VwGO, für das erstinstanzliche Verfahren aus § 155 Abs. 4 VwGO. Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Antragsgegner den Gesundheitszustand der Antragstellerin vor Erlass der Versetzungsverfügung näher hätte aufklären müssen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG, wobei der Auffangstreitwert wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung zu halbieren ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt z. B. bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Anh § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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