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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.08.2003
Aktenzeichen: 2 BS 233/03
Rechtsgebiete: GG, SchulG, SOMI
Vorschriften:
GG Art. 7 Abs. 1 | |
SchulG § 3 Abs. 2 | |
SchulG § 32 Abs. 1 | |
SchulG § 40 Abs. 1 Nr. 1 | |
SchulG § 41 Abs. 1 | |
SchulG § 42 | |
SOMI § 4 Abs. 3 Satz 1 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 2 BS 233/03
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Schulwechsels an eine Mittelschule; Antrag nach § 123 VwGO
hier: Beschwerde
hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und die Richterin am Verwaltungsgericht Behler
am 18. August 2003
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 1. Juli 2003 - 2 K 854/03 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den auf vorläufige Aufnahme des Antragstellers zu 1 in die 5. Klasse der Mittelschule zum Schuljahr 2003/2004 gerichteten Antrag abgelehnt, da der Antragsgegner, die Stadt Chemnitz, nicht passivlegitimiert sei. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1, 1. HS SOMI entscheide über die Aufnahme in die Klassenstufe 5 der Mittelschule der Schulleiter.
Dieser stehe im Dienst des Freistaates Sachsen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1, § 41 Abs. 1 SchulG).
Die von der Antragstellern dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht den Antrag zu Unrecht abgelehnt hat.
1. Die Antragsteller machen zur Begründung der Beschwerde zunächst geltend, bei der gebotenen Auslegung des Ablehnungsbescheides der Schulleiterin der Mittelschule vom 12.6.2003 deute für den Empfänger des Bescheides nichts darauf hin, dass er einen Bescheid des Freistaates Sachsen, vertreten durch das Regionalschulamt, erhalten habe. Vielmehr habe er einen Bescheid der Schule erhalten, die er als Schule der Stadt Chemnitz kenne. Dass die Schulleiterin hier im Namen des Regionalschulamtes und damit des Freistaates Sachsen gehandelt habe, sei für den Empfänger nicht zu erkennen.
Diese Ausführungen vermögen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht zu begründen.
a) Zu Recht gehen die Antragsteller davon aus, dass sich die Frage, für wen der Schulleiter handelt, nur im Wege der Auslegung beantworten lässt. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 SchulG vertritt der Schulleiter die Schule nach außen. Die Schule als solche kann jedoch nicht vertreten werden, da sie kein selbständiger Rechtsträger ist, sondern eine nichtrechtsfähige öffentliche Anstalt (§ 32 Abs. 1 Satz 1 SchulG). Die Auslegung ergibt, dass der Schulleiter nach außen, soweit er - wie hier - nicht gemäß § 42 Abs. 3 SchulG für den Schulträger tätig wird, den Freistaat Sachen vertritt.
Zunächst ist die durch das Schulgesetz für den Freistaat Sachsen normierte Organisation des öffentlichen Schulwesens zu berücksichtigen. Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 SchulG sind öffentliche Schulen die Schulen, die von einer Gemeinde oder einem Landkreis gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen unterhalten werden. Es gibt demnach in Sachsen im Bereich der öffentlichen Schulen keine rein kommunalen Schulen, sondern nur "staatlich-kommunale" Schulen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 SchulG) und die - hier nicht relevanten - staatlichen Schulen (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 SchulG). Bei den "staatlich-kommunalen" Schulen hat die Kommune als Schulträger die Sachkosten einschließlich der Personalkosten für das nichtpädagogische Personal zu tragen (§§ 21 ff. SchulG). Der Freistaat Sachsen trägt als Arbeitgeber der Lehrkräfte die Personalkosten des pädagogischen Personals (§ 40 Abs. 1 SchulG). Bereits aufgrund dieser gemeinsamen Unterhaltspflicht der Gemeinde und des Staates kann das Handeln des Schulleiters im Außenverhältnis nicht ohne weiteres der Gemeinde zugeordnet werden. Soweit die Antragsteller davon ausgehen, dass die Mitarbeiter einer nichtrechtsfähigen Anstalt nach den Regeln des allgemeinen Anstaltsrechts im Außenverhältnis für den Rechtsträger und hier deshalb für den Schulträger handeln, lassen sie die gemeinsame Verpflichtung des Schulträgers und des Freistaates Sachsen außer Acht.
Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1, § 41 Abs. 1 SchulG steht der Schulleiter im Dienst des Freistaates Sachsen Er wird nach Anhörung des Schulträgers und der Schulkonferenz von der obersten Schulaufsichtsbehörde bestellt (§ 41 Abs. 2 SchulG). Die Schulleiter und deren Stellvertreter werden bei Vorliegen der Voraussetzungen verbeamtet (vgl. Niebes/Becher/Pollmann, Schulgesetz und Schulordnungen im Freistaat Sachsen, 3. Aufl., § 41 SchulG RdNr. 1). Es spricht alles dafür, dass Beamte und Angestellte auch im Außenverhältnis ihren Dienstherrn bzw. Arbeitgeber vertreten (so heißt es bei Niehues, Schulrecht, 3. Aufl., RdNr. 26: Der Schulleiter als staatlicher Beamter vertritt das zuständige Land, welches die staatliche Schulhoheit ausübt).
Die in § 42 Abs. 1 und 2 SchulG im einzelnen normierten Aufgaben des Schulleiters betreffen die Gewährleistung der Erfüllung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrages. Diese Gewährleistung obliegt nicht dem kommunalen Schulträger, sondern dem Staat. Dieser nimmt die ihm durch Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 SächsVerf zugewiesene Verantwortung für das Schulwesen in der einzelnen Schule durch den Schulleiter wahr (vgl. Avenarius/Heckel, Schulrechtskunde, 7. Aufl. S. 121 und Niehues, aaO, RdNrn. 26 und 72). Auch die aufgabenbezogene Betrachtung spricht deshalb dafür, dass der Schulleiter regelmäßig für den Freistaat Sachsen tätig wird.
Dass der Schulleiter bei Erfüllung der in § 42 Abs. 1 und 2 SchulG beschriebenen Aufgaben für den Freistaat Sachsen und nicht für den kommunalen Schulträger tätig wird, ergibt sich schließlich im Wege einer systematischen Auslegung des § 42 SchulG. Hinsichtlich der in § 42 Abs. 3 SchulG beschriebenen Aufgaben, die den Verantwortungsbereich des Schulträgers betreffen, heißt es, dass der Schulleiter die unmittelbare Aufsicht für den Schulträger führt. Dem lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass der Schulleiter ansonsten nicht für den Schulträger, sondern für den Freistaat Sachsen tätig wird.
Der Schulleiter vertritt im Übrigen entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht das Regionalschulamt und damit den Freistaat Sachsen. Der Schulleiter ist untere staatliche Verwaltungsbehörde und vertritt als solche den Freistaat Sachsen.
b) Auch die konkret begehrte Handlung, die Aufnahme des Antragstellers zu 1. in die Klassenstufe 5 der Mittelschule fällt in den Aufgabenbereich des Freistaates Sachsen und nicht der Antragsgegnerin als Schulträger Zutreffend gehen die Antragsteller davon aus, dass das Schulverhältnis im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 2 SchulG durch die Aufnahme des Schülers in die Schule begründet wird. Zu Unrecht sind sie jedoch der Auffassung, dass dieses mit dem Schulträger besteht. Unter dem Schulverhältnis sind die Gesamtheit der rechtlichen Beziehungen zwischen der Schule einerseits und dem Schüler bzw. seinen Erziehungsberechtigten andererseits zu verstehen (vgl. Niebes/Becher/Pollmann, aaO, § 32 SchulG RdNr. 1). Die beiderseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Schulgesetz und den sie ergänzenden Rechtsvorschriften. Aufgabe und Pflicht der Schule ist es, die Schüler ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechend zu erziehen und zu unterrichten (vgl. § 1 SchulG). Dem gegenüber kann die Schule von den Schülern aktive Mitarbeit und Disziplin und von den Eltern Unterstützung ihrer Arbeit verlangen (vgl. Avenarius/Heckel, aaO, S. 429). Angesichts dieses Inhalts betrifft das Schulverhältnis den dem Freistaat Sachsen obliegenden Verantwortungsbereich. Es hat keinen Bezug zu den dem Schulträger gemäß § 23 Abs. 2 SchulG obliegenden Aufgaben.
2. Die fehlende Passivlegitimation des Schulträgers führt auch nicht zu einer mit Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 38 SächsVerf nicht zu vereinbarenden Verkürzung des Rechtsschutzes.
Vorliegend beruht die Nichteinrichtung einer 5. Klassenstufe an der Mittelschule nicht auf einer Maßnahme der Antragsgegnerin als Schulträger in Form einer Allgemeinverfügung (vgl. hierzu Beschl. des Senats v. 24.9.2001 - 2 BS 196/01 -, SächsVBl. 2002, 42). Der Stadtrat der Antragsgegnerin hat zwar am 4.9.2002 beschlossen, ab dem Schuljahr 2002/2003 an der Mittelschule keine Klassenstufe 5 mehr zu bilden. Die von den Antragstellern gegen den Beschluss eingelegten Rechtsmittel haben aber gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Die Einrichtung der Klassenstufe 5 an der Mittelschule kommt jedoch deshalb nicht in Betracht, weil das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK) mit Bescheid vom 26.6.2003 gegenüber der Antragsgegnerin die Mitwirkung des Freistaates Sachsen an der Unterhaltung der Mittelschule insoweit widerrufen hat, als im Schuljahr 2003/2004 eine Klassenstufe 5 geführt werden soll. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 19.8.2003 - 2 BS 330/02 -) ist ein Antrag von Schülern und deren Eltern, mit dem sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen an den Schulträger gerichteten Bescheid des SMK, mit dem die Mitwirkung an der Unterhaltung einer Schule (teilweise) widerrufen wird, begehren, zulässig, wenn die Nichteinrichtung der 5. Klassenstufe allein auf dem Mitwirkungswiderruf und nicht auf einer Maßnahme des Schulträgers beruht. Der Senat hat insoweit ausgeführt:
Der Zulässigkeit des Antrags steht weiter nicht entgegen, dass die Nichteinrichtung der ersten Klassenstufe an der Grundschule P. nicht durch eine Maßnahme des Schulträgers in Form einer Allgemeinverfügung (vgl. hierzu Beschl. des Senats v. 24.9.2001 - 2 BS 196/01 -) erfolgt, sondern durch einen gemäß § 24 Abs. 3 Satz 2 SchulG an die Beigeladene als Schulträgerin gerichteten Bescheid des SMK, durch den die Mitwirkung des Antragsgegners an der Unterhaltung der Grundschule Portitz insoweit widerrufen wird, als im Schuljahr 2002/03 eine Klassenstufe 1 geführt werden soll. Der Mitwirkungswiderruf des Antragsgegners hat für die hiervon betroffenen Schüler und Eltern die gleichen Rechtswirkungen wie die Entscheidung des Schulträgers, für den betroffenen Schuljahrgang keine Eingangsklassen einzurichten. Der betreffende Schulleiter ist bei seiner gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 SOGS zu treffenden Entscheidung über die Aufnahme eines Schülers an den Mitwirkungswiderruf gebunden. Zutreffend ist deshalb das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass den von der Schulschließung Betroffenen effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 38 SächsVerf) allein dadurch zu gewährleisten ist, dass sich diese unmittelbar gegen den Widerrufsbescheid des Antragsgegners wenden können. Dem steht entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht entgegen, dass die für einen Beschluss des Schulträgers über die Aufhebung einer Schule gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 SchulG erforderliche Zustimmung des Antragsgegners im Verhältnis zu Eltern und Schülern keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet. In diesem Falle erfolgt die Entscheidung, eine Schule aufzuheben oder eine Eingangsklasse nicht einzurichten, durch den Schulträger; die erforderliche Zustimmung des Antragsgegners stellt deshalb ein Verwaltungsinternum dar. Die betroffenen Schüler und Eltern können die Maßnahme des Schulträgers anfechten. An einer solchen anfechtbaren Maßnahme des Schulträgers fehlt es im Falle eines Mitwirkungswiderrufs nach § 24 Abs. 3 Satz 2 SchulG jedoch.
Der Senat weist darauf hin, dass ein solcher Antrag in der Sache allerdings nur dann Erfolg hat, wenn der Bescheid des SMK einen Abwägungsmangel enthält, durch den eigene Rechte der antragstellenden Schüler und Eltern verletzt werden (vgl. Beschl. des Senats v. 19.8.2002, aaO).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 25 Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 3, § 14 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. § 5 ZPO.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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