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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.10.2009
Aktenzeichen: 2 D 113/09
Rechtsgebiete: BeamtStG, SächsBG


Vorschriften:

BeamtStG § 39
SächsBG § 149
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 D 113/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von PKH

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn

am 29. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Nummer 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 3. Juli 2009 - 3 L 192/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtsverfolgung des Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO).

Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, darf die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren nicht überspannt werden. Voraussetzung für eine hinreichende Erfolgsaussicht eines Rechtsschutzbegehrens ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges. Hierzu bedarf es der Feststellung, dass bei summarischer Prüfung der Ausgang des Verfahrens als zumindest offen erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007, NVwZ-RR 2007, 361; SächsOVG, Beschl. v. 25.8.2006 - NC 2 E 27/06 - abrufbar unter: www.justiz.sachsen.de/ovgentsch).

So liegt es hier aber nicht. Der Eilantrag des Antragstellers, mit dem er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen das sofort vollziehbare Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erreichen will, hatte zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs keine Aussicht auf Erfolg.

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat in seiner Entscheidung zu Recht festgestellt, dass das von dem Antragsgegner ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte formell und materiell rechtmäßig ist.

Das Verbot findet seine Rechtsgrundlage in § 39 BeamtStG i. V. m. § 149 Abs. 1 Satz 1 SächsBG. Danach kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde, bei Gefahr in Verzug auch jeder Dienstvorgesetzte, dem Polizeibeamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte, das Tragen der Dienstkleidung und Ausrüstung, den Aufenthalt in Dienst- oder Unterkunftsräumen der Polizei und die Führung dienstlicher Ausweise und Abzeichen verbieten.

Die Vollzugsanordnung enthält eine auf den konkreten Fall abstellende Begründung und genügt somit den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Soweit der Antragsteller seine fehlende Anhörung zum Verbot rügt, begründet dies keinen Verfahrensfehler. Nach § 149 Abs. 2 SächsBG ist der Polizeibeamte, wenn möglich, vor Erlass des Verbotes zu hören. Hier war aber eine sofortige Entscheidung geboten. Eine vorherige Anhörung ist "nicht möglich", wenn sie ohne Gefährdung des mit dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte verbundenen Ziels nicht durchgeführt werden kann; dies kann auf der Eilbedürftigkeit der Entscheidung beruhen, aber auch in der Person oder im Verhalten des Beamten begründet sein (Woydera/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Sachsen, § 77 SächsBG Nr. 6 Buchst. b zum inhaltsgleichen § 77 Abs. 2 SächsBG). Hier wäre bei der Anhörung des Beamten auch bei einer kurzen Äußerungsfrist das mit dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte verbundene Ziel zumindest teilweise gefährdet worden. Dem Beamten liegt zur Last, sich durch falsche Angaben zu einem außerdienstlichen Verkehrsunfall Versicherungsleistungen, auf die er keinen Anspruch hat, verschaffen zu wollen. In diesem Zusammenhang wird dem Beamten auch die Manipulation von polizeilichen Unfallmeldungen vorgeworfen. Ein Ziel des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte lag mithin auch darin, zu verhindern, dass der Beamte Beweismittel unterdrückt oder vernichtet oder weitere Manipulationen polizeilicher Vorgänge vornimmt. Die Vertreter des Antragsgegners sind deshalb zutreffend von einer Gefahr im Verzug ausgegangen.

Es lagen auch zwingende dienstliche Gründe für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vor. Es besteht der auf konkreten Anhaltspunkten beruhende Verdacht, dass der disziplinarisch vorbelastete Antragsteller eine vorsätzliche Straftat (Urkundenfälschung und versuchter Betrug zulasten seiner Versicherung) begangen hat.

Soweit der Antragsteller rügt, dass Verwaltungsgericht gehe von einer falschen Sachverhaltsdarstellung aus, so geht diese Einwendung fehl. Der Beamte hat seiner Versicherung eine Bescheinigung über einen Verkehrsunfall mit Wild vom 1.5.2009 vorgelegt, in der als Sachbearbeiter Polizeihauptmeister ........ genannt ist und die mit einem Schriftzug unterzeichnet ist. Polizeihauptmeister ........ gab indes an, am 1.5.2009 nicht im Dienst gewesen zu sein und einen Wildunfall auch schon länger nicht mehr aufgenommen zu haben. Eine Recherche in der Tätigkeitsregistrierung führte zu dem Ergebnis, dass zuständiger Sachbearbeiter für den Vorgang nicht Polizeihauptmeister ........, sondern der Antragsteller ist. Die Vorgangsnummer wurde zudem erst am 5.5.2009 um 12.51 Uhr vergeben. Sie betrifft die Registrierung einer Streifentätigkeit und keinen Unfall. Die vorgelegte Bescheinigung steht darüber hinaus auch im Widerspruch zum Vortrag des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren, er habe zunächst auf die Einschaltung der Polizei verzichtet. Allein dies begründet den Verdacht, dass der Antragsteller diese Bescheinigung selbst ausgestellt oder manipuliert hat, um Versicherungsleistungen zu erhalten. Auch bei der zweiten vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigung liegt der Verdacht einer Fälschung nahe. Der Vortrag des Antragstellers, am 1.5.2009 habe ein ihm unbekannter Jagdberechtigter mit dem Namen ...... eine Bescheinigung über den Verkehrsunfall mit Wild ausgestellt, ist nicht glaubhaft. So ist die Bescheinigung nicht auf dem üblichen Formblatt für Wildunfälle erteilt, sondern auf einem polizeilichen Formblatt. Das Schriftbild entspricht dem auf der angeblich von Polizeihauptmeister ........ erstellten polizeilichen Bescheinigung. Auch dass weder der volle Namen noch die Anschrift des Jagdberechtigten angegeben ist, ist auffällig.

Hinzu kommt, dass das von der Versicherung des Antragstellers erstellte Gutachten vom 6.5.2009, das auf einer Besichtigung vom 4.5.2009 basiert, zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Besichtigung keine Spuren eines Wildunfalls, wie Haare, Blut, Sekrete festgestellt werden konnten. Die Feststellung des Gutachtens steht in Übereinstimmung mit den in der Anlage dem Gutachten beigefügten Lichtbildern. Soweit ein vom Antragsteller in Auftrag gegebenes Gutachten der DEKRA vom 16.7.2009 zu dem Ergebnis gelangt, dass zwei Wildhaare an dem Fahrzeug vorgefunden werden konnten, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Bei einem derartig massiven Unfall, wie er auf den Fotos zu erkennen ist, müssten bei einer Unfallbeteiligung eines Wildschweins mehr als zwei Haare zu finden sein.

Das vorläufige Verbot der Führung der Dienstgeschäfte war auch nicht unverhältnismäßig. Nach der Rechtsprechung sowohl des Disziplinarsenats als auch des erkennenden Senats sind bei Lebenszeitbeamten dann, wenn im Hauptsacheverfahren voraussichtlich auf die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird, an die Interessenabwägung und ihre Darstellung in der die vorläufige Dienstenthebung anordnenden Verfügung grundsätzlich keine übermäßigen Anforderungen zu stellen (SächsOVG, Beschl. v. 22.12.2008, SächsVBl. 2009, 69; Beschl. v. 8.10.2009 - 2 B 423/09 -). Kommt im Hinblick auf Art und Schwere des Dienstvergehens voraussichtlich die Entfernung des Beamten aus dem Dienst in Betracht, so rechtfertigen es die zu befürchtende Störung der dienstlichen Interessen und die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes regelmäßig, die Suspendierung anzuordnen und auf diesem Weg den Zeitpunkt der Unterbindung der Amtsausübung gleichsam vorzuverlagern. Denn die Weiterbeschäftigung eines Beamten, dem nach dem Stand der gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen das berufserforderliche Vertrauen nicht mehr länger entgegengebracht werden kann, ist dem Dienstherrn in der Regel bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht mehr zuzumuten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Entfernung des Beamten aus dem Dienst erkennbar nicht zu erwarten ist oder wenn zwar eine Verhängung der Höchstmaßnahme voraussichtlich in Betracht kommt, besondere Umstände des Falls es jedoch gebieten, auf die sich gegenüberstehenden Rechte und Interessen näher einzugehen (SächsOVG, Beschl. v. 15.12.2006 - D 6 B 621/06 - sowie Beschl. v. 22.12.2008 u. v. 8.10.2009 a. a. O.).

Die Entfernung aus dem Dienst ist auszusprechen, wenn sich aufgrund der Gesamtwürdigung ergibt, dass es dem Dienstherrn nicht mehr zuzumuten ist, das Beamtenverhältnis fortzusetzen. Entscheidendes Gewicht kommt bei der gebotenen Einzelfallprüfung den spezifischen Amtspflichten zu, die dem Beamten obliegen (SächsOVG, Urt. v. 6.7.2004, LKV 2005, 225 m. w. N.). Ein Beamter, der durch die Begehung einer vorsätzlichen Straftat gerade das tut, was zu verhindern oder wenigstens anzuzeigen zu den spezifischen Aufgaben seines Amtes gehört, ist bei Fehlen von Milderungsgründen im Regelfall aus dem Dienst zu entfernen. Unter Berücksichtigung der den in § 152 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 5.4.2005 (SächsGVBl. S. 72) näher aufgeführten Polizeivollzugsbeamten mit der Funktion von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zukommenden spezifischen Amtspflichten (§§ 1, 3 SächsPolG, § 163 StPO) entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Disziplinarsenats, dass vorsätzliche Straftaten von Polizeivollzugsbeamten wegen des damit verbundenen Vertrauensverlustes und Ansehensschadens im Regelfall zur Entfernung aus dem Dienst führen, sofern keine Milderungsgründe oder andere entlastende Umstände von vergleichbarem Gewicht vorliegen. Solche sind hier nicht erkennbar.

Aus dem gleichen Grund sind Ermessensfehler nicht erkennbar. Zwar verhält sich der Bescheid nicht ausdrücklich zur Ermessensausübung. Es wird aber eine ausführliche Interessenabwägung durchgeführt. Kommt diese Abwägung zu dem Ergebnis, dass eine auch vorübergehende weitere Dienstausübung der Allgemeinheit und dem Antragsgegner nicht zuzumuten ist, ist die vorläufige Diensterhebung in der Regel ermessensfehlerfrei. Es bedarf dann auch keiner zusätzlichen Ausführungen, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, auf die dann besonders einzugehen ist. Solche Umstände sind hier aber weder dargetan noch sonst erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten werden nach § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil hier eine Festgebühr nach § 3 GKG i. V. m. Nummer 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) in Höhe von 50,00 € erhoben wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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