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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2009
Aktenzeichen: 3 D 91/09
Rechtsgebiete: SächsPolG
Vorschriften:
SächsPolG § 25 Abs. 1 | |
SächsPolG § 25 Abs. 2 Nr. 1 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 3 D 91/09
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Betretens oder Durchsuchung einer Wohnung
hier: sofortige Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe
hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Düvelshaupt
am 31. Juli 2009
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 20. Mai 2009 - 6 K 314/09 - geändert. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt , ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten hat Erfolg, da sie die Kosten der Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann und die Erfolgsaussichten ihrer Klage wegen einer im Prozesskostenhilfeverfahren nicht "durchzuentscheidenden" Tatsachenfrage als offen und damit als hinreichend im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO anzusehen sind.
Prozesskostenhilfe soll das Gebot der Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG) verwirklichen, indem Bemittelte und Unbemittelte in den Chancen ihrer Rechtsverfolgung gleichgestellt werden. Da das Bewilligungsverfahren den grundsätzlich gebotenen Rechtsschutz nicht selbst bietet, sondern erst zugänglich macht, dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Insbesondere darf das Bewilligungsverfahren nicht dazu benutzt werden, die Klärung streitiger Fragen im Hauptsacheverfahren zu verhindern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2003, NVwZ 2004, 334 m. w. N.).
Gemessen daran hat die Klage, mit der die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Betretens ihrer Wohnung durch Polizeibeamte am 13.6.2008 begehrt, hinreichende Erfolgsaussicht. Es bedarf zwar entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Klärung im Hauptsacheverfahren, ob es sich bei der streitigen Maßnahme um eine polizeiliche Durchsuchung der Wohnung im Sinne von § 25 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c SächsPolG handelte. Kennzeichnend für eine Durchsuchung ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeführt hat - das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts; es soll etwas aufgespürt werden, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht herausgeben oder offenlegen will. Zum verfassungsrechtlichen Begriff der Durchsuchung gehört also, dass der Wohnungsinhaber den Sachverhalt, um dessen Ermittlung es sich handelt, "geheimhalten möchte" (BVerfG, Beschl. v. 5.5.1987, BVerfGE 75, 318). Darum ging es hier nicht. Anlass für die polizeilichen Ermittlungen war das Ersuchen des Jugendamtes vom 13.6.2008, wonach der Gesundheitszustand der Klägerin aus dessen Sicht "große Besorgnis" zulasse und die Vermutung bestehe, dass sie gesundheitlich nicht unversehrt sei, da sie keinerlei Kontakt aufnehme und auf Telefonate nicht reagiere. In dem polizeilichen Bericht vom 2.4.2009 heißt es ferner, dass eine Frau , mit der keine Rücksprache mehr möglich gewesen sei, "verdächtige Geräusche" in der Wohnung der Klägerin mitgeteilt habe, weswegen man davon ausgegangen sei, dass die Klägerin sich in hilflosem Zustand in der Wohnung befunden habe. Vor diesem Hintergrund ist das Betreten der Wohnung nicht als Durchsuchung im Sinne von § 25 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c SächsPolG zu qualifizieren. Diese Vorschrift, nach der die Polizei eine Wohnung nur durchsuchen kann, wenn Tatsachen, die Annahme rechtfertigen, dass sich eine Person in der Wohnung befindet, die infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet ist, betrifft nach dem oben Ausgeführten nur Fälle, in denen eine derartige Person in der Wohnung verborgen gehalten wird oder sich verborgen hält, um behördlichen Schutzmaßnahmen zu entgehen. Vermutet die Polizei den Wohnungsinhaber - wie hier - in einer hilflosen Lage, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es um die Geheimhaltung eines Sachverhalts geht, so liegt ein bloßes Betreten vor. Dieses darf nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG ohne Einwilligung des Wohnungsinhabers nur erfolgen, wenn es zum Schutz eines einzelnen gegen dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Im Hauptsacheverfahren wird daher zu klären sein, ob die der Maßnahme zugrunde liegende Gefahrenprognose tragfähig war, ob also die zuvor ermittelten Umstände die Annahme einer Gefahr für Leib oder Leben der Klägerin rechtfertigten. Hierbei wird auch zu berücksichtigen sein, dass offenbar nur eine gute Stunde nach dem Betreten der Wohnung aufgrund einer Rücksprache mit der Vormundschaftsrichterin nicht mehr von einer Gefahr für die Klägerin ausgegangen wurde, obgleich deren Aufenthalt weiterhin unbekannt war (vgl. Bl. 7 der Verwaltungsakte).
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. In Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe werden Gerichtskosten nicht erhoben und Kosten des Gegners nicht erstattet (§ 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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