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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 4 BS 221/03
Rechtsgebiete: ZAppO
Vorschriften:
ZAppO § 13 Abs. 1 | |
ZAppO § 13 Abs. 2 | |
ZAppO § 28 Abs. 1 | |
ZAppO § 31 Abs. 1 | |
ZAppO § 61 Abs. 3 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 4 BS 221/03
In der Verwaltungsrechtssache
wegen zahnärztlicher Vorprüfung im Fach Zahnersatzkunde (Antrag nach § 123 VwGO)
hier: Beschwerde
hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heitz als Vorsitzenden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Rottmann und den Richter am Verwaltungsgericht Voigt
am 14. Oktober 2003
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 27. Juni 2003 - 5 K 2090/03 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin kann keinen Erfolg haben. Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf deren Nachprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt hat.
Mit der Beschwerdebegründung wendet sich die Antragstellerin im Wesentlichen gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Bewertung der Leistungen der Antragstellerin im mündlichen Teil der Wiederholungsprüfung im Fach Zahnersatzkunde am 11.3.2003 mit der Note "mangelhaft" sei in einem rechtsfehlerfreien Verfahren erfolgt. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt: Aus den Regelungen in § 13 Abs. 1 und 2 der Approbationsordnung für Zahnärzte i.d.F.v. 10.11.1999 - ZAppO - (BGBl. I S. 2162, 2175) über die Notenvergabe für die einzelnen Prüfungen und in § 31 Abs. 1 ZAppO über die Ermittlung des Prüfungsergebnisses gehe hervor, dass die einzelnen Prüfungen und Prüfungsteile der zahnärztlichen Vorprüfung von jeweils einem Prüfer abzunehmen seien. Dementsprechend sei von den vier Personen, die neben den drei Prüfungsteilnehmerinnen bei der Prüfung vom 11.3.2003 anwesend gewesen seien, lediglich Frau Dr. W. als Prüferin eingesetzt gewesen. Die Zahnärztin Dr. M. sei damit beauftragt gewesen, das Prüfungsprotokoll zu führen. Prof. O. sei in seiner Eigenschaft als Stellvertreter des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses anwesend gewesen, um der in § 28 Abs. 1 Satz 2 ZAppO festgelegten Teilnahmepflicht für Wiederholungsprüfungen in Zahnersatzkunde zu genügen. Dr. P. sei gemäß § 7 ZAppO vom zuständigen Landesprüfungsamt für akademische Heilberufe entsandt worden. Die Prüfung sei ausschließlich von der Prüferin Dr. W. durchgeführt worden. Diese habe auch die Bewertung der Prüfungsleistungen eigenverantwortlich vorgenommen. Eine Einflussnahme von einer der drei anderen Personen auf die Bewertungsentscheidungen sei nicht glaubhaft gemacht worden. Diese hätten zwar die Zeit zwischen Prüfungsende und Bekanntgabe der Ergebnisse zusammen mit der Prüferin im Prüfungsraum verbracht, während die drei Prüfungsteilnehmerinnen in einem anderen Raum gewartet hätten. Auch ergebe sich aus den eidesstattlichen Versicherungen der Prüferin und des Stellvertreters des Ausschussvorsitzenden, dass dieser auf Nachfrage der Prüferin der Bewertung der Prüfungsleistung der Antragstellerin mit Note "mangelhaft" zugestimmt habe. Diese Zustimmung stelle jedoch noch keine Beeinflussung der Prüferin dar, die zur Rechtswidrigkeit der Bewertungsentscheidung führe. Hierfür wäre Voraussetzung gewesen, dass es zu einer Diskussion über das Bewertungsergebnis gekommen oder dieses von der Prüferin aufgrund von Einwendungen geändert worden wäre.
Demgegenüber macht die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung geltend, die Bewertung der Prüfungsleistung der Antragstellerin sei rechtswidrig, weil davon auszugehen sei, dass das Bewertungsergebnis nicht eigenverantwortlich von der allein zuständigen Prüferin festgelegt, sondern aufgrund einer Beratung der Prüferin mit den drei anderen Personen zu Stande gekommen sei. Dass eine Beratung stattgefunden habe, müsse aus dem gemeinsamen Aufenthalt der Prüferin und der anderen Personen im Prüfungsraum bis zur Bekanntgabe der Bewertungsergebnisse geschlossen werden. Der vorliegend festgestellte Sachverhalt sei rechtlich so zu würdigen, als wenn an der Beratung eines aus mehreren Personen bestehenden Prüfergremiums eine weitere, nicht als Prüfer eingesetzte Person teilgenommen hätte. Jedenfalls müsse für die Annahme einer unzulässigen Einflussnahme auf die Prüferin genügen, dass der Stellvertreter des Ausschussvorsitzenden dem von der Prüferin gefundenen Bewertungsergebnis zugestimmt habe.
Nach allgemeiner Auffassung setzt die Rechtmäßigkeit der Bewertung von Prüfungsleistungen u.a. voraus, dass der Prüfer aufgrund einer persönlichen, unmittelbaren und vollständigen Kenntnisnahme der Prüfungsleistung eine selbständige, eigenverantwortliche, nur seinem Wissen und Gewissen verpflichtete Bewertungsentscheidung trifft (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, NJW 2003, 1063 m.w.N.). Diese Anforderung folgt aus der Eigenart der Bewertungstätigkeit, die vorrangig darin besteht, die vielfältigen Merkmale, aus denen sich eine Prüfungsleistung zusammensetzt, in ein komplexes Bezugssystem einzuordnen, das maßgeblich von den persönlichen Erfahrungen, Einschätzungen und Vorstellungen des Prüfers gebildet wird. Soweit es nicht um sachliche Richtigkeitsentscheidungen, sondern um prüfungsspezifische Wertungen geht, verbleibt dem Prüfer ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Bewertungsspielraum (BVerfG, Kammerbeschluss v. 16.1.1995, DVBl. 1995, 1349 m.w.N.).
Dies bedeutet für Prüfungen, die - wie im vorliegenden Fall - von nur einem Prüfer abgenommen werden, dass dieser sich die Verantwortung für die Bewertungsentscheidung nicht von anderen Personen abnehmen lassen oder ihnen mitentscheidenden Einfluss einräumen darf. Gerade der sog. Einzelprüfer muss sich hinsichtlich jedes einzelnen Aspekts der Prüfungsleistung ein eigenes Urteil bilden. Mit einer rechtmäßigen Wahrnehmung der ihm übertragenen Bewertungstätigkeit lässt sich nicht vereinbaren, dass ein Einzelprüfer fachliche Richtigkeitsurteile oder prüfungsspezifische Wertungen Dritter seiner Bewertungsentscheidung als für sich verbindlich zugrunde legt - etwa weil er dem Dritten überlegene Sachkunde oder überlegene Prüfungserfahrung zubilligt oder dessen Drängen nachgibt.
Die Verpflichtung des Einzelprüfers zur eigenverantwortlichen Leistungsbewertung erfordert aber nicht, den Prüfer bei seiner Bewertungstätigkeit von allen Einflüssen abzuschotten, die geeignet sein können, seine Entscheidungen zu beeinflussen. Derartige Einflüsse werden sich insbesondere bei der Bewertung von schriftlichen Prüfungsleistungen schon deshalb nicht vermeiden lassen, weil dem Prüfer nicht vorgeschrieben wird, wo und wann er seiner Bewertungstätigkeit nachgeht. Die Möglichkeit von Einflüssen auf die Bewertungstätigkeit kann hingenommen werden, weil grundsätzlich von einem Bild des Prüfers auszugehen ist, der zu einer selbständigen, eigenverantwortlichen Bewertung fähig und bereit ist. Demzufolge zieht die Beeinflussung der Bewertungstätigkeit nur dann die Rechtswidrigkeit der Bewertungsentscheidung nach sich, wenn im Einzelfall aufgrund bestimmter tatsächlicher Umstände bei verständiger Betrachtungsweise der Schluss nahe liegt, dass ein Prüfer mit dem gebotenen Pflichtbewusstsein daran gehindert ist, frei und unvoreingenommen zu entscheiden (BVerwG, Urt. 10.10.2002, aaO). Dazu steht die Rechtsauffassung nicht in Widerspruch, dass die Teilnahme eines nicht als Prüfer eingesetzten Dritten an der Beratung eines Prüfergremiums über Leistungsbewertungen ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit des Bewertungsverfahrens und damit der Bewertungsentscheidungen führt. Denn diese Rechtsauffassung beruht auf der Erwägung, dass das Verhalten des Dritten während der Beratung aufgrund des Beratungsgeheimnisses nicht aufgeklärt werden kann.
Daher kann grundsätzlich angenommen werden, dass ein Einzelprüfer Bemerkungen Dritter in bezug auf die Prüfungsleistung als unverbindliche Ratschläge oder Hinweise begreift, die er seiner Bewertungsentscheidung nicht zugrunde legen darf, ohne sie eigenverantwortlich überdacht und überprüft zu haben. Eine solche Annahme ist aber nicht mehr gerechtfertigt, wenn sich aufgrund der tatsächlichen Umstände für einen verständigen Betrachter der Schluss aufdrängt, dass der Einzelprüfer Bemerkungen Dritter als für sich verbindlich angesehen hat. In diesen Fällen obliegt der Prüfungsbehörde der Nachweis, d.h. in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Glaubhaftmachung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 294 ZPO, dass der Prüfer die Leistungsbewertung - entgegen dem äußeren Anschein - in jeder Hinsicht eigenverantwortlich vorgenommen hat. Zweifel führen zur Rechtswidrigkeit der Bewertungsentscheidung.
Im vorliegenden Fall spricht der äußere Anschein dafür, dass die Prüferin Dr. W. ihre alleinige Verantwortung für die Bewertung der Prüfungsleistung der Antragstellerin nicht eigenständig, sondern im Zusammenwirken mit Dritten hat wahrnehmen wollen. Hierfür spricht, dass sich die Prüferin während des gesamten Zeitraums vom Prüfungsende bis zur Bekanntgabe der Bewertungsentscheidungen mit dem Stellvertreter des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, dem Vertreter der Prüfungsbehörde und der Protokollführerin im Prüfungsraum aufgehalten hat. Jedenfalls der Stellvertreter des Ausschussvorsitzenden und die Protokollführerin verfügen über die Sachkunde, die für eine Mitwirkung an der Bewertungsentscheidung erforderlich gewesen ist.
Allerdings hat der Antragsgegner den äußeren Anschein im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entkräftet. Der Antragsgegner hat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 294 ZPO glaubhaft gemacht, dass die anderen Personen, die während der Entscheidungsfindung der Prüferin anwesend gewesen sind, an diesem Vorgang nicht mitgewirkt haben. Aus den eidesstattlichen Versicherungen der Prüferin Dr. W. und von Prof. Dr. O. ergibt sich, dass die anderen Anwesenden keine fachlichen oder prüfungsspezifischen Wertungen abgegeben haben, die Prüferin die Bewertungsergebnisse vielmehr ohne Mitwirkung Dritter ermittelt hat. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass in der nachträglichen Zustimmung des Stellvertreters des Ausschussvorsitzenden zu dem bereits feststehenden Bewertungsergebnis für die Antragstellerin keine verbindliche Mitsprache im Bewertungsvorgang gesehen werden kann. Legt man die eidesstattlichen Versicherungen zugrunde, so ist der Prozess der eigenständigen Entscheidungsfindung der Prüferin zum Zeitpunkt der Zustimmung des Stellvertreters des Ausschussvorsitzenden bereits abgeschlossen gewesen. Dessen Äußerung hat gerade nicht dazu geführt, dass die getroffene Bewertungsentscheidung in Frage gestellt worden ist.
Allerdings sieht der Senat Veranlassung zu dem Hinweis, dass die vom Antragsgegner vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen zwar geeignet sind, die Eigenverantwortlichkeit der Bewertungsentscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren glaubhaft zu machen. Sie reichen aber nicht aus, um im Hauptsacheverfahren den erforderlichen Beweis zu erbringen. Hierfür erscheint die Zeugenvernehmung der Prüferin und der anderen im Prüfungsraum anwesenden Personen über die Umstände des gemeinsamen Aufenthalts angezeigt zu sein.
Zu dem weiteren Beschwerdevorbringen ist zu bemerken: Soweit die Antragstellerin den Einsatz von nur einem Prüfer im Hinblick auf § 23 Abs. 7 Satz 1 SächsHG in Frage stellt, geht dieser Verweis fehl, weil die gesetzliche Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für Prüfungen gilt, die von einer Hochschule durchgeführt werden (sog. Hochschulprüfungen). Bei der zahnärztlichen Vorprüfung handelt es sich jedoch um eine Prüfung, die von einer staatlichen Behörde, nämlich von dem Landesprüfungsamt für akademische Heilberufe durchgeführt wird (sog. staatliche Prüfung). Im Übrigen weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass gemäß § 23 Abs. 7 Satz 2 SächsHG der Einsatz von Einzelprüfern bei mündlichen Prüfungen in Gegenwart eines sachkundigen Beisitzers zugelassen ist. Der Senat hat bereits in dem Beschluss vom 30.4.2003 - 4 BS 40/03 - (SächsVBl. 2003, 242-244) auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hingewiesen, wonach ein Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass gewichtige prüfungsrechtliche Entscheidungen von mehreren Personen getroffen werden müssen, weder aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, noch aus dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG hergeleitet werden kann (BVerwG, Beschl. v. 13.4.1983, Buchholz 421.0 Nr. 173 zur Bewertung von Leistungen in der zahnärztlichen Vorprüfung durch Einzelprüfer).
Die Ausführungen zu der Bestehensregelung gemäß § 61 Abs. 3 Sätze 1 und 5 ZAppO und zu den unterschiedlichen Zeitanteilen, die für die Teilnehmerinnen an der mündlichen Prüfung vom 11.3.2003 aufgewandt worden sind, genügen den Darlegungsanforderungen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO offensichtlich nicht. Denn diese Gesichtspunkte werden in der Beschwerdebegründung lediglich erwähnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die berufsbezogene Prüfungen betreffen, ein Streitwert von 4.000,00 € festzusetzen, wenn eine - wenn auch nur vorläufige - Vorwegnahme der Hauptsache angestrebt wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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