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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.05.2008
Aktenzeichen: 4 BS 441/07
Rechtsgebiete: VwGO, BBergG, SächsGemO
Vorschriften:
VwGO § 42 Abs. 2 | |
VwGO § 123 | |
VwGO § 123 Abs. 1 Satz 1 | |
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1 | |
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6 | |
BBergG § 78 | |
BBergG § 79 Abs. 2 | |
BBergG § 79 Abs. 2 Nr. 1 | |
BBergG §§ 84 ff. | |
SächsGemO § 2 Abs. 2 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 4 BS 441/07
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Unterlassung; Antrag nach § 123 VwGO
hier: Beschwerde
hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein
am 9. Mai 2008
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragssteller gegen den Beschuss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26.11.2007 - 4 K 2051/07 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts über die Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Die Antragsteller sind Bürger der Antragsgegnerin und Eigentümer von Grundstücken, die von der Umsetzung des Braunkohleplans Tagebau Nochten betroffen sind. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, mit dem Bergbauunternehmen, der Vattenfall Europe Mining AG (VEM), einen Grundlagenvertrag zur Umsiedlung der betroffenen Personen zu schließen, der auch Regelungen zur Entschädigung von Umsiedlern enthalten soll, ohne zuvor deren Zustimmung einzuholen. Die Antragsteller sind der Auffassung, dass ein solcher Vertrag ihre Rechte verletzen würde und beantragten den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher der Antragsgegnerin der Abschluss des angesprochenen Grundlagenvertrags und hierauf gerichtete Maßnahmen untersagt werden. Zur Begründung des ablehnenden Beschlusses führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, den Antragstellern fehle die Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Eingriffe in - durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Rechtspositionen der Antragsteller - seien nicht denkbar. Der angestrebte Vertrag zwischen der Antragsgegnerin mit VEM würde den Antragstellern nicht das Recht nehmen, eigenständige Verhandlungen über die Entschädigung mit VEM zu führen. Rechte der Antragsteller aus ihrer Stellung als Gemeindeeinwohner könnten durch den Abschluss eines solchen Vertrags auch dann nicht verletzt werden, wenn die Antragsgegnerin hierfür nicht zuständig wäre.
2. Die von den Antragsstellern innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zur Änderung des angefochtenen Beschlusses keine Veranlassung. Dabei kann der Senat offen lassen, ob das Verwaltungsgericht die Antragsbefugnis der Antragsteller für die begehrte Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zutreffend verneint hat (sh. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 123 Rn. 20). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Denn die Antragsteller haben mit ihrem Vorbringen und den von Ihnen vorgelegten Unterlagen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 294 ZPO). Es ist nicht erkennbar, dass der Abschluss des in Rede stehenden Grundlagenvertrags oder hierauf bezogene Maßnahmen und Verhandlungen der Antragsgegnerin die Verwirklichung eigener Rechte der Antragsteller vereiteln oder wesentlich erschweren könnte.
Soweit die Antragsteller der Auffassung sind, der Abschluss des Grundlagenvertrags würde das ihnen nach dem BBergG zustehende Recht auf eigene Verhandlungen mit VEM verletzen, kann ihnen der Senat nicht folgen. Nach § 79 Abs. 2 Nr. 1 BBergG setzt die Zulässigkeit der Grundabtretung voraus, dass der Grundabtretungsbegünstigte sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, insbesondere, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, unter Angebot geeigneter anderer Grundstücke aus dem eigenen Vermögen, vergeblich bemüht hat. Daraus ergibt sich, dass der Grundabtretungsbegünstigte zur Vermeidung eines Grundabtretungsverfahrens zunächst versuchen muss, sich mit dem Grundabtretungsverpflichteten einvernehmlich zu einigen. Insofern vermittelt die Vorschrift dem Grundabtretungsverpflichteten ein Beteiligungsrecht, das ihm ermöglicht, seine Vorstellungen von einer einvernehmlichen Lösung zur Geltung zu bringen. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass dieses Recht durch die von der Antragstellerin in Aussicht genommenen Vorgehensweise berührt wird. Auch wenn der angestrebte Grundlagenvertrag Entschädigungsregelungen enthalten sollte, wird den Antragstellern die Möglichkeit, ihre Vorstellungen für eine einvernehmliche Lösung im Sinne des § 79 Abs. 2 BBergG geltend zu machen, nicht genommen.
Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, dass der Abschluss des in Rede stehenden Grundlagenvertrags zur Verletzung ihrer Rechtspositionen aus Art. 14 Abs. 1 GG führe. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Antragsteller durch den Abschluss des angestrebten Grundlagenvertrages zwischen der Antragsgegnerin und VEM ihrer Entschädigungsansprüche nach §§ 84 ff. BBergG verlustig gingen. Ansprüche der Antragsteller als Grundabtretungsverpflichtete nach §§ 84 ff. BBergG setzen voraus, dass eine Grundabtretung im Sinne des § 78 BBergG tatsächlich erfolgt. Kommt eine einvernehmliche Lösung im Sinne des § 79 Abs. 2 Nr. 1 BBergG auf individueller Grundlage oder nach Maßgabe der Bedingungen des angestrebten Grundlagenvertrags nicht zustande, kann VEM Eigentum an den betroffenen Grundstücken im Wege einer Grundabtretung erwerben, welche Entschädigungsansprüche nach §§ 84 ff. BBergG zur Folge hat. Umfang und Reichweite dieser gesetzlichen Entschädigungsansprüche können durch den angestrebten Grundlagenvertrag zwischen der Antragsgegnerin und VEM nicht zum Nachteil der Antragsteller modifiziert werden.
Soweit die Antragsteller geltend machen, dass der Abschluss des angestrebten Grundlagenvertrags und hierauf gerichtete Maßnahmen nicht in die Zuständigkeit der Gemeinde nach Art. 84 SächsVerf bzw. § 2 Abs. 2 SächsGemO falle und deshalb ihre Rechte als Einwohner oder Bürger verletzen würde, kann ihr Vorbringen der Beschwerde auch nicht zum Erfolg verhelfen. Dabei kann der Senat die Frage offen lassen, ob die Antragsgegnerin für die in Rede stehenden Maßnahmen tatsächlich zuständig ist. Denn Zuständigkeitsüberschreitungen einer Gemeinde berühren - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - für sich genommen Freiheitsrechte von Einwohnern und Bürgern nicht (BVerwG, Urt. v. 19.9.2000, 1 C 29/99, zit. nach juris).
Fragen zur Wirksamkeit des angestrebten Grundlagenvertrags stellen sich hier nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an der Festsetzung durch das Verwaltungsgericht, gegen die die Beteiligten keine Einwendungen vorgebracht haben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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