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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.08.2003
Aktenzeichen: 1 W 183/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GWB, VgV


Vorschriften:

ZPO §§ 567 ff.
ZPO § 568
ZPO § 704 Abs. 1
ZPO § 708
ZPO § 709
ZPO § 793
ZPO § 890 Abs. 1
ZPO § 890 Abs. 2
BGB § 194 Abs. 1
GWB § 97
GWB § 100
VgV § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

1 W 183/03

In Sachen

wegen Unterlassung einer Nachweisauflage an die Klägerin in Vergabeverfahren

(hier: sofortige Beschwerde gegen die Androhung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 ZPO)

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Theis als Einzelrichter gemäß § 568 ZPO

am 25. August 2003

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den die Verhängung von Ordnungsmitteln androhenden Beschluss der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Saarbrücken vom 1. Juli 2003 - Az.: 7 III O 27/01 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Schuldnerin zur Last.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 1. Juli 2003 ist gemäß §§ 793, 567 ff. ZPO zulässig, da es sich bei der beanstandeten Ordnungsmittelandrohung um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung handelt und diese durch gesonderten Beschluss nach § 890 Abs. 2 ZPO außerhalb der Hauptsacheentscheidung erfolgte (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 23. Aufl., Rdnr. 28 zu § 890 ZPO; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., Rdnr. 40 zu § 890 ZPO).

Dem Rechtsmittel muss jedoch in der Sache der Erfolg versagt bleiben, da das Landgericht der Schuldnerin zu Recht die Verhängung von Ordnungsmitteln für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer II des Urteils vom 30. Mai 2003 (Az.: 7 III 0 27/01) ausgeurteilte Unterlassungspflicht angedroht hat. Diese in dem angefochtenen Beschluss erfolgte Androhung von Ordnungsmitteln entspricht § 890 Abs. 2 ZPO, wonach einer zur Unterlassung bestimmter Handlungen verurteilten Schuldnerin auf Antrag der Gläubigerin Ordnungsmittel für den Fall der Zuwiderhandlung durch besonderen Beschluss anzudrohen sind, wenn das die Unterlassungspflicht aussprechende Urteil keine derartige Androhung enthält.

Die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen einer derartigen nachträglichen Ordnungsmittelandrohung sind im vorliegenden Fall zweifelsfrei gegeben:

Die Gläubigerin hat mit Schriftsatz vom 18. Juni 2003 ausdrücklich beantragt, der Schuldnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung nach Ziffer II des Urteils vom 30. Mai 2003 die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1, 2 ZPO anzudrohen.

Die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Urteil ist gemäß § 704 Abs. 1 ZPO zulässig, da dieses zugunsten der Gläubigerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.500 EUR für vorläufig vollstreckbar erklärt ist und die Gläubigerin ausweislich der Annahmeanordnung des Amtsgerichts Koblenz vom 23. Juni 2003 eine entsprechende Sicherheit geleistet hat. Die Schuldnerin räumt im Übrigen in ihrem Schriftsatz vom 27. Juni 2003 selbst ein, dass der Urteilsausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht auf den Zahlungsanspruch beschränkt ist, sondern sich auch auf die erfolgte Verurteilung der Schuldnerin zur Unterlassung bestimmter Nachweisauflagen bezieht.

Verfehlt ist es, wenn die Schuldnerin in diesem Zusammenhang argumentiert (Bl. 514 d.A.), eine Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs sei nicht möglich, weil das diesen zuerkennende Urteil vom 30. Mai 2003 noch nicht rechtskräftig sei. Gemäß § 704 Abs. 1 ZPO findet die Zwangsvollstreckung (auch) aus allen Endurteilen statt, die für vorläufig vollstreckbar erklärt sind, soweit die weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und der Urteilsausspruch seinem Gegenstand nach vollstreckungsfähig ist. Auch ist das Urteil vom 30. Mai 2003 in zutreffender Anwendung der §§ 708, 709 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Unterlassungsurteile sind von der Regelung der §§ 708, 709 ZPO nicht ausgenommen, sondern in gleicher Weise wie andere Leistungsurteile für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Schuldnerin kann weiterhin nicht mit Erfolg geltend machen, die unter Ziffer II des Urteils vom 30. Mai 2003 erfolgte Verurteilung sei deshalb nicht bzw. jedenfalls nicht vorläufig vollstreckbar, weil sie keinen Unterlassungsanspruch im eigentlichen Sinne zum Gegenstand habe, sondern der Sache nach einen Gestaltungsausspruch enthalte, der erst nach Eintritt der Rechtskraft zu beachten und einer Vollstreckbarkeit entzogen sei. Zwar ist eine Vollstreckung aus Rechtsgestaltungsurteilen nicht möglich und entfalten diese die intendierte rechtsgestaltende Wirkung erst mit Eintritt ihrer Rechtskraft (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., Rdnr. 9 vor § 300 ZPO; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., Vorbem. 5 vor § 253 ZPO). Die hier in Rede stehende Verurteilung der Schuldnerin stellt jedoch ihrem Wortlaut und Sinngehalt nach ein auf Unterlassung gerichtetes Leistungsurteil dar. das auf eine entsprechende Leistungsklage und nicht etwa auf eine Gestaltungsklage hin ergangen ist. Eine Gestaltungsklage ist dadurch gekennzeichnet, dass ihr anders als der Leistungsklage kein behaupteter Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB zu Grunde liegt und sie vielmehr darauf gerichtet ist, dass in Zukunft ein neuer Rechtszustand entsteht (Thomas-Putzo a.a.O., Vorbem. 5 vor § 253 ZPO; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 56. Aufl., Rdnr. 10 f. der Grundzüge vor § 253 ZPO). Entsprechend ist ein Gestaltungsurteil nicht rechtsbezeugend, sondern in dem Sinne rechtsbegründend, dass konstitutiv ein bisher nicht gegebener Rechtszustand geschaffen wird, der mit der formellen Rechtskraft eintritt (Thomas-Putzo a.a.O.). Der Ausspruch zu Ziffer II des Urteils erschöpft sich indessen in der Zuerkennung eines als bereits bestehend angenommenen Unterlassungsanspruchs und ist daher nichts anderes als ein auf entsprechende (Leistungs-)Klage hin ergangenes Leistungsurteil, das keine Merkmale eines Gestaltungsurteils aufweist und dessen vorläufige Vollstreckbarkeit daher keinen verfahrensrechtlichen Bedenken begegnen kann.

Das zu fordernde Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin hinsichtlich der von ihr beantragten Ordnungsmittelandrohung ist schon im Hinblick darauf zu bejahen, dass die Schuldnerin die Auffassung vertritt, der Unterlassungsausspruch des Urteils sei unzulässig und könne sie jedenfalls vor Eintritt der Rechtskraft nicht binden. Die angedrohten Ordnungsmittel entsprechen der Art und dem Umfang nach § 890 Abs. 1 ZPO.

Die übrigen von der Schuldnerin vorgetragenen Einwände sind im Verfahren nach § 890 Abs. 2 ZPO ohne Relevanz. Die Schuldnerin macht geltend, ihre in Rede stehende Verurteilung sei unzulässig, weil ihr nicht nur in Bezug auf die Gläubigerin, sondern allgemein vorgeschrieben werde, wie sie das Ausschreibungsverfahren zu gestalten habe. Auch sei der Unterlassungsanspruch zu weit gefasst, weil er nicht auf Ausschreibungen nach §§ 97, 100 GWB, 2 VgV beschränkt sei. Darüber hinaus werde die Schuldnerin zu einer Vergabepraxis angehalten, die die Gläubigerin privilegiere und Mitbewerber in einer Weise diskriminiere, die die Verpflichtungen zur Gleichbehandlung aller Bewerber im Ausschreibungsverfahren sowie zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verletze und deshalb unzulässig sei. Diese Einwände der Schuldnerin richten sich jedoch der Sache nach nicht gegen die Vollstreckbarkeit, sondern ausschließlich gegen die sachliche Richtigkeit und die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit des Urteils vom 30. Mai 2003. Beides ist im Verfahren nach § 890 Abs. 2 ZPO indessen ebenso wenig zu überprüfen wie das zum Urteil führende Verfahren. Einwände, mit denen das verfahrensfehlerhafte Zustandekommen eines Urteils oder dessen sachliche und/oder rechtliche Fehlerhaftigkeit geltend gemacht werden, sind lediglich mit dem hierfür vorgesehenen Rechtsmittel der Berufung verfolgbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891 Satz 3; 97 Abs. 1 ZPO.

Als Streitwert des Beschwerdeverfahrens ist in Anwendung des § 3 ZPO ein Betrag von 2.500 EUR in Ansatz zu bringen. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsausspruch des Urteils dürfte wohl die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in der Größenordnung von 5.000 EUR angezeigt erscheinen. Der Beschwerdewert des Androhungsbeschlusses erscheint mit 50 % dieses Betrages angemessen beziffert (vgl. Schneider, Streitwertkommentar, 9. Aufl., Rdnr. 3486; LAG Bremen LAGE BetrVG § 23 Nr. 29).

Ende der Entscheidung

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