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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 02.10.2003
Aktenzeichen: 6 UF 22/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 78 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 323
ZPO § 323 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 242 a.F.
BGB § 313
BGB § 1585 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Saarländisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 UF 22/03

Verkündet am 2.10.2003

In der Familiensache

wegen Abänderung eines Unterhaltstitels

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Jochum sowie die Richter am Oberlandesgericht Sittenauer und Neuerburg

auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das am 4. Februar 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken - 39 F 291/02 UE - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

I.

Der am 1946 geborene, 57 Jahre alte Kläger und die am 1948 geborene, 55 Jahre alte Beklagte haben am 27. April 1978 die - kinderlos gebliebene - Ehe geschlossen. Der Kläger hat am 29. September 1985 einen auf Dauer angelegten beruflich bedingten Auslandsaufenthalt in Peking angetreten. Seit diesem Zeitpunkt haben die Parteien getrennt gelebt.

Die Beklagte hat mit Eingang im Februar 1988 beim Amtsgericht - Familiengericht - in München - 871 F 568/88 - auf Ehescheidung angetragen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht vom 28. April 1988 - der Kläger war für eine Woche aus Peking angereist - haben die im Termin anwesenden und anwaltlich vertretenen Parteien auf der Grundlage einer privatschriftlichen Scheidungsvereinbarung vom gleichen Tage einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich geschlossen, worin der Kläger sich (Ziffer 1) zur Zahlung monatlichen "Ehegattenunterhalts" in Höhe von 1.200 DM - gekoppelt an den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Lebenshaltungsindex einer 4-Personen-Arbeitnehmerfamilie mit mittlerem Einkommen (Ziffer 2) - an die Beklagte verpflichtet hat. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Klägers hat zum damaligen Zeitpunkt rund 7.000 DM betragen. Die Beklagte hat bei einem Verlag monatlich 2.200 DM verdient. In Ziffer 3) haben die Parteien weiter folgendes vereinbart:

"Herr verzichtet auf jegliche Möglichkeit des Ausschlusses oder der Abänderung des Unterhaltsanspruches von Frau nach § 323 ZPO. Eine Ausnahme hiervon bildet lediglich die unter Ziff. 2 festgelegte Änderung nach dem Lebenshaltungskostenindex."

Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich abgetrennt und die Ehe durch Urteil vom gleichen Tage - 871 F 568/88 - rechtskräftig geschieden.

Der Kläger ist seit 1992 wieder verheiratet. Aus der Ehe ist eine derzeit etwa zehn Jahre alte Tochter hervorgegangen. Im Oktober 2001 ist er - nach rund 16 Jahren Auslandsaufenthalt in Peking - dauerhaft nach zurückgekehrt. Sein derzeitiges monatliches Nettoeinkommen gibt er mit 3.973 EUR an. Die Beklagte ist seit August 2002 nur noch halbtags berufstätig. Die monatliche Unterhaltszahlung des Klägers hat zuletzt (1.450 DM =) 741,37 EUR betragen.

Mit seiner am 14. Juni 2002 beim Amtsgericht - Familiengericht - in München eingegangenen, der Beklagten am 1. August 2002 zugestellten Klage hat der Kläger die Abänderung des Vergleiches dahin begehrt, dass er nicht mehr verpflichtet ist, der Beklagten Unterhalt zu bezahlen. Die Beklagte hat erstinstanzlich auf Klageabweisung angetragen.

Durch das angefochtene Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht - Familiengericht - in Saarbrücken, an das die Sache auf Antrag des Klägers mit Verfügung vom 16. Juli 2002 zuständigkeitshalber abgegeben worden ist, die Klage abgewiesen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren - mit der Maßgabe, dass die Abänderung ab Rechtshängigkeit begehrt wird - weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 517 ZPO) eingelegt, weil die Berufungsschrift am 12. März 2003 fristwahrend - das angefochtene Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nach dem bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnis am 12. Februar 2003 zugestellt worden - per Telefax beim Saarländischen Oberlandesgericht eingegangen ist. Die Postulationsfähigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers nach § 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO liegt ebenfalls vor.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Denn die - zulässige - Abänderungsklage ist nicht begründet.

Die Abänderung eines Prozessvergleiches erfolgt nicht nach Maßgabe des § 323 Abs. 1 ZPO, sondern nach § 313 BGB bzw. den aus § 242 BGB a.F. abgeleiteten Grundsätzen über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (BGH, FamRZ 2001, 1140, m.w.N.). Danach kann eine Anpassung verlangt werden, wenn sich die für den Vergleichsabschluss maßgeblichen Verhältnisse so wesentlich geändert haben, dass es der betreffenden Partei nach Treu und Glauben nicht länger zugemutet werden kann, an dem Vergleich festgehalten zu werden. Ob eine solche Änderung eingetreten ist, richtet sich nach dem Parteiwillen als dem Geltungsgrund des Vergleichs; ist in den danach maßgebenden Verhältnissen seit Abschluss des Vergleichs eine Änderung eingetreten, so muss die gebotene Anpassung der getroffenen Regelung an die veränderten Verhältnisse nach Möglichkeit unter Wahrung des Parteiwillens und der ihm entsprechenden Grundlagen erfolgen (BGH, a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist dem Kläger aber die Berufung auf den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage verwehrt, weil er - wie das Familiengericht in dem angefochtenen Urteil ausgehend vom eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung zu Recht und insoweit unangegriffen angenommen hat - auf sein Abänderungsrecht wegen geänderter Verhältnisse verzichtet hat.

Die gegen die Wirksamkeit dieser Vereinbarung gerichteten Berufungsangriffe können dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen. Die vertragliche Modifikation der Abänderbarkeit von Unterhaltsvereinbarungen - insbesondere wie hier zu Lasten des unterhaltspflichtigen Klägers - unterliegt in den vom allgemeinen Vertragsrecht und den besonderen familienrechtlichen Regelungen gezogenen Grenzen keinen grundsätzlichen rechtlichen Bedenken (BGH, FamRZ 1983, 22, 24; FamRZ 1985, 161, 164), zumal ein etwa unzulässiger Unterhaltsverzicht (dazu BGH, FamRZ 1984, 997, 999; FamRZ 1985, 788) hiermit im vorliegenden Fall schon wegen § 1585 c BGB nicht verbunden war. Eine etwaige Nichtigkeit dieser Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 und 2 BGB oder eine Unwirksamkeit aus sonstigen Gründen hat das Familiengericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht und mit zutreffender Begründung, die nicht durch erhebliches Berufungsvorbringen in Frage gestellt wird, verneint. Dem Familiengericht kann unter den gegebenen Umständen insbesondere darin beigetreten werden, dass auf Seiten des Klägers weder die Umstände der Mandatserteilung im Scheidungsverfahren noch die behaupteten Beratungsdefizite seitens seines anwaltlichen Vertreters im Vorfeld des Vergleichsabschlusses unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet sind, die Nichtigkeit des Prozessvergleichs zu begründen, zumal die Beklagte in der Berufungsinstanz unwidersprochen darauf verwiesen hat, dass man bereits vor Abschluss und Protokollierung der Vereinbarung bei einem auf Wunsch des Klägers zustande gekommenen Treffen in Berlin die gesamte Scheidungsangelegenheit besprochen habe, der Kläger sich hierbei "bestens informiert" gezeigt habe und man sich nur nicht auf eine von ihm angestrebte Abfindung ihrer Unterhaltsansprüche habe einigen können.

Auch stellt sich die Berufung auf den vertraglichen Ausschluss der Anpassung des Unterhaltsanspruches an wesentlich geänderte Verhältnisse unter den gegebenen Umständen nicht als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) der Beklagten dar. Hierbei gilt nämlich ein strenger Maßstab. Die Geltendmachung der Unabänderlichkeit verstößt daher im Regelfall nur dann gegen Treu und Glauben, wenn die unveränderte Weitererfüllung des Vertrages die eigene wirtschaftliche Existenz des Schuldners gefährden würde und ihm auch unter Einsatz seines Vermögens und gegebenenfalls Anrechnung eines eigenen Anspruches auf Familienunterhalt nicht mehr die Mittel verblieben, deren er für den eigenen notdürftigen Unterhalt und den der nächsten auf ihn angewiesenen Angehörigen bedarf (OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 1436, 1437; OLG Köln, FamRZ 1989, 637; Göppinger/Hoffmann, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 1355, m.w.N.). So liegt der Fall hier aber nicht. Dass durch die unveränderte Weitererfüllung des titulierten Unterhaltsanspruches der Beklagten die wirtschaftliche Existenz und Lebensmöglichkeit des Klägers und seiner Familie gefährdet würde, ist bei seinen aktuellen Einkommensverhältnissen - schon nach seinem eigenen Vorbringen - nicht ersichtlich und wird mit der Berufung auch nicht schlüssig und substantiiert aufgezeigt. Unterhalb dieser Schwelle bleibt ihm die Berufung auf eine etwaige Änderung der Verhältnisse unter den hier gegebenen Umständen versagt (Göppinger/Hoffmann, a.a.O., m.w.N.).

Ohne Erfolg beruft der Kläger sich auch darauf, dass das Familiengericht bei seiner Annahme, die Parteien hätten bei Abschluss der Vereinbarung an eine Wiederheirat oder Vaterschaft des Klägers nicht gedacht, eine unzutreffende Tatsachenfeststellung getroffen habe. Denn dies entspricht - worauf bereits die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - dem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers (Schriftsatz vom 2. September 2002). Dass die Abänderbarkeit bei Wiederheirat oder Vaterschaft des Klägers nach dem übereinstimmenden oder jedenfalls dem für die Beklagte erkennbaren einseitigen Geschäftswillen des Klägers von dem vereinbarten Abänderungsausschluss ausgenommen sein sollte, wird im Übrigen mit der Berufung nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich, zumal derartige Veränderungen im Regelfall allein seinem Risikobereich zugehörig sind.

Nach alldem hat das angefochtene Urteil Bestand.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1 sowie 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 i.V. mit Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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