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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.04.2003
Aktenzeichen: 1 U 4/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 229
BGB § 858
BGB § 861
ZPO § 940
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 4/03

Verkündet am 9.4.2003

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Theis, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Gehrlein und die Richterin am Oberlandesgericht Fritsch-Scherer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 13.12.2002 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken - 10 O 358/02 - abgeändert:

Der Beschluss des Landgerichts in Saarbrücken vom 5.11.2002 - 10 O 358/02 - wird aufrechterhalten und der Widerspruch der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens fallen der Verfügungsbeklagten zur Last.

3. Das Urteil ist vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Verfügungsbeklagte (fortan: Beklagte) kaufte am 27.5.2002 bei einer Daimler-Crysler-Niederlasssung einen PKW der Marke Daimler-Crysler, Typ SLK 200, Farbe blau, Fahrgestellnummer: ... zum Preis von 31.900,- € (Bl. 25 d.A.). Den Kaufpreis finanzierte die Beklagte, die außerdem ihren gebrauchten PKW in Zahlung gab, mit Hilfe eines bei der ... aufgenommenen Darlehens. Die monatlichen Raten werden von dem Konto der Beklagten abgebucht.

Ende August des Jahres 2002 trennte sich die Beklagte von ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Verfügungskläger (künftig: Kläger), und zog aus der gemeinsamen Wohnung aus; der PKW blieb im Besitz des Klägers.

Am 9.9.2002 erstattete die Beklagte gegen den Kläger polizeiliche Anzeige wegen Unterschlagung des Fahrzeugs. Am 13.9.2002 wurde der PKW von der Polizei sichergestellt und anschließend an die Beklagte herausgegeben.

Auf Antrag des Klägers hat das Landgericht der Beklagten durch Beschluss vom 5.11.2002 aufgegeben, den PKW der Marke Daimler-Crysler, Typ SLK 200, Farbe blau, Fahrgestellnummer: ... zur Sicherstellung an den von dem Antragsteller beauftragten Gerichtsvollzieher als Verwahrer herauszugeben (Bl. 15 d.A.). Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil den Beschluss vom 5.11.2002 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung begehrt der Verfügungskläger, den Widerspruch der Beklagten zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 5.11.2002 aufrecht zu erhalten. Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufrechterhaltung der vom Landgericht durch Beschluss vom 5.11.2002 erlassenen einstweiligen Verfügung.

I.

Der Kläger kann von der Beklagten nach §§ 861, 858 BGB Herausgabe des PKW an sich selbst verlangen. Folglich ist der weniger weitgehende Antrag auf Herausgabe des Fahrzeugs an einen Gerichtsvollzieher ebenfalls begründet.

1.

Dem Kläger steht als Voraussetzung für die Geltendmachung einer einstweiligen Verfügung ein Verfügungsgrund zu Seite. Die Ausübung verbotener Eigenmacht stellt einen Verfügungsgrund dar. Der durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitz Gestörte kann im Wege der einstweiligen Verfügung die Wiederherstellung des vorherigen Zustands erwirken und die Herausgabe einer Sache durchsetzen (OLG Saarbrücken, NJW 1967, 1813; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., Rdnr. 19 vor § 935 m.w.N.).

2.

Überdies verschafft die Ausübung verbotener Eigenmacht dem Besitzer einen Verfügungsanspruch. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 861, 858 BGB Herausgabe des PKW beanspruchen. Der Besitz der Beklagten an dem PKW ist fehlerhaft, weil sie das Fahrzeug dem Kläger durch verbotene Eigenmacht entzogen hat.

a)

Verbotene Eigenmacht bedeutet jede ohne Gestattung vorgenommene Beeinträchtigung der tatsächlichen Sachherrschaft des unmittelbaren Besitzers ohne Rücksicht darauf, ob ein Anspruch auf Besitzeinräumung besteht (§ 858 Abs. 1 BGB). Dabei kommt es auf eine eigenhändige Vornahme der Besitzbeeinträchtigung nicht an. Es genügt, wenn dies mit Hilfe eines Dritten geschieht. So kann sich eine formal rechtmäßige Besitzverschaffung durch staatliche Organe als verbotene Eigenmacht bei demjenigen darstellen, der ihr Handeln veranlasst und die staatlichen Organe auf diese Weise als Werkzeug zur Erreichung seiner Zwecke eingesetzt hat (OLG Köln, NJW-RR 1994, 557).

b)

Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den PKW dem Kläger ohne dessen Willen entzogen. Aufgrund der polizeilichen Angaben der Beklagten wurde der PKW von der Polizei in Ausübung hoheitlicher Gewalt sichergestellt. Damit wurde der Kläger seines Besitzes enthoben.

3.

Die Beklagte hat jedoch nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht, dass sie zur Entziehung des Besitzes berechtigt war.

a)

Grundsätzlich trägt die Partei die Beweislast für die Voraussetzungen des § 858 BGB, die aus der verbotenen Eigenmacht Rechte herleitet (Erman/O. Werner, BGB, 10. Aufl., § 858 Rdnr. 11; Münchener Kommentar/Joost, BGB, 3. Aufl.; § 858 Rdnr. 18). Davon abweichend ist es jedoch Sache des Störers, die Voraussetzungen einer gesetzlichen Gestattung der Besitzentziehung oder die Zustimmung des Besitzers nachzuweisen (Erman/O. Werner, a.a.O.; Münchener Kommentar/Joost a.a.O.; Staudinger/Bund, BGB, August 2000, § 858 Rdnr. 66). Wer dem Besitzer mit Hilfe amtlicher Organe ohne dessen Willen den Besitz entzogen hat, muss also, um die Annahme der Widerrechtlichkeit zu beseitigen, darlegen, dass das Gesetz ihm die Besitzentziehung gestattet (RGZ 64, 385 f.).

b)

Nach diesen Beweislastgrundsätzen hat die Beklagte glaubhaft zu machen, dass die zu ihren Gunsten durch die Polizei erfolgte Sicherstellung des PKW rechtmäßig war. Dieser Glaubhaftmachungslast hat die Beklagte indes nicht genügt.

Ein Selbsthilferecht aus § 229 BGB hatte die Beklagte weder behauptet noch inhaltlich dargetragen. Ferner hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, die Polizei aufgrund zutreffender Angaben zum Einschreiten veranlasst zu haben. Wie das Landgericht, dessen Feststellungen für den Senat bindend sind (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), im einzelnen dargelegt hat, lässt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ermitteln, ob den Angaben des Klägers oder jenen der Beklagten der Vorzug zu geben ist. Dieses non liquet schlägt indes - entgegen der Auffassung des Landgerichts - zum Nachteil der beweisbelasteten Beklagten aus.

II.

Überdies findet das Begehren, den PKW an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben, seine Grundlage in § 940 ZPO.

1.

Bei einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO dient die vom Gericht anzuordnende Maßnahme der Sicherung des Rechtsfriedens. Es kommt in diesen Fällen nicht darauf an, ob sich eine der Parteien eines Individualanspruches berühmt. Entscheidend ist, ob in einem streitigen Rechtsverhältnis Maßnahmen zur Sicherung des Rechtsfriedens erforderlich sind (OLG Saarbrücken, NJW 1967, 1813).

2.

Vorliegend streiten die Parteien über Eigentum und Besitz an einem PKW. Eine Klärung der Rechtsverhältnisse ist im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht möglich. Jedoch besteht die Gefahr, dass die Partei, in deren Besitz sich das Fahrzeug befindet, die Sache weiter nutzt und zum Nachteil des Gegners verschlechtert. Zur Vermeidung einer solchen irreparablen Gefahr erscheint es angemessen, dass die Sache an einen Gerichtsvollzieher herausgegeben wird. Er kann die Sache ohne erheblichen Wertverlust im Interesse beider Parteien verwahren.

III.

Zur Entscheidung des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags, dem Kläger eine Klagefrist zu setzen (§ 926 ZPO), ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 926 Rdnr. 6).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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