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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.07.1999
Aktenzeichen: 1 U 926/98-168-
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 847
BGB § 254
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 709
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

1 U 926/98-168- 16.0.407/95 LG SB

Verkündet am 21. Juli 1999

gez. Ludwig, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld aus ärztlicher Behandlung

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Haßdenteufel, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Gehrlein und des Richters am Landgericht Schmidt

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. Oktober 1998 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken - 16 O 407 /95 - unter Abweisung der darüber hinausgehenden Klage wie folgt abgeändert:

Der Zinslauf für das im Tenor zu Ziff.1 zugesprochene Schmerzensgeld beginnt mit dem 14.12.1995.

Der auf Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle, aus der streitgegenständlichen Behandlung resultierende Schäden lautende Tenor zu Ziff. 2 wird auf künftige unter Übergangsvorbehalt stehende Schäden beschränkt.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110.000.- DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor entsprechende Sicherheit leistet.

IV. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren und der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer des Beklagten werden auf 100.000.- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten, einen niedergelassenen Arzt für Allgemeinmedizin, wegen fehlerhafter Behandlung auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch.

Der Kläger wurde am 18.4.1995 erstmals in der Praxis des Beklagten mit seit 4 Tagen andauerndem hohen Fieber (schwankend zwischen 38,5 und max. 40° C) verbunden mit Erbrechen vorstellig. Eine vom Kläger durchgeführte körperliche Untersuchung und das Elektrokardiogramm erbrachten keine pathologischen Befunde. Auch die Laborwerte waren von einer leicht erhöhten Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (30/40) abgesehen unauffällig.

Der Beklagte, der eine Mononukleose (akute Epstein-Barr-Virus Infektion) vermutete, jedoch eine sich hieran anschließende bakterielle Superinfektion nicht ausschloß, verordnete das Breitbandantibiotikum Orelox (Packung mit 20 Tabletten), von dem der Kläger dreimal täglich eine Tablette einnehmen sollte, das Antiphlogistikum Paracetamol und das Schlafmittel Bikalm.

Obwohl die dem Beklagten am 19.4.1995 vorliegende Epstein-Barr-Virus Serologie wegen des negativen maßgeblichen IgM - Parameters eine aktuelle Mononukleose ausschloß, sah sich der Beklagte durch den Laborbefund in seiner Diagnose bestätigt, vermerkte dies am 20.4.1995 im Verlaufsbogen und teilte dem Kläger nach einer Ultraschalluntersuchung von Milz und Leber mit, der Laborbefund habe den Mononukleoseverdacht objektiviert.

Da sich das Beschwerdebild trotz Einnahme des vom Beklagten verordneten Anitbiotikums nicht besserte, begab sich der Kläger am Abend des 22.4.1995 gegen 23.30 Uhr (Samstag) auf Anraten seiner Ehefrau, einer Augenärztin, in die Ambulanz der Medizinischen Klinik Homburg, Station " Innere Medizin". Dort schilderte er dem behandelnden Arzt Dr. F die seit mehr als einer Woche andauernde, mit permanent hohem Fieber verbundene Symptomatik und teilte auch die (angeblich) durch Laborwerte gesicherte, Mononukleosediagnose des Beklagten mit.

Im Rahmen der ca. 2stündigen Untersuchung wurden eine Ultraschalluntersuchung im Bauchbereich und ein EKG durchgeführt, die keine pathologischen Befunde ergaben. Die Laboranalyse zeigte eine mit 16.500 stark erhöhte Zahl von Leukozyten. Eine echokardiographische Untersuchung wurde laut Behandlungsabrechung nicht durchgeführt (Bl. 109 d.A.).

Mit der Empfehlung, sich bei Zunahme der Beschwerden noch an diesem Wochenende erneut in Homburg vorzustellen und dem Rat, sich ansonsten am folgenden Montag in die hausärztliche Behandlung zu begeben, wurde der Kläger entlassen.

Nachdem sich das Beschwerdebild in der Folge nicht besserte, bat der Kläger, der den Beklagten bei dieser Gelegenheit telefonisch über die in Homburg durchgeführten Untersuchungen in Kenntnis gesetzt hatte (was im einzelnen mitgeteilt worden ist, ist streitig), am 26.4.1995 um einen Hausbesuch. Der Beklagte, der zu diesem Zeitpunkt weiterhin von einer Virusinfektion ausging, verabreichte dem Kläger eine Injektion mit Vitamin B und Globulin.

Wegen anhaltenden Fiebers und sich verschlechternden Allgemeinbefindens wurde der Kläger auf Veranlassung seiner Ehefrau am 27.4.1995 gegen 20.00 Uhr erneut in der Ambulanz der Medizinischen Klinik Homburg vorstellig.

Nachdem das EKG und ein Echokardiographie-Befund Anomalien zeigten, wurde der Kläger mit dem - sich im Rahmen von Folgeuntersuchungen bestätigenden - Verdacht auf eine bakterielle, durch koagulase negative Staphylokokken hervorgerufene Aortenklappenendokarditits mit hochgradiger Aortenklappeninsuffizienz und septischen Embolisationen in Milz, Niere und Hirn stationär aufgenommen.

Am 11.5.1995 mußte sich der Kläger wegen irreparabeler Schädigung einer Aortenklappe einer Herzklappenoperation unterziehen, bei der ein technischer Klappenersatz eingebracht wurde. Am 12.5.1995 erlitt der Kläger einen epileptischen Krampfanfall. Am 8.6.1995 konnte er die Universitätskliniken Homburg verlassen. Der Kläger muß sich auf Dauer einer medikamentösen Therapie mit Antikoagulantien und einer antiepileptischen Therapie unterziehen. Freizzeitsportarten, die der damals 35jährige Kläger betrieben hat, kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachgehen. Die ständige Einnahme blutgerinnungshemmender Medikamente macht häufige. Arztbesuche erforderlich, die den Kläger - einen Professor für Informatik - in seiner beruflichen Mobilität stark einschränken und außerdem zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Wetterfühligkeit führen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dem Beklagten falle ein schwerwiegender Diagnosefehler zur Last, der - gerade weil der Beklagte vorgegeben habe, die Mononukleosediagnose sei labormedizinisch gesichert - zu einer Fehleinschätzung der ihn in Homburg behandelnden Ärzte geführt habe. Ohne den Diagnosefehler wäre die bakterielle Infektion früher erkannt, beherrschbar und nicht mit den nun eingetretenen und in Zukunft noch zu besorgenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen verbunden gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 60.000.- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (14.12.1995) zu zahlen,

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, die ihm aus der durch den Beklagten zwischen dem 18.4. und 26.4.1995 vorgenommenen ärztlichen Behandlung entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, ein schuldhafter - insbesondere ein schwerer - Diagnosefehler liege nicht vor. Das von ihm verordnete Breitbandantibiotikum sei, wenn der Kläger, was dieser bestreitet, das Medikament nicht eigenmächtig am 22.4.1995 abgesetzt hätte, geeignet gewesen, die bakterielle Infektion einzudämmen und die schweren Gesundheitsschäden zu verhindern.

Im übrigen hat sich der Beklagte darauf berufen, daß die genaue Art der Erkrankung bei der Untersuchung in Homburg am 22.4.1995 trotz wesentlich besserer diagnostischer Möglichkeiten ebenfalls nicht festgestellt worden sei. Eine Endokarditis habe er ausschließen dürfen, nachdem ihm der Kläger was jener gleichfalls bestreitet mitgeteilt habe, daß eine in Homburg durchgeführte echokardiologische Untersuchung keine pathologischen Befunde ergeben habe (vgl. Bl.15 d.A.).

Durch am 28.10.1998 verkündetes Urteil - Az. 16 O 407/95 - auf dessen Tatbestand (Bl. 128 - 130 d.A.) zur Ergänzung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage nach Beweisaufnahme (es wurden ein schriftliches Sachverständigengutachten, Bl.53 fd.A. und ein schriftliches Ergänzungsgutachten, Bl.90 fd.A. eingeholt ; darüber hinaus hat der Sachverständige Dr. V sein Gutachten im Beweistermin vom 23.9.1998 mündlich erläutert, Bl. 116 fd.A.) mit der Begründung stattgegeben, dem Beklagten falle ein schwerwiegender Diagnosefehler mit entsprechenden Beweiserleichterungen zu Gunsten des Klägers zur Last. Da davon auszugehen sei, daß bei frühzeitig gebotener weiterer Differentialdiagnostik die Endokarditis eher erkannt worden wäre und nach den Darlegungen des Sachverständigen in diesem Fall ein günstigerer Krankheitsverlauf nicht auszuschließen sei, habe der Beklagte für die Gesundheits- und für mögliche künftige Folgeschäden einzustehen (wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bl. 130 - 134 d.A. Bezug genommen).

Gegen das ihm am 3.11.1998 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 2.12.1998 eingelegten und am 11.2.1999 innerhalb der bis 12.2.1999 verlängerten Frist (Bl. 150 d.A.) begründeten Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Sachvortrages das landgerichtliche Urteil, vor allem die Feststellung, es liege ein schwerer Diagnosefehler vor, angreift.

Er vertritt die Auffassung, die zu Beginn der Behandlung im Labor ermittelte Anzahl von Leukozyten (5400) habe anders als der am 22.4.1995 in Homburg festgestellte Wert (16.500) gegen einen bakteriellen Infekt gesprochen. Daß die behandelnde Ärzte im Universitätsklinikum Homburg trotz überlegener diagnostischer Möglichkeiten die Endokarditis ebenfalls nicht erkannt hätten, zeige, daß ihm kein grober Diagnosefehler anzulasten sei. Im übrigen habe er trotz objektiv fehlerhafter Diagnose dem Kläger (vorsorglich) auch ein gegen bakterielle Infektionen wirkendes Breitbandantibiotikum verordnet. Der Fieberbefund des Klägers sei aus seiner Sicht weniger dramatisch gewesen. Die beim Hausbesuch am 26.4.1995 gemessene Temperatur habe beiuspielhaft nur ca. 38° C betragen. Medizinisch relevant werde Fieber erst ab Temperaturen von über 39° C.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung unter Abänderung des angefochtenen Urteils.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er bestreitet, sich nicht an die vom Beklagten verordnete Medikation des Antibiotikums Orelox gehalten zu haben. Auch bezweifelt er die Wirksamkeit dieses Medikaments. Der Beklagte stellt in Abrede, daß in Homburg am 22.4.1995 eine Echokardiographie durchgeführt worden sei und daß er dem Beklagten mitgeteilt habe, hierbei sei ein negativer Befund erhoben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte ordnungsgemäß begründete Berufung ist zulässig (§§ 511, 511a, 516, 518, 519 ZPO).

Erfolg in der Sache hat das Rechtsmittel nur im aus der Urteilsformel zu ersehenden Umfang.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten nach den §§ 823,847 BGB für die infolge fehlerhafter ärztlicher Behandlung erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 60.000.- DM zu (nachfolgend Ziff.I).

Der Feststellungsantrag ist lediglich hinsichtlich künftiger aus der streitgegenständlichen Behandlung resultiuerender, nicht auf Dritte übergegangener materieller und immaterieller Schäden begründet (Ziff. II).

I.

Die sich auf deliktischer Grundlage gemäß den §§ 823, 847 BGB ergebende Haftung für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) knüpft an die Verletzung von Behandlungspflichten an und setzt den Nachweis voraus, daß ein objektiver, dem Beklagten vorwerfbarer ärztlicher Behandlungsfehler für die Gesundheitsschäden des Klägers ursächlich war. Dabei hat der Patient im Regelfall sowohl den objektiven Fehler als auch dessen Ursächlichkeit für die Schädigung zu beweisen (vgl. BGH NJW 88, 2949; 80,1133; BGH Vers R 1987, 1089).

1.

Daß dem Beklagten objektiv ein Diagnosegfehler unterlaufen ist, folgt aus den überzeugenden gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. V im Termin vom 23.9.1998 und steht im übrigen zwischen den Parteien auch nicht mehr im Streit. Danach war es objektiv verfehlt, daß der Beklagte die zu Beginn der ärztlichen Behandlung des Klägers angenommene Arbeitshypothese "Mononukleose" als gesicherte Diagnose der weiteren Behandlung zugrundegelegt hat, obwohl die von ihm in Auftrag gegebene Laboranalyse einen dem Beklagten seit dem 19.4.1995 bekannten, Pfeifer'sches Drüsenfieberwegen des negativen IgM- Parameters eindeutig ausschließenden Befund ergeben hat (vgl. Bl.118 d.A.). Die Fehldiagnose war auch schuldhaft, denn von einem Arzt muß erwartet werden, daß er die Werte der von ihm selbst angeordneten Laboruntersuchungen zutreffend beurteilen kann.

2.

Der Kläger hat indes nicht zu beweisen vermocht, daß die ab Bekanntwerden dieses, den Mononukleoseverdacht ausschließenden Laborbefundes, bei Fortsetzung der Behandlung am 20.4.1995 gebotene Einleitung weiterer differentialdiagnostischer Untersuchungen zur Abklärung der seit einer Woche bestehenden Fiebersymptomatik und sich hieran anschließende Therapiemaßnahmen trotz erhöhter Wahrscheinlichkeit eines günstigeren Krankheitsverlaufes zu weniger gravierenden Gesundheitsschäden geführt hätten.

Zu diesem - von den Parteien in der Berufungsinstanz nicht in Frage gestellten - Ergebnis ist das Landgericht in zutreffender Würdigung der schriftlichen und mündlichen Darlegungen des medizinischen Sachverständigen gelangt. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, daß die Endokarditis ein seltenes, nicht einfach zu diagnostizierendes Krankheitsbild sei und daß sich der Kläger vermutlich einen bösartigen, therapieresistenten Erreger "eingefangen" habe. Der in den Krankenunterlagen dokumentierte Verlauf deute auf ein "akutes, fulminantes Krankheitsgeschehen" hin, weshalb fraglich sei, ob die eingetretenen Gesundheitsschäden bei früherer Diagnosestellung und schnellerer Einleitung geeigneter therapeutischer Maßnahmen hätten verhindert werden können (vgl. Bl. 101,117,118 d.A.). Der Senat teilt insoweit die Beweiswürdigung des Landgerichts und die diese tragenden Gründe (LGU 5 Ziff 1 Bl.131 d.A.) und sieht gemäß § 543 Abs.1 ZPO von gesonderter Darstellung ab.

3.

Zu Recht stellt das Landgericht im weiteren darauf ab, daß es entscheidend darauf ankommt, ob und in welchem Umfang dem Kläger die Beweisführung für die kausale. Verknüpfung von Arztfehler und Gesundheitsbeschädigung unter dem Gesichtspunkt des " groben Behandlungsfehlers" nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen erleichtert ist (BGH in st. Rspr. z. B. VersR 92,238; 81, 954). Der Senat folgt dem Landgericht insbesondere auch darin, daß von einem schwerwiegenden Behandlungsfehler auszugehen ist.

a.

Die maßgeblichen Beurteilungskriterien, unter welchen Voraussetzungen ein Behandlungsfehler als "grob" anzusehen ist, sind auf Seite 5 des angefochtenen Urteils zutreffend dargestellt (Ziff.2 Bl.131 d.A.). Es muß sich um einen nach den konkreten Umständen bei Anlegung des für einen Arzt geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes nicht mehr, verständlichen und verantwortbaren Fehler handeln, der schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. BGH NJW 1995, 778). Auch eine Reihe von Behandlungsfehlern kann zusammengenommen einen groben Behandlungsfehler darstellen (vgl. OLG Köln NJW-RR 91, 800).

Da Diagnosen oft mit Unsicherheit belastet sind, liegt nach der Rechtsprechung die Meßlatte, von der ab ein Diagnoseirrtum als schwerer Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst zu gelten hat, besonders hoch. Es muß sich um ein fundamentales Mißverständnis handeln; ein Versehen, das "in Anbetracht der Eindeutigkeit der Befunde unter keinem denkbaren Gesichtspunkt entschuldbar erscheint" (vgl. BGH VersR 1981, 1033; OLG Düsseldorf VersR 1985, 169,171; 1984,446,448).

Ein schwerer Fehler kommt auch in Betracht, wenn einfache und selbstverständlich gebotene differential-diagnostische Überlegungen und Untersuchungen unterlassen worden (vgl. BGH VersR 1983,983) oder in erheblichem Ausmaß Diagnose- und Kontrollbefunde zum Behandlungsgeschehen nicht erhoben worden sind (vgl. BGHZ 85,212).

Zwar stellt nach diesen Beurteilungskriterien der zu Beginn der Behandlung am 18.4.1995 als "Arbeitshypothese" angenommene Mononukleoseverdacht keinen dem Beklagten vorwerfbaren Diagnosefehler dar. Prolongiertes Fieber und Erbrechen sind sehr unspezifische Symptome, die auf eine Vielzahl von Erkrankungen hindeuten können. Auch Pfeifer'sches Drüsenfieber beginnt mit über längeren Zeiträumen deutlich erhöhten Temperaturen und kann nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. V auch "subklinisch", also ohne typische Begleiterscheinungen wie generalisierte Lymphknotenschwellungen und diphtehieähnliche Tonsilitis oder Milzvergrößerungen verlaufen (vgl. schriftliches Gutachten vom 1.9.1997 (Bl. 60,61 d.A.).

Grob fehlerhaft und unter keinem Gesichtspunkt entschuldbar war es jedoch, daß der Beklagte, nachdem er am 19.4.1995 den seine Arbeitshypothese für sich allein (und ohne daß es auf das Fehlen der ansonsten bei Mononukleosen üblichen Symptomatik entscheidend ankommt) eindeutig widerlegenden Laborbefund zur Kenntnis genommen hat, seine (objektiv fehlerhafte) Diagnose bestätigt gesehen und objektiv gebotene weitergehende Differentialdiagnostik unterlassen hat.

Das Unterlassen weiterer diagnostischer Abklärung des bereits eine Woche anhaltenden Fieberbefundes war - zumindest zu diesem Zeitpunkt - noch Folge der grob fehlerhaften Einschätzung des Laborergebnisses und bildet mit der Fehldiagnose einen einheitlichen Behandlungsfehler.

Von einem Arzt, der zu Diagnosezwecken Laboruntersuchungen anordnet, muß erwartet werden, daß er die ihm mitgeteilten Laborbefunde "lesen" d.h., daß er die festgestellten Werte in ihrer medizinischen Relevanz zutreffend beurteilen und die notwendigen Schlußfolgerungen für den Untersuchungs- und Behandlungsfortgang daraus ziehen kann. Andernfalls wären solche Laboruntersuchungen sinnlos. Wenn in dem Zusammenhang medizinisch eindeutige Befunde falsch eingeschätzt werden und - wie hier - der die vom Beklagten gestellte Ausgangsdiagnose zweifelsfrei widerlegende Labor-Parameter in seiner Bedeutung verkannt und der Befund stattdessen als Bestätigung der objektiven Fehldiagnose angesehen wird, liegt nach Auffassung des Senats ein nicht entschuldbares, fundamentales diagnostisches Mißverständnis vor. Daß zwei andere, auf eine frühere, bereits abgeschlossene Mononukleose-Erkrankung des Klägers hinweisende Laborparameter positiv waren, macht die Fehleinschätzung des Beklagten nicht entschuldbar und schwächt sie nicht zu einer noch verständlichen Falschdiagnose ab. Falls der Beklagte wegen der Beurteilung der Laborbefunde nicht sicher gewesen sein sollte, wäre zwingend zu fordern gewesen, daß er aus seiner Sicht bestehende Zweifel oder Unklarheiten - ggfs. durch Rückfragen bei dem auswertenden Labor oder durch Konsultation fachkundiger Berufskollegen - ausräumt und daß er nicht zum Nachteil des Patienten den Behandlungsfortgang hiermit belastet.

b.

Der gravierende Diagnosefehler wird nicht dadurch relativiert, daß der Beklagte unwidersprochen vorträgt, mit der Möglichkeit einer der angenommenen Viruserkrankung nachfolgenden bakteriellen Superinfektion gerechnet zu haben und daß er deshalb (vorsorglich) die Einnahme eines oralen Breitbandantibiotikums verordnet hat. Zum einen hat eine solche "Schrotschußmedikation" die ab dem 20.4.1995 objektiv gebotenen differentialdiagnostischen Untersuchungen; insbesondere die zielgerichtete Überprüfung (z. B. durch Anlegung von Blutkulturen), ob und wenn ja welche bakterielle Infektion vorliegt, nicht entbehrlich gemacht. Zum anderen war das verordnete Medikament Orelox nach den überzeugenden, von Fachkunde getragenen, durch das Berufungsvorbringen nicht ernsthaft in Frage gestellten Ausführungen des Sachverständigen Dr. V derart unspezifisch, daß es keine ausreichende therapeutische Maßnahme im Hinblick auf das beim Kläger vorliegende Krankheitsgeschehen darstellte (vgl. hierzu Sitzungsprotokoll vom 23.9.1998, Bl.120 d.A.).

c.

Auch die in den Universitätskliniken Homburg am 22.4.1995 durchgeführten Untersuchungen vermögen den Beklagten nicht vom Vorwurf des schweren Diagnose bzw. Behandlungsfehlers zu entlasten.

Der Beklagte hat die dortige Behandlung weder selbst im Wege der Überweisung veranlaßt, noch war ihm eigenen Angaben zufolge vor dem 26.4.1995 deren Ergebnis überhaupt bekannt, so daß die Untersuchungsmaßnahmen schon deshalb bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Einfluß auf seine eigenen therapeutischen Schritte haben konnten. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, der Umstand, daß in Homburg trotz besserer diagnostischer Möglichkeiten die durch Staphylokokken hervorgerufene Endokarditits zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht erkannt worden sei, belege, daß ein grober Diagnosefehler seinerseits nicht vorliege.

Der Beklagte übersieht, daß der Kläger dem ihn in der Wochenendambulanz spätabends untersuchenden Krankenhausarzt die Falschdiagnose "Mononukleose" mit der Maßgabe mitgeteilt hat, dieser Befund sei durch vom Beklagten veranlaßte Laboruntersuchungen bestätigt worden. Der Diagnosefehler des Beklagten hat somit die Art und den Umfang der im Krankenhaus durchgeführten Untersuchungen und die weitere Entscheidung, ob der Kläger stationär zur Beobachtung aufgenommen oder in die ambulante hausärztliche Behandlung entlassen wird, unmittelbar beeinflußt. Es liegt auf der Hand, daß bei einem Patienten, der mit einer (angeblich) durch den Hausarzt labortechnisch abgesicherten Diagnose in der Wochenendambulanz vorstellig wird - wenn keine dieser evident widersprechenden Befunde feststellbar sind - ein geringerer diagnostischer Untersuchungsaufwand betrieben wird, als bei Patienten, die sich mit völlig unklaren Krankheitsbildern erstmals in ärztliche Behandlung begeben.

Dem Beklagten ist mithin eine medizinisch völlig unbrauchbare, absolut nicht haltbare, durch die erhobenen Laborwerte eindeutig widerlegte, schwerwiegende diagnostische Fehlleistung anzulasten, die zur Folge hatte, daß er die angeblich gesicherte Diagnose der weiteren Behandlung des Klägers bis zu dessen stationärer Krankenhausaufnahme zugrundegelegt und daß der Beklagte die bei einer 2 Wochen andauernden (unklaren) Fiebersymptomatik objektiv zwingend gebotene diagnostische Ursachenabklärung unterlassen hat.

4.

Da dem Kläger der Nachweis eines schweren schuldhaften Diagnosefehlers gelungen ist, wird ihm in der Frage der haftungsbegründeten Kausalität die Beweisführung bis hin zur Beweislastumkehr erleichtert (vgl. BGH in st. Rspr. z.B. NJW 1978, 2337 f.; 83,333; Mü-Ko-Mertens, BGB, 3.Aufl. Rdn.409 zu § 823 m.w.Nw.).Die haftungsbegründende Kausalität ist nach der Rechtsprechung schon dann in Betracht zu ziehen, wenn das Arztversäumnis grundsätzlich geeignet erscheint, den eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen (vgl. BGH NJW 1988, 2945; Mü-Ko a.a.O.). Die allgemeine Eignung wird nicht durch solche Ursächlichkeitszweifel in Frage gestellt, die sich aus dem konkreten Geschehensablauf herleiten lassen; vielmehr genügt, daß nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann, daß der Arztfehler als - nicht unbedingt naheliegende oder gar typische - Ursache für den Gesundheitsschaden in Frage kommt (vgl. BGH NJW 1978,1863; NJW 1983, 333). Nur wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden gänzlich unwahrscheinlich ist, insbesondere wenn dieser mit Sicherheit auf andere Umstände zurückgeführt werden kann, kommen Erleichterungen für den Kausalitätsnachweis nicht in Betracht (vgl. BGH NJW 1994, 1596; OLG Hamm VersR 1996, 197; Mü-Ko a.a.O.).

Nach den aufgezeigten Grundsätzen ist ein haftungsbegründender Zurechnungszusammenhang zwischen dem Diagnosefehler des Beklagten, dem hieran anknüpfenden Unterlassen weiterer differentialdiagnostischer Maßnahmen und den Gesundheitsschäden des Klägers zu bejahen.

Nach den Darlegungen des medizinischen Sachverständigen Dr. V wäre bei ausreichender Differentialdiagnostik (Anlegung von Blutkulturen, Röntgenaufnahme der Lunge, Echokardiographie) ein frühzeitigeres Erkennen der Endokarditits möglich und mit Hilfe gezielter therapeutischer Maßnahmen ein günstigerer Krankheitsverlauf zumindest nicht auszuschließen gewesen.

Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Endokarditis bei am 20.4.1995 einsetzender ergänzender Diagnostik vor dem 27.4.1995 erkannt worden wäre. Der Sachverständige hat zwar darauf hingewiesen, daß die Endokarditits ein eher seltenes Krankheitsbild ist, so daß man nicht annehmen könne, daß ein allgemeinmedizinisch ausgebildeter Hausarzt die Erkrankung ohne weiteres diagnostizieren könne (vgl.Bl.99, 108 d.A.).

Neben prolongiertem Fieber müssen zusätzliche ganz spezielle klinische, laborchemische, baktereologische und echokardiographische Hinweise vorliegen (im einzelnen vgl. Bl. 61,100 d. A.), um die Krankheit zu erkennen und geeignete therapeutische Maßnahmen einzuleiten.

Solche Hinweise gab es vorliegend bereits vor der stationären Aufnahme des Klägers. Der computertomographische Nachweis septischer zerebraler Herde unmittelbar nach der stationären Aufnahme des Klägers deutet nach Auffassung des medizinischen Sachverständigen darauf hin, daß schon 4-5 Tage vor Erhebung dieser Befunde endokarditische Vegetationen an der Aortenklappe vorlagen, die spätestens zu diesem Zeitpunkt mit Hilfe der Echokardiographie hätten diagnostiziert werden können.

Außerdem ist es nach dem Befundbericht des neurologischen Konsils vom 9.5.1995 geraume Zeit vor der stationären Aufnahme in die Universitätskliniken Homburg (der Sachverständige geht von ca. 8 Tagen nach Erkrankungsbeginn, 14.4.1995, aus) beim Kläger zu ersten neurologischen Ausfallerscheinungen (Orientierungsprobleme, verwaschene Sprache, Wortfindungsstörungen) gekommen, die ein berufserfahrener Arzt habe bemerken können (vgl. Bl.97,99,100,109 d.A.).

Der Einwand des Beklagten, er selbst verfüge nicht über entsprechende Erfahrungen und diagnostische Möglichkeiten, vermag ihn nicht zu entlasten. Wenn er als Arzt für Allgemeinmedizin die Ursache von prolongiertem Fieber aufgrund eigener limitierter diagnostischer Möglich- oder Fähigkeiten nicht festzustellen vermag, ist der Beklagte gehalten, den Patienten alsbald zur Abklärung des Befundes an fachkundige Kollegen oder an ein Krankenhaus zu überweisen. Auch der Hinweis des Beklagten, die Ehefrau des Klägers habe - obwohl von Beruf Ärztin - die Schwere der Erkrankung ebenfalls verkannt, geht fehl.

Abgesehen davon, daß sich die Ehefrau des Klägers beruflich auf Augenleiden spezialisiert hat, durfte sie darauf vertrauen, daß der Beklagte aufgrund des mit ihrem Ehemann zustandegekommenen Behandlungsvertrages die medizinisch notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten werde. Bezeichnend ist, daß der Kläger auf Drängen seiner Ehefrau und nicht auf Veranlassung des Beklagten als des eigentlich hierzu aufgerufenen behandelnden Arztes am 22.4. und am 27.4.1995 abermals in den Universitätskliniken vorstellig wurde.

Für ein Erkennen der Endokarditis vor dem 27.4.1995 im Falle rechtzeitzig, d.h. schon am 20.4.1995 einsetzender umfassender Differentialdiagnostik, spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit.

Ein bei früherer Diagnose günstigerer Krankheitsverlauf kann nach den Ausführungen des Sachverständigen zwar nicht positiv festgestellt, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Wegen des "fulminanten" Krankheitsgeschehens vermochte der Sachverständige nicht sicher zu beurteilen, ob die septischen Embolisationen (insbesondere im zentralen Nervensystem) durch eine frühzeitige Diagnosestellung zu verhindern gewesen wären. Bezüglich der bei stationärer Aufnahme bereits irreparabel geschädigten Aortenklappe, hält der Sachverständige einen günstigeren Krankheitsverlauf bei früherer Diagnose für durchaus wahrscheinlich, wenngleich auch insoweit nicht sicher feststeht, daß die schwere Aortenklappeninsuffizienz, welche den operativen Aortenklappenersatz erforderlich gemacht hat, letztlich noch zu verhindern gewesen wäre.

Da mithin nicht auszuschließen ist, daß bei Unterbleiben des schweren Diagnosefehlers und hinreichender Differentialdiagnostik Gesundheisschäden dieses Ausmaßes vermieden worden wären und die Beweiserleichterungen wie dargelegt nur entfallen, wenn es gänzlich unwahrscheinlich ist, daß der Fehler zum Schadenseintritt beigetragen hat (vgl. BGH NJW 1995, 1611), ist die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen.

Der Kausalzusammenhang wird weder durch die Verordnung des unspezifischen Breitbandantibiotikums Orelox, noch durch die auf Veranlassung des Klägers am 22.4.1995 in Homburg durchgeführten Untersuchungen unterbrochen.

Wie der Sachverständige Dr. V überzeugend dargelegt hat, war das Medikament Orelox objektiv nicht geeignet, den Krankheitserreger, der den Kläger befallen hat, wirksam zu bekämpfen. Der bakterielle Erreger mußte gezielt intravenös mittels geeigneter Antibiotika(Vancomycin) behandelt werden (vgl. Bl. 120 d.A.).

Es kann dahinstehen, ob die den Kläger in Homburg untersuchenden Ärzte gebotene diagnostische Maßnahmen unterlassen haben oder ob ihnen sonstige Behandlunsgfehler unterlaufen sind, denn ein Fehlverhalten Dritter unterbricht den Zurechnungszusammenhang in der Regel nicht. Mit der Weiterbehandlung des Patienten durch einen anderen Arzt entfällt - selbst bei einem hier nicht erfolgten Behandlungsabbruch - die Ursächlichkeit eines Fehlers des Erstbehandelnden grundsätzlich nur dann, wenn feststeht, daß sich der Fehler auf den weiteren Krankheitsverlauf nicht mehr ausgewirkt hat, insbesondere weil der nachbehandelnde Arzt die Sorgfalt in außergewöhnlichem Maße verletzt hat (vgl. BGH NJW 1986, 2367; 1981, 628; Laufs, Arztrecht, 5.Aufl.Rdn.538).

Diese Voraussetzungsliegen nicht vor, denn der Diagnosefehler des Beklagten, der dem Kläger am 2o.4.1995 mitgeteilt hat, die Mononukleose sei durch Laboruntersuchungen bestätigt worden - eine Information die jener an die ihn in Homburg behandelnden Ärzte weitergegeben hat - hatte Einfluß auf den Umfang der in der Krankenhausambulanz stattgefundenen Untersuchungen. Vor allem hat die Tatsache, daß sich der Kläger wegen der fiebrigen Erkrankung bereits in hausärztlicher Behandlung befand und daß Laboruntersuchungen zur Ursachenfeststellung geführt haben, die Entscheidung wesentlich beeinflußt, den Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht stationär zur Beobachtung aufzunehmen und ihn stattdessen der ambulanten (Weiter-)Behandlung des Beklagten zu überantworten.

5.

Die nach alldem begründete Ersatzpflicht des Klägers hinsichtlich des aus der fehlerhaften Behandlung resultierenden immateriellen Schadens wird nicht dadurch eingeschränkt, daß dem Kläger ein mitwirkendes Verschulden bei der Schadensentstehung zur Last fällt (§ 254 Abs.1 BGB). Auch bei Verletzung einer ärztlichen Fürsorgepflicht ist der Arzt grundsätzlich nicht gehindert, sich auf § 254 BGB zu berufen, wenn sich der zu schützende Patient durch mitursächlich schuldhaftes Verhalten selbst Schaden zufügt (vgl. BGH VersR 1992, 1229; 86, 185; 85, 1068).

Der für ein Verschulden des geschädigten Klägers und dessen Ursächlichkeit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (zur Beweislast vgl. BGH NJW 94,3105) hat ein solches nicht aufzuzeigen vermocht.

Dahinstehen mag, ob der Kläger das Medikament Orelox über den 22.4.1995 hinaus eingenommen hat. Selbst wenn der Kläger das vom Beklagten verordnete Breitbandantibiotikum entgegen ärztlicher Anordnung nicht weiter eingenommen haben sollte, kann hierin kein für die Schadensentstehung relevantes Mitverschulden gesehen werden, denn das Medikament war, wie bereits erwähnt, nicht geeignet, den die Endokarditis auslösenden Krankheitserreger wirksam zu bekämpfen.

Daß der Kläger entgegen dem ihm am 22.4.1995 in Homburg erteilten ärztlichen Rat nicht am nachfolgenden Montag, dem 24.4.1995, in der Praxis des Beklagten vorstellig wurde, scheidet als Anknüpfungspunkt für ein Mitverschulden schon deshalb aus, weil der Kläger nicht vom Beklagten einbestellt worden ist und er somit dessen Behandlungsplan nicht zuwidergehandelt hat. Im übrigen ist weder dargetan noch ersichtlich, daß der Beklagte, falls sich der Kläger dem Rat entsprechend in dessen Praxis eingefunden hätte, von der vermeintlich labortechnisch abgesicherten Fehldiagnose abgerückt wäre und zur Feststellung der tatsächlich vorliegenden Erkrankung geeignete diagnostische Schritte eingeleitet hätte. Hiergegen spricht schon, daß der Beklagte auch zwei Tage später anläßlich des Hausbesuches am 26.4.1995 trotz der seit nahezu 2 Wochen unvermindert andauernden Fiebersymptomatik und des schlechten Zustandes seines Patienten zu weitergehender Diagnostik keine Veranlassung gesehen hat.

Seine vom Kläger bestrittene Behauptung, jener habe ihm am 26.4.1995 mitgeteilt, am 22.4.1995 sei in Homburg eine Echokardiographie mit negativen Ergebnis durchgeführt worden, hat der Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Im übrigen hätte sich der Beklagte auf diesbezügliche Angaben des Patienten ohnehin nicht ungeprüft verlassen dürfen. Werden umfangreiche Untersuchungen andernorts durchgeführt, muß sich der weiterbehandelnde Arzt die Ergebnisse durch sachkundige, hierzu berufene Personen telefonisch oder schriftlich mitteilen lassen. Nur dann hat er eine verläßliche Grundlage für den Fortgang der eigenen Behandlungsmaßnahmen.

6.

Das Landgericht hat das vorrangig auf Ausgleich der körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen aber auch auf Genugtuung gerichtete, an den Kläger zu zahlende Schmerzensgeld unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu Recht auf 60.000.- DM festgesetzt.

Die maßgeblichen Bemessungsgrundlagen für die dem Kläger zu gewährende " billige Entschädigung " sind in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargestellt und gewichtet. Zu berücksichtigen sind in erster Linie die Dauer und Heftigkeit der Leiden. Präoperativ kam es am 11.5.1995 zu septischen Embolisationen in Milz, Niere und Hirn des Klägers, am 11.5.1995 mußte sich dieser einem operativer Eingriff am Herzen unterziehen und er hat postoperativ einen epileptischen Krampfanfall erlitten. Zu berücksichtigen war ferner das geringe Lebensalters des Klägers und dessen berufliche Stellung. Der Kläger wurde von der schweren Herzerkrankung zu Beginn seiner Laufbahn als Hochschullehrer betroffen. Die psychische " Hypothek", schon im Alter von 35 Jahren mit einem technischen Aortenklappenersatz limitierter Haltbarkeit leben zu müssen, trifft den Kläger nachvollziehbar besonders schwer. Hinzu kommt, daß er als Folge der Gesundheitsbeeinträchtigung auf Dauer in seiner privaten Lebensgestaltung (z.B. hinsichtlich früher von ihm ausgeübter Freizeitsportarten) stark eingeschränkt ist, was die Lebensfreude nicht unbeträchtlich schmälern dürfte. Zu bedenken ist weiter, daß sich der Kläger lebenslang einer mit körperlichen Nebenwirkungen (Übelkeit, Kopfschmerzen, Wetterfühligkeit) verbundenen medikamentösen Behandlung mit Antikoagulantien und Tegretal (letzteres zur Verhinderung weiterer epileptischer Krampfanfälle) unterziehen muß. Die ständige Medikamenteneinnahme bringt darüber hinaus die Notwendigkeit häufiger Arztbesuche mit sich.

Nach alldem erscheint ein Schmerzensgeld in zuerkannter Höhe angemessen.

II.

Der Feststellungsantrag ist demgegenüber nur nach Maßgabe der Urteilsformel zulässig und begründet.

1.

Soweit sich das Feststellungsbegehren auf bereits eingetretene materielle und immaterielle Schäden bezieht, ist der Antrag mangels Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) unzulässig.

Der gesamte, bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung entstandene immaterielle Schaden wird durch den unbezifferten Schmerzensgeldanspruch abgedeckt, so daß kein Raum für weitergehende Feststellungen hinsichtlich bereits entstandener immaterieller Schäden bleibt.

Wegen schon zur Entstehung gelangter materiellen Schäden, zu denen der Kläger nichts vorträgt, obwohl ihm diese bekannt sein müßten, fehlt es aufgrund Vorranges der Leistungsklage am Feststellungsinteresse. Daß materielle Schäden eingetreten sind, die noch nicht bezifferbar sind, behauptet der Kläger nicht.

2.

In Bezug auf künftige immaterielle und materielle, nicht auf Dritte übergegangene Schäden, ist das Feststellungsbegehren zulässig und begründet.

Bei Verletzung absoluter Rechtsgüter genügt für das erforderliche Feststellungsinteresse, daß künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, nach Art und Umfang jedoch noch ungewiß sind (vgl. BGH NJW 1991, 2707).

Begründet ist der Feststellungsantrag, wenn solche Schäden wahrscheinlich sind, d.h. wenn bei verständiger Würdigung die nicht eben fernliegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Folgeschäden aufgezeigt ist (vgl. BGH VersR 1991; 779). Hiervon kann nach Art und Schwere der Erkrankung des Klägers ausgegangen werden.

Die Voraussetzungen eines Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruches (§§ 823,847 BGB) und eines daneben bestehenden Anspruches auf Ersatz materieller Schäden unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung liegen dem Grunde nach vor.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 291 BGB, mit der Maßgabe, daß Zinsen seit dem 14.12.1995 zu zahlen sind (§ 187 Abs.1 BGB).

Die Berufung bleibt nach alldem im wesentlich ohne Erfolg.

Da der "Teilerfolg" hinsichtlich des Feststellungsantrages kostenmäßig nicht ins Gewicht fällt, waren dem Beklagten in entsprechender Anwendung des § 92 Abs.2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits insgesamt aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 709 ZPO.

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz und der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer des Beklagten waren wie geschehen festzusetzen (§ 546 Abs.2 ZPO). Der für den Feststellungsantrag vom Landgericht in Ansatzgebrachte Betrag von 40.000.- DM ist sachgerecht.

Ende der Entscheidung

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