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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.12.2004
Aktenzeichen: 2 UF 7/04
Rechtsgebiete: BGB, SGB V, SGB XI, ZPO
Vorschriften:
BGB §§ 1601 ff | |
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1 | |
BGB § 1610 Abs. 2 | |
BGB § 1613 Abs. 1 | |
BGB § 1613 Abs. 2 Nr. 2 b | |
SGB V § 10 Abs. 2 | |
SGB V § 10 Abs. 4 Satz 1 | |
SGB XI § 25 | |
ZPO § 256 | |
ZPO § 283 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL
verkündet am 23. Dezember 2004
In der Familiensache
wegen Kindesunterhalts pp.
hat der 2. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler sowie die Richter am Oberlandesgericht Sittenauer und Neuerburg
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Abweisung der Berufung im Übrigen das am 12. Februar 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis - 20 F 225/03 UE - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: 1. Der Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt,
a) den Kläger von Beitragsforderungen der u. Betriebskrankenkasse für Medien- und Kommunikationsberufe, <Ort>, <Straße>, wegen einer freiwilligen Krankenversicherung des Klägers für die Zeit vom 27. August 2001 bis 15. November 2003 bis zu einem Betrag von 3.088,48 EUR zuzüglich 62,70 EUR Säumniszuschlag bzw. Kosten freizustellen,
b) an den Kläger ab Januar 2005 monatlich 122,96 EUR zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist, dass er in der Zeit vom 16. November 2003 bis 31. Dezember 2004 nicht über den Ehemann seiner Mutter in der Familienversicherung mitversichert werden konnte.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/5, der Beklagte 4/5.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
und
Entscheidungsgründe:
I.
Der Kläger ist aus der - rechtskräftig geschiedenen - Ehe des Beklagten und seiner gesetzlichen Vertreterin hervorgegangen. Diese ist nicht berufstätig, hat am 30. September 1997 wieder geheiratet und lebt mit ihrem jetzigen Ehemann und dem Kläger in einem Haushalt zusammen.
Der Kläger ist Schüler und hat keine eigenen Einkünfte. Der Beklagte hat für ihn Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 141,85 EUR von 1999 bis Oktober 2002, in Höhe von 228 EUR von November 2002 bis Juni 2003, in Höhe von 241 EUR im Juli 2003 und in Höhe von 284 EUR ab August 2003 gezahlt. Ursprünglich war der Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung des Beklagten, der u. <Krankenkasse>, beitragsfrei mitversichert. Zum 26. August 2001 kündigte der Beklagte die Krankenversicherung. Die gesetzliche Vertreterin des Klägers war nach der Rechtskraft der Scheidung am 6. Juli 1995 über das Sozialamt <Ort> bei der >Krankenkasse2> krankenversichert und ist seit ihrer Wiederverheiratung über die T. Krankenkasse ihres jetzigen Ehemannes mitversichert; der Antrag, auch den Kläger über diesen mitzuversichern, wurde abgelehnt; der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Auch nach der bereits erwähnten Kündigung erbrachte die u. <Krankenkasse> noch Versicherungsleistungen für den Kläger. Mit Wirkung vom 27. August 2001 versicherte sie ihn auf Grund eines im Jahr 2003 gestellten Antrags freiwillig weiter. Zuletzt verlangte sie vom Kläger rückständige Beiträge in Höhe von 3.088,48 EUR nebst einem Säumniszuschlag in Höhe von 62,50 EUR; hierauf wurde trotz mehrfacher Zahlungsaufforderungen nichts gezahlt, woraufhin die u. <Krankenkasse> die Mitgliedschaft des Klägers zum 15. November 2003 beendete.
Der am . März 1971 geborene Beklagte ist ebenfalls wieder verheiratet und einem weiteren minderjährigen Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Er hat Realschulabschluss und absolvierte eine Lehre als LKW-Mechaniker, die er jedoch nicht beendete. Die Krankenversicherung hat er gekündigt, weil er die Möglichkeit hatte, kostenlos über seine Ehefrau krankenversichert zu werden.
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5. April 2003 wurde der Beklagte aufgefordert, die Krankenversicherungsbeiträge für den Kläger zu zahlen. Dieser hat mit seiner am 26. September 2003 eingereichten Klage (bzw. seinem Klageentwurf) Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung - auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes - für die Zeit vom 27. August 2001 bis zum 30. September 2003 in Höhe von 2.998,39 EUR nebst Zinsen sowie ab Oktober 2003 in Höhe von monatlich 122,96 EUR geltend gemacht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, nicht gewusst zu haben, dass der Kläger bei ihm mitversichert gewesen sei. Denn die Krankenversicherung habe ihm seinen letzten Versicherungsausweis zugeschickt, ohne, wie zuvor immer, eine Karte für den Kläger beizufügen. Dass diese direkt an dessen gesetzliche Vertreterin versandt worden war, sei ihm nicht mitgeteilt worden. Der Beklagte habe daher davon ausgehen dürfen, dass der Kläger anderweitig krankenversichert gewesen sei, zumal ihn seine gesetzliche Vertreterin bereits im Jahr 1994 schon einmal ohne das Wissen des Beklagten bei der gesetzlichen Krankenkasse abgemeldet habe. Letztlich sei er zur Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen nicht leistungsfähig. In der neuen Ehe habe er die Haushaltsführung übernommen und er sei in der Firma seiner Ehefrau als sogenannter geringfügig Beschäftigter angestellt. Zudem bestehe die Möglichkeit, den Kläger über seine gesetzliche Vertreterin bzw. deren jetzigen Ehemann kostenfrei mitzuversichern.
Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger - nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe - Berufung eingelegt, wobei ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Klagebegehren im Wesentlichen weiter. Er trägt vor, dass der Beklagte ganztags im Betrieb seiner Ehefrau arbeite und unabhängig davon ein Einkommen erzielen könne, mit dem sein notwendiger Eigenbedarf und der dem Kläger zustehende Mindestunterhalt, zu dem auch die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung gehörten, gedeckt sei. Der Kläger hat zunächst beantragt, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 2.998,39 EUR für die Zeit vom 27. August 2001 bis 30. September 2003 - nebst Zinsen - sowie ab Oktober 2003 in Höhe von monatlich 122,96 EUR zu zahlen. Zuletzt hat er beantragt, unter Aufrechterhaltung der früheren Anträge im Übrigen, den Beklagten zu verurteilen, rückständige Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 27. August 2001 bis 15. November 2003 in Höhe von 3.088,48 EUR zuzüglich eines weiteren Betrages in Höhe von 62,70 EUR - nebst Zinsen - zu zahlen und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen der ihm ab dem 16. November 2003 dadurch entsteht, dass der Kläger nicht über den Ehemann seiner Mutter in der Familienversicherung mitversichert werden konnte.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er trägt vor, dass er über den Schriftverkehr mit der Krankenversicherung nicht informiert worden sei, so dass er auch nicht wisse, weshalb diese trotz der Kündigung des Versicherungsvertrages für den Kläger weitere Leistungen erbracht habe. Er sei auch nicht auf den Gedanken gekommen, den Versicherungsschutz zu hinterfragen, nachdem der Kläger den Namen seines Stiefvaters angenommen habe. Insoweit habe der Beklagte auch nicht fahrlässig gehandelt. Die u. <Krankenkasse> habe auch keinen Anspruch auf Nachversicherung des Klägers, da sie selbst vertragswidrig gehandelt habe. Letztlich sei der Kläger ohnehin krankenversichert, weil die Voraussetzungen für eine Mitversicherung des Klägers über dessen Stiefvater in der T. Krankenkasse vorgelegen hätten; diese habe zu Unrecht die Mitversicherung abgelehnt. Daher bestehe für den Fall, dass der Beklagte Krankenkassenbeiträge für den Kläger aufbringen müsse, ein Rückgriffsanspruch gegenüber der T. Krankenkasse. Der Beklagte hat dieser deswegen den Streit verkündet. Sie ist dem Rechtstreit nicht beigetreten.
II.
Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.
Der Senat legt die vom Kläger in der Berufungsinstanz gestellten, mit den Schriftsätzen vom 21. August 2004 und 28. Oktober 2004 angekündigten Anträge dahingehend aus, dass die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit vom 27. August 2001 bis - zuletzt - 15. November 2003 zuzüglich Nebenforderungen geltend gemacht und für die Zeit ab dem 16. November 2003, also solange keine Krankenversicherung besteht, die Feststellung einer entsprechenden Schadensersatzpflicht des Beklagten begehrt werden. Diese Modifikation ergibt sich auf Grund der mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2004 erfolgten Änderung des ursprünglichen Antrags und dem Umstand, dass der Kläger erkennbar das Ziel verfolgt, nicht mit den Folgen der Kündigung der Krankenversicherung belastet zu werden, indem er entweder die Mittel für eine freiwillige Versicherung einfordert oder die Feststellung begehrt, dass Nachteile, die ihm durch fehlenden Krankenversicherungsschutz entstehen, vom Beklagten ausgeglichen werden. Da eine - weitere - rückwirkende Krankenversicherung für den Kläger nicht in Betracht kommt und offenbar auch nicht beabsichtigt ist, folgt daraus, dass die monatlichen Versicherungsprämien nunmehr erst für die Zukunft, d. h. hier ab Januar 2005 geltend gemacht werden. Dementsprechend endet der Zeitraum, für den die Feststellung begehrt wird, mit dem 31. Dezember 2004.
Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aus §§ 1601 ff BGB. Unstreitig hat der Kläger weder eigenes Einkommen noch Vermögen. Da er von seiner gesetzlichen Vertreterin betreut wird, ist der Beklagte zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet.
Der Unterhaltsbedarf des Klägers umfasst auch die Kosten der Gesundheits- und Krankheitsfürsorge, wobei diese nicht in den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle enthalten sind, weil im allgemeinen davon ausgegangen wird, dass ein minderjähriges Kind gemäß § 10 Abs. 2 SGB V in der gesetzlichen Familienversicherung gegen Krankheit mitversichert ist. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, hat der Barunterhaltsschuldner zusätzlich auch für die Kosten der Krankenversicherung des Kindes aufzukommen (vgl. Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2, Rz. 215).
Der letztgenannte Fall liegt hier vor, denn eine Mitversicherung des Klägers beim Beklagten besteht nicht, nachdem dieser im Jahr 2001 seine gesetzliche Krankenversicherung gekündigt hatte. Demzufolge erstreckt sich der Unterhaltsbedarf des Klägers auch auf die Kosten für eine freiwillige Krankenversicherung. Dasselbe gilt entsprechend für die Beiträge der Pflegeversicherung, wobei auch hier davon ausgegangen werden muss, dass in Bezug auf den Kläger eine Mitversicherung nicht besteht, weil die Voraussetzungen des § 25 SGB XI - soweit ersichtlich - insoweit nicht erfüllt sind (vgl. hierzu insgesamt Wendl/Scholz, a. a. O., § 2, Rz. 216).
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in zumutbarer Weise in der Lage war bzw. ist, Schutz durch eine Kranken- und Pflegeversicherung auf anderem Weg, insbesondere ohne zusätzliche finanzielle Belastungen, zu erlangen. Insoweit besteht eine Mitversicherung beim Stiefvater des Klägers nicht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen und die Streitverkündete mit Schreiben von 7. März 2003 (Bl. 6 d. A.) es ausdrücklich abgelehnt hat, den Kläger mitzuversichern.
Der Kläger kann nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB V über seinen Stiefvater nur familienversichert sein, wenn er von ihm überwiegend unterhalten wird. Im Recht der Krankenversicherung ist nicht geregelt, wie der überwiegende Unterhalt zu ermitteln ist. Daher ist auf die Regelungen des Familienrechts zurückzugreifen (BSG, FamRZ 1995, 164). Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt, dass nach § 1610 Abs. 2 BGB der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf und bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung umfasse. Hiervon ausgehend sei bei der Ermittlung des überwiegenden Unterhalts zunächst im konkreten Einzelfall festzustellen, welche von dritter Seite erbrachten Geld-, Sach- und Betreuungsleistungen zum Lebensbedarf des Kindes gehörten, und was als eigene Einnahmen des Kindes zu werten sei. Stehe danach der gesamte Unterhaltsbedarf des Kindes fest, sei zu prüfen, in welchem Verhältnis die vom Stiefvater erbrachte Geld-, Sach- oder Betreuungsleistung zu dem gesamten Unterhaltsbedarf stehe. Der vom Stiefvater erbrachte Unterhalt überwiege nur dann, wenn er höher liege als die Hälfte des gesamten Lebensbedarfs des Stiefkindes. Zur Ermittlung dieser Werte erscheine es zweckmäßig, zunächst für die Geld- und Sachleistungen und sodann für die Betreuungsleistungen getrennt zu untersuchen, ob sie vom Stiefvater überwiegend erbracht würden. Ergebe sich ein Überwiegen weder bei den Geld- und Sachleistungen noch bei den Betreuungsleistungen, so komme auch bei einer Gesamtbewertung beider Leistungsarten ein Überwiegen nicht in Betracht (BSG, a. a. O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger von seinem Stiefvater überwiegend unterhalten wurde. Der Barbedarf eines minderjährigen Kindes richtet sich nach der Lebensstellung des Barunterhaltspflichtigen, so dass ab dem Jahr 2001 unter den gegebenen Umständen nach Abzug des Kindergeldes allenfalls ein Barunterhalt in Höhe von 228 EUR monatlich in Betracht kam. Diesen aber hat der Beklagte überwiegend selbst aufgebracht. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Stiefvater des Klägers nennenswerte Betreuungsleitungen erbringt; vielmehr ist davon auszugehen, dass die nicht berufstätige gesetzliche Vertreterin des Klägers ihrer Unterhaltspflicht nachkommt und selbst für die erforderliche Betreuung sorgt. Nach alledem kann von einem "überwiegenden Unterhalt" i. S. v. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB V durch den Stiefvater des Klägers zumindest im Klagezeitraum nicht gesprochen werden, so dass auch eine Mitversicherung des Klägers nicht bestanden hat.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger über das Sozialamt hätte beitragsfrei versichert werden können; dagegen spricht bereits der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe.
Nach alledem umfasst der Unterhaltsbedarf des Klägers auch die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung, die in Höhe des in der Berufung gestellten Zahlungsantrags angefallen sind. Denn nach dem vom Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Schreiben der u. <Krankenkasse> vom 31. Dezember 2003 (Bl. 140 d. A.) sind vom Kläger für die Zeit seiner freiwilligen Krankenversicherung Prämien in Höhe von insgesamt 3.088,48 EUR zuzüglich Säumniszuschläge etc. in Höhe von 62,50 EUR zu zahlen und es ist ebenso unstreitig, dass die laufenden Prämien für eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung monatlich zumindest 122,96 EUR betragen.
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann vorliegend auch nicht angenommen werden, dass der Kläger wegen fehlender Leistungsfähigkeit nicht in der Lage ist, den Krankenversicherungsschutz des Klägers sicherzustellen. Denn mangels entgegenstehender Gesichtspunkte muss sich der Kläger die Rollenwahl des Beklagten in dessen neuer Ehe unterhaltsrechtlich nicht entgegenhalten lassen, da gegenüber dem minderjährigen Kläger eine gesteigerte Unterhaltspflicht des Beklagten nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB besteht (vgl. dazu auch BGH, FamRZ 1980, 1113). Danach ist dieser verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, die es ihm ermöglicht, ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts zumindest den hier geltend gemachten Unterhalt, der sich ohnehin nur nach der untersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle bemisst, aufzubringen. Demzufolge hat der Beklagte im Klagezeitraum seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen und alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, Urteile vom 14. Februar 2002 - 6 UF 122/01 - und vom 4. Oktober 2001 - 6 UF 72/01 -; OLG Hamm, FamRZ 1998, 982; OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 881; Wendl/Scholz, a. a. O., § 2 Rz. 315).
Dieser unterhaltsrechtlichen Obliegenheit ist der Beklagte nicht nachgekommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit, bei der er ein Einkommen erzielen könnte, das es ihm ermöglicht, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen, nicht in der Lage ist. Insbesondere sind die Ausführungen des Beklagten hierzu, wonach er während seiner Arbeitslosigkeit keine ausreichend bezahlte Arbeitsstelle gefunden und sich daher entschlossen habe, für seine jetzige Ehefrau den Haushalt zu führen und in deren Betrieb nur noch geringfügig beschäftigt zu sein, unsubstantiiert und nicht geeignet, eine unterhaltsrechtlich beachtliche Leistungsunfähigkeit des Beklagten zu begründen.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte selbst bei Aufnahme einer ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit kein ausreichendes Einkommen erzielen könnte. Dem steht schon entgegen, dass er, obwohl er nicht sozialversicherungspflichtig arbeitet, für den Kläger regelmäßig Unterhalt entsprechend der Düsseldorfer Tabelle zahlt. Umso eher ist anzunehmen, dass er dies auch dann könnte, wenn er eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausübte, mit der zudem eine Mitversicherung des Klägers - ohne zusätzliche Beiträge - verbunden wäre.
Auch die diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 25. November 2004 führen zu keiner anderen Beurteilung. Soweit der Schriftsatz neue Tatsachen zu den Verdienstmöglichkeiten des Beklagten enthält, konnten diese nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind (§ 296 a Satz 1 ZPO) und dem Beklagten ein Schriftsatznachlass (§ 283 ZPO) jedenfalls zu dieser Frage nicht gewährt worden ist. Auch bestand ein Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, vorliegend nicht. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf Grund neuen, nicht gemäß § 283 ZPO nachgelassenen Vorbringens ist, von dem Sonderfall eines Wiederaufnahmegrundes abgesehen, nur dann geboten, wenn dieses Vorbringen ergibt, dass es aufgrund eines nicht prozessordnungsmäßigen Verhaltens des Gerichts, insbesondere einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist (vgl. BGHZ 30, 60; BGH, NJW 1993, 134 und BGH, MDR 1999, 758; BGH, NJW 2000, 142,143). Im übrigen steht der Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung im freien Ermessen des Gerichts (vgl. BGH, NJW 1986, 1867). Dass der Beklagte - ohne sein Verschulden - gehindert gewesen wäre, die teilweise neuen Tatsachen rechtzeitig zum Verhandlungstermin vorzutragen, ist im Streitfall nicht ersichtlich und wird vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.
Im Übrigen ließe sich mit diesem Vorbringen, selbst wenn es berücksichtigt würde, die mangelnde Leistungsfähigkeit des Beklagten ohnehin nicht begründen, was zu seinen Lasten ginge, weil er insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. BverfG, FamRZ 1985, 143; BGH, FamRZ 2002, 536; FamRZ 1980, 770; Senatsbeschluss vom 25. März 2002 - 2 UFH 25/02-; Saarländisches Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 6 UF 42/04-; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 5108, m. w. N.). Denn zum einen liegen Umstände vor, die diesbezüglich, wie oben bereits ausgeführt, zumindest erhebliche Zweifel begründen, und zum anderen fehlt jeglicher substantiierter Sachvortrag zu den beruflichen Möglichkeiten des Beklagten. Zwar verfügt er, soweit ersichtlich, nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung, doch genügt dies alleine nicht, um bereits daraus eine nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit herleiten zu können; denn die Verdienstmöglichkeiten des Beklagten werden auch bestimmt durch seinen beruflichen Werdegang im Übrigen. Hierzu fehlt jegliche Darlegung, nachdem nicht einmal dargetan ist, welche Position der Beklagte vor der Kündigung seiner Krankenversicherung bekleidet und welches Einkommen er dabei erzielt hat.
Nach alledem ist der Beklagte verpflichtet, die Beiträge zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers zu zahlen. Für die Zeit ab April 2003 ist dies unproblematisch, weil der Beklagte mit Schreiben vom 5. April 2003 zur Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge aufgefordert und daher gemäß § 1613 Abs. 1 BGB entsprechend in Verzug gesetzt wurde.
Für die Zeit davor fehlen zwar die Verzugsvoraussetzungen; dies steht jedoch der Geltendmachung der streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche nicht entgegen. Denn der Kläger kann die Übernahme der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge unter dem Gesichtspunkt des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 b BGB verlangen, weil davon ausgegangen werden muss, dass der Kläger an der Geltendmachung der Ansprüche gehindert war, da ihm die Kündigung der Krankenversicherung durch den Beklagten nicht bekannt gewesen ist, so dass er keine Kenntnis davon hatte, dass tatsächlich bei ihm ein entsprechender Unterhaltsbedarf entstanden war. Dieser Umstand fällt auch in den Verantwortungsbereich des Beklagten, weil dieser es pflichtwidrig unterlassen hat, den Kläger auf die Kündigung der Krankenversicherung und damit auch den Wegfall der Mitversicherung hinzuweisen (vgl. hierzu OLG Koblenz, FamRZ 1989, 1111; OLG Köln, FamRZ 1985, 926). Gründe, wonach den Beklagten diesbezüglich keine Informationspflicht getroffen hat, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hatte der Beklagte keinen hinreichenden Grund zu der Annahme, dass der Kläger nicht auch weiterhin auf die Mitversicherung angewiesen war. Denn diesbezüglich hatte der Beklagte keinerlei gesicherten Erkenntnisse, so dass er nicht von der Pflicht entbunden war, sich durch eine einfache Nachfrage bei seiner Krankenversicherung kundig zu machen und den Kläger über seinen Schritt zu informieren. Aus diesem Grund erschiene nach Auffassung des Senats die Berufung auf den fehlenden Verzug als treuwidrig (§ 242 BGB), zumal sich der Beklagte wegen der Verletzung einer unterhaltsrechtlichen Nebenpflicht schadensersatzpflichtig gemacht hat (vgl. hierzu OLG Koblenz, a. a. O.; OLG Köln, FamRZ a. a. O.).
Da der Kläger selbst bislang keine Beiträge an die Krankenversicherung gezahlt hat, hält der Senat unter den gegebenen Umständen einen Zahlungsanspruch, was die Rückstände betrifft, nicht für gegeben; vielmehr reicht es insoweit aus, wenn der Kläger von entsprechenden Forderungen der u. <Krankenkasse> freigestellt wird (vgl. hierzu auch OLG Hamm, FamRZ 1987, 1142; Wilhelm, FuR 2000, 353). Dem trägt Zif. I, 1 des Urteilstenors Rechnung. Dass der Kläger Zahlung und nicht Freistellung begehrt, hindert eine entsprechende Verurteilung nicht, denn der Freistellungsanspruch ist als "minus" in dem Zahlungsantrag enthalten (OLG Frankfurt, FamRZ 1990, 49). Für die Zukunft, d. h. für die Zeit ab Januar 2005 verbleibt es bei dem Zahlungsanspruch. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger, wie der Beklagte behauptet, ab 2005 über seine gesetzliche Vertreterin mitversichert ist, denn maßgeblich für die vorliegende Entscheidung ist der Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung. Danach u. U. eingetretene Änderungen sind daher in einem erneuten Verfahren, ggf. im Wege der Abänderungsklage geltend zu machen.
Einen Zinsanspruch hat der Kläger nicht, da nicht ersichtlich ist, dass die u. <Krankenkasse> Zinsen gegenüber dem Kläger geltend macht.
Der Feststellungsantrag ist zulässig; insbesondere liegt das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO vor, weil davon auszugehen ist, dass der Kläger in der Zeit, in der er trotz fehlenden Krankenversicherungsschutzes medizinische Leistungen etc. in Anspruch genommen hat, mit entsprechenden Kosten belastet werden könnte, die der Kläger im Einzelnen noch nicht beziffern kann, weil sie ihm noch nicht bekannt gegeben worden sind. Dass er bereits jetzt ein berechtigtes Interesse daran hat, die Pflicht des Beklagten festgestellt zu wissen, ggf. diese Kosten zu übernehmen, steht außer Zweifel.
Der Antrag ist auch begründet, denn der Beklagte ist, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, sowohl unter unterhaltsrechtlichen (vgl. OLG Hamm, a. a. O.) als auch unter schadensersatzrechtlichen (vgl. OLG Koblenz, a. a. O.; OLG Köln, a. a. O.) Gesichtspunkten verpflichtet, die durch den fehlenden Krankenversicherungsschutz des Klägers entstandenen Nachteile auszugleichen.
Nach alledem ist die Klage überwiegend begründet, so dass das angefochtene Urteil entsprechend abzuändern ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; sie berücksichtigt, dass der Kläger insofern teilweise unterlegen ist, als er hinsichtlich der Beitragsrückstände statt Zahlung nur Freistellung beanspruchen kann.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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