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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.10.2009
Aktenzeichen: 4 U 96/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GG, SaarlStrG
Vorschriften:
ZPO § 529 | |
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 | |
BGB § 839 Abs. 1 | |
GG Art. 34 | |
SaarlStrG § 9 Abs. 3a | |
SaarlStrG § 53 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 27.10.2009
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatzes aus Amtshaftung
hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Schmidt als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht Fritsch-Scherer und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 21.1.2009 - 4 O 342/08 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger das beklagte Land unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Der Beklagte trägt die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Landstraße L 116 zwischen F. und M.. Der Kläger hat behauptet, er sei am .9.2005 gegen 18:15 Uhr auf der Landesstraße L 116 mit seinem Motorrad gestürzt. Er habe die Straße von F. in Richtung M. befahren und sei in Höhe der ersten Rechtskurve auf Rollsplitt geraten. Der Rollsplitt sei nicht über die Straße verteilt, sondern an einzelnen Stellen der Fahrbahn angehäuft gewesen. In einer Kurve sei der Kläger mit dem Vorderrad seines Motorrades in eine solche Anhäufung geraten, obwohl er die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eingehalten gehabt habe. In einer Entfernung von 150 m hinter der Unfallstelle sei ein Schild aufgestellt gewesen, welches auf Rollsplitt hingewiesen habe. Am Motorrad sei ein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden. Darüber hinaus seien seine Kleidung und seine Ausstattung beschädigt worden. Der Kläger habe Prellungen am Rippenbogen, am Schienbein, an beiden Füßen, an der Schulter, an den Ellenbogen, an den Händen sowie Schürfwunden am Unterarm erlitten. Der Kläger begehrt Schadensersatz für die Beschädigung seines Motorrades in Höhe von 850 EUR, Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 320,21 EUR sowie Schadensersatz für die Beschädigung der Lederkombi (1.000 EUR), des Helmes (100 EUR), der Lederstiefel (100 EUR) und der Schuhe (50 EUR). Schließlich begehrt der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 400 EUR. Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.873,21 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen. Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Beklagte hat bestritten, zu dem angegebenen Unfallzeitpunkt an der beschriebenen Unfallörtlichkeit Arbeiten ausgeführt zu haben. Überdies sei die Gefahrenstelle ordnungsgemäß beschildert gewesen, was sich aus den vom Kläger vorgelegten Fotos ergebe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, der Kläger habe nicht nachweisen können, dass der als verkehrswidrig zu bezeichnende Zustand durch den Beklagten herbeigeführt worden sei. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Der Kläger vertritt die Auffassung, das Landgericht habe die Urheberschaft des Beklagten für die Straßenbaumaßnahmen zu Unrecht als nicht erwiesen erachtet. Es bestehe eine Vermutung, dass Straßenbaumaßnahmen vom baulastpflichtigen Verwaltungsträger selbst durchgeführt oder in Auftrag gegeben würden. Der vernommene Zeuge M. habe eingeräumt, dass an der streitgegenständlichen Unfallstelle zeitlich nach dem Unfallereignis durch den Beklagten Bauarbeiten durchgeführt worden seien, die gleichartig mit den Bauarbeiten gewesen seien, die der Kläger am 19.9.2005 wahrgenommen habe. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass an derselben Stelle im Abstand von zwei Wochen dieselben Schlaglöcher mit Asphalt verfüllt und anschließend mit Splitt belegt worden seien und dass dies durch zwei verschiedene Verwaltungsträger geschehen sei. Bei lebensnaher Würdigung der Beweise sei der Schluss nahezu zwingend, dass die vom Beklagten vorgelegte Tageseinteilung mit einem falschen Datum versehen worden sei. Eine Anfrage bei der Stadt B. habe ergeben, dass in den Akten kein Hinweis gefunden worden sei, wonach die Stadt B. an der fraglichen Stelle Arbeiten durchgeführt habe. Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 21.1.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 4 O 342/08 - den Beklagten nach Maßgabe des erstinstanzlichen Antrags zu verurteilen. Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass das beklagte Land an der vom Kläger bezeichneten Stelle keine Arbeiten durchgeführt habe. Es sei durchaus nicht ausgeschlossen, dass eine Kommune Arbeiten durchführe, für die sie nicht zuständig sei. Von Seiten des Landesbetriebes könne nicht mehr abschließend geklärt werden, ob die streitgegenständlichen Arbeiten vom Landesbetrieb durchgeführt worden seien. Auszuschließen sei, dass die Arbeiten maschinell ausgeführt worden seien. Eine manuelle Ausbesserung von Schlaglöchern werde nicht dokumentiert. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen (Bl. 116 ff. d. A.). II.
A. Die zulässige Berufung des Klägers bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Verkehrssicherungspflicht gem. § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 9 Abs. 3a, § 53 SaarlStrG zu. Zwar hält die Tatsachenfeststellung des Landgerichts den Angriffen der Berufung nicht stand: Auf der Grundlage der im zweiten Rechtszug erfolgten weiteren Aufklärung des Sachverhalts ist der Senat davon überzeugt, dass es der Landesbetrieb war, der an der fraglichen Stelle den Rollsplitt auftrug (1.). Dennoch bleibt die Berufung im Ergebnis ohne Erfolg, da der Kläger den ihm obliegenden Beweis dafür, dass eine dem Beklagten vorzuwerfende Verkehrssicherungspflichtverletzung kausal für den Schaden wurde, nicht führen konnte (2.).
1. Das Landgericht ist nach Durchführung einer Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Landesbetrieb die vom Kläger auf den 19.9.2005 datierten Bauarbeiten durchführte. An dieses Beweisergebnis ist der Senat nicht gemäß § 529 ZPO gebunden, da das Landgericht die Beweisanforderungen überspannt hat und die Widersprüche, die sich aus den Straßenkontrollberichten ergeben, nicht gewürdigt hat. Im Rahmen der eröffneten eigenen Beweisaufnahme bleiben unter Berücksichtigung der Auskunft der Stadt B. und der Einschätzung des Beklagten, wonach eine manuelle Ausbesserung von Schlaglöchern nicht notwendigerweise dokumentiert werde, keine relevanten Zweifel daran, dass der Landesbetrieb die Ausbesserungsarbeiten ausführte. Im Einzelnen beruht die Überzeugung des Senats auf folgenden Erwägungen:
a) Zunächst steht zur Überzeugung des Senats fest, dass an der fraglichen Örtlichkeit am 19.9.2005 tatsächlich die auf den vom Sachverständigen M. gefertigten Lichtbildern abgelichtete Baustelle eingerichtet war.
Der Zeuge M. hat vor dem Landgericht ausgesagt, er sei am 21.9.2005 an der Örtlichkeit gewesen und habe die dem Gutachten beigefügten Lichtbilder gefertigt. Anhaltspunkte, die der Glaubhaftigkeit der Aussage entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat hat der Kläger ausgesagt, dass die auf den Lichtbildern dokumentierte Straßensituation bereits am 19.9.2005 vorgelegen habe. Der aufgetragene Rollsplitt sei Ursache seines Sturzes gewesen. Gegen die Wahrheit dieser Darstellung hegt der Senat keine Zweifel.
b) Mit Recht hat das Landgericht bei der Würdigung der Beweise den Erfahrungssatz herangezogen, dass Straßenbauarbeiten regelmäßig vom jeweiligen Träger der Straßenbaulast veranlasst werden. Diese Schlussfolgerung ist schon deshalb indiziert, weil die Durchführung von Straßenarbeiten im Regelfall mit Kosten verbunden ist, die der jeweilige Verwaltungsträger aus haushaltsrechtlichen Gründen nur innerhalb seiner eigenen Zuständigkeit decken kann. Diese Erwägungen streiten dafür, dass die Ausbesserungsarbeiten vom Landesbetrieb durchgeführt wurden.
c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts wird die aus dem Erfahrungssatz nahe liegende Schlussfolgerung nicht durch das Ergebnis der Zeugenbefragung widerlegt:
aa) So hat der Zeuge M. bereits keine nachvollziehbare Begründung dafür angegeben, weshalb das Aufstellen des Vorschriftzeichens Nr. 274 "30" Rückschlüsse auf den Veranlasser der Baustelle zulässt. Der Beklagte zieht in Zweifel, dass derartige mobile Verkehrszeichen nicht auch bei Baustellen zum Einsatz kommen, die vom Landesbetrieb eingerichtet werden. In wessen Rechtszuständigkeit die Schilder letztlich stehen oder - in den Worten des Zeugen M.: woher sie stammen - ist im hier interessierenden Zusammenhang ohne Relevanz.
bb) Darüber hinaus musste die Würdigung der Zeugenaussage dem Umstand Rechnung tragen, dass der Zeuge den Kern seiner eigenen Aussage nicht aus einer eigenen Erinnerung an das im fraglichen Straßenbereich tatsächlich durchgeführte Baugeschehen geschöpft hat, sondern Rückschlüsse aus der schriftlichen Dokumentation gezogen hat: Weil vor dem 4.10.2005 hinsichtlich des fraglichen Straßenbereichs keine Einsatzplanungen oder Arbeitsberichte existieren, hat der Zeuge gefolgert, dass es vor dem 4.10.2005 auch keine Arbeiten des Landesbetriebes gegeben haben kann. Dieser Schluss gerät zu kurz: Im zweiten Rechtszug hat der Beklagte dargelegt, dass eine manuelle Ausbesserung von Schlaglöchern nicht dokumentiert wird. Außerhalb der Protokollierung hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ergänzt, dass auch das Aufbringen von Rollsplitt mitunter als nicht maschinelle Arbeit ausgeführt wird. Mithin steht die Aussage des Zeugen M. lediglich der Annahme entgegen, dass ein maschineller Arbeitseinsatz des Landesbetriebs vor dem 4.10.2005 nicht stattgefunden haben mag. Über die Möglichkeit einer manuellen Arbeit verhält sich die Aussage des Zeugen nicht.
d) Sodann waren bei der vollständigen Erfassung des Inhalts der Verhandlung (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO) die Widersprüche aus der Eintragung in den Straßenberichten in die Beweiswürdigung einzubeziehen: Der Straßenbericht vom 14.9.2005 trägt die Bemerkung "L. 116 E.. M. -H. M. Fahrbahnr. ausb." Trotz gerichtlichen Hinweises hat der Beklagte nicht aufgelöst, welcher Sachverhalt sich hinter dieser Eintragung verbarg und auf welche Weise der Landesbetrieb Kenntnis von der Sanierungsbedürftigkeit der Straße erlangte. Der Entscheidungsprozess, der der Arbeitsausausführung vom 4.10.2005 vorangegangen war, wird nicht offengelegt. Auch dieses Aufklärungsdefizit nährt Zweifel daran, dass der Landesbetrieb vor der maschinellen Bearbeitung des Straßenbereichs nicht doch Maßnahmen ergriff, um die vorhandenen Straßenschäden zumindest provisorisch auszubessern.
e) Schließlich hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Arbeiten nicht von der als alternative Veranlasserin allein in Betracht kommenden Stadt B. durchgeführt wurden. Die Auskunft vom 12.8.2009 bestätigt mit Klarheit, dass die Stadt B. keinen nachvollziehbaren Grund für die Durchführung der hier in Rede stehenden Arbeiten besaß, für die der zuständige Sachbearbeiter nach Durchsicht der einschlägigen Unterlagen keine Hinweise fand (Bl. 111 d. A.).
2. Hingegen kann der Kläger den ihm obliegenden Beweis, infolge einer dem Beklagten vorzuwerfenden Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gestürzt zu sein, nicht führen.
a) Soweit der Kläger die Verkehrssicherungspflichtverletzung daraus hergeleitet hat, dass der Rollsplitt unsachgemäß aufgetragen worden sei (Klageschrift S. 3: "Der Rollsplitt selbst war nicht über die Straße verteilt, sondern war an einzelnen Stellen der Fahrbahn aufgehäufelt. ... An einzelnen Stellen war der Splitt nicht verteilt worden, sondern mit einer Schaufel aufgehäuft worden. ... Der Kläger geriet mit seinem Motorrad mit dem Vorderrad in eine solche Anhäufung und kam dadurch zu Fall."), ist bereits der Nachweis einer objektiven Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht geführt. Denn der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis für das tatsächliche Vorliegen der behaupteten gefahrerhöhenden Umstände nicht erbracht:
Der Kläger hat den Schadensbereich in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingegrenzt (Lichtbild Nr. 6, Bl. 65). Bei Ansicht der Bilddateien, die sich auf der dem Gutachten beigefügten CD-ROM befinden, sind im korrespondierenden Straßenbereich keine Rollsplittanhäufungen zu erkennen. Gegenüber dem Sachverständigen M. hat der Kläger die Unfallstelle genauer eingegrenzt und auf Spurenzeichnungen verwiesen, die auf den Bilddateien Nr. 11 bis 14 abgebildet sind. Auch auf diesen Aufnahmen sind keine Rollsplittanhäufungen zu sehen. Letztlich ist der Kläger im Verlauf seiner Anhörung vor dem Senat von der Darstellung der Klageschrift abgerückt und hat auf Nachfrage des Senats erläutert, dass der Rollsplitt auf ausgebesserten Straßenstücken flächig aufgetragen gewesen sei.
b) Ob der Beklagte die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht dadurch verletzt hat, dass er das Gefahrenzeichens Nr. 101 verbunden mit dem Zusatzschild "Rollsplitt" räumlich fehlerhaft aufgestellt hat, kann dahinstehen. Der Kläger hat jedenfalls den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, dass eine im fehlerhaften Aufstellen des Schildes liegende Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für den Sturz des Klägers ursächlich wurde.
aa) Gemäß § 9 Abs. 3a SaarlStrG sind dem Träger der Straßenbaulast die sich aus der Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen ergebenden Aufgaben als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit übertragen. Demnach obliegt es dem Träger der Straßenbaulast in Erfüllung dieser Amtspflicht, die Straße in einem hinreichend sicheren Zustand zu erhalten und in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die zur Herbeiführung und Erhaltung eines für die Benutzer hinreichend sicheren Zustandes erforderlich sind. Hierbei ist keine absolute Gefahrlosigkeit herzustellen. Denn dies ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen. Vielmehr muss sich der Straßenbenutzer grundsätzlich den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Demgegenüber ist es Sache des Verkehrssicherungspflichtigen, alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (BGHZ 108, 273, 274 f.; BGH, Urt. v. 21.6.1979 - III ZR 58/78, VersR 1979, 1055, vgl. Urt. v. 11.12.1984 - VI ZR 218/83, NJW 1985, 1076; Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl., § 823 Rdnr. E 74; MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rdnr. 416 ff.; Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 823 Rdnr. 221; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2. Aufl., § 823 Rdnr. 314; P/W/W/Schaub, 4. Aufl., § 823 Rdnr. 132).
bb) Angewandt auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt ist zunächst festzuhalten, dass der Beklagte seiner Pflicht, den Verkehr vor dem gefahrenträchtigen Zustand der Straße zu warnen, nachkam. Durch die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h, das Aufstellen des Gefahrenzeichens Nr. 101 (verbunden mit dem Zusatzschild "Straßenschäden") und des Gefahrenzeichens Nr. 123 wurde der Verkehr nachhaltig auf das Vorhandensein einer Gefahrenquelle hingewiesen, die aus Straßenschäden und Bauarbeiten resultierte. Der Verkehr war daher gehalten, seine Geschwindigkeit deutlich herabzusetzen, um allen Gefahrensituationen zu begegnen, die das Vorhandensein von Straßenschäden und die Durchführung von Bauarbeiten erwarten ließen. Die besseren Argumente streiten dafür, dass der Beklagte bereits mit der von ihm gewählten Beschilderung der objektiv gebotenen Verkehrssicherung genüge leistete:
Im Grundsatz reicht es als Verkehrssicherungsmaßnahme aus, vor Straßenbaustellen rechtzeitig und verständlich zu warnen (Bamberger/Roth/Spindler, aaO., § 823 Rdnr. 327). Demgegenüber besteht keine generelle Pflicht, durch Aufstellen von Zusatzschildern auf spezifische Gefahren aufmerksam zu machen, solange die konkrete Gefahrenquelle typischerweise an Baustellen anzutreffen ist. So müssen Fahrzeugführer auch ohne Zusatzschilder im Baustellenbereich etwa mit tiefen Schlaglöchern rechnen (OLG Rostock, NZV 2000, 333; NJW-RR 2000, 408; Bamberger/Roth/Spindler, aaO., § 823 Rdnr. 327).
Ob das Auftragen von Rollsplitt im vorgenannten Sinne eine baustellenuntypische Gefahr bedeutet, die eines gesonderten Warnhinweises bedarf, erscheint zweifelhaft. Eine Erweiterung der Verkehrssicherungspflicht durch Aufstellen konkreter Warnschilder wäre allerdings dann geboten, wenn die durch den Rollsplitt geschaffene Gefahr für den herannahenden Verkehr bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von maximal 30 km/h und unter Beobachtung der Sorgfalt, die der Verkehr wahren muss, wenn in allgemeiner Form vor Straßenschäden und Bauarbeiten gewarnt wird, nicht beherrschbar wäre.
Jedenfalls bei der Beurteilung der dem Streitgegenstand der vorliegenden Klage zu Grunde liegenden Situation ist dieser Schluss nicht zu ziehen: Auch ein Zweiradfahrer besaß in der Annäherung an die aufgestellten Schilder Veranlassung, seine Geschwindigkeit deutlich herabzusetzen. Ein solches Fahrverhalten war bei verkehrsgerechter Fahrweise ohne weiteres möglich, da das die Geschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen aus der Fahrtrichtung des Klägers bereits beim Verlassen der Ortslage zu erkennen war. Zudem birgt das Auftragen von Rollsplitt - jedenfalls sofern dies sachgerecht erfolgt - auch für einen Zweiradfahrer keine Gefahr, die bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von maximal 30 km/h nicht beherrschbar wäre. Hinzukommt, dass der Verkehr aufgrund der unspezifischen Warnung vor Straßenschäden und Bauarbeiten gehalten war, beim Passieren der Schilder vorausschauend zu fahren und sein besonderes Augenmerk auf den im weiteren Straßenverlauf auftretenden Zustand der Fahrbahn zu richten. Wäre der Verkehr dieser gebotenen Sorgfalt nachgekommen, hätte ihm das partielle Auftragen von Rollsplitt nicht verborgen bleiben können. Mithin wäre der situationsadäquat aufmerksame Zweiradfahrer bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt in der Lage gewesen, der durch das partielle Auftragen des Rollensplitts geschaffenen Gefahr, wirksam zu begegnen. Bei dieser Sachlage war die Aufstellung eines auf Rollsplitt hinweisenden Zusatzschildes entbehrlich.
cc) Letztlich kann die Frage nach dem Nachweis einer objektiven Verletzung der Verkehrsicherung im Ergebnis unentschieden bleiben. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass sich eine in einer fehlerhaften Beschilderung liegende Verletzung der Verkehrssicherungspflicht schadensursächlich ausgewirkt hat:
aaa) Der aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten klagende Geschädigte trägt nach allgemeinen Grundsätzen nicht nur die Darlegungs- und Beweislast für den objektiven Rechtsverstoß des Verkehrssicherungspflichtigen. Dem Geschädigten obliegt auch der Beweis dafür, dass das die Verkehrssicherungspflichtverletzung begründende Verhalten ursächlich für den Schadenseintritt war (Palandt/Sprau, aaO., § 823 Rdnr. 53 f.; Erman/Schiemann, BGB, 12. Aufl., § 823 Rdnr. 87). Zwar gelten zugunsten des Geschädigten Beweiserleichterungen: So streitet bei der Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften oder Schutzgesetzen der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Verstoß für den Schadenseintritt ursächlich war, sofern sich gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der das Schutzgesetz oder die Unfallverhütungsvorschrift entgegenwirken soll. Der Anscheinsbeweis ist darüber hinaus auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten anwendbar, die wie Schutzgesetze oder Unfallverhütungsvorschriften typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der durch die Auferlegung der Verhaltenspflichten begegnet werden soll (BGH, Urt. v. 3.6.2008 - VI ZR 223/07, NJW 2008, 3775; Urt. v. 9.9.2008 - VI ZR 279/06, NJW 2008, 3778; Bamberger/Roth/Spindler, aaO., § 823 Rdnr. 280 f.; P/W/W/Schaub, aaO., § 823 Rdnr. 130). Im vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt ist dieser Anscheinsbeweis jedoch widerlegt: Die Schilderung des Unfallhergangs durch den Kläger erlaubt den Schluss, dass der Kläger auch bei einem frühzeitigen Aufstellen des Warnschildes "Rollsplitt" gestürzt wäre.
bbb) Bei der Auswertung der Bilddateien ist zu erkennen, dass bereits - in Fahrtrichtung des Klägers gesehen - eine erhebliche Strecke vor der späteren Unfallstelle Rollsplitt auf der Straße aufgetragen war. Die Bilddateien Nr. 5, 6 und 7 zeigen größere Rollsplittmengen mit einer nicht unerheblichen Längenausdehnung im Bereich der rechten Fahrbahnbegrenzung, die etwa in Höhe des Verkehrszeichens Nr. 110 enden. An der beschriebenen Stelle sind weiterhin geringere Rollsplittanteile im mittigen Fahrspurbereich zu sehen. Diesen Rollsplitt konnte ein mit der gebotenen Aufmerksamkeit fahrender Zweiradfahrer in der Annäherung an die beschilderte Gefahrenstelle nicht übersehen. Dennoch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, er habe den Rollsplitt nicht bemerkt. Diese Einlassung erlaubt den Schluss, dass der Kläger den in der Beschilderung angekündigten und den tatsächlichen Gegebenheiten ersichtlichen Gefahren nicht die gebotene Aufmerksamkeit widmete. Es spricht wenig dafür, dass der Kläger mit größerer Sorgfalt gefahren wäre, wenn er durch das Aufstellen eines weiteren Zusatzschildes auf das ohnehin erkennbare Vorhandensein von Rollsplitt aufmerksam gemacht worden wäre. Zusammenfassend liegt die Missachtung der gebotenen Sorgfalt durch den Kläger als Unfallursache deshalb nahe, weil der Kläger auch in der Anhörung nicht nachvollziehbar erklären konnte, weshalb er trotz seiner langjährigen Fahrpraxis als Motorradfahrer bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit von 30 km/h den Sturz nicht vermeiden konnte. Seine ausweichende Einlassung zur Frage, wie schnell er genau gefahren sei, legt die Vermutung nahe, dass der Kläger mit einer unter den gegebenen Verhältnissen unangepassten Geschwindigkeit unterwegs war.
3. Da der Klage bereits dem Grunde nach ein Erfolg zu versagen war, sind Ausführungen zur Schadenshöhe entbehrlich. Der Senat beschränkt sich auf die Anmerkung, dass mit Blick auf die Angaben des Klägers zur Höhe der Anschaffungskosten der Lederkombi, deren Preis in der Klageschrift noch mit 1.500 EUR angegeben war und deren Zeitwert nach dem Tatsachenvortrag der Klageschrift den Wiederbeschaffungswert des Motorrades überstiegen hätte, deutliche Abstriche vorzunehmen gewesen wären.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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