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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 5 U 242/06
Rechtsgebiete: ZPO, AVB, VVG, BRAO


Vorschriften:

ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 340 Abs. 3
ZPO § 384 Nr. 2
ZPO § 829
ZPO § 835
ZPO § 836
ZPO § 840 Abs. 1
AVB § 1
AVB § 3
AVB § 4 Nr. 5
AVB § 5
AVB § 6
VVG § 1
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 6 Abs. 3 S. 2
VVG § 149
VVG § 152
VVG § 153 Abs. 1 Satz 2
VVG § 158c
VVG § 158c Abs. 3
VVG § 158d
VVG § 158d Abs. 1
VVG § 158d Abs. 2
VVG § 158e
VVG § 158e Abs. 1 S. 1
BRAO § 43a Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

5 U 242/06

Verkündet am 12.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2007 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Groß und die Richterin am Amtsgericht Dr. Eckstein-Puhl

für Recht erkannt

Tenor:

1. Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22.03.2006 - 14 O 157/05 - wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 383.468,91 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.11.2001 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, mit Ausnahme der gemäß Zwischenurteil des Senats vom 05.09.2007 dem Zeugen T. auferlegten Kosten des Zwischenstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 383.468,91 € festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger nehmen als Pfändungsgläubiger die beklagte Versicherung aus einem Vermögensschadenshaftpflichtversicherungsvertrag des Zeugen N. H. T. in Anspruch. Der Zeuge war als Rechtsanwalt tätig gewesen. Seit 1989 bis zum 11.11.1998 war er bei der Beklagten gegen Vermögensschäden mit einer Deckungssumme von 1.000.000,- DM (= 511.291,88 €) je Versicherungsfall haftpflichtversichert (Bl. 94 d. A.). Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses belief sich die Pflichtversicherungssumme für Rechtsanwälte unstreitig auf 500.000,- DM (Bl. 83, 151 d. A.). Die damals geltenden, vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen genehmigten Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (AVB, Bl. 131 d. A.) enthielten in § 4 Nr. 5 folgende Bestimmung (vgl. hierzu die Feststellungen des Landgerichts auf S. 2 des Urteils vom 22.03.2006, Bl. 151 d. A.):

"Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche [...] wegen Schadensverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung."

Der Zeuge wurde im Sommer 1991 von einer aus den Klägern und einem Herrn K. A. bestehenden Erbengemeinschaft beauftragt, deren Interessen gegenüber der früheren Treuhandanstalt (später Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben - BvS) bezüglich der Rückgabe eines Grundstücks wahrzunehmen. Dieses wurde zu einem Preis von 21,46 DM/qm verkauft. Der Zeuge schloss für die Kläger mit der BvS einen Vertrag über die Auskehr des Erlöses und die Feststellung des Verkehrswerts. Weil über diesen keine Einigkeit bestand, wurde in § 3 der Vereinbarung Folgendes geregelt (Bl. 44 der Beiakte 1 O 14/99 des LG Berlin):

"Die Berechtigte behält sich vor, bis zum 31.12.97 wegen der Erstattung eines höheren Verkehrswertes für das in § 1 Ziffer 2 bezeichnete Grundstück weitergehende Forderungen vor den Zivilgerichten geltend zu machen."

Ende 1997 erhielt der Zeuge von der Erbengemeinschaft den Auftrag, die in Ziff. 3 der Vereinbarung bezeichneten Forderungen gerichtlich geltend zu machen, wobei streitig ist, ob die Kläger explizit die Anweisung zur unmittelbaren Erhebung einer Klage gegeben haben (Bl. 28, 29, 123/124 d. A.). Unter dem 18.12.1997 leitete der Zeuge den Klägern einen Klageentwurf an das LG Potsdam zu (Bl. 102 d. A.) mit der Aufforderung (Bl. 106 d. A.), über die ihm zustehenden Gebühren und den von ihm errechneten Gerichtskostenvorschuss (drei Gerichtsgebühren in Höhe von insgesamt 23.115 DM) zwei getrennte Verrechnungsschecks zu übersenden, was unter dem 29.12.1997 auch geschah. Der Zeuge löste die Schecks ein, auf welches Konto ist streitig (Bl. 29, 65 d. A.). Jedenfalls wurde der Betrag nicht auf das im Briefkopf der Kanzlei bezeichnete Konto eingezahlt. Der Zeuge leitete Ende 1997 beim AG Wedding ein Mahnverfahren ein. Der Mahnbescheid wurde am 07.01.1998 erlassen und am 19.01.1998 zugestellt. Am 07.01.1998 wurde auch eine Kostenrechnung über eine halbe Gerichtsgebühr in Höhe von 3.852,50 DM abgesandt; ob und wem diese zugegangen ist, ist streitig. Das BvS legte Widerspruch ein. Zunächst leitete der Zeuge T. weder die halbe Gebühr für das Mahnverfahren noch die weiteren 2,5 Gebühren gemäß Kostenanforderung des Amtsgerichts Wedding an die Gerichtskasse weiter (Bl. 6, 7 der Beiakte 1 O 14/99 des LG Berlin). Erst nach Anmahnung der Gebühren bei Herrn H.- G. A. unter dem 10.06.1998 (vgl. Bl. 9 der Beiakte 1 O 14/99 des LG Berlin) überwies der Zeuge zunächst die Kosten für den Mahnbescheid und übermittelte unter dem 02.07.1998 dem Amtsgericht Wedding sodann die Anspruchsbegründung betreffend eine Klageforderung in Höhe von 1.524.235,36 DM, zahlte zugleich die restlichen Gerichtsgebühren ein und beantragte, den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam abzugeben (Bl. 107 d. A.). Die beklagte BvS wandte unter anderem ein, dass die in § 3 der Vereinbarung vom Juni 1997 statuierte Frist für die gerichtliche Geltendmachung versäumt sei (Bl. 69 der Beiakte 1 O 14/99 des LG Berlin). Die Prozessbevollmächtigten der Kläger vertraten hingegen die Ansicht, dass der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids die Frist gewahrt habe (Bl. 90 der Beiakte 1 O 14/99 des LG Berlin). Das LG Berlin wies die Klage mit Urteil vom 17.02.1999 mit der Begründung ab, die Kläger hätten ihren Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht. Zwar seien die Einleitung eines Mahnverfahrens und die Klagerhebung gleichwertige Wege zur Geltendmachung von Ansprüchen vor dem Zivilgericht, zumal die Parteien in der Vereinbarung hierzu keine konkreten Vorgaben gemacht hätten; allerdings gelte ein Rechtsstreit "nur dann als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, wenn er alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs an das zuständige Streitgericht abgegeben" werde; daran fehle es im vorliegenden Fall, weil eine Abgabe an das Streitgericht erst nach Einzahlung des Kostenvorschusses im Juli 1998 habe erfolgen können (S. 8, 9 des Urteils des Landgerichts Berlin vom 17.02.1999). Die Berufung der Kläger gegen diese Entscheidung wies das Kammergericht mit Urteil vom 25.05.2000 (27 U 3009/99) zurück (Bl. 154 der Beiakte 1 O 14/99 des LG Berlin).

Die Kläger verfolgten Schadensersatzansprüche gegen ihren Prozessbevollmächtigten T. wegen des verlorenen Rechtsstreits zunächst außergerichtlich. Nachdem auf eine vorprozessuale Schadensauflistung und Zahlungsaufforderung keine Leistungen erfolgten, wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 11.12.2000 telefonisch an die beklagte Haftpflichtversicherung des Zeugen und setzte den dortigen Sachbearbeiter darüber in Kenntnis, dass Schadensersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer in Höhe von 1.311.072,83 DM geltend gemacht würden. Ebenso teilte er mit, dass der Zeuge T. die Unterlagen hinsichtlich des Schadensfalls seiner Haftpflichtversicherung vorlegen wolle (Bl. 2 d. A.). Der Sachbearbeiter der Beklagten gab an, es sei noch kein Schadensfall angelegt und jegliche weitere Korrespondenz solle ausschließlich mit dem Versicherungsnehmer erfolgen, weil man "nur im Innenverhältnis, nicht jedoch mit den Anspruchstellern" korrespondiere (Bl. 2 d. A.). Dem Sachbearbeiter wurde angekündigt, die bereits gefertigte Klage gegen den Zeugen werde noch im selben Jahr eingereicht. In einem weiteren Telefonat vom 27.12.2000 erkundigte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger, ob zwischenzeitlich Unterlagen eingegangen seien. Nachdem dies verneint wurde, kündigte er an, am 29.12.2000 Klage zu erheben, woraufhin der Sachbearbeiter der Beklagten sich die Telefonnummer des Zeugen T. geben ließ (Bl. 3 d. A.). Die Klageschrift des Verfahrens 23 O 5/01 ging am 29.12.2000 beim LG Berlin ein (Bl. 1 der Beiakte 23 O 5/01 des LG Berlin). Unter dem 26.09.2001 wurde der Zeuge im Wege eines Versäumnisurteils zur Zahlung von 1.216.635,78 DM nebst Zinsen verurteilt. Aufgrund dessen erging ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, und der Beklagten wurde ein vorläufiges Zahlungsverbot vom 09.11.2001 zugestellt (Bl. 37, 66 d. A.). Die Prozessbevollmächtigten des Zeugen legten gegen das Versäumnisurteil Einspruch ein und beantragten Fristverlängerung für die Einspruchsbegründung bis zum - offenbar gemeinten - 24.11.2001, die (stillschweigend) gewährt wurde (Bl. 37 der Beiakte 23 O 5/01 des LG Berlin). Unter dem 27.11.2001 erteilte die Beklagte Auskunft gemäß § 840 Abs. 1 ZPO und lehnte Leistungen aus der Versicherung ab (Bl. 5, 153 d. A.). Mit Schreiben vom 14.12.2001 benachrichtigte sie den Zeugen T. darüber, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger sie über den Erlass des Versäumnisurteils, das Einlegen eines Einspruchs und einen für Mai 2002 bestimmten Verhandlungstermin informiert habe, und forderte ihn unter anderem zur Mitteilung über den Verfahrensstand auf (Bl. 115 d. A.). Mangels Rückantwort wiederholte sie diese Aufforderung mit Schreiben vom 25.03.2002 (Bl. 118 d. A.) und vom 08.05.2002 (Bl. 119 d. A.). Unter dem 27.05.2002 reichte ein Rechtsanwalt H. für den Zeugen T. beim LG Berlin eine Einspruchsbegründung nach (Bl. 112 d. A.). Die von der Beklagten beauftragten Bevollmächtigten übersandten ihrerseits am 28.05.2002 einen Schriftsatz mit dem Antrag, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil die BvS für das umstrittene Grundstück den angemessenen Verkehrswert gezahlt habe; hierfür wurde Sachverständigenbeweis angeboten (Bl. 112 d. A.). Das LG Berlin hielt das Versäumnisurteil mit Urteil vom 29.05.2002 aufrecht (Bl. 59/60 der Beiakte 23 O 5/01 des LG Berlin). Es erachtete einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung in Höhe von 1.216.635,78 DM für gegeben und führte u. a. aus (S. 9 des Urteils):

"Obwohl die Kläger den vom Beklagten angeforderten Gerichtskostenvorschuss diesem rechtzeitig zur Verfügung stellten, und der Gerichtskostenvorschuss seitens des Gerichts angefordert wurde, überwies der Beklagte in Kenntnis der drohenden Ausschlussfrist aus § 3 der genannten Vereinbarung den angeforderten Betrag nicht innerhalb einer Frist, die noch zu einer alsbaldigen Abgabe der Streitsache nach Erhebung des Widerspruchs durch die Beklagten geführt hätte. Er hat hierdurch seine Pflichten aus dem mit den Klägern bestehenden Anwaltsvertrag schuldhaft verletzt. Denn zu den Pflichten, die einem Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandant obliegen, gehört es unter anderem, die Mandantschaft durch rechtzeitiges Tätigwerden vor einem drohenden Anspruchsverlust (hier: durch Präklusion) zu bewahren. Der Rechtsanwalt muss insoweit dafür Sorge tragen, dass seinem Mandanten durch Zeitablauf keine Nachteile entstehen."

Den Sachvortrag des Beklagten in den Schriftsätzen vom 27.5. und vom 28.05.2002 zum Verkehrswert des Grundstücks hat das Landgericht Berlin gemäß § 340 Abs. 3, 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen, weil die Einholung eines Sachverständigengutachtens die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte (S. 10 des Urteils vom 29.05. 2002 - 23 O 5/01 -).

Auf die Berufung des Zeugen hielt das Kammergericht mit Urteil vom 24.06.2003 (7 U 165/02, Bl. 232 d. A.) das Versäumnisurteil insoweit aufrecht, als der Beklagte verurteilt wurde, an die Kläger als Gesamtgläubiger 604.442,62 € nebst Zinsen zu zahlen. Bezüglich des Haftungsgrunds schloss das Kammergericht sich den Erwägungen des Landgerichts Berlin an.

Nachdem der Zeuge T. die Forderungen nicht beglichen hatte, pfändeten die Kläger seine angeblichen Ansprüche gegen die beklagte Haftpflichtversicherung mit Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen des AG Schöneberg vom 17.01.2002 (Az. 36 M 5154/01) und des AG Fürstenwalde (Az. 16 M 2602/2002). Auf dieser Grundlage nehmen sie die Beklagte mit dem hiesigen Klageverfahren in Anspruch.

Die Kläger haben in erster Instanz eine Einbeziehung des § 4 Nr. 5 AVB in den Versicherungsvertrag bestritten (Bl. 60 d. A.) und zudem die Wissentlichkeit der dem Zeugen vorzuwerfenden Pflichtverletzungen in Abrede gestellt. Sie sehen die vom Landgericht Berlin festgestellte Pflichtverletzung allein darin, dass der Gerichtskostenvorschuss "nicht innerhalb einer Frist, die noch zu einer alsbaldigen Abgabe der Streitsache nach Erhebung des Widerspruchs ... geführt hätte" weitergeleitet worden sei (Bl. 61 d. A.). Sie haben behauptet, es sei nicht ersichtlich, dass der Zeuge einen sicheren Überblick über die von ihm zu tätigenden Überweisungen gehabt habe, dass er gewusst und zutreffend gesehen habe, zu der Überweisung verpflichtet zu sein oder dass er entsprechende Aufforderungen erhalten und zur Kenntnis genommen habe beziehungsweise habe nehmen können (Bl. 62 d. A.). Es sei möglich, dass die Frist schlicht vergessen worden sei. Eine wissentliche Pflichtverletzung liege nicht darin, dass zunächst ein Mahnbescheid beantragt worden sei. Wie eine gerichtliche Geltendmachung eines höheren Verkehrswerts zu erfolgen habe, habe der Zeuge nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden gehabt (Bl. 63, 64 d. A.). Es sei nicht unter Beweis gestellt worden, dass der Zeuge um die Nachteile eines Mahnantrags für seine Mandanten gewusst habe (Bl. 64 d. A.). Er sei der - nach ihrer Ansicht falschen, aber nicht abwegigen - Auffassung gewesen, mit dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheid habe er den Anforderungen an eine gerichtliche Geltendmachung genügen können (Bl. 143 d. A.). Zum Hintergrund der Einreichung eines Mahnantrages haben die Kläger vorgetragen, der Zeuge habe beim zuständigen Landgericht Potsdam damals nicht wirksam Klage erheben können, weil er nur beim Landgericht Berlin zugelassen gewesen sei. Da es ihm kurz vor Fristablauf nicht gelungen sei, einen für Potsdam zugelassenen Kollegen zu finden, habe er den Mahnbescheid beim Amtsgericht Wedding beantragt, um die Frist für die Kläger zu wahren (Bl. 64 d. A.). Die Kläger haben weiter vorgetragen, auch die verzögerte Weiterleitung des Gerichtskostenvorschusses sei nicht wissentlich erfolgt.

Die Kläger sind der Ansicht gewesen, die Beklagte könne sich nicht auf Obliegenheitsverletzungen ihres Versicherungsnehmers berufen. Eventuelle Versäumnisse der Prozessbevollmächtigten des Zeugen, der Rechtsanwälte K. und H., seien dem Zeugen nicht anzulasten (Bl. 66 d. A.). Ferner haben sie sich darauf berufen, dass die Beklagte - unstreitig - spätestens seit dem 11.12.2000 Kenntnis von dem Schadensfall und der Absicht der Kläger gehabt habe, gegen den Zeugen T. Klage zu erheben (Bl. 66 d. A.). Im Übrigen fehle es an der Kausalität möglicher Obliegenheitsverletzungen für den eingetretenen Schaden. Wie das weitere Verfahren vor dem Landgericht Berlin und dem Kammergericht gezeigt habe, sei der Anspruch der Kläger nicht abzuwehren gewesen (Bl. 67 d. A.). Die Kläger haben mit Blick auf eventuelle Leistungsbeschränkungen gemäß §§ 158d, e VVG die Auffassung vertreten, die Beklagte habe unter anderem mit der telefonischen Mitteilung, weitere Korrespondenz solle ausschließlich mit dem Versicherungsnehmer erfolgen, auf eine schriftliche Anzeige verzichtet. Jedenfalls sei eine eventuelle Verletzung der Anzeigepflicht nicht schuldhaft gewesen (Bl. 68 d. A.). Vorsorglich haben die Kläger darauf hingewiesen, dass die Beklagte auch bei gehöriger Erfüllung der Anzeigepflichten zur Zahlung gemäß dem Klageantrag verpflichtet gewesen wäre; insoweit sei das Ergebnis des Haftpflichtprozesses bindend.

Zur Zusammensetzung der nach Ansicht der Kläger berechtigten Schadensersatzansprüche im Einzelnen wird auf Seiten 5 und 6 der Klageschrift vom 27.10.2004 (Bl. 5/6 d. A.) Bezug genommen. Im Hinblick auf die im Versicherungsvertrag vereinbarte Deckungssumme von 1.000.000,- DM (= 511.291,88 €) und den Umstand, dass Herr K. A. als vierter Geschädigter am Verfahren nicht beteiligt ist, haben die drei Kläger ihre Ansprüche - entsprechend 75 % der Deckungssumme - auf 383.468,91 € beziffert (Bl. 6 d. A.).

Die Kläger haben (sinngemäß) beantragt (Bl. 60 d. A.),

die Beklagte zu verurteilen, an sie 383.468,91 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.11.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Zeuge habe wissentlich im Sinne ihrer AVB - die wirksame Vertragsgrundlage geworden seien (Bl. 74 d. A.) - gegen seine Pflichten verstoßen. Das gelte sowohl im Hinblick darauf, dass lediglich ein Mahnbescheid beantragt und nicht noch im Jahre 1997 Klage erhoben worden sei, als auch betreffend das Einbehalten des Gerichtskostenvorschusses in Kenntnis der drohenden vertraglichen Ausschlussfrist (Bl. 33 d. A.).

Hilfsweise hat sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen berufen. Hierzu trägt sie vor, dass der Zeuge T. weder den Schadenfall als solchen noch seine gerichtliche Inanspruchnahme angezeigt habe (Bl. 36 d. A.). Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Zeugen könne nur als vorsätzlich aufgefasst werden; daher sei ihre Haftung gemäß § 158c Abs. 3 VVG auf 500.000 DM begrenzt, so dass im Hinblick auf vier geschädigte "Dritte" jedem Kläger höchstens 125.000 DM = 63.911,49 € zustehen könnten (Bl. 38 d. A.).

Weiter hilfsweise hat die Beklagte sich darauf gestützt, dass die Kläger es entgegen § 158d Abs. 1 und 2 VVG versäumt hätten, der Beklagten gegenüber die Inanspruchnahme des Zeugen T. schriftlich anzuzeigen - das Fehlen einer schriftlichen Anzeige ist unstreitig -, so dass ihre Haftung gemäß § 158c VVG betragsmäßig beschränkt sei (Bl. 40 d. A.). Sie behauptet, sie hätte sich bei rechtzeitiger Information in den Haftpflichtprozess eingeschaltet mit der Rechtsverteidigung, dass der wirkliche Verkehrswert der umstrittenen Grundstücke im Hinblick auf eine Kontaminierung nicht höher gelegen habe als der tatsächlich erzielte Verkaufspreis (Bl. 40, 41, 83, 84 d. A.).

Das Landgericht Saarbrücken hat mit Urteil vom 22.03.2006 die Klage abgewiesen, weil es mit der Beklagten anhand einer Reihe von Indizien - unter anderem der damaligen Vermögenssituation des Zeugen T. - von einer wissentlichen Pflichtverletzung im Sinne der AVB ausgegangen ist.

Die Kläger haben gegen das Urteil Berufung eingelegt (Bl. 172 d. A.).

Sie behaupten, der Zeuge habe lediglich vergessen, den Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen (Bl. 190, 191, 242 d. A.). Die vom Landgericht zur Begründung der Wissentlichkeit herangezogenen Indizien lassen nach ihrer Auffassung den Schluss auf wissentliches Fehlverhalten nicht zu.

Die Kläger meinen, hier sei schon die Einleitung des Mahnverfahrens für den Schaden kausal gewesen. Der darauf bezogene Fehler sei aber zeitlich vor der Fristversäumnis bei der Einzahlung der Gerichtsgebühren erfolgt. Das spätere Handeln des Zeugen habe demnach keinen Einfluss mehr auf die bereits begründete Einstandspflicht der Beklagten (Bl. 196, 242/243 d. A.).

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das am 22.03.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 157/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 383.468,91 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.11.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, der Zeuge T. habe sich möglichst lange im Besitz des von den Klägern an ihn gezahlten Gerichtskostenvorschusses halten wollen, um seine Liquidität aufrechtzuerhalten (Bl. 212 d. A.). Die relevante wissentliche Pflichtverletzung liege nicht darin, dass er das Vorgehen im Wege des Mahnbescheids zur Fristwahrung als nicht ausreichend angesehen habe. Vielmehr gehe es darum, dass der Zeuge eigenmächtig von dem - streitigen - Auftrag abgewichen sei, Klage zu erheben (Bl. 214/215 d. A.). Im Übrigen verweist die Beklagte darauf, dass der Zeuge durch sein Verhalten gegen § 43a Abs. 5 BRAO verstoßen habe (Bl. 215 d. A.). Bezüglich der nach ihrer Ansicht gegebenen Obliegenheitsverletzungen wiederholt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen (Bl. 216 d. A.).

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 22.11.2006 (Bl. 247 d. A.) eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen T. angeordnet. Der Zeuge teilte mit, er mache gemäß § 384 Nr. 2 ZPO von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch (Bl. 311 d. A.). Daraufhin hat der Senat mit Zwischenurteil vom 05.09.2007 die Aussageverweigerung für unrechtmäßig erklärt (Bl. 329 d. A.).

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 22.06.2006 (Bl. 137 d. A.), des Senats vom 08.11.2006 (Bl. 244 d. A.) und vom 07.11.2007 (Bl. 344 d. A.), das Zwischenurteil des Senats vom 05.09.2007 (Bl. 329 d. A.) sowie auf die beigezogenen Akten 1 O 14/99 und 23 O 5/01 des Landgerichts Berlin, deren Inhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, Bezug genommen.

II.

Die Kläger sind aufgrund der - formal unbestritten ordnungsgemäßen - Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Schöneberg vom 17.01.2002 (36 M 5154/01) und des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 27.02.2004 (16 M 2602/2002) gem. §§ 835, 836, 829 ZPO berechtigt, den hier eingeklagten Betrag von 383.468,91 € von der beklagten Haftpflichtversicherung einzuziehen. In dieser Höhe konnte der Versicherungsnehmer T. als Hauptschuldner nach seiner Verurteilung in dem beim Landgericht Berlin (23 O 5/01) und in zweiter Instanz beim Kammergericht (7 U 165/02) geführten Haftpflichtprozess gemäß §§ 1, 149 VVG, § 1 AVB (zunächst) Befreiung von der rechtskräftig festgestellten Verbindlichkeit gegenüber den Klägern verlangen (§ 156 Abs. 2 VVG; vgl. hierzu OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.04.2003 - 3 U 159/02-23 - OLGR Saarbrücken 2003, 272; Voit/Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 149 Rdnr. 9). Der Befreiungsanspruch hat sich aufgrund der Pfändung und Überweisung an die Kläger als geschädigte Dritte in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (Voit/Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 149 Rdnr. 3).

1.

Die zur Leistungspflicht des Versicherungsnehmers gegenüber den Klägern führende Verantwortlichkeit im Sinne des § 149 VVG ergibt sich daraus, dass er wegen eines bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangenen, einen Vermögensschaden verursachenden Pflichtverstoßes eine Leistung an die Kläger zu bewirken hat und keine Umstände vorliegen, die zu einer Leistungsfreiheit des beklagten Versicherers führen würden.

a.

Die Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers liegt darin, dass er es versäumt hat, die Kläger "durch rechtzeitiges Tätigwerden vor einem drohenden Anspruchsverlust (hier: durch Präklusion) zu bewahren", indem er "in Kenntnis der drohenden Ausschlussfrist aus § 3" der Vereinbarung vom 11./19.06.1997 den angeforderten Gerichtskostenvorschusses nicht innerhalb einer Frist überwiesen hat, "die noch zu einer alsbaldigen Abgabe der Streitsache nach Erhebung des Widerspruchs durch die Beklagten" geführt hätte, "obwohl die Kläger den vom Beklagten angeforderten Gerichtskostenvorschusses diesem rechtzeitig zur Verfügung stellten, und der Gerichtskostenvorschuss seitens des Gerichts angefordert wurde" (S. 9 des Urteils des Landgerichts Berlin vom 29.05.2002 - 23 O 5/01). Diese Pflichtverletzung steht fest aufgrund der Bindungswirkung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 29.05.2002 (23 O 5/01) in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Kammergerichts vom 24.06.2003 (7 U 165/02), welches seine Entscheidung auf die zum Haftungsgrund von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen gestützt hat (Bl. 234 d. A.).

Nach dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip ist zwischen dem Haftpflichtverhältnis und dem Deckungsverhältnis und damit prozessual zwischen dem Haftpflichtprozess und dem Deckungsprozess zu unterscheiden. Im Haftpflichtprozess ist zu klären, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber ersatzpflichtig ist. Die Eintrittspflicht des Versicherers für die dort festgestellten Ansprüche ist Gegenstand des Deckungsprozesses (vgl. zum Trennungsprinzip BGH, Urt. v. 24.01.2007 - IV ZR 208/03 - VersR 2007, 641; Senat, Urt. v. 20.12.2006 - 5 U 65/06-10 - ZfSch 2007, 522 -; Voit/Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 149 Rdnr. 24). Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Sie verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden können. Die Bindungswirkung reicht dabei so weit, wie sich eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage auch im Haftpflichtprozess bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist (sog. Voraussetzungsidentität). Das ist insbesondere bei der Frage nach dem Haftungsgrund stets der Fall, weil sich aus dem Leistungsversprechen im Haftpflichtversicherungsvertrag ergibt, dass diese für den nachfolgenden Deckungsprozess verbindlich geklärt werden soll (BGH, Urt. v. 28.09.2005 - IV ZR 255/04 - ZfSch 2006, 163).

Damit hat der Senat von der im obigen Sinne dargelegten Pflichtverletzung auszugehen. Insbesondere haben die Kläger im Deckungsprozess die durch das Landgericht Berlin getroffene Feststellung hinzunehmen, wonach der Zeuge T. im Januar 1998 in dem von ihm eingeleiteten Mahnverfahren und im Februar 1998 in dem sich anschließenden streitigen Verfahren Gerichtskostenanforderungen erhalten habe (S. 9 i.V.m. S. 4. des Urteils des Landgerichts Berlin vom 29.05.2002 - 23 O 5/01 -).

b.

Das Landgericht Saarbrücken hat in der angefochtenen Entscheidung den Anspruch wegen der Risikoausschlussklausel des § 4 Nr. 5 AVB abgelehnt. Dem kann nach der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht gefolgt werden. Eine wissentliche Pflichtverletzung im Sinne der Klausel ist in Bezug auf das hier relevante Fehlverhalten des Zeugen T. nicht nachgewiesen.

(1)

Die Bestimmung des § 4 Nr. 5 AVB, welche den Versicherungsschutz für Haftpflichtansprüche wegen Schadensverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftragsgebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung ausschließt, ist in den Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und der Beklagten einbezogen worden. Die Feststellung des Landgerichts, die von der Beklagten vorgelegten Allgemeinen Versicherungsbedingungen - sei es in der Fassung des Jahres 1989 oder in der (in den hier relevanten Punkten inhaltsgleichen) späteren Fassung (Bl. 131 d. A., siehe hierzu die nicht angegriffenen Feststellungen Bl. 157/158 d. A.) - seien Grundlage des Versicherungsvertrags geworden, haben die Kläger im Berufungsverfahren - jedenfalls inzident - nicht mehr in Zweifel gezogen (vgl. die sich der Sache nach mit den Voraussetzungen des § 4 Nr. 5 AVB auseinandersetzenden Ausführungen in der Berufungserwiderung, Bl. 190 d. A., sowie im Schriftsatz vom 03.11.2006, Bl. 241 d. A.).

(2)

§ 4 Nr. 5 AVB enthält einen wirksamen subjektiven Risikoausschluss für wissentliche Verstöße gegen konkrete Berufspflichten (BGH, Urt. v. 20.06.2001 - IV ZR 101/00 - VersR 2001, 1103; auch Urt. v. 17.07.2002 - IV ZR 268/01 - VersR 2002, 1141). Er weicht in zweifacher Hinsicht von der dispositiven Vorschrift des § 152 VVG ab. Zum einen stellt § 4 Nr. 5 AVB zugunsten des Versicherungsnehmers nur auf näher beschriebene Pflichtverstöße ab und lässt insoweit nicht schon bedingten Vorsatz genügen, sondern fordert direkten Vorsatz. Zum anderen ist es im Rahmen des § 4 Nr. 5 AVB nicht Tatbestandsvoraussetzung, dass der Versicherungsnehmer den schädigenden Erfolg als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hätte (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.2001 - IV ZR 101/00 - VersR 2001, 1103).

(3)

Die Wissentlichkeit in Bezug auf die hier in Rede stehende Pflichtverletzung steht - anders als diese selbst - nicht schon aufgrund des Haftpflichturteils fest. Es kann dahinstehen, inwieweit sich den Ausführungen des Landgerichts Berlin im Verfahren 23 O 5/01 Hinweise auf direkt vorsätzliches Verhalten entnehmen lassen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würden diese im Deckungsprozess nicht binden. Sie wären für den Haftpflichtprozess nicht entscheidungserheblich gewesen, deshalb "überschießend" und damit für den hiesigen Rechtsstreit unerheblich (hierzu BGH, Urt. v. 18.02.2004 - IV ZR 126/02 - VersR 2004, 590): Für den vom Landgericht Berlin und vom Kammergericht bejahten Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Versicherungsnehmer kam es auf einen qualifizierten Verschuldensgrad nicht an; es genügte einfache Fahrlässigkeit.

Die von der Beklagten zu beweisende (BGH, Urt. v. 05.03.1986 - IVa ZR 179/84 - VersR 1986, 647) Frage der Wissentlichkeit hat der Senat demnach eigenständig zu beurteilen. Sie ist zu verneinen.

(a)

Die Risikoausschlussklausel des § 4 Nr. 5 AVB verlangt, dass der Versicherungsnehmer ein für ihn verbindlich begründetes Verhaltensgebot positiv gekannt und es bewusst verletzt hat. Hielt er die in Rede stehende Verpflichtung bloß für möglich, scheidet ein wissentlicher Pflichtverstoß aus (BGH, Urt. v. 28.09.2005 - IV ZR 255/04 - ZfSch 2006, 163). Der Leistungsausschluss hängt allerdings nicht davon ab, dass der Versicherungsnehmer auch bezüglich des schädigenden Erfolgs vorsätzlich gehandelt hat. Wissentlichkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Versicherungsnehmer möglicherweise hoffte oder sogar überzeugt war, durch sein Handeln werde kein Schaden eintreten (BGH, Urt. v. 26.09.1990 - IV ZR 147/89 - VersR 1991, 176; Senat, Urt. v. 17.05.2000 - 5 U 538/99-36).

(b)

Der vom Landgericht Saarbrücken in der angefochtenen Entscheidung auf verschiedene Indizien gestützte Schluss auf die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung ist nach Ansicht des Senats - jedenfalls nach der nunmehr durchgeführten Beweisaufnahme - nicht gerechtfertigt. Die Tatsache, dass der Zeuge T. den Scheck über die Gerichtskosten eingelöst hat, den Betrag auf ein nicht mit dem auf seinem Briefbogen angegebenen Kanzleikonto identisches Sparkassenkonto gestellt und auf Zahlungsaufforderungen der Gerichtskasse erst einmal nicht reagiert hat, begründet zunächst lediglich die Annahme objektiv pflichtwidrigen Verhaltens, besagt aber nichts darüber, inwieweit er sich bewusst über eine zutreffend erkannte Verpflichtungslage hinweggesetzt hat (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2005 - IV ZR 255/04 - ZfSch 2006, 163).

Was letztlich der Grund dafür gewesen ist, dass der Vorschuss nicht so rechtzeitig überwiesen wurde, dass noch eine "alsbaldige Abgabe der Streitsache nach Erhebung des Widerspruchs" (vgl. § 696 Abs. 3 ZPO, hierzu S. 11 des Urteils des Kammergerichts vom 25.05.2000, Bl. 159 Rs. der Beiakte 1 O 14/99 des Landgerichts Berlin) möglich gewesen wäre, so dass - auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Landgerichts Berlin und des Kammergerichts - die vertragliche Ausschlussfrist versäumt wurde, kann nicht (mehr) festgestellt werden. Allerdings ist mit Blick auf die prozessuale Nachweislast zu berücksichtigen, dass ein Versicherungsnehmer - und damit in diesem Rechtsstreit die an seine Stelle getretenen Kläger - in Fällen, in denen der Versicherer Wissentlichkeit einer Pflichtverletzung als eine "innere Tatsache" behauptet, plausibel machen muss, aus welchen Gründen es zu seinem Fehlverhalten gekommen ist. Vermag er das nicht, kann vom Vorliegen des Umstands ausgegangen werden.

Der Senat ist bei einer Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände nicht davon überzeugt, dass der Zeuge T. sich seines Fehlverhaltens bewusst gewesen wäre. Der vorliegende Sachverhalt ist den Fällen vergleichbar, in denen ein Rechtsanwalt zum Nachteil des Mandanten eine Frist verstreichen ließ. In diesen kommt es darauf an, ob der Versicherungsnehmer den drohenden Fristablauf gesehen hat - nur dann sind die Voraussetzungen der Risikoausschlussklausel des § 4 Nr. 5 AVB erfüllt - oder ob er sie schlicht vergessen hat (vgl. etwa OLG Köln, ZfSch 2000, 54; OLG Koblenz, VersR 1980, 643; OLG Düsseldorf, VersR 1981, 621; OLG Hamm, r+s 1988, 197). Auf der Grundlage der von dem Zeugen T. unwidersprochen und nach dem von ihm gewonnenen Eindruck glaubwürdig geschilderten Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, dass er die Einzahlung der Gerichtsgebühren - wenn auch vielleicht grobfahrlässig - aus dem Blick verloren hat. Der Zeuge befand sich im fraglichen Zeitraum in einer schwierigen geschäftlichen und persönlichen Situation. Er hat in seiner Vernehmung vor dem Senat am 07.11.2007 angegeben, zum 31.01.1998 mit seinen Kanzleiräumen an eine andere Adresse umgezogen zu sein und sich an Kostenanforderungen des Amtsgerichts Wedding nicht zu erinnern (Bl. 346 d. A.). Mit Blick auf die Komplexität der die Kläger betreffenden Rechtsangelegenheit und seine persönliche Situation hat er ausgeführt, die Auseinandersetzungen mit der Treuhand hätten sich bereits über sechs Jahre hingezogen, außer dem hier streitgegenständlichen Grundstück seien noch weitere Grundstücke betroffen gewesen, er habe erhebliche Schulden gehabt und es sei ein Strafverfahren gegen ihn gelaufen (Bl. 347, 349 d. A.). Unter solchen Bedingungen gewissermaßen den Überblick zu verlieren, erscheint nicht fern liegend. Dass der Vorschuss, obgleich verfügbar, nicht schon mit Stellung des Mahnantrags eingezahlt wurde (hierzu das Landgericht, Bl. 160 d. A.), hat der Zeuge damit erklärt, dass es zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Umstellung des Mahnverfahrens die Praxis gegeben habe, zunächst die Kostenanforderungen abzuwarten (Bl. 346 d. A.). Zu dem vom Landgericht zur Begründung der Wissentlichkeit ebenfalls herangezogenen Indiz der Einzahlung auf ein anderes als das Kanzleikonto hat der Zeuge nachvollziehbar dargelegt, dies habe er deshalb getan, weil seine Geschäftskonten gepfändet gewesen seien.

Trotz der in der landgerichtlichen Entscheidung dargelegten, auf direkten Vorsatz hindeutenden Indizien kann danach auf die von der Beklagten zu beweisende Wissentlichkeit nicht mit der zur Überzeugungsbildung erforderlichen Sicherheit geschlossen werden.

(4)

Soweit den Feststellungen im Haftpflichturteil, wonach der Rechtsanwalt dafür Sorge zu tragen habe, "dass seinem Mandanten durch Zeitablauf keine Nachteile entstehen" (S. 9 des Urteils des Landgerichts Berlin vom 29.05.2002, 23 5/01), zu entnehmen sein könnte, dass die Pflichtverletzung jedenfalls auch in den Zusammenhang mit der Durchführung eines Mahnverfahrens anstelle einer unmittelbaren Klagerhebung gestellt wird, würde es auch diesbezüglich an einer nachweisbaren Wissentlichkeit gemäß § 4 Nr. 5 AVB fehlen. Selbst wenn - wovon das Landgericht Berlin im Haftpflichturteil offenbar ausgeht (S. 9 des Urteils des Landgerichts Berlin vom 29.05.2002, 23 5/01, oben) - dem Beklagten ein entsprechender Auftrag erteilt worden sein sollte, würde eine bewusste Pflichtverletzung dann ausscheiden, wenn der Zeuge angenommen hätte, diesen Auftrag letztlich auch mit der Vorschaltung eines Mahnverfahrens erfüllen zu können. Die Beklagte selbst trägt vor, es möge dahinstehen, ob durch den bloßen Mahnbescheidsantrag die Ausschlussfrist des § 3 entsprechend der Vereinbarung mit dem BvS gewahrt werden konnte (Bl. 47 d. A.); jedenfalls sei das Haftpflichturteil hierauf nicht tragend gestützt. Damit scheint sie selbst ein solches Verständnis des § 3 der Vereinbarung durchaus nicht für evident ausgeschlossen zu halten. Dann kann aber auch nicht sicher angenommen werden, dass der Zeuge T. mit dem Einreichen des Mahnbescheidsantrags wissentlich eine "falsche" Verfahrensweise gewählt hätte. Selbst das Landgericht Berlin hat im Urteil vom 17.02.1999 in dem vom Versicherungsnehmer für die Kläger geführten Ausgangsverfahren 1 O 14/99 ausgeführt, die Einleitung eines Mahnverfahrens sei "genau wie die Klagerhebung als insofern gleichwertige Geltendmachung von Ansprüchen vor dem Zivilgericht anzusehen, zumal die Parteien in der Vereinbarung nicht festgelegt hatten, wie diese zu erfolgen hatte" (Bl. 116 der Beiakte 1 O 14/99). Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung der Kläger (Bl. 141 d. A.) nicht widerlegt, wonach der Zeuge der - nach ihrer Ansicht zwar falschen, allerdings nicht abwegigen - Ansicht gewesen sei, der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids sei als gerichtliche Geltendmachung im Sinne des § 3 der vertraglichen Vereinbarung anzusehen.

Dessen ungeachtet hat der Zeuge T. zum Hintergrund der Wahl des Mahnverfahrens in seiner Vernehmung vor dem Senat am 07.11.2007 glaubhaft bekundet, er habe kurz vor Weihnachten festgestellt, dass "die Treuhand" damals in Potsdam gesessen habe. Im Hinblick auf seine Singularzulassung am Landgericht Berlin habe er dort aber nicht klagen können; daher habe er einen Mahnbescheidsantrag eingereicht, um für den Fall der Einlegung eines Widerspruchs später einen Kollegen in Potsdam beauftragen zu können (Bl. 345 d. A.). Ein bewusst pflichtwidriges Abweichen von Anweisungen der Kläger vermag der Senat hierin nicht zu erkennen.

c.

Die vorstehenden Erwägungen zur Wissentlichkeit im Sinne des § 4 Nr. 5 AVB sind sinngemäß auch auf die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses der Beklagten gemäß § 152 VVG wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls zu übertragen. Kann - wie dargelegt - nicht ausgeschlossen werden, dass der Versicherungsnehmer die Weiterleitung des Gerichtskostenvorschusses vorübergehend aus dem Blick verloren hat, so ist von einem in der Beweislast der Beklagten liegendem Wissen und Wollen eines rechtswidrigen Erfolgs - auch in Gestalt eines für bedingten Vorsatz ausreichenden billigenden Inkaufnehmens - nicht auszugehen (vgl. - auch zur Beweislast - BGH, Urt. v. 17.06.1998 - IV ZR 163/97 - VersR 1998, 1011).

d.

Die Beklagte kann dem Anspruch der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass diese ihre Obliegenheiten gemäß §§ 158d, 158e VVG verletzt hätten.

Was das Unterlassen einer schriftlichen Anzeige der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherungsnehmer gemäß § 158d Abs. 1 VVG anbelangt, so ist dies von vornherein durch § 158e VVG nicht sanktioniert (Senat, Urt. v. 31.10.2007 - 5 U 510/06-63; Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 158e Rdnr. 1). Aber auch aus § 158d Abs. 2 in Verbindung mit 158e Abs. 1 VVG vermag die Beklagte keine Gegenrechte herzuleiten. Zwar trifft es zu, dass die Kläger die Klagerhebung gegen den Zeugen T. nicht in der von § 158d Abs. 2 VVG geforderten schriftlichen Form angezeigt haben. Gleichwohl ist die Beklagte auf der Grundlage des Haftpflichturteils zur Zahlung verpflichtet, weil sie rechtzeitig von der Erhebung der Haftpflichtklage Kenntnis erlangt hat und deshalb unabhängig von einer schriftlichen Anzeige in der Lage war, den Prozess für ihren Versicherungsnehmer in sachdienlicher Weise weiterzuführen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 19.03.2003 - IV ZR 233/01 - VersR 2003, 635).

(1)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich der Senat anschließt, schadet das Unterlassen der in § 158d Abs. 2 VVG vorgeschriebenen Anzeige dem geschädigten Dritten dann nicht, wenn der Versicherer von der Schadensersatzklage gegen seinen Versicherungsnehmer auf andere Weise rechtzeitig erfährt (BGH, Urt. v. 23.03.2003 - IV ZR 171/01 - VersR 2003, 1565, m.w.N.). Der Sinn der §§ 158d Abs. 2, 158e Abs. 1 S. 1 VVG besteht darin, dem Versicherer die Möglichkeit zu geben, sich rechtzeitig in den Haftpflichtprozess einzuschalten, etwa noch notwendige Schadensfeststellungen zu treffen und unbegründete Ansprüche des Dritten abzuwehren. Erhält der Versicherer auf andere Weise so früh Kenntnis vom Prozess, dass er noch vor Eintritt nachteiliger Folgen eingreifen kann, dann steht er nicht schlechter da, als er bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtung nach § 158d Abs. 2 VVG stünde.

(2)

Hier folgt die Kenntnis der Beklagten daraus, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 11.12.2000 unstreitig telefonisch den Sachbearbeiter der Beklagten darüber informierte, dass Schadensersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer in Höhe von 1.311.072,83 DM geltend gemacht würden, dass bereits ein Klageentwurf vorliege und noch im selben Jahr Klage gegen den Versicherungsnehmer eingereicht werden solle. Ebenfalls steht fest, dass es ein weiteres Telefonat am 27.12.2000 gab, in dem für den 29.12.2000 nochmals die Erhebung einer Klage beim Landgericht Berlin angekündigt wurde (Bl. 3 d. A.). Dass die Beklagte ihre Reaktion nun darauf beschränkte, ihren Versicherungsnehmer zu näherer Information über den Sachstand aufzufordern, geht zu ihren Lasten. Selbst zu dem Zeitpunkt, als der Beklagten unter dem 09.11.2001 ein vorläufiges Zahlungsverbot auf der Grundlage des zwischenzeitlich gegen den Zeugen T. ergangenen Versäumnisurteils zugestellt wurde, schaltete sie sich in den Rechtsstreit zunächst nicht ein, sondern ließ erst ein halbes Jahr später - am 28.05.2002 - einen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten einreichen, welcher - vom Landgericht Berlin als verspätet zurückgewiesenes - Vorbringen enthielt (Bl. 59/60 der Beiakte 23 O 5/01). Damit hat sie es aufgrund einer in ihrem eigenen Verantwortungsbereich liegenden Verzögerung versäumt, bei der gerichtlichen Feststellung des Schadens und der Ansprüche mitzuwirken und in sachgerechter Weise ihre Interessen zu vertreten (zu diesem Zweck der Anzeigepflichten Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 158d Rdnr. 4). Ungeachtet der Telefonate Ende 2000 war zur Zeit der Kenntnisnahme vom Versäumnisurteil (spätestens im November 2001) im Hinblick auf den erst für Mai 2002 anstehenden Termin zur Verhandlung nach dem dagegen eingelegten Einspruch noch keine ein Eingreifen ausschließende prozessuale Situation eingetreten (hierzu Senat, Urt. v. 31.10.2007 - 5 U 510/06-63).

2.

Auch der Einwand der Beklagten, wonach der Versicherungsnehmer ihr zu keiner Zeit den Schadensfall und seine gerichtliche Inanspruchnahme auch nur angezeigt habe (Bl. 35 d. A.), wodurch er gegen seine Obliegenheiten nach § 5 AVB verstoßen habe (Bl. 36 d. A.), führt nicht zu einer Haftungsbegrenzung (§ 158c Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VVG).

Eine summenmäßige Beschränkung der Haftung auf die - unstreitige - damalige Mindestversicherungssumme von 500.000 DM würde davon abhängen, dass die Beklagte gegenüber dem Zeugen T. gem. §§ 6 Abs. 3, 153 Abs. 1 Satz 2 VVG i.V.m. § 5 AVB von ihrer Leistungspflicht frei geworden wäre. Das ist indes nicht der Fall.

a.

Gemäß § 5 II.1. AVB hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Versicherungsfall unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen. Für den Fall, dass der Geschädigte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend macht, ist dieser zur Anzeige innerhalb einer Woche nach der Erhebung des Anspruchs verpflichtet (§ 5 II.3. AVB), bei gerichtlicher Geltendmachung ist auch insoweit unverzüglich Anzeige zu erstatten (§ 5 II.4. AVB).

b.

Gegen diese Obliegenheiten hat der Zeuge T. offenbar objektiv verstoßen, so dass gemäß § 6 AVB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG im Grundsatz Leistungsfreiheit eingetreten wäre.

(1)

Soweit die unterbliebene Anzeige der gerichtlichen Geltendmachung der klägerischen Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer im Raum steht, vermag die Beklagte hieraus zu ihren Gunsten von vornherein nicht herzuleiten. Der mit dem Prozessbevollmächtigten der Kläger in telefonischem Kontakt stehende Sachbearbeiter der Beklagten hatte auch ohne Mitteilung des Versicherungsnehmers bereits seit Ende des Jahres 2000 Kenntnis von der für den 29.12.2000 angekündigten Klagerhebung. Weiß aber der Versicherer, dem die Kenntnis seines Sachbearbeiters zuzurechnen ist, über anzuzeigende Umstände Bescheid, kann er sich mangels Informationsbedürfnisses auf eine Leistungsfreiheit wegen unzulänglicher Angaben seines Versicherungsnehmers nicht berufen (BGH, Urt. v. 26.01.2005 - IV ZR 239/03 - VersR 2005, 493).

(2)

Was die unterbliebene schriftliche Anzeige des Versicherungsfalls und die - vorgerichtliche - Geltendmachung der Ansprüche anbelangt (§ 5 II.2. und 3. AVB), so wird nach § 6 Abs. 3 VVG kraft Gesetzes ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Fehlverhalten des Versicherungsnehmers, für welches § 6 AVB die Folge der Leistungsfreiheit anordnet, vermutet. Indessen ist nach allgemeiner Lebenserfahrung für die Haftpflichtversicherung von der grundsätzlichen Annahme auszugehen, dass ein Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz regelmäßig nicht vorsätzlich durch eine Verzögerung der ihm obliegenden Anzeige gefährdet (BGH, Urt. v. 08.01.1981 - IVa ZR 60/80 - VersR 1981, 321; OLG Düsseldorf, VersR 2001, 888; Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 33 Rdnr. 10; Späte, Haftpflichtversicherung, 1993, § 5 Rdnr. 7). Das gilt auch für den vorliegenden Fall. Hier ist nach den konkreten Umständen die Annahme eines - wenn auch grob - nachlässigen Verhaltens des Zeugen T. anstatt eines wissentlichen und willentlichen Obliegenheitsverstoßes auch deshalb näherliegend, weil der Zeuge wegen der von ihm dargelegten finanziellen Schwierigkeiten - die durch eine Leistungsfreiheit seiner Versicherung noch verstärkt worden wären -, des Widerrufs seiner Anwaltszulassung und der strafrechtlichen Verfolgung erheblichen persönlichen Belastungen ausgesetzt war und deshalb - wie er selbst ausgeführt hat - "anderes im Kopf" hatte (Bl. 349 d. A.).

(3)

Verbleibt es demnach bei der Vermutung einer lediglich grobfahrlässigen Versäumung der Anzeigefrist, bleibt die Beklagte gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 VVG deshalb zur Leistung verpflichtet, weil die Obliegenheitsverletzung Einfluss weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. Wie oben ausgeführt, war die Beklagte seit Ende 2000 auch ohne Mitwirkung ihres Versicherungsnehmers darüber informiert, dass es zu einem Rechtsstreit kommen würde, und noch nach Ergehen des mit dem Einspruch angefochtenen Versäumnisurteils hätte sie auf die Durchführung des Verfahrens - etwa durch rechtzeitige Beweisangebote - einwirken können. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwieweit gerade durch die fehlenden Mitteilungen von Seiten des Versicherungsnehmers der Beklagten im Ergebnis ein relevanter Nachteil entstanden sein sollte. Allein ein Einfluss des Versäumens der rechtzeitigen Anzeige gemäß § 5 AVB auf den Gang des Verfahrens ohne Auswirkung auf das Ergebnis genügt zur Begründung der Leistungsfreiheit des Versicherers nicht (siehe OLG Düsseldorf, VersR 2001, 888).

3.

Die Zinsentscheidung beruht auf § 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. 4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO ist nicht anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, nicht für jede der Parteien unzweifelhaft ausscheidet. Dies folgt daraus, dass zwar die Revision nicht zugelassen ist, jedoch gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO die Nichtzulassungsbeschwerde nicht für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren mehr als 20.000,- € beträgt. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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