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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.02.2003
Aktenzeichen: 8 U 463/02
Rechtsgebiete: ZPO, AGBG, EGZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 529
ZPO § 540 I 1 Nr. 1
ZPO § 546
AGBG § 1
AGBG § 9
EGZPO § 26 Ziffer 5
BGB § 138
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

8 U 463/02

Verkündet am: 21.02.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Batsch, den Richter am Oberlandesgericht Barth sowie die Richterin am Oberlandesgericht Feltes

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.07.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 6 O 152/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Klägerin leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 €.

Gründe:

A.

Bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 167 - 177) Bezug genommen, § 540 I 1 Nr. 1 ZPO.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Sie vertritt die Auffassung, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei gerade nicht erwiesen, dass es sich bei dem Mietvertrag nicht um von der Klägerin gestellte allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Vielmehr sei die die Erhaltungspflicht betreffende Klausel des § 10 des Mietvertrages wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.

Bei den zu beseitigenden Mängeln handele es sich um anfängliche Mängel, die nicht nach § 10 des Mietvertrages von der Mieterin zu ersetzen seien. Die Überwälzung der Erhaltungspflicht setze nämlich einen einwandfreien Zustand des Mietobjektes zu Mietbeginn voraus.

Die Beklagte beantragt (Bl. 203, 235),

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 08.07.2002, Az. 6 O 152/01, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 216, 235),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 06.02.2003 ( Bl. 235 - 236 ) Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung ( § 513 ZPO ).

Auf das Schuldverhältnis ist - wovon auch der Erstrichter ausgegangen ist - das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB), während nach § 26 Ziffer 5 EGZPO die Zivilprozessordnung in ihrer ab 01.01.2002 geltenden Fassung Anwendung findet.

Ohne Rechtsfehler hat der Erstrichter die Vereinbarung unter § 10 des Mietvertrages nicht als eine einseitig von der Klägerin gestellte Klausel ( § 1 AGBG ) angesehen, so dass diese auch nicht an § 9 AGBG zu messen ist.

Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob - wie der Erstrichter meint - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass die die bei den Vertragsverhandlungen maßgeblich für die damalige Mieterin aufgetreten ist und diese dann auch übernommen hat, den Mietvertrag gefertigt hat, denn die Beklagte hat jedenfalls nicht nachgewiesen, dass die Klägerin den Mietvertrag und die darin enthaltenen Bedingungen gestellt hat. Wer sich aber auf den Schutz des AGB-Gesetzes beruft, muss nachweisen, dass die zum Vertragsbestandteil gemachten Klauseln solche im Sinne des § 1 AGBG sind. Wie der Erstrichter zutreffend ausgeführt hat, haben die Zeugen ( Bl. 100 - 104 ) eher das Gegenteil bestätigt, keinesfalls aber steht fest, dass die Klägerin die Vertragsbedingungen gestellt hat.

Es kann, wie der Erstrichter ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Mangel im Deckenbereich um einen anfänglichen Mangel der Mietsache handelt oder nicht, denn nach den mietvertraglichen Regelungen und hier insbes. § 10 des Mietvertrages, wurde die Erhaltungspflicht auch für anfängliche Mängel auf die Beklagte übertragen.

Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des BGH (BGHZ 118, 194 [198]), wonach die Abwälzung der Erhaltungspflicht sich nicht auf anfängliche Mängel beziehen darf, ist vorliegend nicht einschlägig, denn sie betrifft die formularmäßige Abwälzung von Erhaltungspflichten bei einem Mietvertrag über Wohnraum. Vorliegend handelt es sich dagegen um einen Individualmietvertrag bei gewerblicher Miete, der gerade nicht dem Schutzbereich des AGB-Gesetzes unterfällt.

Im Rahmen einer Individualvereinbarung ist die Überwälzung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht auf den Mieter in weitem Umfang möglich, denn hier stehen sich die Vertragsparteien gleichberechtigt gegenüber und sind bei den Vertragsverhandlungen in der Lage, ihre eigenen Interessen in ausreichendem Maß wahrzunehmen. Unwirksam ist eine solche Individualvereinbarung lediglich dann, wenn sie gegen § 138 BGB verstößt (BGH NJW 2002, 2383 [2384] unter 4.). Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorhanden und werden von der Berufungsbegründung auch nicht aufgezeigt.

Die von dem Erstrichter vorgenommene Vertragsauslegung, wonach die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht auch für anfängliche Mängel auf die Beklagte übertragen wurde, ist rechtsfehlerfrei. Er hat den Sach- und Streitstand vollständig gewürdigt und dabei weder gegen die gesetzlichen Auslegungsvorschriften (§§ 133, 157 BGB) noch gegen die allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Gleiches gilt für die von ihm vorgenommene Beweiswürdigung.

Zwar sind, was der Erstrichter auch nicht verkannt hat, solche Vereinbarungen, mit denen abweichend vom gesetzlichen Leitbild die Erhaltungspflicht auf den Mieter übertragen wird, grundsätzlich eng auszulegen (OLG Hamm NJW-RR 1993, 1229 [1230]). Vorliegend rechtfertigen aber die Umstände des Zustandekommens des Mietvertrages sowie dessen Vertragstext eine weitergehende Auslegung dahingehend, dass die Mieterin auch für von Anfang an vorhandene Mängel der Mietsache einstehen sollte.

Die Intension des Mietvertrages, dass die Klägerin als Vermieterin mit keinen Investitionen zum Erhalt bzw. der Wiederherstellung der Mietsache belastet werden sollte, ergibt sich neben der in § 10 enthaltenen Regelung auch klar und eindeutig aus § 9 Ziffer 2 des Mietvertrages, wonach sie - die Klägerin - nach einer Zerstörung oder Beschädigung des Mietobjektes nur insoweit zum Wiederaufbau bzw. zur Beseitigung der Schäden verpflichtet ist, als die erlangten Versicherungs- und Entschädigungsleistungen ausreichen. Soweit die Mieterin auf einer darüber hinausgehenden Wiederherstellung bestehen sollte, ist sie verpflichtet, die dafür anfallenden Aufwendungen selbst zu tragen. Daraus folgt, dass die Klägerin in Bezug auf das Mietobjekt mit keinen über die Finanzierung der Anschaffungskosten hinausgehenden Kosten belastet werden wollte und sollte, dass letztlich die Mieterin wie eine Eigentümerin für diese weiteren Kosten aufkommen sollte.

Untermauert wird diese Intension auch durch die Regelung in § 5 Ziffer 1 des Mietvertrages, wonach die Vermieterin für sämtliche vor Beginn der Mietzeit bei ihr anfallenden Kosten, die nicht in die Gesamtinvestitionskosten und damit in die Mietpreiskalkulation eingehen, Vormieten erhebt. Auch hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin keinerlei auf die Erhaltung des Mietobjektes gerichtete Kosten tragen soll, diese vielmehr Eingang in die Mietzinskalkulation finden oder von der Mieterin direkt - als Vormieten - übernommen werden sollen.

Gerade aus dieser Regelung folgt, dass die Beklagte letztlich auch dann, wenn ein anfänglichen und zu diesem Zeitpunkt auch erkannter Mangel vorgelegen hätte, die Kosten für seine Beseitigung hätte tragen müssen, sei es als einmal zu zählende Vormiete oder weil diese Investitionskosten sich bei der Mietzinskalkulation mietzinserhöhend ausgewirkt hätten.

Dieses Vertragsmodell, wonach die Klägerin lediglich die Anschaffung des Mietobjektes finanziert, die Mieterin dieses aber wie eine Eigentümerin benutzt und verwaltet, wobei sie auch die damit verbundenen Kosten alleine trägt, ist, da es sich um eine Individualvereinbarung handelt, nicht gemäß § 9 AGBG unwirksam und verstößt auch nicht gegen die guten Sitten, § 138 BGB, denn diese Vertragsgestaltung erlaubt es dem Mieter, das Mietobjekt wie ein Eigentümer zu nutzen, wobei er sich im Gegenzug dazu verpflichtet, eine allein an den Anschaffungs- und Finanzierungskosten für die Immobilie orientierte Miete zu zahlen, und zwar unabhängig von deren Marktwert. Dass hier Leistung und Gegenleistung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise außer Verhältnis stehen, hat die Beklagte nicht dargelegt. Die Behauptung der Klägerin, die Miete liege unter der marktüblichen Miete, hat die Beklagte zwar bestritten, einen gegenteiligen Beweis hat sie aber nicht angeboten.

Schließlich wird die Beklagte durch diese Vertragsgestaltung auch nicht unangemessen belastet, da das Risiko der Zerstörung der Mietsache durch die nach § 9 des Mietvertrages abzuschließenden Versicherungen weitgehend abgedeckt wird.

Im Übrigen ist die Situation auch mit derjenigen bei einem Immobilienleasingvertrag vergleichbar. Die Klägerin hat das Mietobjekt im Interesse der Mieterin - hier die zunächst noch die später übernommene vorgeschoben hatte - erworben und der Mieterin zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Der vereinbarte Mietzins orientiert sich an den Anschaffungs- und Finanzierungskosten, mithin dem finanziellen Aufwand der Klägerin zum Erwerb der Immobilie. Aus § 3 des Mietvertrages in Verbindung mit dessen Nachträgen Nr. I. und II. folgt klar, dass die Miete in Abhängigkeit zu den Anschaffungs- und Finanzierungskosten festgelegt wurde. Die Verwaltung und Nutzung des Objektes sollte dann allein der Mieterin zustehen. Dementsprechend wurde auch die Erhaltungslast auf die Mieterin abgewälzt. Zwar wurden der Mieterin nicht gleichzeitig die Gewährleistungsrechte gegen den Veräußerer abgetreten, was in Immobilienleasingverträgen als Ausgleich für die Haftungsfreizeichnung des Leasinggebers üblich, aber nicht unbedingt erforderlich ist. Das ist vorliegend aber deshalb unschädlich, weil es sich um eine gebrauchte und unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung gekaufte Immobilie handelt. Zudem war die Eigentümerin der Immobilie, in der die als Mieterin zu diesem Zeitpunkt bereits ihr Warenhaus betrieb, so dass ihr diese bestens bekannt war. Die gewählte Vertragsgestaltung ist deshalb auch unter Berücksichtigung des § 138 BGB nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist in diesen Mietvertrag eingetreten und muss sich die Vereinbarungen der ursprünglichen Vertragsparteien entgegenhalten lassen (zum Immobilienleasing vgl. BGH NJW 1989, 1279 f.).

Danach war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 i. V. m. 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziffer 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Wert der Beschwer der Beklagten wurde im Hinblick auf § 26 Ziffer 8 EGZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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