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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: 9 UF 59/03
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, BGB, KostO
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
ZPO § 119 Abs. 1 S. 2 | |
ZPO § 517 | |
ZPO § 520 | |
ZPO § 621 e Abs. 1 | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2 | |
FGG § 14 | |
FGG § 50 b | |
FGG § 50 b Abs. 1 | |
BGB § 1909 Abs. 1 | |
BGB § 1666 | |
BGB § 1666 Abs. 1 | |
KostO § 16 | |
KostO § 30 Abs. 2 | |
KostO § 30 Abs. 3 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS
In der Familiensache
hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler und die Richterinnen am Oberlandesgericht Sandhöfer und Cronberger
am 10. September 2003
beschlossen:
Tenor:
I.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Ottweiler vom 10. März 2003 - 12 F 373/01 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht in Ottweiler zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
II.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
III.
Dem Antragsteller wird mit Wirkung vom 21. August 2003 unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt. Der Antragsteller hat keine Raten auf die Prozesskosten zu zahlen.
IV.
Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 31. März 2003 unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin , Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt. Die Antragsgegnerin hat keine Raten auf die Prozesskosten zu zahlen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe ist die am September 1992 geborene Tochter hervorgegangen, die seit der im November 1994 erfolgten Trennung ihrer Eltern im Haushalt der Kindesmutter lebt. Dieser wurde durch Beschluss des Familiengerichts in Ottweiler vom 16. Januar 1995 - 12 F 345/94 - die alleinige elterliche Sorge für übertragen.
Mit seinem am 12. November 2001 eingereichten Antrag hat der Kindesvater, der zunächst auf Einräumung eines Umgangsrechts mit der Tochter angetragen hatte, zuletzt die Einrichtung einer Umgangspflegschaft begehrt.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht nach Einholung eines psychologischen Gutachtens u.a. zwecks Vorbereitung und Durchführung der Besuche des Kindes mit dem Kindesvater eine Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 Abs. 1 BGB angeordnet (Ziffer 1.) und für die Dauer der Durchführung des Umgangsrechts der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und dem Ergänzungspfleger übertragen (Ziffer 2.).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Kindesvaters auf Einräumung eines Besuchsrechts für das Kind zurückzuweisen.
Der Kindesvater bittet unter Verteidigung des erstinstanzlichen Beschlusses um Zurückweisung der Beschwerde.
II.
Die gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde der Kindesmutter führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht in Ottweiler.
Das Familiengericht hat - wie die Kindesmutter zu Recht rügt - verfahrensfehlerhaft ohne die gemäß § 50 b FGG gebotene persönliche Anhörung des Kindes entschieden. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Familiensenate des Saarländischen Oberlandesgerichts besteht die sich aus § 50 b Abs. 1 FGG ergebende Pflicht zur Anhörung von Kindern grundsätzlich bereits dann, wenn ein Kind nach seinem Alter in der Lage ist, bestimmte Vorstellungen und Empfindungen zu entwickeln und diese in verständlicher Weise zu äußern (vgl. Senatsbeschluss vom 6. September 2002 - 9 UF 102/02 - m.w.N.; 6. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 23. März 2001 - 6 UF 11/01 - m.w.N.). Nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, DAVorm 1992, 499, 507) ist im Rahmen von § 50 b Abs. 1 FGG die Anhörung des Kindes jedenfalls ab dessen 3. Lebensjahr veranlasst, so dass vorliegend von der Anhörung des heute nahezu elfjährigen Kindes nur aus schwerwiegenden Gründen hätte abgesehen werden dürfen (vgl. BGH, FamRZ 1984, 1084, 1086). Derartige schwerwiegende Gründe sind vom Familiengericht nicht aufgezeigt und auch nicht erkennbar, zumal das Familiengericht selbst - wie aus der Ladungsverfügung vom 13. November 2001 ersichtlich - von der Notwendigkeit der persönlichen Anhörung des Kindes - jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt - ausgegangen ist.
Da es der Senat nicht für sachgerecht erachtet, die erforderliche Anhörung des Kindes in der Beschwerdeinstanz durchzuführen, war die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.
Die erneute Behandlung der Sache gibt dem Familiengericht die Gelegenheit, zu überprüfen, ob die im angefochtenen Beschluss getroffene Entscheidung, bei der es sich nicht um eine konkrete Regelung des Umgangsrechts des Kindesvaters mit der Tochter, sondern um einen Eingriff in das der Kindesmutter alleine zustehende Sorgerecht gemäß § 1666 BGB handelt, gerade auch im Hinblick auf die - auch im Sachverständigengutachten aufgezeigte - abweisende Haltung des Kindes gegenüber dem Vater den strengen Anforderungen des § 1666 Abs. 1 BGB gerecht wird oder ob ggfls. mildere Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind, zumal sich die Kindesmutter in der Vergangenheit einer Umgangsanbahnung nicht versperrt hatte. Darüber hinaus wird sich das Familiengericht auch mit den gegen das Sachverständigengutachten gerichteten, substantiierten Angriffen der Kindesmutter auseinander zu setzen haben.
Der die Gerichtskosten betreffende Kostenausspruch beruht auf § 16 KostO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 30 Abs. 2 und 3 KostO.
Den Parteien ist gemäß §§ 14 FGG, 114, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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