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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 1 U 716/03
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, AVBWasserV, BGB


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 531
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 546
EGZPO § 26 Nr. 5
AVBWasserV § 8 Abs. 1 Satz 3
AVBWasserV § 11 Abs. 1
AVBWasserV § 11 Abs. 1 Nr. 2
AVBWasserV § 32 Abs. 1
AVBWasserV § 36 Abs. 2 S. 1
BGB § 917
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

1 U 716/03

Verkündet am 1.12.2004

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17.11.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Theis, den Richter am Oberlandesgericht Schmidt und die Richterin am Oberlandesgericht Fritsch-Scherer

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 14. November 2003 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken - 15.O.84/03 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer des Beklagten wird auf 6.000,-- Euro festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Beklagten, auf die gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO neues Prozessrecht Anwendung findet, ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft und zulässig.

Erfolg in der Sache hat das Rechtsmittel des Beklagten indes nicht, denn die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat seiner Entscheidung nach §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legen hat, eine andere, dem Beklagten günstigere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Vorab begegnet die Zulässigkeit des von der Klägerin verfolgten Feststellungsbegehrens keinen durchgreifenden Bedenken. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO zu fordernde Feststellungsinteresse muss jedenfalls deshalb bejaht werden, weil der Klägerin ein anerkennenswertes Interesse an der rechtlichen Klärung der Berechtigung der von ihr ausgesprochenen Kündigung vom 25.7.2002 und der damit inzidenter zu beantwortenden Frage der Begründetheit eines von ihr auf § 11 Abs. 1 AVBWasserV gestützten Verlangens auf Anbringung eines Wasserzählerschachtes an der Grundstücksgrenze zuzubilligen ist. Insbesondere kann die Klägerin im Hinblick auf die überragende und existentielle Bedeutung der Wasserversorgung im Rahmen der Daseinsvorsorge sowie auch wegen der Gefahr möglicher, sie treffender Schadensersatzansprüche nicht darauf verwiesen werden, die Wasserversorgung zum Grundstück des Beklagten tatsächlich zu unterbrechen, und ihrerseits eine gerichtliche Inanspruchnahme durch diesen abzuwarten.

2. Das Feststellungsbegehren erweist sich auch unter Berücksichtigung der Berufungsangriffe des Beklagten als in der Sache gerechtfertigt. Denn die Klägerin war gemäß § 32 Abs. 1 der AVBWasserV vom 20.6.1980 selbst dann zur (ordentlichen) Kündigung des Versorgungsverhältnisses berechtigt, wenn man mit dem Landgericht mit Blick auf die Monopolstellung der Klägerin und die besondere Qualität des Versorgungsverhältnisses im Rahmen der Daseinsvorsorge das Vorliegen eines wichtigen Grundes für erforderlich hält.

Die Weigerung des Beklagten, dem Verlangen der Klägerin auf Errichtung eines Wasserzählerschachtes im Bereich der Hauptleitung und Übernahme der verlegten Hausanschlussleitung nachzukommen, stellt auch nach Auffassung des Senates einen ausreichenden Grund zur Beendigung des Versorgungsverhältnisses mit dem Beklagten dar. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 AVBWasserV kann das Wasserversorgungsunternehmen verlangen, dass der Anschlussnehmer auf eigene Kosten nach seiner Wahl an der Grundstücksgrenze einen geeigneten Wasserzählerschacht oder Wasserzählerschrank anbringt, wenn die Versorgung des Gebäudes mit Anschlussleitungen erfolgt, die unverhältnismäßig lang sind oder nur unter besonderen Erschwernissen verlegt werden können. Dies findet seinen Grund darin, dass der Versorger nach § 10 Abs. 3 dieser Verordnung zur Unterhaltung der Hausanschlüsse verpflichtet ist und es für ihn unzumutbar ist, kostenträchtige Hausanschlussarbeiten durchzuführen, die sich aus der Überlänge der Leitungen ergeben. Folge eines nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 AVBWasserV berechtigten Verlangens ist, dass die Hausanschlussleitung auf das kurze Stück zwischen der Abzweigung von der Hauptversorgungsleitung in den Wasserzählerschacht bzw. -schrank mit Hauptabsperrvorrichtung beschränkt wird, und die in den Verantwortungsbereich des Beklagten fallende Kundenanlage dahinter beginnt . Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung hat das Landgericht im Streitfall zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu Eigen macht, bejaht.

a) Der sachlichen Begründetheit des Feststellungsbegehrens kann der Beklagte insbesondere nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das Versorgungsverhältnis zwischen den Parteien bereits seit 1950 existiere und ihm im Hinblick darauf ein höherer Vertrauensschutz gebühre. Nach der Vorschrift des § 36 Abs. 2 S. 1 AVBWasserV gelten die §§ 2 - 34 auch für Altverträge unmittelbar, d. h. für solche Verträge, die vor dem 1. April 1980 zustande gekommen sind, und zwar ungeachtet der Dauer ihres Bestehens. Darauf, dass der Beklagte nicht in geeigneter Weise hierüber durch die Klägerin unterrichtet worden ist, oder sich aus Laufzeit und Kündigungsbestimmungen des bereits vor Verkündung dieser Verordnung abgeschlossenen Versorgungsvertrages eine andere Beurteilung gebietet (vgl. § 36 Abs. 2 S. 2 und 3 AVBWasserV), hat der Beklagte sich nicht berufen. Einen weitergehenden Bestandschutz für bereits bestehende Versorgungsverhältnisse sieht die AVBWasserV gerade nicht vor (Ludwig/Odental, Die allgemeinen Wasserversorgungsbedingungen, 3. Aufl., § 11 Anm. 1, Landgericht Hannover, R + S 1984,47).

Der Senat folgt dem Landgericht auch darin, dass § 11 Abs. 1 Nr. 2 AVBWasserV unter den hier vorliegenden Umständen analog anzuwenden ist, weil die Interessenlage nicht anders ist, wenn die Anschlussleitung vor der Grundstücksgrenze des Anschlussnehmers unverhältnismäßig lang ist, als wenn erst dahinter eine unverhältnismäßig lange Leitung folgt. Beide Fallgestaltungen müssen gleich behandelt werden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind zwar grundsätzlich eng und im Zweifel gegen den Verwender auszulegen. Die hier zu beurteilenden allgemeinen Geschäftsbedingungen beruhen jedoch auf einer Rechtsverordnung (AVBWasserV vom 20. Juni 1980, BGBl. I S. 750); insoweit findet das AGB-Gesetz keine Anwendung (BGH NJW 1987, 1622, vgl OLG Köln, GWF/Recht und Steuern 1996, 39 ff).

b) Soweit der Beklagte die Richtigkeit der durch das Landgericht festgestellten durchschnittlichen Länge der Hausanschlüsse im Versorgungsgebiet von 11,49 m nochmals in Zweifel zieht, kann er damit nicht gehört werden. An die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts sieht der Senat sich grundsätzlich nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen begründen, weder hinreichend dargetan, noch ansonsten ersichtlich sind. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zu diesem Punkt ist widerspruchsfrei und nicht mit Verstößen gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze behaftet. Sie entspricht im Gegenteil auch nach Auffassung des Senates dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und lässt Verfahrensfehler nicht erkennen. Der von dem Beklagten nunmehr erstmals - gegenbeweislich - gestellte Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ist angesichts der detaillierten Darlegungen der Klägerin zu den im Versorgungsgebiet jeweils existierenden konkreten Hausanschlusslängen bereits deshalb unbeachtlich, weil er auf bloße Ausforschung gerichtet ist. Der Beachtung dieses Vorbringens steht - unabhängig davon - jedenfalls § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO entgegen, weil die verspätete Benennung des Beweismittels auf Nachlässigkeit des Beklagten beruht. Nachlässigkeit im Sinne einfacher Fahrlässigkeit ist stets anzunehmen, wenn - wie hier - in erster Instanz mögliche Beweisanträge erst im Berufungsverfahren gestellt werden.

c) Das Vorbringen des Beklagten, im Gegensatz zu ihm würden die Eigentümer der Nachbaranwesen *Straßenbezeichnung13* mit einer Hausanschlusslänge von ca. 70 m, *Straßenbezeichnung23* (Evangelische Kirche) mit einer Hausanschlusslänge von ca. 120 m und *Straßenbezeichnung25* mit einer Länge von ca. 35 m von der Klägerin nicht nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 AVBWasserV in Anspruch genommen, ist zunächst nicht geeignet, einen in jeglicher Hinsicht vergleichbaren Sachverhalt und damit eine Ungleichbehandlung einzelner Abnehmer hinreichend darzutun. Die Klägerin beabsichtigt, sukzessive alle überlangen Hausanschlüsse in den Verantwortungsbereich der betroffenen Kunden zu übertragen. Im Rahmen der Realisierung dieser Pläne ergeben sich unterschiedlichste Regelungsprofile, auf die die Klägerin mithin individuell reagieren muss. Unabhängig davon ist der dahingehende Sachvortrag neu und wäre - so er denn in rechtlicher Hinsicht überhaupt beachtlich wäre - wegen des nach neuem Prozessrecht geltenden eingeschränkten Novenausschlusses gemäß den §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO im Berufungsverfahren nicht mehr zuzulassen.

d) Ohne rechtliche Relevanz ist im Ergebnis auch der Hinweis des Beklagten, die Eigentümer der betroffenen Nachbargrundstücke (*Straßenbezeichnung39* und 43), seien nicht mit der Errichtung eines Wasserzählerschachtes auf ihrem Grundstück einverstanden. Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 AVBWasserV sind Grundstückseigentümer, die gleichzeitig Kunden oder Anschlussnehmer bei dem die Anlage betreibenden Versorgungsunternehmen sind, verpflichtet, Anlagen zur Zu- und Fortleitung von Wasser nebst entsprechenden sonstigen Einrichtungen auf ihren Grundstücken unentgeltlich zu dulden, es sei denn, die Inanspruchnahme würde diese/n mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten (OLG Hamm NJW-RR 1992, 346). In dem Fall, dass die Unterhaltungs- und Reparaturpflicht für die bereits bestehenden Leitungen auf den Beklagten als Eigentümer des Hinterliegergrundstücks übergeht, könnte sich dieser, wenn nicht auf § 8 Abs. 1 Satz 3 AVBWasserV so jedenfalls auf ein Leitungsnotwegerecht gemäß § 917 BGB berufen. Es kann für die Entscheidung dahinstehen, ob auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Satz 3 AVBWasserV oder des § 917 BGB auch die Errichtung eines Wasserzählerschachtes auf dem fremden Grundstück zu dulden wäre. Denn die Klägerin hat ausdrücklich erklärt, auf die Errichtung eines Zählerschachtes zu verzichten (Bl. 37 d. A.) und sich mit der Anbringung einer Absperrvorrichtung zu begnügen, sofern der oder die betroffenen Nachbarn hiermit nicht einverstanden sind.

Nach alldem erweist sich die Berufung des Beklagten als unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige der Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Ausspruch zur Beschwer erfolgte im Hinblick auf § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Voraussetzungen, unter denen die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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