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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 1 U 897/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
BGB § 284 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

1 U 897/01-203-

Verkündet am 15. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Theis sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Gehrlein und Schmidt

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. November 2001 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken - 14 O 139/01 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Beklagten und der Streitwert des Berufungsverfahrens werden auf jeweils 7.947,52 € festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte, die ein Gerüstbauunternehmen führt, erhielt den Auftrag, am Kraftwerk ein Gerüst zu errichten. Zur Fertigung des Gerüsts benötigte die Beklagte eine geschweißte Stahlunterkonstruktion. Auf der Grundlage einer ihr übersandten Planung bot die Klägerin mit Schreiben vom 1. September 2000 der Beklagten die Herstellung und Lieferung von 32 Stahlträgerkonsolen an. Die "Lieferzeit" gab die Klägerin mit "ca. 3 Arbeitstage" (Bl. 30 d.A.) an. Die Beklagte nahm das Angebot der Klägerin noch am 1. September 2000 an. Die Klägerin lieferte die Stahlträgerkonsolen am 15. September 2000 an die Beklagte aus.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung der vereinbarten Vergütung in Höhe von 15.544 DM. Durch Versäumnisurteil vom 11. September 2001 wurde die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 15.544 DM nebst Zinsen verurteilt (Bl. 25 f. d.A.).

Gegen das Versäumnisurteil hat die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt. Die Beklagte rechnet gegen die unstreitige Klageforderung unter dem Blickpunkt des Verzuges mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 19.600 DM auf. Wegen der am 15. September 2000 erfolgten Lieferung und der erst am 21. September 2000 vorgelegten Schweißnachweise habe die Klägerin den vereinbarten Fertigstellungstermin überschritten. Den dadurch bedingten zeitlichen Rückstand habe sie - die Beklagte - nur mit Hilfe von außerplanmäßiger Arbeit an fünf Wochenenden ausgleichen können. Dadurch seien Überstundenzuschläge in Höhe von insgesamt 19.600 DM angefallen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht sein Versäumnisurteil vom 11. September 2001 aufrechterhalten. Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg.

I.

Die Kaufpreisforderung der Klägerin (§§ 433, 651 BGB), der die Herstellung einer vertretbaren Sache zugrunde liegt, ist nicht Kraft der von der Beklagten erklärten Aufrechnung untergegangen (§§ 286, 284, 285, 387, 388 BGB). Ein Anspruch auf Verzugsschaden steht der Beklagten nicht zu, weil sie die Klägerin nicht wirksam in Verzug gesetzt hat (§§ 284, 285 BGB).

1. Verzug setzt neben der Fälligkeit und Vollwirksamkeit des Anspruchs grundsätzlich eine Mahnung (§ 284 BGB) des Gläubigers voraus. Eine wirksame Mahnung durch die Beklagte kann indes im Streitfall nicht angenommen werden.

a) Unter einer Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers zu verstehen, die geschuldete Leistung nunmehr unverzüglich zu bewirken (Jauernig/Vollkommer, BGB, 9. Aufl., § 284 Rdnr. 14). Für eine den Anforderungen aus § 284 BGB entsprechende Mahnung genügt nach Sinn und Zweck der Vorschrift jede eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt, wobei diese Folgen auch durch eine in höflicher Form abgefasste Aufforderung ausgelöst werden. In Verzug gerät der Schuldner, weil er trotz der dringenden Aufforderung des Gläubigers und der bereits eingetretenen Fälligkeit seinen Verpflichtungen nicht fristgerecht genügt (BGH NJW 1998, 2132 f. = MDR 1998, 1021; Senat, OLGR Saarbrücken 2000, 103).

b) Eine diesen Anforderungen genügende Leistungsaufforderung der für die Voraussetzungen des Verzuges beweispflichtigen Beklagten (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 284 Rdnr. 42) an die Klägerin kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat erstinstanzlich nicht vorgetragen, eine Leistungsaufforderung an die Klägerin gerichtet zu haben. Im Berufungsrechtszug hat die Beklagte lediglich pauschal vorgetragen, "die Lieferung etliche Male telefonisch angemahnt" zu haben (Bl. 84 d.A.). Diesem Vorbringen kann nicht entnommen werden, welchen konkreten Inhalt die Leistungsaufforderung hatte, ob es sich etwa um eine bloße Bitte oder um ein ernstliches Verlangen handelte. Da die Beklagte den Zugang einer Mahnung bestritten hat (Bl. 97 d.A.), wäre es Sache der Klägerin gewesen, den Inhalt der vermeintlichen "Mahnung" im Einzelnen darzutun.

2. Zwar ist eine Mahnung ausnahmsweise gemäß § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB entbehrlich, wenn die Leistungszeit kalendermäßig bestimmt ist. Angesichts der im Vertrag gewählten Formulierung "ca. 3 Tage" kann freilich von einer kalendermäßigen Bestimmtheit nicht ausgegangen werden.

a) Eine bestimmte Zeit im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn ein Kalendertag unmittelbar (zum Beispiel Tag der Lieferung 2. Juni oder Ostern 1977) oder mittelbar (am 10. Tage von heute ab) bezeichnet ist (Münchner Kommentar/Thode, BGB, 4. Aufl., § 284, Rdnr. 49). An einer kalendermäßigen Bestimmtheit fehlt es indessen, wenn "Lieferung zwei Wochen nach Abruf, "Bezahlung 10 Tage nach Lieferung" bzw. "nach Rechnungsdatum", "Bezahlung am Ende jeder Empfangswoche" oder "Bezugsfertigkeit innerhalb eines Jahres nach Beginn der Bauarbeiten" festgelegt ist (Thode a.a.O.). Desgleichen fehlt es an einer Leistungsbestimmung nach dem Kalender, wenn die vereinbarte Ausführungsfrist von 160 Arbeitstagen erst ab dem tatsächlichen Arbeitsbeginn laufen soll (BGH NJW 1986, 2049 f.).

b) Nach diesen Maßstäben kann eine kalendermäßige Bestimmtheit im Streitfall nicht angenommen werden.

aa) Selbst wenn man, was freilich der Vertragswortlaut verbietet, die Angabe Lieferzeit ca. 3 Arbeitstage" im Sinne von exakt drei Tagen verstehen wollte, scheidet eine kalendermäßige Bestimmtheit aus. Denn es ist nicht erkennbar, ab wann sich diese Tagesfrist bemessen soll. Als Beginn dieser Frist kommt sowohl der Vertragsschluss als auch die konkrete Arbeitsausnahme in Betracht. Im Falle der Vereinbarung einer Ausführungsfrist muss indes der Fristbeginn verbindlich festgelegt werden (BGH NJW 1986, 2049 f.).

bb) Darüber hinaus entbehrt die Vertragsabrede wegen der Wendung "circa" drei Arbeitstage der notwendigen Bestimmtheit. Der Begriff "circa" lässt die gebotene kalendermäßige Fixierung vermissen. Er bringt nämlich zum Ausdruck, dass es sich nur um eine ungefähre Zeitangabe handelt, die der Schuldner wenigstens in gewissem Umfang überschreiten darf, ohne in Verzug zu geraten. Das Ende einer mit circa umschriebenen Leistungsfrist ist folglich nicht unzweideutig konkretisierbar.

cc) Schließlich scheitert eine kalendermäßige Bestimmtheit auch an der Verwendung des Worts "Arbeitstage". Während die Bestimmung einer Tagesfrist keine Zweifel über ihre Dauer offen lässt, ist die Wendung "Arbeitstage" keiner eindeutigen Auslegung zugänglich. Damit können Werktage einschließlich des Samstags oder lediglich die regelmäßigen Arbeitstage von Montag bis Freitag gemeint sein. Wird - wie im Streitfall geschehen - der Auftrag am Freitag, dem 1. September 2000 erteilt, kann wegen des dazwischen liegenden Wochenendes die Frist von drei Arbeitstagen nicht verbindlich festgelegt werden.

3. Schließlich war eine Mahnung auch nicht wegen einer besonderen Dringlichkeit der Leistung entbehrlich.

Die Mahnung hat den Zweck, dem Schuldner vor Augen zu führen, dass das Ausbleiben seiner Leistung Folgen haben werde, und ihn daher zur sofortigen Leistung zu veranlassen. Daher ist eine besondere Mahnung immer dann überflüssig, wenn der mit der Mahnung verfolgte Zweck bereits durch den Vertragsabschluss selbst erreicht ist. Das ist der Fall, wenn der Schuldner sich klar darüber ist, dass er die Folgen auf sich nehmen muss, falls er die Zeit nicht einhält, innerhalb derer er die Erfüllung versprochen hat, und wenn gerade dieses Versprechen wesentlicher Vertragsinhalt geworden ist (BGH NJW 1963, 1823 f.). Dieser Sonderfall ist hier nicht gegeben, weil die Beklagte die Klägerin nicht auf eine besondere Eilbedürftigkeit der Arbeitsausführung hingewiesen hat.

Schließlich fehlt es an einer Spezifizierung des mit der Aufrechnung geltend gemachten Schadens.

Die Beklagte hat nicht ansatzweise vorgetragen, mit welchen konkreten Arbeiten sie wegen der Verzögerung der Klägerin in Rückstand gekommen ist. Von daher kann bereits eine Kausalität des Verzuges für den Verzögerungsschaden nicht festgestellt werden. Überdies hat die Beklagte auch den Schaden selbst nicht einmal annäherungsweise konkretisiert. Sie bezieht sich lediglich auf die Zahlung von Wochenend- und Überstundenzuschlägen, wobei jedoch im Dunkeln bleibt, für welche konkreten Tätigkeiten die Wochenendarbeiten angefallen sind.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, während die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO beruht. Von einer Zulassung der Revision sieht der Senat in Ermangelung der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO ab.

Ende der Entscheidung

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