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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.01.2009
Aktenzeichen: 1 Verg 1/08
Rechtsgebiete: GWB, SVerwVfG


Vorschriften:

GWB §§ 116 ff.
GWB § 116 Abs. 1 Satz 1
GWB § 120 Abs. 1 Satz 2
GWB § 124 Abs. 2
GWB § 128 Abs. 4 Satz 1
GWB § 128 Abs. 4 Satz 2
GWB § 128 Abs. 4 Satz 3
SVerwVfG § 80
SVerwVfG § 80 Abs. 1 Satz 5
SVerwVfG § 80 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

1 Verg 1/08

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

wegen: Aufhebung des Verfahrens zur Vergabe des Auftrages für die Baumaßnahme: Neubau und Umbau Deutsch-Luxemburgisches Schengen-Lyzeum betreffend die Leistungen für Pfahlgründungs-, Abbruch-, Erd-, Entwässerungs-, Abdichtungs-, Mauer- und Stahlbetonarbeiten (Maßnahme Nr. 0281) - zweites Vergabeverfahren (Nichtoffenes Verfahren)

hier: sofortige Beschwerde gegen den Kostenbeschluss der Vergabekammer

hat der Vergabesenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Theis sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Kuhn-Krüger und Fritsch-Scherer

am 9. Januar 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Saarlandes vom 27. August 2008, Az.: 2 VK 02/2008, zu Ziffer 2 und 3 teilweise, soweit er die der Beigeladenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen betrifft, dahin abgeändert, dass der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen in dem Verfahren vor der Vergabekammer auferlegt werden.

Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen in dem Vergabeverfahren notwendig war.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt mit Ausnahme der Kosten des Antragsgegners, die dieser selbst zu tragen hat.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin beteiligte sich als Bieterin an einer Ausschreibung des Antragsgegners. Da dieser beabsichtigte, den Auftrag an einen anderen Bieter zu erteilen, hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt. Die Vergabekammer hat die Beigeladene am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Nachdem die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag wieder zurückgenommen hatte, hat die Vergabekammer das Verfahren eingestellt, dessen Verfahrenskosten der Antragstellerin auferlegt und ferner - unter Zurückweisung der Anträge im Übrigen - dahin erkannt, dass die Verfahrensbeteiligten die eigenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen jeweils selbst zu tragen haben.

Hiergegen wendet sich die Beigeladene mit der sofortigen Beschwerde und dem Antrag, unter Aufhebung des Beschlusses der 2. Vergabekammer des Saarlandes vom 27. August 2008, Az.: 2 VK 02/2008, zu Ziffern 2 und 3, festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin notwendig war, sowie der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Bl. 16 d.A.).

Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde und tritt dem Begehren entgegen.

B.

I. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 116 Abs.1 Satz 1 GWB statthaft. Der Kostenbeschluss der 2. Vergabekammer des Saarlandes vom 27. August 2008 stellt eine selbständig anfechtbare Entscheidung dar, gegen die das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gemäß den §§ 116 ff. GWB zum Vergabesenat gegeben ist. Eine Vorschrift, die reine Kostenentscheidungen hiervon ausnimmt, enthält das Gesetz nicht. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der sofortigen Beschwerde liegen vor, insbesondere ist das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt. Der Senat entscheidet hierüber im schriftlichen Verfahren. Über Beschwerden gegen Nebenentscheidungen der Vergabekammern - wie Entscheidungen über die Kosten und die Auslagen, selbst wenn sie isoliert getroffen worden sind - kann generell ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (OLG Düsseldorf NZBau 2001, 165, 166; BayObLG NZBau 2000, 99; OLG Dresden ZVgR 2001, 27).

II. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe des Beschlusstenors.

Die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob ein Antragsteller nach Zurücknahme seines Nachprüfungsantrages die Auslagen anderer Verfahrensbeteiligter, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Verfahren vor der Vergabekammer notwenig waren, zu tragen hat, ist entgegen der Rechtsauffassung der 2. Vergabekammer nicht grundsätzlich zu verneinen, sondern muss auf der Grundlage der §§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB, 80 Abs. 1 Satz 5 SVerwVfG unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes unter Billigkeitsaspekten entschieden werden. Dies führte vorliegend dazu, dass die Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen - nur diese hat den Beschluss der Vergabekammer angefochten - zu tragen hat und ferner die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten als notwendig zu erachten war. Eine eigene Entscheidung des Senats ist vorliegend möglich und angezeigt (§ 123 Satz 2 GWB), da die Sache im tenorierten Umfang entscheidungsreif ist bzw. es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, so dass eine Zurückverweisung an die Vergabekammer dem Beschleunigungsgrundsatz sowie der Prozessökonomie widersprechen würde.

1. Die Erstattungspflicht bezüglich der Auslagen, die der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer durch die notwendige Beauftragung eines Bevollmächtigten entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 5 des Saarländischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (SVwVfg). Diese Regelung besagt anders als die bundesgesetzliche Regelung in § 80 VwVfG, dass, wenn sich der "Widerspruch" bzw. infolge der entsprechenden Anwendbarkeit hier das Vergabenachprüfungsverfahren auf andere Weise erledigt, über die Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, wobei der bisherige Sachstand zu berücksichtigen ist.

Nach dem Sachstand, wie er sich zum Zeitpunkt der Zurücknahme des Nachprüfungsantrages durch die Antragstellerin darstellte, hatte der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin, wie sich aus der Aufklärungsverfügung vom 06.08.2008 und den dort enthaltenen Hinweisen mit hinreichender Klarheit ergibt, keine Aussicht auf Erfolg. Dementsprechend hat sich die Antragstellerin auch noch vor der mündlichen Verhandlung dazu entschlossen, den Antrag mit Schriftsatz vom 14.08.2008 zurückzunehmen, und sich damit zudem in die Rolle der Unterlegenen zu begeben.

Der Senat hält es daher für angemessen und billig, der Antragstellerin - neben den Verfahrenskosten - auch die infolge der notwendigen Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Beigeladene entstandenen Auslagen aufzulegen, denn sie hat diese durch ihren Vergabenachprüfungsantrag in einen Verteidigungsnotstand gebracht, dem sie bei dem für Vergabenachprüfungsverfahren üblichen gesteigerten rechtlichen Anforderungen nur durch die Bevollmächtigung eines Rechtskundigen gerecht werden konnte. Die Beigeladene hatte in dem Verfahren vor der Vergabekammer einen Antrag auf Zurückweisung des Nachprüfungsantrages angekündigt (Schriftsatz vom 06.08.2008) und das Verfahren auch ansonsten durch einen umfangreichen Schriftsatz aktiv gefördert (Schriftsatz vom 08.08.2008).

2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 9.12.2003 - X ZB 14/03), der zufolge der Antragsteller die für die Tätigkeit der Vergabekammer entstandenen Kosten zu tragen hat, wenn sich das Verfahren vor der Vergabekammer ohne Sachentscheidung erledigt hat, und eine Erstattung von Rechtsverfolgungskosten nicht stattfindet, ohne dass es auf die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages ankommt, sowie die Entscheidungen mehrerer Vergabekammern, die auf dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs basieren, sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag namentlich eine Entscheidung der Vergabekammer Bremen zu Grunde; das Bremer Verwaltungsverfahrensgesetz hat anders als das Saarländische Verwaltungsverfahrensgesetz keine ausdrückliche Kostenregelung für den Fall der anderweitigen Erledigung vorgesehen, so dass es für die Kostenentscheidung in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall aus diesem Grunde nicht auf die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages vor dessen Rücknahme bzw. "Erledigung" ankam. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.10.2005 - X ZB 26/05 - behandelt ausdrücklich lediglich § 80 VerwVfG des Bundes. Eine Aussage zu dem Verhältnis von § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB, insbesondere zu der Reichweite der Verweisung des § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB, zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder in dem von der 2. Vergabekammer vertretenen Sinne enthält dieser Beschluss nicht. In seinem Beschluss vom 9.12.2003 - X ZB 14/03 - hat der Bundesgerichtshof vielmehr für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens die Anwendung des § 128 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 GWB als Anspruchsgrundlage abgelehnt und unter Berufung auf § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB ausdrücklich zusätzlich die entsprechende Vorschrift des dortigen Landesverwaltungsverfahrensrechts (§ 80 BremVerwVfG) angeführt und geprüft, die allerdings keine von der bundesgesetzlichen Regelung abweichende Bestimmung enthält. Zudem führt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 25.10.2005 aus, dass nichts dafür spreche, dass der Gesetzgeber in § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB eine vom Verwaltungsverfahrensrecht abweichende Kostenregelung habe treffen wollen (vgl. auch OLG München, Vergabesenat, Beschluss vom 6.2.2006 - Verg 23/05; Heiermann, Zeiss, Kuhlack, Blaufuß, Vergaberecht Iuris Praxiskommentar, 2005, § 128 Rz. 14).

Unter Berücksichtigung vorstehender Aspekte kann der Auffassung der 2. Vergabekammer, § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB regele nur die Ausgestaltung der Kostenerstattung in dem von Satz 1 oder 2 eröffneten Kontext, schaffe aber keine zusätzlichen Tatbestände, bei denen eine Kostenerstattung nach Maßgabe des § 80 des jeweils geltenden Verwaltungsverfahrensgesetzes zu folgen hat, nicht gefolgt werden. Für eine derartig eingeschränkte Verweisung auf § 80 SVwVfG gibt der Wortlaut der Vorschrift nichts her, diese lässt sich auch nicht dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9.12.2003 - X ZB 14/03 entnehmen.

3. Im Hinblick darauf waren entsprechend dem Antrag zu 3. der Beschwerde der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen.

Auf den Antrag zu 2. war zudem auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Beigeladene zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer im Sinne von § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 SVwVfG erforderlich war. Dies folgt regelmäßig schon aus der Komplexität und für Laien kaum gegebenen Überschaubarkeit bzw. Schwierigkeit der vergaberechtlich zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen, die allenfalls im Einzelfall bei einfachen tatsächlichen oder ohne Weiteres zu beantwortenden rechtlichen Fragen nicht anzuerkennen ist (vgl Senatsbeschlüsse vom 26. März 2004 - 1 Verg 3/04 sowie vom 29. September 2005 - 1 Verg 2/05).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO (zur analogen Anwendung der §§ 91 ff. ZPO, vgl. BGHZ 146, 202, 217). Zu den notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen in vorliegendem Beschwerdeverfahren gehören auch die Anwaltskosten (§ 91 ZPO, § 120 Abs. 1 GWB), ohne dass dies eines besonderen Ausspruchs bedurfte.

Demgegenüber hat der Antragsgegner seine außergerichtlichen Auslagen selbst zu tragen, da die Vertretung durch Rechtsanwälte im vorliegenden Beschwerdeverfahren einerseits wegen § 120 Abs.1 Satz 2 GWB und auch im Hinblick darauf, dass es ausschließlich um eine die Beigeladene und die Antragstellerin betreffende Kostenfrage ging, nicht geboten war. Dass dies auch der Einschätzung des Antragstellers entspricht, kann dem Umstand entnommen werden, dass dieser auch keinen eigenen Antrag gestellt oder die Sache in sonstiger Weise gefördert hat.

IV. Eine Vorlagepflicht gemäß § 124 Abs.2 GWB besteht nicht. Der Senat weicht in den seine Entscheidung leitenden Erwägungen weder von der Rechtsauffassung eines anderen Beschwerdegerichts noch von derjenigen des Bundesgerichtshofs ab.

Ende der Entscheidung

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