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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.05.2009
Aktenzeichen: 1 Verg 1/09
Rechtsgebiete: GWB
Vorschriften:
GWB §§ 116 ff. | |
GWB § 116 Abs. 1 Satz 1 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS
In dem Vergabenachprüfungsverfahren
wegen: Baumaßnahme Neubau und Umbau Deutsch-Luxemburgisches Schengen-Lyzeum, Pfahlgründungs-, Abbruch-, Erd-, Entwässerungs-, Abdichtungs-, Mauer- und Stahlbetonarbeiten, Maßnahme-Nummer 0281
(hier: sofortige Beschwerde gegen den Kostenbeschluss der Vergabekammer)
hat der Vergabesenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Theis sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Kuhn-Krüger und Fritsch-Scherer
am 15. Mai 2009
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Saarlandes vom 27.01.2009, Az. 2 VK 01/2008, zu Ziffer 1 teilweise, soweit die beantragte Festsetzung der Einigungsgebühr (Nr. 1000 RVG-VV) abgelehnt wurde, dahin abgeändert, dass die von dem Antragsgegner zu tragenden Kosten der Antragstellerin - über den bereits festgesetzten Betrag von 2.915,30 € hinaus - auf weitere 3.609 € festgesetzt werden.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt. 3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.609 € festgesetzt. Gründe:
A.
Die Antragstellerin beteiligte sich als Bieterin an einer Ausschreibung des Antragsgegners. Am 06.06.2008 hatte sie einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt. In der mündlichen Verhandlung der Vergabekammer vom 01.07.2008 wurde ein inzwischen bestandskräftiger Vergleich zwischen den Parteien geschlossen, der den Antragsgegner u.a. dazu verpflichtete, die der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten zu übernehmen. Die Antragstellerin hat in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 22.08.2008 u.a. beantragt, im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich auch eine 1,5-fache Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 RVG-VV in Höhe von 3.609 € (Geschäftswert: 333.600 €) festzusetzen. Nach Ziffer 1. des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Vergabekammer vom 27.01.2009 wurden die vom Antragsgegner zu tragenden Kosten der Antragstellerin lediglich auf 2.915,30 € festgesetzt. Die beantragte 1,5-fache Einigungsgebühr wies die Vergabekammer mit der Begründung zurück, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Mitwirkung an dem im Vergabenachprüfungsverfahren geschlossenen Vergleich bereits durch die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV abgegolten sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde und dem Antrag (Bl. 2, 17 d.A.),
1. den Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Saarlandes vom 27.01.2009, Az. 2 VK 01/2008, zu Ziffer 1 der Beschlussformel insoweit aufzuheben, als dass die von der Antragstellerin beantragte Festsetzung der Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) abgelehnt wurde;
2. die Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) in Höhe von € 3.609,00 zusätzlich zu den im Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Saarlandes vom 27.01.2009, Az. 2 VK 01/2008, festgesetzten Kosten festzusetzen;
3. dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt (Bl. 31 d.A.)die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde und tritt dem Begehren entgegen.
B.
I.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 GWB statthaft. Der Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Saarlandes vom 27.01.2009 stellt eine selbständig anfechtbare Entscheidung dar, gegen die das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gemäß den §§ 116 ff. GWB zum Vergabesenat gegeben ist. Eine Vorschrift, die reine Kostenentscheidungen hiervon ausnimmt, enthält das Gesetz nicht. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der sofortigen Beschwerde liegen vor, insbesondere ist das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt. Der Senat entscheidet hierüber im schriftlichen Verfahren. Über Beschwerden gegen Nebenentscheidungen der Vergabekammern - wie Entscheidungen über die Kosten und die Auslagen, selbst wenn sie isoliert getroffen worden sind - kann generell ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (OLG Düsseldorf NZBau 2001, 165, 166; BayObLG NZBau 2000, 99; Senat, Beschlüsse vom 29.09.2005 - 1 Verg 2/05 sowie vom 09.01.2009 - 1 Verg 1/08)
II.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe des Beschlusstenors.
Entgegen der Auffassung der Vergabekammer ist vorliegend eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 RVG-VV entstanden, deren Voraussetzungen tatbestandlich vorliegen. Diese Gebühr kann grundsätzlich neben der Gebühr aus Nr. 2300 bzw. Nr. 2301 entstehen und ist vorliegend nicht durch die Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 RVG-VV abgegolten.
1. Für seine Tätigkeit im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer verdient der Rechtsanwalt in Ermangelung eines konkreten Gebührentatbestands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (vgl. BGH, Urt. vom 23.09.08 - Az. X ZB 19/07). Die Gebührentatbestände Nr. 2300 und 2301 RVG-VV sind im Nachprüfungsverfahren genauso anzuwenden, wie sie im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren anzuwenden wären. Die anwaltliche Vertretung im Verfahren vor der Vergabekammer gehört zu den "außergerichtlichen Tätigkeiten einschließlich der Vertretung in Verwaltungsverfahren" im Sinne dieser Vorschriften.
Neben diesen Gebühren nach Nr. 2300 und 2301 kann der Rechtsanwalt grds. aber zusätzlich auch im Rahmen einer außergerichtlichen Tätigkeit die Einigungsgebühr Nr. 1000 RVG-VV verlangen (Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., VV 2300 Rz. 38; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., RVG-VV 2400, Rz. 8), sofern deren Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind. Für die Annahme, dass dies für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens nicht gelten soll, die zu den "außergerichtlichen Tätigkeiten einschließlich der Vertretung in Verwaltungsverfahren gehört", lassen sich weder zwingende Gründe finden, noch spricht der zitierte Wortlaut der Nr. 2300 RVG-VV hierfür (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2008-11 Verg 9/07).
In der Vorbemerkung 2.3. zu Nr. 2300 RVG-VV wird zwar als Tätigkeitsbeispiel ausgeführt, dass die Geschäftsgebühr auch für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages entstehen kann. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine abschließende Regelung. Die Ausarbeitung eines Entwurfs eines Vertrages, der danach abgeschlossen wird, kann - sofern damit eine auf ein Rechtsverhältnis bezogene Unsicherheit beseitigt wird - eine Mitwirkung beim Abschluss eines Einigungsvertrages im Sinne der Nr. 1000 RVG-VV bedeuten. Wer als Anwalt an der Gestaltung eines Vertrages mitwirkt, der zugleich und unmittelbar zu einer Einigung der Vertragsparteien führt, kann sowohl die Tätigkeitsgebühr der Nr. 2300 RVG-VV als auch die auf einen Erfolg gerichtete Zusatzgebühr der Nr. 1000 RVG-VV verdienen (BGH, Urt. v. 20.11.2008, Az. IX ZR 186/07; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., a.a.O., Rz. 4). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden, durch die zudem die Belastung der Gerichte gemindert wird (BGH, Urt. v. 10. Oktober 2006 -VI ZR 280/05).
2. Die Voraussetzungen für den Anfall einer Einigungsgebühr sind auch im Übrigen gegeben, da ein Vertrag geschlossen wurde, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wurde, wobei dieser sich auch nicht auf ein bloßes Anerkenntnis des Antragsgegners beschränkte ( vgl. BGH, Urt. V. 20.11.2008 - IX ZR 186/07). Das Vorliegen eines gegenseitigen Nachgebens ist als solches nach der Neuregelung nicht mehr erforderlich (Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 1000, Rz. 27). Ferner haben die Parteien des Vergleiches das Nachprüfungsverfahren im Hinblick darauf für erledigt erklärt. In I. Ziff. 4. des Vergleiches hat der Antragsgegner sich zur Übernahme der der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten sowie der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer erklärt. Dies beinhaltet aus Sicht des Senats zweifelsfrei auch die Übernahme der angefallenen Einigungsgebühr.
Der weitergehende Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin beläuft sich damit auf 3.609 € (= 1,5-fache Gebühr aus einem Geschäftswert von 333.600 €).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO (zur analogen Anwendung der §§ 91 ff. ZPO, vgl. BGHZ 146, 202, 217).
Gegenstand der Beschwerde ist nicht eine Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich daher nicht nach § 50 Abs.2 GKG, vielmehr ist entsprechend den Grundsätzen des § 3 ZPO auf das Kosten- interesse der Antragstellerin abzustellen, das dem von ihr begehrten weitergehenden Betrag entspricht.
Zu den notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin in vorliegendem Beschwerdeverfahren gehören auch die Anwaltskosten (§ 91 ZPO, § 120 Abs. 1 GWB), ohne dass dies eines besonderen Anspruchs bedurfte.
IV.
Eine Vorlagepflicht gemäß § 124 Abs. 2 GWB besteht nicht. Der Senat weicht in den seine Entscheidung leitenden Erwägungen weder von der Rechtsauffassung eines anderen Beschwerdegerichts noch von derjenigen des Bundesgerichtshofs ab.
Ende der Entscheidung
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