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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.07.2002
Aktenzeichen: 1 W 154/02
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 568
BRAGO § 9 Abs. 2
GKG § 12b
GKG § 20 Abs. 1
GKG § 25 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

1 W 154/02

In Sachen

wegen einstweiliger Verfügung auf Unterlassung von Markenrechtsverletzungen

(hier: Beschwerde gegen die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung)

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Theis als Einzelrichter gemäß § 568 ZPO

am 22. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

1.

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Verfügungskläger wird der Streitwertfestsetzungsbeschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Juni 2002 - Az.: 1 O 142/02 - dahin abgeändert, dass der Gebührenstreitwert des erstinstanzlichen Verfahrens auf 10.000,-- € festgesetzt wird.

2.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3.

Ohne Kostenentscheidung.

Gründe:

Die Beschwerde ist gemäß §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG zulässig.

Das Rechtsmittel ist als im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten der Verfügungskläger eingelegt anzusehen, da mit ihm eine höhere Festsetzung des Gebührenstreitwerts angestrebt wird und die Beschwerdeschrift keinen Hinweis auf ein eventuelles Handeln im Namen der Verfügungskläger enthält. Allein die Prozessbevollmächtigten der Parteien können an einer höheren Wertfestsetzung wirtschaftlich interessiert sein und hiervon ausgehend spricht alles dafür, dass bei der Einlegung einer hierauf zielenden Beschwerde durch einen Rechtsanwalt von der anwaltlichen Beschwerdebefugnis nach § 9 Abs. 2 BRAGO Gebrauch gemacht wird, sofern das Rechtsmittel nicht ausdrücklich namens der in dem Verfahren vertretenen Partei eingelegt wird (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., Rdnr. 14 zu § 9 BRAGO; OLG Karlsruhe NJW-RR 1999, 582; OLG Nürnberg FamRZ 1997, 35).

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache teilweise Erfolg und führt zur Abänderung des mit ihm angefochtenen Beschlusses dahin, dass der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens auf 10.000,-- EUR festgesetzt wird.

Der Gebührenstreitwert eines Verfahrens der einstweiligen Verfügung, in dem ein wettbewerbsrechtlicher oder markenrechtlicher Unterlassungsanspruch verfolgt wird, ist gemäß §§ 20 Abs. 1; 12b GKG, 3 ZPO nach dem Interesse zu schätzen, das der Verfügungskläger am Erlass der beantragten Anordnung hat (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 24. Aufl., Rdnr. 16 zu § 3 ZPO, Stichwort "Gewerblicher Rechtsschutz"; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., Rdnr. 510-511 der Einleitung zum UWG; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 2. Aufl., Rdnr. 840 ff., 843 f.). Dieses Interesse wird durch die Gefährlichkeit des beanstandeten Verhaltens bestimmt, das unterbunden werden soll (Zöller-Herget a.a.O., Stichwort "Markenrecht") und ist regelmäßig entsprechend dem Ausmaß der Vermögensnachteile zu bewerten, die dem Verfügungskläger während des jeweils anzunehmenden Beeinträchtigungszeitraumes durch die Fortdauer oder Wiederholung der Störung entstehen können, wobei allerdings im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der einstweiligen Verfügung je nach den Umständen des Falles nur ein Bruchteil des Hauptsachewertes in Ansatz zu bringen ist (Senatsbeschlüsse vom 24.04.02 in der Sache 1 U 79/02-17 und vom 0602.2001 in der Sache 1 W 13/01-3, Zöller-Herget a.a.O., Stichwort "einstweilige Verfügung"; Musielak-Smid, ZPO, 1. Aufl., Rdnr 25 zu § 3 ZPO, Stichwort "einstweilige Verfügung").

Wird indessen wie im vorliegenden Fall von den Parteien kein substantiierter Vortrag hierzu unterbreitet, der eine zuverlässigere und genauere Wertschätzung in Anwendung der vorstehend aufgezeigten Grundsätze ermöglicht, so ist nach der ständigen Praxis des Senats für Verfahren der einstweiligen Vertilgung, die Wettbewerbsstreitigkeiten oder markenrechtliche Unterlassungsansprüche durchschnittlicher Bedeutung und Schwierigkeit zum Gegenstand haben, ein Regelstreitwert in Ansatz zu bringen. Als Regelstreitwert hat der Senat dabei im Anschluss an eine verbreitete Rechtsprechungspraxis (vgl. hierzu Melullis a. a. O., Rdnr. 847, OLG Oldenburg WRP 1993, 351, OLG Koblenz WRP 1985, 159) jahrelang einen Wert von 15.000,-- bis 25 000,-- DM in Ansatz gebracht (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 22.01.2001 in der Sache 1 W 24/01-5). Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Geldentwertung sowie aus Anlass der Währungsumstellung auf Euro geht der Senat nunmehr davon aus, dass es sachgerecht ist, diesen Regelstreitwert auf 10.000,- € bis 20.000,- € zu bemessen (vgl. Senatsbeschluss vom 29.04.02 in der Sache 1 U 79/02-17).

Darüber hinaus kommt allerdings nach der Rechtsprechungspraxis des Senats auch der anfänglichen Wertangabe des Verfügungsklägers erheblicher indizieller Erkenntniswert für die Festsetzung des Geschäftswertes zu, da sie regelmäßig erkennen lässt, welche wirtschaftliche Bedeutung der in Rede stehenden Angelegenheit aus Sicht der mit den Marktverhältnissen vertrauten Partei beigemessen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 12.08.99 in der Sache 1 W 233/99-26). Eine hohe Wertangabe des Verfügungsklägers bei Einleitung des Verfahrens kann daher den Ansatz eines erheblich höheren Betrages als desjenigen des Regelstreitwertes rechtfertigen, sofern die den Gegenstand des Verfahrens bildende Angelegenheit ersichtlich von überdurchschnittlicher Bedeutung und/oder Komplexität ist.

Auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes kann im vorliegenden Fall jedoch kein Streitwert in Ansatz gebracht werden, der den unteren Regelstreitwert von 10000,- € übersteigt.

Zwar haben die Verfügungskläger den Streitwert bereits in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit 25.000,- € angegeben (Bl. 1 d. A.) und hat der Verfügungsbeklagte dieser Wertangabe zunächst nicht widersprochen. Die Annahme eines Streitwertes dieser Höhe ist indessen unter Berücksichtigung der Marktstellung des Verfügungsbeklagten und des Umstandes, dass das beanstandete Verhalten die Marke und die mit dieser zusammenhängenden wirtschaftlichen Belange der Verfügungskläger nicht ernsthaft beeinträchtigen kann, für den Senat nicht nachvollziehbar. Die Filialen und Lizenznehmer der Verfügungskläger, die deren Marke "P P" zur Bezeichnung ihrer Pizza-Service-Betriebe benutzen, sind ausschließlich im Großraum Berlin und in Brandenburg tätig. Der Verfügungsbeklagte betreibt seine Pizzeria mit angeschlossenem Pizza-Lieferservice dagegen ausschließlich in Saarbrücken mit einer Betriebsstätte in Saarbrücken-Gersweiler. Bei dieser räumlichen Distanz besteht kein ernsthaftes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien und sind die Beeinträchtigungen, die von der beanstandeten Betriebsbezeichnung des Verfügungsbeklagten für die Marke der Verfügungskläger ausgehen können, jedenfalls auf absehbare Zeit äußerst gering. Die Verfügungskläger haben zwar vorgetragen, eine Ausweitung ihres Franchise-Systems "auf ganz Deutschland" sei geplant, jedoch nicht aufgezeigt, dass zur Verwirklichung dieser Zielvorstellung bereits konkrete Schritte unternommen wurden. Überdies haben die Verfügungskläger dem Verfügungsbeklagten noch mit Schreiben vom 07.03.2002 (Bl. 43 d.A.) angeboten, gegen Zahlung eines Lizenzbetrages von nur 2.500,-- € zuzüglich Mehrwertsteuer auf die weitere Verfolgung des hier in Rede stehenden Unterlassungsanspruchs sowie evtl. Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu verzichten. Dies zeigt, dass sie selbst der vorliegenden Angelegenheit eine weitaus geringere Bedeutung beimessen, als in ihrer Streitwertangabe zum Ausdruck gelangt.

Da das Verfahren darüber hinaus in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad erreicht, kann lediglich der untere Regelstreitwert von 10.000,-- € angenommen werden. Allerdings kann andererseits auch keine hinreichende Veranlassung zu einer Wertfestsetzung erkannt werden, die noch unter diesem Regelbetrag liegt.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 25 Abs. 4 GKG).

Ende der Entscheidung

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