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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.01.2006
Aktenzeichen: 1 W 319/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 567 ff
ZPO § 793
ZPO § 890
ZPO § 890 Abs. 1
ZPO § 890 Abs. 2
ZPO § 891
ZPO § 928
ZPO § 929 Abs. 1
ZPO § 936
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

1 W 319/05

In Sachen

wegen Unterlassung wettbewerbswidriger Werbung

(hier: sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes)

hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts

durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Theis, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kuhn-Krüger und den Richter am Oberlandesgericht Schmidt

am 9. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

1.) Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Saarbrücken vom 5. Oktober 2005 - Az.: 7 II O 69/05 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Schuldnerin zur Last.

3.) Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist gemäß §§ 890 Abs. 1; 891; 793, 567 ff ZPO zulässig.

Dem Rechtsmittel muss jedoch in der Sache der Erfolg versagt bleiben, weil die durch den angefochtenen Beschluss erfolgte Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Schuldnerin zulässig und sachlich gerechtfertigt ist. Die Zulässigkeit der angefochtenen Vollstreckungsmaßnahme ergibt sich aus §§ 936, 928, 890 ZPO. Die Ordnungsmittelfestsetzung erfolgte auf Grund eines wirksamen Titels in Gestalt der von dem Landgericht erlassenen einstweiligen Verfügung vom 2. Juni 2005 (Az.: 7 II O 69/05; Bl. 14 f d. A.). Diese einstweilige Verfügung enthält die gemäß § 890 Abs. 2 ZPO erforderliche Ordnungsmittelandrohung und wurde der Schuldnerin am 7. Juni 2005 ordnungsgemäß zugestellt (Bl. 30 d. A.). Einer Vollstreckungsklausel bedurfte es im Hinblick auf §§ 936, 929 Abs. 1 ZPO nicht.

Die von der Gläubigerin erwirkte Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 10.000,-- € sowie - ersatzweise - einer an dem Vorstand der Schuldnerin zu vollziehenden Ordnungshaft von 14 Tagen ist auch sachlich gerechtfertigt, da der Schuldnerin ein mehrfacher Verstoß gegen die einstweilige Verfügung anzulasten ist.

Am 9. Juni 2005 verteilte der Außendienstmitarbeiter Weyand der Schuldnerin ein Werbeblatt (Bl. 31 d. A.), das die Mitteilung der Schuldnerin enthielt, dass sie zum 1. Juli 2005 den allgemeinen Beitragssatz auf 11,9 % senkt, ohne dass dieser Angabe ein Hinweis darauf beigefügt war, dass die angekündigte Beitragssenkung im Umfang von 0,9 % auf einer gesetzlichen Vorgabe beruhte. Diese Werbung ist als unmittelbarer Verstoß gegen das Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung zu werten.

Dem kann die Schuldnerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das Unterlassungsgebot nicht verletzt worden sei, weil es lediglich die Werbung mit einer Beitragssenkung von 0,9 % betreffe, wogegen das Werbeblatt eine Beitragssenkung von 12,9 % auf 11,9 % und damit um 1,0 % ankündige. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Zuwiderhandlung im Sinne des § 890 Abs. 1 ZPO vorliegt, ist nach allgemeiner Auffassung auf den "Kern der Verletzungshandlung" abzustellen. Dieser bestimmt sich nach dem Schutzumfang des Unterlassungsgebots, der durch die wettbewerbsrechtliche Eigentümlichkeit der zu verbietenden Verletzungshandlung charakterisiert wird, wobei die für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung unerheblichen Besonderheiten außer Betracht bleiben können (vgl. Baumbach-Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., Rdnr. 6.4 zu § 12 UWG; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 5. Aufl., Kap. 57, Rdnr. 11 ff m. w. Nachw.; Senatsentscheidung vom 30. April 1991 in der Sache 1 W 4/91). Hiervon ausgehend aber kann es nicht zweifelhaft erscheinen, dass die Verteilung des Werbeblattes mit der zitierten Aussage einen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung darstellte. Der Schuldnerin sollte nämlich durch die einstweilige Verfügung nicht ausschließlich untersagt werden, eine Beitragssenkung speziell um 0,9 % zu bewerben, ohne zugleich deren Veranlassung durch eine entsprechende gesetzliche Vorgabe mitzuteilen. Das Unterlassungsgebot bezweckte vielmehr die Unterbindung der Werbung mit irgendeiner Beitragssenkung ohne gleichzeitigen Hinweis darauf, dass diese in Höhe von 0,9 % auf einer gesetzlichen Vorgabe beruhte. Schwerpunkt bzw. Kern der wettbewerbswidrigen Verletzungshandlung, die durch die einstweilige Verfügung unterbunden werden sollte, war nicht die Ankündigung einer Beitragssenkung von exakt 0.9 %, sondern die Werbung mit einer konkreten Beitragssenkung ohne Hinweis auf den Umstand, dass diese in Höhe von 0.9 % auf einer gesetzlichen Anordnung beruhte.

Des weiteren verbreitete die Schuldnerin noch am 30. Juni 2005 eine Presseinformation vom 3. Juni 2005 (Bl. 34 d. A.), die die Angabe enthielt, ihr Vorstand werde ihrem Verwaltungsrat in den nächsten Wochen eine Beitragssenkung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus von 12,9 % auf 11,9 % zum 1. Juli 2005 vorschlagen, ohne dass die gesetzlich vorgegebene Beitragssenkung in Höhe von 0,9 % mitgeteilt wurde.

Auch dies stellt einen objektiven Verstoß gegen das Verbot der einstweiligen Verfügung dar. Dem steht nicht entgegen, dass in der Presseinformation keine bereits beschlossene Beitragssenkung angekündigt, sondern lediglich mitgeteilt wurde, der Vorstand der Schuldnerin werde deren Verwaltungsrat eine Beitragssenkung von 12,9 % auf 11,9 % vorschlagen. Wie bereits das Landgericht zu Recht festgestellt hat, wurde in der Presseinformation eindeutig zu Werbezwecken der Eindruck vermittelt, dass eine Beitragssenkung in der angegebenen Höhe mit Wirkung zum 1. Juli 2005 zu erwarten sei. Dass der Verwaltungsrat der Schuldnerin sich dem angekündigten Vorschlag des Vorstandes verschließen könnte, musste einem verständigen Leser der Presseinformation als eine nicht ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit erscheinen. Entsprechend sind die Angaben der Presseinformation zu einer Beitragssenkung per 1. Juli 2005 als Verstoß gegen die einstweilige Verfügung zu werten, da nicht zugleich mitgeteilt wurde, dass die angekündigte Beitragssenkung in Höhe von 0,9 % gesetzlich vorgeschrieben war.

Darüber hinaus unterhielt die Schuldnerin jedenfalls bis Mitte Juli 2005 eine Internetseite, mit der eine Senkung des Beitragssatzes ab 1. Juli 2005 in einer der einstweiligen Verfügung widersprechenden Weise beworben wurde. Die oben zu dem Werbeblatt gemachten Ausführungen gelten für die Werbung auf der Internetseite entsprechend. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

In Ansehung der in Rede stehenden Verstöße gegen die einstweilige Verfügung ist der Schuldnerin auch ein (eigenes) Verschulden anzulasten.

Ein eigenes Verschulden trifft die Schuldnerin schon dann, wenn sie nicht unverzüglich nach erlangter Kenntnis von der Verbotsanordnung alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um Zuwiderhandlungen zu verhindern (vgl. Baumbach-Hefermehl/Köhler a. a. O., Rdnr. 6.7 zu § 12 UWG; Zöller-Stöber, ZPO, 25. Aufl., Rdnr. 5 zu 3 890 ZPO). Dabei genügt es nicht, wenn die Schuldnerin ihre Hilfspersonen und Vertriebspartner informiert und über die Geltung des Verbots belehrt hat. Sie muss vielmehr gegenüber ihren Hilfspersonen und Vertriebspartnern eindeutig und ernsthaft klarstellen, dass sie ihrerseits unbedingt auf der genauen Einhaltung des Verbots besteht, diese überwachen und eventuelle Zuwiderhandlungen zur Veranlassung für ernste Konsequenzen nehmen wird (Zöller-Stöber a. a. O.; Senatsentscheidung vom 1. September 2004 in der Sache 1 W 136/04-18). Dabei ist es, wenn - wie im vorliegenden Fall - objektive Zuwiderhandlungen gegen die Verbotsanordnung feststehen, Sache der Schuldnerin, im einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen, was sie unternommen hat, um eine Missachtung des Verbots zu verhindern, und dass sie im Hinblick auf diese von ihr getroffenen Maßnahmen kein Verschulden an den erfolgten Zuwiderhandlungen trifft (Baumbach-Hefermehl/Köhler a. a. O., Rdnr. 6.8 zu § 12 UWG).

Dem eigenen Vorbringen der Schuldnerin kann im vorliegenden Fall jedoch nicht entnommen werden, dass sie alle gebotenen und zumutbaren Maßnahmen im Sinne der vorstehend gemachten Ausführungen getroffen hat, um Zuwiderhandlungen durch ihre Hilfspersonen und Beauftragten zu verhindern. Bei dieser Sachlage erfolgte die vor dem Landgericht vorgenommene Festsetzung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 Abs. 1 ZPO zu Recht.

Demgegenüber kann die Schuldnerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass für sie unklar bleibe, wie lange sie gehalten sei, eine Werbung für Beitragssenkungen mit einem Hinweis auf die gesetzliche Vorgabe aus dem Jahre 2005 zu verbinden. Diese von der Schuldnerin aufgeworfene Frage ist entsprechend dem Sinn und Zweck der einstweiligen Verfügung dahin zu beantworten, dass die Schuldnerin stets, aber auch nur so lange auf die gesetzliche Vorgabe hinzuweisen hat, als sie mit einer Beitragssenkung wirbt, die ganz oder teilweise dieser gesetzlichen Vorgabe entspricht bzw. diese umsetzt. Wurde die gesetzlich vorgegebene Beitragssenkung bereits in vollem Umfange umgesetzt und erfolgt später eine weitere Beitragssenkung, so kann mit letzterer ohne den von der einstweiligen Verfügung geforderten Hinweis geworben werden, wenn nur der Satz dieser zusätzlichen, von der gesetzlichen Vorgabe nicht geforderten Beitragssenkung beworben wird.

Soweit die Schuldnerin beanstandet, dass es ihren Wettbewerbern möglich sei, ihre Beitragssenkungen ohne Hinweis auf die gesetzliche Vorgabe zu bewerben, wendet sie sich der Sache nach gegen die Recht- und Zweckmäßigkeit der Verbotsverfügung. Die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit des Titels sind im Rahmen des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens jedoch nicht zu überprüfen. Die einstweilige Verfügung ist vielmehr zu beachten und ggf. durchzusetzen, so lange sie nicht aufgehoben wurde. Im übrigen setzt die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO gegen einen Schuldner nicht voraus, dass die Gläubigerin den in Rede stehenden Unterlassungsanspruch auch gegen andere Unterlassungspflichtige verfolgt und durchsetzt.

Die Bemessung der Höhe des verhängten Ordnungsgeldes lässt keinen Ermessensfehler zum Nachteil der Schuldnerin erkennen, zumal die Schuldnerin mehrfach gegen die einstweilige Verfügung verstoßen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Als Gebührenstreitwert des Beschwerdeverfahrens ist der Betrag des erstinstanzlich gegen die Schuldnerin verhängten Ordnungsgeldes in Ansatz zu bringen.

Ende der Entscheidung

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