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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 263/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 153 | |
StPO § 153 Abs. 2 | |
StPO § 153a | |
StPO § 153a Abs. 2 | |
StPO § 205 | |
StPO § 206a | |
StPO § 206a Abs. 1 | |
StPO § 206a Abs. 2 | |
StPO § 304 Abs. 3 | |
StPO § 306 Abs. 1 | |
StPO § 311 Abs. 2 | |
StPO § 464 Abs. 3 Satz 1 | |
StPO § 467 Abs. 1 | |
StPO § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 | |
StGB § 78b Abs. 4 | |
StGB § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS
Strafsache
wegen des Verdachts der Untreue (hier: Einstellung des Verfahrens)
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 20. Dezember 2006 gegen den Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 7. Dezember 2006 hat der 1. Strafsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 18. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Balbier die Richterin am Oberlandesgericht Burmeister den Richter am Oberlandesgericht Wiesen nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Verteidigers des Angeklagten
beschlossen: Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten in ihrer Anklageschrift vom 12. März 1995 zwölf Vergehen der Untreue zur Last. Er soll "von Januar 1991 bis November 1994" (die in der Anklageschrift aufgeführten Fälle 7 bis 9 betreffen allerdings davor liegende Zeiträume) Schadensersatzleistungen zu Gunsten behindert zur Welt gekommener Kinder, die an ihn als deren Rechtsbeistand auf sein privates Girokonto überwiesen worden waren, nicht an diese weitergeleitet haben, sondern in dem Bewusstsein, dass auch seine Ehefrau über das Konto allein verfügungsbefugt war, die Gelder dort stehen gelassen und zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass diese zu eigenen Zwecken hierüber verfügte. Den in der Anklageschrift mit über 600.000,-- DM bezifferten Gesamtschaden hatte der Angeklagte bereits am 20. September 1994 einschließlich Verzugszinsen reguliert. Einen gegen den Angeklagten am 17. August 1994 ergangenen Haftbefehl des Amtsgerichts Saarbrücken hatte dieses bereits mit Beschluss vom 23. August 1994 mit der Begründung aufgehoben, der Haftgrund der Fluchtgefahr könne nicht länger bejaht werden, da sich der Beschuldigte offensichtlich bemühe, die vermögensrechtlichen Ansprüche der Geschädigten zu regulieren, weshalb nicht zwingend davon ausgegangen werden könne, dass er eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu erwarten habe.
Nachdem der damalige Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 29. Juni 1995 unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen mitgeteilt hatte, dass der Angeklagte sich nach der Diagnose eines hochmalignen Lymphoms in stationärer Behandlung befinde und bis auf Weiteres nicht verhandlungsfähig sei, ließ das Landgericht die Anklage mit Beschluss vom 17. November 1995 zur Hauptverhandlung zu. Mit Beschluss vom 28. November 1995 stellte es das Verfahren gemäß § 205 StPO vorläufig ein, da nach den vorliegenden Arztberichten einer Verhandlung gegen den Angeklagten auf bisher nicht absehbare Zeit seine schwere Erkrankung entgegenstehe.
Von Februar 1997 bis 1999 bat die Staatsanwaltschaft den Verteidiger des Angeklagten in regelmäßigen Abständen um Mitteilung, ob der Angeklagte weiterhin verhandlungsunfähig sei, sowie gegebenenfalls um Einreichung neuerer Atteste. Die vorgelegten ärztlichen Befundberichte bescheinigten dem Angeklagten weiterhin starke Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit nach seiner schweren Tumorerkrankung sowie darüber hinaus das Auftreten einer chronisch depressiven Erkrankung. Am 18. August 1999 regte die zuständige Staatsanwältin die Einholung eines rechtsmedizinischen Gutachtens an. In den folgenden beiden Jahren wurde der Verteidigung durch den damals zuständigen Vorsitzenden der 3. Strafkammer mehrfach Gelegenheit gegeben, weitere ärztliche Atteste einzureichen, was auch geschah, sowie am 12. September 2000 die Absicht mitgeteilt, ein Sachverständigengutachten zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten einzuholen. Schließlich erging am 30. August 2001 ein entsprechender Beschluss des Landgerichts.
In seinem Gutachten vom 8. Februar 2002 bescheinigte der beauftragte Sachverständige Prof. Dr. W. dem Angeklagten eine sehr starke Einschränkung seiner Verhandlungsfähigkeit aus organischen (insbesondere starke kolikartige Bauchschmerzen, Fraktur des 2. Lendenwirbelkörpers) und psychischen (Depression) Gründen. Daraufhin stellte die Strafkammer das Verfahren mit Beschluss vom 26. März 2002 erneut gemäß § 205 StPO vorläufig ein, da das in dem Gutachten vom 8. Februar 2002 beschriebene Krankheitsbild der Durchführung einer Hauptverhandlung bis auf Weiteres entgegenstehe.
Nachdem bei dem Angeklagten bereits im Januar 2002 ein Nierenzellenkarzinom operiert worden war, erstattete der Sachverständige Prof. Dr. W. am 10. Dezember 2002 im Auftrag des Landgerichts ein Ergänzungsgutachten, in dem er aufgrund weiterer zu den Akten gereichten ärztlichen Bescheinigungen zu dem Ergebnis kam, dass wegen der nunmehr im Vordergrund stehenden psychischen Faktoren eine psychiatrische Begutachtung zur Klärung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten vorgenommen werden sollte. Mit Beschluss vom 22. April 2003 beauftragte das Landgericht Prof. Dr. R., den Leiter des Instituts für Psychologie und Psychiatrie der Universität, mit der Erstellung eines entsprechenden Gutachtens. Dieser kam in seinem Gutachten vom 5. Januar 2004 zu dem Ergebnis, dass aus psychiatrischer Sicht keine Verhandlungsunfähigkeit bestehe.
Mit Verfügung vom 1. Juni 2004 bestimmte der Vorsitzende der 3. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken Termin zur Hauptverhandlung auf den 14. Juni 2004 und weitere Tage. Mit Verfügung vom 11. Juni 2004 hob er die Termine im Hinblick auf einen Verteidigerwechsel und von dem neuen Verteidiger des Angeklagten beantragte Akteneinsicht auf. Mit Beschluss vom 30. Dezember 2004 wies die 3. Strafkammer einen Antrag des jetzigen Verteidigers, das Verfahren nach § 206a StPO wegen des Verfahrenshindernisses der Strafverfolgungsverjährung einzustellen, unter Hinweis auf die Bestimmung des § 78b Abs. 4 StGB zurück.
Mit Beschluss vom 8. Februar 2005 ordnete die 3. Strafkammer im Hinblick auf eine von dem Verteidiger des Angeklagten zwischenzeitlich eingereichte weitere ärztliche Stellungnahme die Einholung eines Ergänzungsgutachtens durch Prof. Dr. R. an. Dieser kam in seinem Gutachten vom 26. September 2005 zu dem Ergebnis, dass keine relevante Einschränkung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten auf psychiatrischem Fachgebiet vorliege und sich auch kein Hinweis auf eine Verschlechterung der "somatischen Situation" ergeben habe.
Mit Schriftsatz vom 3. November 2005 beantragte der Verteidiger des Angeklagten die Einstellung des Verfahrens wegen überlanger Verfahrensdauer, hilfsweise nach § 153 Abs. 2 StPO. Mit Verfügung vom 18. November 2005 lehnte die Staatsanwaltschaft die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens "gemäß § 153a Abs. 2 StPO" ab. Mit Verfügung vom selben Tag veranlasste der Vorsitzende der 3. Strafkammer die Einholung von Auskünften bei dem Präsidenten des Landgerichts Bonn, wo der Angeklagte inzwischen wohnt, sowie bei der Gerichtshilfe bei der Staatsanwaltschaft Bonn dazu, inwieweit der Angeklagte als Rechtsbeistand tätig ist. Nachdem diese Auskünfte bis März 2006 eingegangen und der Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme zugleitet worden waren, teilte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 6. April 2006 abermals mit, dass einer Einstellung des Verfahrens nach § 153, 153a StPO nicht zugestimmt werde. Nachdem der Verteidiger des Angeklagten weitere ärztliche Bescheinigungen zu gesundheitlichen Beschwerden des Angeklagten zu den Akten gereicht hatte, bat der Vorsitzende der nunmehr zuständigen 5. Strafkammer die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 3. Mai 2006 um erneute Stellungnahme zu einer Einstellung des Verfahrens, was die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 27. Juni 2006 abermals ablehnte.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht das Verfahren nach § 206a StPO mit der Begründung eingestellt, es liege ein nicht behebbares Verfahrenshindernis vor, da ein weiteres Betreiben des Verfahrens gegen Art. 6 Abs. 1 MRK verstoßen würde. Zugleich hat es der Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt. Hiergegen - auch gegen die Kostenentscheidung - richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
II.
1. Die gemäß den §§ 206a Abs. 2, 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO zulässige, gegen die Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO gerichtete sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht ist zu Recht von einer überlangen, den Beschleunigungsgrundsatz verletzenden und daher von den Justizbehörden zu vertretenden Verfahrensdauer ausgegangen, die ein Verfahrenshindernis begründet.
a) Ob eine mit dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes und mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht in Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen. Solche in die Gesamtwürdigung einzubeziehenden Gesichtspunkte sind insbesondere der durch die Justiz verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit der Dauer des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst, sei es auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht hat. Liegt eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vor, so ist sie bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu berücksichtigen. Dies kann - je nach Schweregrad - zu einer Einstellung des Verfahrens nach §§ 153 ff. StPO, einem Absehen von Strafe, einer Verwarnung mit Strafvorbehalt oder lediglich zu einer Berücksichtigung bei der Strafzumessung führen. Reichen diese Möglichkeiten nicht aus, weil das Ausmaß der Verfahrensverzögerung besonders schwer wiegt und zu besonderen Belastungen für den Betroffenen geführt hat, so kommt ausnahmsweise die Einstellung des Verfahrens wegen eines von Verfassung wegen anzunehmenden Verfahrenshindernisses in Betracht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.1.2004 - 2 BvR 1471/03; BVerfG NStZ 2006, 680, 681; BGHSt 46, 159, 169 ff.; BGH NStZ-RR 2004, 230 f.; Senatsbeschluss vom 27. Dezember 1999 - 1 Ws 184/99).
b) Hieran gemessen hat das Landgericht zu Recht eine mit dem Rechtsstaatsgebot nicht vereinbare Verfahrensverzögerung angenommen, der nur durch Einstellung des Verfahrens begegnet werden kann.
aa) Die Verfahrensdauer ist schon für sich genommen unangemessen lang. Bei der Bestimmung der Dauer eines Strafverfahrens ist auf die gesamte Dauer von dem Zeitpunkt, zu dem der Beschuldigte von der Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt worden ist, bis zum Zeitpunkt des voraussichtlichen rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens abzustellen (vgl. BVerfG NJW 1993, 3254 ff. Rn. 27, zit. nach juris; BGHSt 35, 137 ff. Rn. 52, zit. nach juris; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 8 m. w. N.; Senatsbeschluss vom 27. Dezember 1999 - 1 Ws 184/99). Danach beträgt allein die Verfahrensdauer seit der Bekanntgabe des Haftbefehls des Amtsgerichts Saarbrücken vom 17. August 1994 gegenüber dem Angeklagten am 19. August 1994 bislang annähernd 12,5 Jahre. Vor Bestimmung eines erneuten Hauptverhandlungstermins wäre nunmehr zunächst im Hinblick auf die von dem Sachverständigen Prof. Dr. W. in dessen Gutachten vom 8. Februar 2002 festgestellte, organisch bedingte erhebliche Einschränkung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten eine erneute Begutachtung des Angeklagten durch diesen Sachverständigen erforderlich. Mit Blick auf die von dem Vorsitzenden der 3. Strafkammer bereits mit Verfügung vom 1. Juni 2004 avisierten Hauptverhandlungstermine kann selbst dann, wenn hiernach von einer zumindest eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten auszugehen wäre, mit einer Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vor Jahresende gerechnet werden. Im Falle der Durchführung eines Revisionsverfahrens wäre ein rechtskräftiger Abschluss frühestens Mitte des Jahres 2008 möglich. Die Gesamtdauer des Strafverfahrens würde sich dann auf etwa 14 Jahre belaufen.
bb) Diese - für sich betrachtet - unangemessene Verfahrensdauer wird auch nicht durch die besonderen Schwierigkeiten oder den besonderen Umfang der Sache gerechtfertigt. Vielmehr ist sie in erster Linie auf vom Landgericht zu vertretende Verfahrensverzögerungen zurückzuführen.
(1) Zwar ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht mit Beschluss vom 28. November 1995 - im Hinblick auf die durch ärztliche Bescheinigungen nachgewiesene Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Behandlung eines akuten bösartigen Lymphknotenkrebses - das Verfahren gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt hat. Jedoch lassen sich dem Inhalt der Akten keine nachvollziehbaren Gründe dafür entnehmen, warum bis zu dem Beschluss vom 30. August 2001, mit dem das Landgericht erstmals die Einholung eines rechtsmedizinischen Gutachtens angeordnet hat, nahezu sechs Jahre vergingen. Das Landgericht ist in dieser Zeit der ihm in regelmäßigen Abständen obliegenden Prüfung, ob von einer fortbestehenden Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten auszugehen ist, nicht in der gebotenen Weise nachgekommen.
(2) Zwar hat die Staatsanwaltschaft Saarbrücken den jeweiligen Verteidiger des Angeklagten einmal pro Jahr um Mitteilung, ob der Angeklagte weiterhin verhandlungsunfähig ist, und gegebenenfalls um Einreichung ärztlicher Atteste neuesten Datums gebeten. Den hierauf von der Verteidigung - unter Hinweis auf noch anstehende Untersuchungen teilweise erst Monate später - vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen bzw. Befundberichten vom 4. April 1997 (Bl. 312 d. A.), vom 26. Juni 1997 (Bl. 324 d. A.), vom 15. Dezember 1998 (Bl. 331 d. A.), vom 17. Juli 1999 (Bl. 333 d. A.) und vom 10. August 1999 (Bl. 335 d. A.) lassen sich jedoch schon aufgrund der Kürze des jeweils dargestellten Befundes keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine fortbestehende Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten entnehmen.
(3) Nachvollziehbare Gründe dafür, warum das Landgericht die Einholung eines rechtsmedizinischen Gutachtens zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten trotz entsprechender Anregung seitens der Staatsanwaltschaft aufgrund Verfügung vom 18. August 1999 erst am 30. August 2001 beschlossen hat, ergeben sich aus den Akten ebenfalls nicht. Vielmehr ergibt sich aus den in den Akten enthaltenen Vermerken des Vorsitzenden lediglich, dass weiterhin die von der Verteidigung angekündigte Vorlage weiterer Atteste abgewartet wurde, die jedoch ebenfalls nicht die Annahme einer fortbestehenden Verhandlungsunfähigkeit rechtfertigten. Demgemäß hatte das Landgericht der damaligen Verteidigerin des Angeklagten bereits mit Verfügung vom 12. September 2000 mitgeteilt, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens beabsichtigt sei.
(4) Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. W. vom 8. Februar 2002 war zum damaligen Zeitpunkt von einer - wenn auch eingeschränkten - Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten auszugehen. Gleichwohl hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken das Verfahren mit Beschluss vom 26. März 2002 erneut vorläufig eingestellt. Den Akten lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, warum es nach Eingang des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. W. vom 10. Dezember 2002 mehr als vier weitere Monate gedauert hat, bis das Landgericht mit Beschluss vom 22. April 2003 die Einholung des von diesem Sachverständigen angeregten psychiatrischen Gutachtens angeordnet hat. Das gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das Landgericht umso größere Anstrengungen unternehmen musste, das Verfahren alsbald zu einem Ende zu bringen, je länger das Verfahren aufgrund von von der Strafjustiz zu verantwortenden Verzögerungen gedauert hat (vgl. BVerfG NJW 2003, 2897 ff. Rn. 45; Beschl. v. 21.1.2004 - 2 BvR 1471/03 Rn. 38; jeweils zit. nach juris).
(5) Unerklärlich bleibt schließlich, warum der Vorsitzende der 3. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken, nachdem das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 5. Januar 2004, wonach keine Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten auf psychiatrischem Gebiet festzustellen war, am 8. Januar 2004 beim Landgericht eingegangen war, nahezu fünf Monate bis zur Terminsbestimmung benötigte. Nichts anderes gilt hinsichtlich des Umstands, dass nach der Terminsaufhebung vom 11. Juni 2004 aufgrund Verteidigerwechsels keine neuen Termine zur Hauptverhandlung bestimmt worden sind.
(6) Das Verfahren fördernde Maßnahmen fehlen in der Folgezeit bis zu dem Beschluss vom 30. Dezember 2004, mit dem der Antrag auf Verfahrenseinstellung wegen Verfolgungsverjährung zurückgewiesen worden ist, und dem Beschluss vom 8. Februar 2005 betreffend die Einholung eines Ergänzungsgutachtens gänzlich. Nachdem das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 26. September 2005, mit dem das Ergebnis des Ausgangsgutachtens (keine Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten aus psychiatrischer Sicht) bestätigt wurde, am 5. Oktober 2005 beim Landgericht eingegangen ist, kam es nach weiteren Ermittlungsmaßnahmen gemäß Verfügung vom 18. November 2005 bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses zu einem weiteren Verfahrensstillstand, nachdem die Staatsanwaltschaft Saarbrücken mit Verfügung vom 27. Juni 2006 ihre Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens abermals verweigert hatte.
cc) Selbst wenn man demgegenüber die durch zulässiges Prozessverhalten des Angeklagten eingetretenen Verfahrensverzögerungen - etwa mehrfache Einreichung neuer ärztlicher Stellungnahmen, Einstellungsanträge, Verteidigerwechsel - berücksichtigt, rechtfertigt dies keine Verfahrensdauer von nunmehr mehr als zwölf Jahren. Vielmehr ist der ganz überwiegende Teil dieser Verfahrensdauer auf eine nicht zeit- und sachgerechte Verfahrensförderung durch das Landgericht zurückzuführen.
dd) Der gegen den Angeklagten erhobene Tatvorwurf wiegt zwar schwer. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Angeklagte den gesamten Schaden noch vor Anklageerhebung reguliert hat. Demgemäß ist bereits das Amtsgericht Saarbrücken in seinem Haftbefehlsaufhebungsbeschluss vom 23. August 1994 im Hinblick auf die damals schon erfolgte Teilregulierung des Schadens davon ausgegangen, dass der Angeklagte keine Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu erwarten habe. Diese Annahme gilt heute umso mehr.
ee) Entscheidende Bedeutung kommt im vorliegenden Fall dem Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Angeklagten verbundenen besonderen Belastungen zu. Er hatte seit Anklageerhebung nicht nur eine Krebserkrankung, als deren Folge eine Operation, eine chemotherapeutische Behandlung, eine Strahlentherapie sowie eine Stammzellentherapie, eine erneute Krebsdiagnose und infolge der Behandlungen eingetretene erhebliche körperliche Einschränkungen ("Verwachsungsbauch" mit konsekutiven Darmkoliken, Läsion des 2. Lendenwirbelkörpers mit der Folge massiver Rückenschmerzen) zu verkraften, sondern darüber hinaus haben sich bei ihm als Folge hiervon psychische Beeinträchtigungen eingestellt, die nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. in dessen Gutachten vom 5. Januar 2004 aus einer chronifizierten depressiven Störung resultieren und sich in erster Linie in Form einer etwas erschwerten Konzentration mit etwas erhöhter Ablenkbarkeit, allgemeiner leichter Antriebsminderung und darüber hinaus psychosomatischer Beschwerden im Sinne von Schwindel, vermehrter Wahrnehmung von bestehenden Körperschmerzen und körperlichen Beschwerden sowie schneller Ermüdbarkeit, vermehrter Reizbarkeit und erschwerter Auffassung bemerkbar machen. Der Sachverständige Prof. Dr. W. hat bereits in seinem Ergänzungsgutachten vom 10. Dezember 2002 ausgeführt, dass sich der Angeklagte neben der Belastung durch die Krankheit und deren Folgen auch einer erheblichen Belastung durch das Strafverfahren ausgesetzt sieht. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass die berufliche Karriere des Angeklagten, die bis dahin im Zentrum seiner persönlichen Planungen und Ziele gestanden hatte, durch die Verhaftung, den Verlust des Arbeitsplatzes und die anschließende Krebserkrankung ein jähes Ende fand.
ff) Das Ausmaß der Verfahrensverzögerung und die hierdurch für den Angeklagten herbeigeführten besonderen Belastungen wiegen so schwer, dass dem im Rahmen einer Sachentscheidung nicht mehr Rechnung getragen werden könnte und von Verfassungs wegen eine Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO geboten ist.
(1) Der Angeklagte sieht sich seit mehr als zwölf Jahren den Belastungen eines Strafverfahrens ausgesetzt. Zum jetzigen Zeitpunkt steht trotz Einholung mehrerer Sachverständigengutachten, denen Untersuchungen des Angeklagten zu Grunde lagen, nicht fest, ob der Angeklagte den Belastungen einer erstinstanzlichen Hauptverhandlung gewachsen sein wird. Hierzu bedürfte es weiterer Ermittlungen zum gegenwärtigen körperlichen Zustand des Angeklagten durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens. Von einem Abschluss des gesamten Verfahrens in einer in einem Rechtsstaat als angemessen anzusehenden Frist kann schon jetzt keine Rede mehr sein. Die lange Verfahrensdauer ist überwiegend den Justizbehörden, insbesondere dem Landgericht anzulasten, dem trotz in mehreren Sachverständigengutachten festgestellter, jedenfalls eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten die Durchführung einer Hauptverhandlung bislang nicht gelungen ist. Die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten wiegen zwar schwer. Abgesehen davon, dass das Doppelte (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB) der für den Tatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) geltenden fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) in allen Fällen überschritten ist und auch unter Berücksichtigung des Ruhens der Verjährung gemäß § 78b Abs. 4 StGB hinsichtlich eines Teils der angeklagten Taten bereits Verjährung eingetreten und hinsichtlich eines weiteren Teils ein erstinstanzliches Urteil in unverjährter Zeit nicht mehr zu erwarten ist (§ 78b Abs. 3 StGB), wäre aber im Falle einer Sachentscheidung jedenfalls zu berücksichtigen, dass der Angeklagte den entstandenen Schaden bereits vor Anklageerhebung insgesamt reguliert hat. Hinzu kommt, dass der Angeklagte aufgrund des Strafverfahrens und seiner schwerwiegenden Erkrankung sowie deren (auch psychischen) Folgen privat und beruflich aus der Bahn geworfen worden ist. Vor diesem Hintergrund wiegt die lange Dauer eines den Angeklagten ohnehin belastenden Strafverfahrens umso schwerer.
(2) Unter Abwägung all dieser Umstände hält der Senat eine weitere Fortsetzung des überlang andauernden Verfahrens für den physisch und psychisch angeschlagenen Angeklagten nicht mehr für zumutbar und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr vereinbar. Ein anerkennenswertes Interesse an einer weiteren Durchführung des Strafverfahrens besteht nicht mehr. Selbst wenn dem Angeklagten nach Durchführung der Hauptverhandlung eine Schuld anzulasten wäre, wäre diese durch die ihn belastenden Folgen des Verfahrens weitgehend ausgeglichen. Zu diesem Ausgleich tragen neben der langen Verfahrensdauer insbesondere die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und das Scheitern des ehemals erfolgreichen beruflichen Werdegangs bei.
2. Die gemäß den §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 304 Abs. 3, 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluss getroffene Kostenentscheidung ist ebenfalls unbegründet.
a) Gemäß § 467 Abs. 1 StPO fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Falle der Verfahrenseinstellung grundsätzlich der Staatskasse zur Last. Bei diesem Grundsatz verbleibt es hier.
b) Die Bestimmung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Danach kann das Gericht davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
aa) Nach zutreffender, vom Senat geteilter Auffassung sind die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung nicht nur dann gegeben, wenn - was wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Unschuldsvermutung nur im Falle der Durchführung der Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife möglich wäre - bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit eine Verurteilung erfolgt wäre. Vielmehr kommt die Versagung einer Auslagenerstattung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NJW 1992, 1612, 1613) - schon dann in Betracht, wenn zumindest ein hinreichender Tatverdacht fortbesteht (vgl. BGH NStZ 2000, 330, 331; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 246; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003, 286, 287; Senatsbeschluss vom 12. Juli 2005 - 1 Ws 59/05; Meyer-Goßner, a. a. O., § 467 Rn. 16). Ob zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeklagten fortbestand, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.
bb) Die Versagung einer Auslagenerstattung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB wäre unbillig, wenn das Verfahrenshindernis, dessentwegen die Einstellung des Verfahrens erfolgte, nicht in den Verantwortungsbereich des Angeklagten, sondern allein in den Verantwortungsbereich der zuständigen Justizbehörden fällt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 246, 247; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003, 286, 287; Senatsbeschluss, a. a. O.). So verhält es sich nach den vorstehenden Ausführungen hier. Das zur Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO führende Verfahrenshindernis der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung fällt allein in den staatlichen Verantwortungsbereich.
Die Kostenentscheidung bezüglich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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