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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.11.2005
Aktenzeichen: 2 UF 13/05
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, KostO, FGG
Vorschriften:
FGG § 50b Abs. 1 | |
ZPO §§ 114 ff | |
ZPO § 517 | |
ZPO § 520 | |
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2 | |
ZPO § 621 e Abs. 1 | |
KostO § 16 | |
KostO § 30 Abs. 3 Satz 2 | |
FGG § 14 |
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 11. März 2005 - 9 F 110/04 - hinsichtlich der dort getroffenen Umgangsregelung (Ziffern 2 und 3 des Beschlusstenors) aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
3. Beschwerdewert: 3.000 EUR.
4. Dem Antragsteller mir im Wirkung vom 15. April 2005 ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin, , beigeordnet.
5. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 17. Juni 2005 ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt, , beigeordnet.
Gründe:
I. Aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe der Parteien sind die Kinder A1, geboren am September 1991, A., geboren am Februar 1993 und M., geboren am Mai 1999 hervorgegangen. A1 lebt mit Einverständnis der Kindeseltern im Libanon, die beiden anderen Kinder wohnen beim Antragsteller.
Der Antragsteller hat die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge - hilfsweise die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts - für alle drei Kinder auf sich beantragt. Das Familiengericht hat anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2004 die Kinder angehört und die Durchführung eines Umgangsrechtsverfahrens eingeleitet. Eine erneute Anhörung der beiden älteren Kinder fand am 3. September 2004 statt. Danach kam es unter Mitwirkung des Kreisjugendamtes zu Umgangskontakten der Kinder mit der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er grundsätzlich ein Besuchsrecht der Antragsgegnerin befürworte, dass er jedoch wolle, dass dieses auf den Raum beschränkt bleibe.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Sorgerechtsanträge des Antragstellers zurückzuweisen und angeregt, zu prüfen, ob die elterliche Sorge nicht dem Jugendamt zu übertragen wäre; im Übrigen hat sie die Regelung des Umgangsrechts "im üblichen Umfang" begehrt.
In dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder dem Antragsteller übertragen und es im Übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen (Ziffer 1 des Beschlusstenors) sowie das Umgangsrecht dahingehend geregelt, dass die Antragstellerin es zu im Einzelnen festgelegten Zeiten ohne jegliche räumliche Beschränkung ausüben dürfe.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Umgangsregelung und beantragt, den Umgang mit A. jeweils nur 14-tägig in Absprache und mit Zustimmung des Kindes zu gestatten, und den Umgang mit M. dahingehend einzuschränken, dass er nur jeweils 14-tägig in der Zeit von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr nach Zustimmung des Kindes im Beisein dritter Personen stattfindet. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Antragsgegnerin nicht bereit sei, die Umgangskontakte kindgerecht zu gestalten. Sie würden, sobald sie ohne Aufsicht stattfänden, von den Kindern abgelehnt. A. fürchte, dass, wie es in der Vergangenheit bereits geschehen sei, die Antragsgegnerin den Umgang stets im Beisein dritter Personen durchführe. Sie habe ständig wechselnde Männerbekanntschaften, mit denen dann die Kinder konfrontiert würden. Der Wille insbesondere des älteren Kindes sei zu berücksichtigen. Auch M. lehne den Umgang mit der Antragsgegnerin ab. Zudem habe diese seit April 2005 die Kinder weder besucht noch angerufen. Auch befürchte der Antragsteller einen erhöhten Alkohol- und Drogenkonsum der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie trägt vor, dass der Antragsteller durch sein Verhalten den Umgang der Kinder mit ihr zu unterbinden suche. Die in der Beschwerdeschrift erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Selbstverständlich sei die Antragsgegnerin bereit, das Umgangsrecht in Abwesenheit dritter Personen auszuüben und die getroffene Vereinbarung entsprechend zu ergänzen.
Beide Parteien bitten um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.
II. Die gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 2, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde des Antragstellers hat einen vorläufigen Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.
Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben, weil er auf einem wesentlichen Verfahrensfehler beruht. So muss das Familiengericht den Inhalt der nach § 50 b Abs. 1 FGG gebotenen Anhörung der Kinder in der Sitzungsniederschrift, einem Aktenvermerk oder in dem angefochtenen Beschluss selbst und zwar vollständig, im Zusammenhang und frei von Wertungen des Gerichts wiedergeben (BGH, FamRZ 2001, 907; Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Mai 2002 - 9 UF 59/02 -; OLG Köln, FamRZ 2002, 337; OLG Karlsruhe, FamRZ 1997, 1295).
Dem ist das Familiengericht nicht gerecht geworden. Denn es hat in Bezug auf die Anhörungen der Kinder lediglich ausgeführt, es sei deutlich geworden, dass sie weiterhin beim Antragsteller leben wollten, dass aber auch noch Interesse an der Antragsgegnerin vorhanden sei, obwohl dies von seiten der beiden älteren Kinder zunächst einmal abgestritten worden sei. Das jüngste Kind besitze ebenfalls gute Bindungen zu der Antragsgegnerin, wie sich im Verlauf der Verhandlung herausgestellt habe.
Weitergehende Ausführungen fehlen. Damit liegt eine den oben dargestellten Anforderungen entsprechende Dokumentation der Anhörungen der Kinder nicht vor, da die diesbezüglichen Darlegungen lediglich rein subjektive Wertungen enthalten, die nicht einmal auf ihre Plausibilität hin nachvollzogen werden können. Denn es ist weder erkennbar, woraus das Familiengericht auf eine verbale Ablehnung der Antragsgegnerin durch den Sohn A. schließt, noch weshalb gleichwohl davon auszugehen sei, dass insoweit gute Bindungen bestünden. Dasselbe gilt sinngemäß in Bezug auf M.. Insbesondere wird bei beiden Kindern weder eine Äußerung wiedergegeben, noch ein konkretes Verhalten beschrieben, woraus die Einstellung der Kinder zur Frage des Umgangsrechts deutlich werden könnte.
Dieser Verfahrensfehler ist auch wesentlich, weil damit eine wichtige Grundlage für die getroffene Umgangsregelung fehlt. Denn diese hat sich in erster Linie am Kindeswohl zu orientieren (vgl. FA-FamR/Oelkers, 5. Aufl., Kap. 4, Rz. 538, m.w.N.), wobei auch der Wille des Kindes zu ermitteln und bei der Entscheidung mit zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, FuR 2005, 422; FA-FamR/Oelkers, a.a.O., Rz. 585 ff, m.w.N.). Daraus folgt, dass für die Frage, ob und in welchem Umfang ein Umgangsrecht eingeräumt wird, und ob es notwendig ist, hinsichtlich dessen Ausgestaltung konkretisierende Anordnungen zu treffen, die Wünsche und Vorstellungen der Kinder und insbesondere auch etwaige Vorbehalte zu ermitteln und in die zu treffende Abwägung einzubeziehen sind. Dazu besteht umso eher Anlass, wenn, wie im Streitfall, von den Kindern gegenüber der Antragsgegnerin nach den Feststellungen des Familiengerichts eine gewisse Ablehnung geäußert wird und angesichts der offensichtlich bestehenden erheblichen Streitpotentiale der Eltern eine halbwegs funktionierende Umgangsregelung bislang nicht zu Stande kam.
Der angefochtene Beschluss beruht somit auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage, was einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt (vgl. BVerfG, FamRZ 2005, 1816), und kann daher keinen Bestand haben. Da dem Senat eine Nachholung der gebotenen Maßnahmen unter Einschluss der erneuten Anhörung der Kinder in der Beschwerdeinstanz hier nicht sachdienlich erscheint, ist es angezeigt, den Beschluss, soweit er angefochten worden ist, aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen. Diesem ist auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu übertragen, weil derzeit eine solche im Hinblick auf das nur vorläufige Ergebnis des Verfahrens vor dem Senat nicht möglich ist.
Der die Gerichtskosten betreffende Ausspruch folgt aus § 16 KostO.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 30 Abs. 3 Satz 2 KostO.
III. Dem Antragsteller und der Antragsgegnerin war gemäß §§ 14 FGG, 114 ff ZPO antragsgemäß Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 621 e Abs. 2 ZPO i. V. m. § 543 Abs. 2 ZPO bzw. § 574 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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