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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.12.2003
Aktenzeichen: 3 U 144/03
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO, BGB, PflVG, StVO, StVG


Vorschriften:

EGZPO § 26 Nr. 5
ZPO § 511
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 823
BGB § 847
PflVG § 3 Nr. 1
PflVG § 3 Nr. 2
StVO § 7 Abs. 5
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 17 Abs. 1

Entscheidung wurde am 13.02.2004 korrigiert: Aktenzeichen korrigiert
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 144/03 - 14 -

verkündet am 16.12.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes und Schmerzensgeldes aus einem Verkehrsunfall

hat der 3. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.2003 durch den Richter am Oberlandesgericht Brach als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht Göler und Knerr

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.02.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - Az. 3 O 485/02 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 5.315,15 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes (vom 09. Juni 1998, BGBl. I S. 1242) vom 25.07.2000 bis zum 31.12.2001 sowie ab dem 01.01.2002 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu zahlen.

2.

Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs seit dem 15.01.2003 zu zahlen.

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III.

Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 90 % und die Klägerin 10 %.

IV.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Gegenstand der Klage sind Schadenersatzansprüche der Klägerin sowie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld wegen der Folgen eines Verkehrsunfalles, der sich am 14.04.2000 gegen 15.15 Uhr in der Hstr in S. ereignet hat und an dem die Klägerin mit ihrem Opel Corsa () sowie der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Mercedes Benz () beteiligt waren. Zu dem Unfall kam es auf der linken von zwei Fahrspuren, als ein (unbekannt gebliebener) Fahrradfahrer plötzlich die Fahrspur von rechts nach links wechselte, der Beklagte zu 1) eine Vollbremsung durchführte und die Klägerin auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1) auffuhr. Umstritten ist, ob der Beklagte zu 1) kurz vor der Vollbremsung einen Fahrspurwechsel durchgeführt hat (so die Klägerin) oder ob er bereits eine gewisse Zeit vor der Kollision von der rechten auf die linke Fahrspur gefahren war (so die Beklagten).

Die Klägerin hat den ihr entstandenen Schaden auf 5.690,78 € beziffert (Bl. 3 d.A.) und nebst Zinsen mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Ferner hat sie die Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes (mindestens aber 800,- €) verlangt und hierzu behauptet, ein HWS-Schleudertrauma erlitten zu haben und vom 17.04. bis zum 20.04.2000 arbeitunfähig gewesen zu sein (Bl. 35 d.A.).

Die Beklagten haben - neben ihrer Haftung dem Grunde nach - auch die Schadenshöhe sowie eine unfallbedingte HWS-Verletzung bestritten (Bl. 18 f, 39 d.A.).

Das Landgericht hat nach Beiziehung der Akten 62 UJs 314/00 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, nach informatorischer Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) sowie nach Vernehmung der Zeugin B. (Bl. 42 d.A.) durch das am 13.02.2003 verkündete Urteil - Az. 3 O 485/02 - die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass ein Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) nicht nachgewiesen worden sei (Bl. 50 d.A.). Das Gericht habe sich nach dem widersprüchlichen Vortrag der Parteien kein Bild vom tatsächlichen Hergang des Unfalls vom 14.04.2000 machen können. Es habe nicht einmal überzeugend feststellen können, welches Fahrzeug welche Fahrspur befahren habe. An der Glaubwürdigkeit der Bekundungen der Zeugin B. bestünden erhebliche Zweifel (Bl. 51 f d.A.). Da ein Fahrfehler des Beklagten zu 1) nicht festgestellt worden sei, führe die Gewichtung der Verursachungsanteile zum völligen Haftungsausschluss der Beklagten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre abgewiesenen Ansprüche weiterverfolgt. Sie ist der Ansicht, dass das Landgericht einen Verfahrensfehler begangen habe, weil der Beklagte zu 1) anlässlich seiner informatorischen Befragung im Termin vom 23.01.2003 eingeräumt habe, im Augenblick des Fahrspurwechsels des Radfahrers auf der rechten Fahrspur gefahren zu sein. Da sich die Kollision unstreitig auf der linken Fahrspur ereignet habe, komme als Unfallursache nur ein Fahrspurwechsel des Beklagten zu 1) in Betracht. Außerdem sei die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft, weil es die Bekundungen der Zeugin B. sinnentstellend wiedergegeben habe. Deren Aussage sei im Kern klar, nachvollziehbar und nicht widersprüchlich gewesen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 78, 154, 158 d.A.),

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin

1.

5.690,78 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.07.2000

2.

sowie ein angemessenes und in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 800,- €, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes zu zahlen.

Die Beklagten beantragen (Bl. 85, 154, 158 d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und machen geltend, dass das Sitzungsprotokoll vom 23.01.2003 in einem Punkt falsch sei. Richtig sei, dass der Beklagte zu 1) bereits einige Zeit vor dem plötzlichen Fahrspurwechsel des Radfahrers auf den linken Fahrstreifen gefahren sei. Von diesem Sachverhalt sei auch der Erstrichter ausgegangen. Die Zeugin B. habe keine zuverlässige Erinnerung mehr an das Unfallgeschehen gehabt. Ihre Aussage sei ungereimt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Klägerin sowie den Beklagten zu 1) informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen J. B. und W. Z.. Wegen des Gegenstandes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Verfügung vom 04.08.2003 (Bl. 90 Rs. d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 25.11.2003 (Bl. 153 ff d.A.) Bezug genommen.

Die Akten 62 UJs 314/00 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung (Bl. 154 d.A.).

B.

Die Berufung, auf die gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO die Vorschriften der ZPO neuer Fassung anzuwenden sind, ist gemäß den §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässig.

Sie ist nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme auch überwiegend begründet. Die Beklagten sind gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG (a.F.), §§ 823, 847 BGB, jeweils i.V. mit § 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVG, als Gesamtschuldner verpflichtet, den der Klägerin durch den streitgegenständlichen Unfall entstandenen Schaden zu ersetzen und ihr ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.

I. Da sich aus dem Berufungsvorbringen der Klägerin Verdachtsgründe gegen die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ergeben, die eine erneute Feststellung erforderten (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO), hat der Senat die Parteien u.a. zur Vorlage von Fotos über die unfallbedingten Schäden an ihren Fahrzeugen aufgefordert, die Klägerin sowie den Beklagten zu 1) erneut angehört und die Beweisaufnahme wiederholt. Nach dem Gesamtergebnis dieser Beweisaufnahme ist nach der Überzeugung des Senats bewiesen worden, dass sich der Beklagte zu 1) vor der Kollision nicht bereits einige Sekunden auf der linken Fahrspur befunden hat, sondern dass die Kollision in unmittelbarem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang zu dem vom Beklagten zu 1) durchgeführten Wechsel von dem rechten auf den linken Fahrstreifen stand. Hierfür sprechen folgende Gründe:

1. Unstreitig ist, dass die Klägerin die linke der beiden Fahrstreifen befahren hat und dass sich die Kollision auf diesem Fahrstreifen ereignet hat. Hiervon ist auch das Landgericht ausgegangen.

2. Die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte zu 1) den rechten Fahrstreifen befahren habe. Plötzlich habe er, ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen, die Fahrspur gewechselt. Trotz sofortigen Bremsens habe sie die Kollision nicht mehr verhindern können (Bl. 2, 42, 154 d.A.).

3. Der Beklagte zu 1) hat dagegen zunächst vortragen lassen, ebenfalls die linke Fahrspur befahren zu haben (Schriftsatz vom 29.11.2002 = Bl. 17 d.A.). Anlässlich seiner informatorischen Anhörung vor dem Landgericht hat er dagegen eingeräumt, sich zunächst der rechten Fahrspur befunden zu haben. Diese Angaben hat er in seiner Anhörung vor dem Senat (Bl.154 f d.A.) bestätigt, wobei er hinzugefügt hat, dass er auf die linke Fahrspur gefahren sei, weil er angenommen habe, dass ein auf dem Bürgersteig fahrender Radfahrer wegen einer dort befindlichen Warnbake oder Absperrung auf die rechte Fahrspur ausweichen könnte. Er, der Beklagte zu 1), sei deshalb vorsorglich auf die linke Fahrspur gefahren und habe sich bereits etwa 10 Sekunden auf dieser Fahrspur befunden, als der Radfahrer, ohne ein Zeichen zu geben oder den Arm auszustrecken, plötzlich über beide Fahrstreifen gefahren sei. Er habe sofort eine Vollbremsung machen müssen, worauf die Klägerin aufgefahren sei (Bl. 154 d.A.).

4. Nach der eigenen Unfallschilderung des Beklagten zu 1) ist damit unstreitig geworden, dass er - jedenfalls zunächst - den rechten Fahrstreifen befahren hat und dass er einen Fahrsteifenwechsel vorgenommen hat. Dass dieser Fahrstreifenwechsel in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Kollision stand, ist zur Überzeugung des Senats durch die Bekundungen der Zeugin B. in Verbindung mit dem Schadensbild an den unfallbeteiligten Fahrzeugen bewiesen:

Die Zeugin B., die Beifahrerin im Fahrzeug der Klägerin war und sich damit in einer optimalen Beobachtungsposition befand, hat den Hergang des Unfalles im Wesentlichen wie in ihrer erstinstanzlichen Vernehmung geschildert. Danach habe sich die Klägerin auf der linken und der Beklagte zu 1) vor ihrem Fahrzeug auf der rechten Fahrspur befunden. Plötzlich und ohne den linken Blinker zu setzen habe der Beklagte zu 1) die Fahrspur gewechselt. Trotz einer sofortigen Bremsreaktion habe die Klägerin ein Auffahren nicht mehr verhindern können (Bl. 42 f, 155 f d.A.). Es sei nicht zutreffend, dass der Beklagte zu 1) bereits einige Sekunden vor der Klägerin hergefahren sei. Die Kollision habe sich vielmehr in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Fahrspurwechsel ereignet (Bl. 156 d.A.).

Wenn auch die Zeugin keine Angaben zu dem Abstand der unfallbeteiligten Fahrzeuge machen konnte, erscheint ihre Unfallschilderung dennoch plausibel, nachvollziehbar und glaubhaft, zumal ihre Angaben durch das Schadensbild an den unfallbeteiligten Fahrzeugen und damit durch einen objektiven Anhaltspunkt bestätigt werden. Das Fahrzeug der Klägerin war nämlich nur an der äußersten rechten Seite, und zwar insbesondere im Bereich des vorderen rechten Kotflügels beschädigt. Hier befand sich eine tiefe Eindellung (vgl. hierzu die Fotos Bl. 123, 145 d.A.). Der Schaden am Fahrzeug des Beklagten zu 1) lag an der hinteren linken Fahrzeugecke, und zwar im äußersten linken Bereich (vgl. hierzu die Fotos in Hülle Bl. 118 d.A.). Aus diesem Schadensbild ergibt sich, dass sich die Fahrzeuge im Augenblick der Kollision nur geringfügig überdeckt haben. Dies spricht in entscheidendem Maße gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beklagten zu 1), sich bereits etwa 10 Sekunden vor der Kollision auf der linken Fahrspur befunden zu haben. Wäre dies der Fall gewesen, wäre eine großflächigere Überdeckung der Fahrzeuge im Kollisionszeitpunkt zu erwarten gewesen. Das Schadensbild spricht nach der Überzeugung des Senats dafür, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) im Zeitpunkt der Kollision mit seiner Rückseite erst zu einem geringen Teil auf der linken Fahrspur befunden hat, was darauf hindeutet, dass der Beklagte zu 1) erst im Begriffe war, die Fahrspur zu wechseln. Genau dies hat die Klägerin behauptet und die Zeugin B. bekundet, wonach es zur Kollision in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Fahrspurwechsel des Beklagten zu 1) gekommen ist.

II. Aus diesem Beweisergebnis ergeben sich folgende rechtlichen Konsequenzen:

1. Den Beklagten zu 1) trifft ein unfallursächliches Verschulden. Da es in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel zur Kollision mit dem auf dem benachbarten Fahrstreifen nachfolgenden Pkw der Klägerin gekommen ist, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Beklagte zu 1) die Sorgfaltspflichten beim Fahrstreifenwechsel (§ 7 Abs. 5 StVO) nicht genügend beachtet hat (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 7 StVO, Rdnr. 17 m.w.N.). Diesen Anscheinsbeweis haben die insoweit beweispflichtigen Beklagten (BGH, MDR 1989, 150 [151]; KG Berlin, KGR 2001, 93 und KGR 1997, 233; OLG Hamm, OLGR 2001 39 [40]; Senatsurteil vom 25.03.2003 [ Az. 3 U 262/02 - 33 -]) nicht entkräften können. Die Beklagten entlastet nicht, dass ein (nach ihrer Behauptung unbekannt gebliebener) Radfahrer die Vollbremsung veranlasst hat. Dies erklärt und rechtfertigt zwar das Abbremsen, nicht aber ohne weiteres den Fahrstreifenwechsel, zumal dieser in die Richtung erfolgt ist, in die der Radfahrer die Straße nach der Behauptung des Beklagten zu 1) überquert hat. Dass der Fahrstreifenwechsel zur Vermeidung einer Kollision mit dem Radfahrer erforderlich gewesen sei, haben die Beklagten nicht behauptet. Nach dem ausdrücklichen Vortrag des Beklagten zu 1) ist der Fahrstreifenwechsel vielmehr vorsorglich erfolgt, weil er wegen des Hindernisses auf dem Bürgersteig mit einem Wechsel des Radfahrers auf den rechten Fahrstreifen gerechnet hat.

2. Ein (Mit-)Verschulden der Klägerin konnte nicht festgestellt werden. Ihre Geschwindigkeit war nicht nachweislich überhöht. Dies haben selbst die Beklagten nicht behauptet. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Fahrweise des Radfahrers für die Klägerin Veranlassung hätte sein können und müssen, mit einem Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1) zu rechnen. Schließlich gibt es keinen Nachweis dafür, dass die Klägerin zu spät oder falsch reagiert hat.

Insbesondere spricht gegen die Klägerin nicht der Anscheinsbeweis. Dabei kann dahinstehen, ob die Grundsätze des Anscheinsbeweis beim Auffahren (vgl. hierzu BGH, NJW 1987, 1075 [1077]; BGH, MDR 1989, 150 [151]; KG Berlin, KGR 2001, 93 und KGR 1997, 233; OLG Hamm, OLGR 2001 39 [40]; OLG Naumburg, OLGR 2000, 462; Senatsurteile vom 22.10.1998 [Az. 3 U 148/98 - 19 -], vom 14.03.2000 [Az. 4 U 718/99 - 236 -] und vom 25.03.2003 [ Az. 3 U 262/02 - 33 -]; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 4 StVO Rdnrn. 17 und 18 m.w.N.) hier überhaupt anwendbar sind, was angesichts der nur geringfügigen Überdeckung der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Kollision fraglich ist. Jedenfalls aber ist der Anscheinsbeweis aus den im Einzelnen dargelegten Gründen entkräftet worden.

3. Die Schadensabwägung nach § 17 Abs. 1 StVG führt zur vollen Haftung der Beklagten. Gemäß § 7 Abs. 5 StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Angesichts dieser hohen Anforderungen an den Kraftfahrer bei einem Fahrstreifenwechsel war die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) erheblich gesteigert. Demgegenüber konnte ein unfallursächliches Mitverschulden der Klägerin unter keinem Gesichtspunkt festgestellt werden. Es erschien deshalb gerechtfertigt, die allenfalls normale Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs außer Ansatz zu lassen (siehe hierzu Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 7. Auflage, Rdnr. 155 m.w.N.).

III. Der Höhe nach beläuft sich der von den Beklagten zu ersetzende Sachschaden auf 5.315,15 €. Unstreitig sind lediglich die allgemeinen Kosten in Höhe von 26 €. Umstritten sind dagegen die von der Klägerin geltend gemachten Reparaturkosten (4.089,19 €), die Sachverständigenkosten (282,31 €) sowie die Mietwagenkosten (1.293,28 €).

1. Die Klägerin, die ihr Fahrzeug in der Firma "Z. Automobile GmbH" in O. hat reparieren lassen, macht die Kosten dieser Reparatur gemäß der Rechnung der genannten Firma vom 16.05.2000 (Bl. 9 ff d.A.) in Höhe von 4.089,19 € geltend. Die Beklagten haben insoweit bestritten, dass alle Reparaturarbeiten unfallbedingt gewesen sein (Bl. 18 d.A.). Die Klägerin hat jedoch anlässlich ihrer informatorischen Befragung im Termin vom 25.11.2003 - zur Überzeugung des Senats glaubhaft - bestätigt, dass ihr Fahrzeug vor dem Unfall unbeschädigt gewesen sei und dass die Reparaturrechnung nur Arbeiten beinhalte, die zur Behebung des unfallbedingten Schadens erforderlich gewesen seien (Seite 6 der Sitzungsniederschrift = Bl. 158 d.A.). Hinzu kommt, dass der Rechnungsbetrag in etwa dem Betrag entspricht, den der Sachverständige P. im Gutachten vom 22.05.2000 errechnet hat (Bl. 120 ff, 137 d.A.). Außerdem hat dieser Sachverständige die ihm im Entwurf vorgelegte Rechnung der Firma Z. als "sachlich und rechnerisch nachvollziehbar und angemessen" bezeichnet (Seite 19 des Gutachtens = Bl. 138 d.A.). Im Übrigen haben die Beklagten trotz der ihnen bekannten und ins Detail gehenden Reparaturrechnung nicht vorgetragen, welche der einzelnen Rechnungspositionen nicht unfallbedingt sein könnten.

2. Hinsichtlich der Sachverständigenkosten (von 282,31 €, vgl. die Rechnung Bl. 11 d.A.) ist die Klage dagegen nicht begründet. Zwar sind die Kosten für ein vorgerichtlich eingeholtes Privatgutachten vom Schädiger zu ersetzen, wenn die Einholung des Gutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Dies hätte hier der besonderen Begründung bedurft, weil das Gutachten erst am 16.05.2000 und damit zu einem Zeitpunkt in Auftrag gegeben worden ist, als die Reparatur in einer Fachwerkstatt längst (nämlich am 28.04.2000) abgeschlossen war. Hinzu kommt, dass die Klägerin den Fahrzeugschaden auch nicht auf der Basis des Gutachtens, sondern gemäß der Reparaturrechnung abgerechnet hat.

Die Klägerin hat die Notwendigkeit der Einschaltung des Sachverständigen allein damit begründet, dass ihr früherer Prozessbevollmächtigter (RA Schramm) dies trotz bereits erfolgter Reparatur auf Grund des Bestreitens der Schadenshöhe durch die Beklagten zum Zwecke der Beweissicherung als unerlässlich angesehen habe (Bl. 34 d.A.; vgl. hierzu auch das Schreiben von RA Schramm vom 02.01.2003 = Bl. 36 d.A.). Die Höhe der erforderlichen Reparaturkosten ergab sich jedoch bereits zuverlässig aus der detaillierten Reparaturrechnung einer Fachwerkstatt. Eine Beweissicherung hinsichtlich des Schadensumfangs war nicht mehr möglich, da das Fahrzeug bereits repariert war.

3. Bezüglich der Mietwagenkosten ist die Klage unter Abzug einer Eigenersparnis von 10 % des Rechnungsbetrages und damit in Höhe von 1.199,96 € begründet.

a. Die (von den Beklagten bestrittene Bl. 19 d.A.) Dauer der Reparatur vom 14.04.2000 bis zum 28.04.2000 ist durch die Bekundungen des Zeugen Z., des Geschäftsführers der Reparaturwerkstätte, bewiesen. Der Zeuge konnte zwar angesichts der Vielzahl der von der Firma Z. durchgeführten Reparaturen die Dauer der Reparatur aus der Erinnerung nicht mehr bestätigen. Er hat jedoch anhand der Geschäftsunterlagen festgestellt und bestätigt, dass sich das Fahrzeug der Klägerin vom 14.04.bis zum 28.04.2000 in Reparatur befunden hat.

b. Dass die Klägerin ihren Pkw trotz der durch Dr. A. erfolgten Krankschreibung (für 4 Tage) wegen Schmerzen im Bereich des Nackens und der Halswirbelsäule (Bl. 20 d.A.) nutzen konnte und auch genutzt hat, wie sie behauptet hat (Bl. 35 d.A.), erscheint nachvollziehbar und glaubhaft.

c. Bei dem Fahrzeug der Klägerin (Opel Corsa B Swing, 3-türig, 33 kW, vgl. Bl. 121 d.A.) und dem von ihr in Anspruch genommen Mietfahrzeug (Renault Twingo, 40 kW, vgl. den Fahrzeugschein Bl. 149 d.A.) handelt es sich nach den Bekundungen des Zeugen Z. um vergleichbare Fahrzeuge. Beide Fahrzeuge waren auf Grund ihr Leistungsstärke und Ausstattung nach der HUK-Liste in dieselbe Klasse eingestuft (Bl. 157 d.A.).

d. Von den Mietwagenkosten sind auf Grund des Bereicherungsverbots Betriebskosten abzusetzen, die dadurch erspart wurden, dass die Klägerin in der Zeit der Benutzung des Mietfahrzeugs ihr eigenes, unfallgeschädigtes Fahrzeug nicht nutzen konnte (Senatsurteile vom 06.03.2001 [Az. 4 U 54/00 - 14 -] und vom 16.12.2003 [Az. 3 U 144/03 - 14 -]; MünchKommBGB-Grunsky, 3. Auflage, § 249 Rdnr. 29; Soergel/Mertens, Kommentar zum BGB, 12. Auflage, § 249 Rdnr. 94; Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, 7. Auflage, Rdnr. 211, jeweils m. w. N.). Die Höhe des Abzugs hat der Senat in der Regel mit 10 % angenommen (Senatsurteile vom 31.03.1995 [A. 3 U 695/94 - 103 -], vom 02.11.1999 [Az. 4 U 374/98 - 104(99) = OLGR 2000, 306] und vom 06.03.2001 [Az. 4 U 54/00 - 14 -]; vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 1996, 987; OLG Hamm, r+s 1998, 106; OLG Hamm, DAR 2001, 79 = MDR 2000, 1246 = VersR 2001 207; OLG Hamm, OLGR 2001, 39 [41 re. Sp.]; Palandt/Heinrichs, Kommentar zum BGB, 60. Aufl., § 249, Rdnr. 14 a). Gründe für eine Abweichung nach oben oder unten sind weder vorgetragen worden noch erkennbar. Die in der Mietwagenrechnung bereits abgezogene Eigenersparnis von 67,44 DM (netto), die einem Abzug von etwa 3 % entspricht, erscheint zu gering. Unter Berücksichtigung des Abzugs von 10 % betragen die von den Beklagten zu ersetzenden Mietwagenkosten 1.199,96 € (= 2.248,- DM netto - 224,80 DM [= Abzug von 10 %] = 2.023,20 DM, zuzüglich 16 % MWSt [323,71 DM] = 2.346,91 DM, das sind 1.199,96 €).

4. Der ersatzfähige Schaden der Klägerin beläuft sich somit auf 5.315,15 € (= 4.089,19 € Reparaturkosten + 1.199,96 € Mietwagenkosten + 26,- € pauschale Kosten).

Zinsen sind auf Grund des Aufforderungsschreibens vom 18.07.2000 unter Fristsetzung zum 24.07.2000 (vgl. hierzu Seite 3 der Klageschrift = Bl. 3 d.A.) ab dem 25.07.2000 begründet, und zwar in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) vom 25.07.2000 bis zum 31.12.2001 sowie ab dem 01.01.2002 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches. Mit Wirkung ab dem 01.01.2002 ist nämlich nach dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3137 ff) an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes der Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs getreten (§§ 247, 288 Abs. 1 BGB n.F. i.V. mit der Überleitungsvorschrift in Artikel 2 § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts = Art. 229 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB n.F.).

IV. Die Beklagten sind ferner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes (§ 847 BGB) verpflichtet. Dass der Beklagte zu 1) den streitgegenständlichen Verkehrsunfall durch ungenügende Aufmerksamkeit bei einem Fahrspurwechsel verschuldet hat, ist ausgeführt. Durch das Schreiben des Dr. A. vom 28.06.2000 (Bl. 20 d.A.) ist bewiesen, dass die Klägerin nach dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall Schmerzen im Rücken- und Schultergürtelbereich hatte. Dr. A. hat anlässlich der Untersuchung der Klägerin eine Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des Nackens und der Halswirbelsäule festgestellt, weswegen er die Klägerin vom 17.04. bis 20.04.2000 krankgeschrieben hat. Mangels näherer Schilderung der Beschwerden sowie des weiteren Behandlungs- bzw. Heilungsverlaufes erscheint ein Schmerzensgeld von 500,- € angemessen und ausreichend.

V. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Berufungsstreitwert wird auf 6.490,78 € festgesetzt (= 5.690,78 € Schadenersatz + 800,- € Schmerzensgeld).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO (n.F.). Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 Abs. 1 ZPO nicht statthaft, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,- € nicht übersteigt, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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