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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: 3 U 244/03
Rechtsgebiete: DÜG, SGB X, ZPO, BGB, EGBGB, StVG, StVO, PflVG, AKB


Vorschriften:

DÜG § 1
SGB X § 116
ZPO § 307
ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 546
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 284
BGB § 284 Abs. 1 Satz 1
BGB § 288
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 304 Abs. 1
BGB § 425 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 840 Abs. 1
BGB § 847 a. F.
BGB § 847 Abs. 1 a. F.
EGBGB Art. 229 § 8 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 2 a. F.
StVG § 9
StVG § 17
StVG § 18
StVG § 18 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1 Satz 2
StVG § 18 Abs. 1 Satz 1
StVO § 1 Abs. 1
StVO § 1 Abs. 2
StVO § 2 Abs. 4 Satz 2
StVO § 2 Abs. 4 Satz 3
StVO § 8 Abs. 1
PflVG § 3 Nr. 1
PflVG § 3 Nr. 2
AKB § 10 Abs. 5
Zur Haftungsverteilung nach einem Verkehrsunfall, bei dem ein Radfahrer, der den Radweg in vorschriftswidriger Richtung befährt, mit einem den Radweg kreuzenden Kraftfahrzeug kollidiert.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten werden Ziffern 1) bis 6) des am 04.04.2003 verkündeten Grund-, Teil- und Teilanerkenntnisurteils des Landgerichts Saarbrücken (1 O 362/02) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auf Grund des Unfalls vom 12.06.2001 ein angemessenes Schmerzensgeld unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % zu zahlen.

2. Der Klageantrag zu 2) (Haushaltsführungsschaden) wird dem Grunde nach zu 50 % für gerechtfertigt erklärt.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 25,14 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) vom 27.09.2001 bis zum 31.12.2001 sowie ab dem 01.01.2002 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 50 % des aus dem Unfall vom 12.06.2001 künftig noch entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist bzw. noch übergeht.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auch ihren künftigen immateriellen Schaden auf Grund des Unfalls vom 12.06.2001 unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % zu ersetzen.

6. In Höhe eines Teilbetrages von 5.182,16 EUR nebst Zinsen hieraus wird die Klage abgewiesen. Auch der weitergehende Feststellungsantrag wird abgewiesen."

II.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.04.2003 verkündete Grund-, Teil- und Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Saarbrücken (1 O 362/02) wird zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

IV.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatz auf Grund eines Verkehrsunfalls.

Am 12.06.2001, 11.00 Uhr, befuhr die Klägerin mit ihrem Fahrrad den linken Radweg der S. Straße in H. stadtauswärts. Auf der anderen Fahrbahnseite befindet sich ein eigener Radweg (Bl. 2 u. 126 d. A.). Der von der Klägerin stadtauswärts befahrene Radweg ist in diese Richtung nicht freigegeben.

Die Beklagte zu 1) kam mit ihrem Pkw (amtl. Kennz.:), welcher bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, aus der Nebenstraße "A. F." und wollte nach rechts in die S. Straße einbiegen (Bl. 126 d. A.). Aufgrund eines Stoppschildes in der Straße "A. F." ist der Verkehr in der S. Straße bevorrechtigt. Wegen einer Bebauung an der Ecke zwischen beiden Straßen war die Sicht für beide Parteien in die jeweils andere Straße beeinträchtigt (Bl. 60 d. A.).

Im Einmündungsbereich kam es zur Kollision der Klägerin mit dem Pkw der Beklagten zu 1), bei dem sich die Klägerin eine Tibiakopffraktur und eine LWK-I-Fraktur zuzog. Vom 12.06.2001 bis zum 24.07.2001 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung. Sie musste sich zu dieser Zeit einer Knieoperation unterziehen. Bis zum 03.09.2001 musste die Klägerin zwei Krücken benutzen (Bl. 3 u. 126 d. A.).

In einem Gutachten der Universitätsklinik vom 17.04.2002 (Bl. 8 d. A.) wurden der Klägerin eine 100-prozentige Berufsunfähigkeit als Hausfrau bis zum 27.07.2001, eine 60-prozentige Berufsunfähigkeit bis zum 03.09.2001 und eine 30-prozentige Erwerbsminderung im Beruf bis zum 05.02.2002 sowie ein Dauerschaden als Hausfrau von 20 % bescheinigt (Bl. 3 d. A.).

Die Klägerin musste 50,31 EUR für Fahrten zur Krankengymnastik aufwenden (Bl. 5 d. A.).

Die Beklagte zu 2) zahlte an die Klägerin 5.000,-- EUR Schmerzensgeld und 1.800,-- EUR auf den Haushaltsführungsschaden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr ein weiteres Schmerzensgeld von 10.000,-- EUR nebst Zinsen für den Zeitraum vom 12.06.2001 bis zum 31.08.2002 zu zahlen zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, auf ihren Haushaltshilfeschaden einen weiteren Betrag von 8.514,-- EUR nebst Zinsen für den Zeitraum vom 12.06.2001 bis zum 31.08.2002 zu zahlen,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie weitere 50,31 EUR nebst Zinsen zu zahlen,

4. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall, letztere, soweit sie nach dem 31.08.2002 entstanden sind bzw. entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten haben den Klageantrag zu 3) in Höhe von 25,16 EUR und den Klageantrag zu 4) in Höhe einer Ersatzpflicht von 50 % anerkannt (Bl. 30 d. A.) und im Übrigen Klageabweisung beantragt.

Das Landgericht hat mit dem am 04.04.2003 verkündeten Grund-, Teil- und Teilanerkenntnisurteil (Bl. 81 d. A.) - nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen H. (Bl. 60 d. A.) sowie informatorische Befragung der Klägerin (Bl. 62 d. A.) und der Beklagten zu 1) (Bl. 63 d. A.) - wie folgt erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin aus dem Unfall vom 12.06.2001 ein Schmerzensgeld unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 25 % zu zahlen.

2. Der Klageantrag zu 2) (Haushaltsführungsschaden) ist dem Grunde nach zu 75 % gerechtfertigt.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 37,73 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 27.09.2001 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 75 des aus dem Unfall vom 12.06.2001 künftig noch entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht gemäß § 116 SGB X auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auch ihren künftigen immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 12.06.2001unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 25 % zu ersetzen.

6. In Höhe eines Teilbetrages von 2.591,08 EUR nebst Zinsen hieraus wird die Klage abgewiesen. Auch der weitergehende Feststellungsantrag wird abgewiesen.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Beklagten als auch die Klägerin Berufung eingelegt.

Die Beklagten beantragen mit ihrer Berufung, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen. Für den Fall einer eigenen Entscheidung des Berufungsgerichts beantragen sie:

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 25,16 EUR nebst Zinsen zu verurteilen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 50 % des aus dem Unfall vom 12.06.2001 künftig noch entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht gemäß § 116 SGB X auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist,

3. festzustellen, das die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auch ihren künftigen immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 12.06.2001 unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % zu ersetzen und

4. die Klage im Übrigen abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, das Landgericht habe den Klageanträgen, soweit sie nicht anerkannt worden seien, zu Unrecht stattgegeben und verfolgen ihren diesbezüglichen Klageabweisungsantrag weiter (Bl. 116 d. A.).

Die Beklagten behaupten, der Zusammenstoß habe sich auf der Fahrbahn ereignet. Die Klägerin sei gegen das an der Einmündung anhaltende Fahrzeug der Beklagten zu 1) gestoßen. Die Beklagte zu 1) habe an der Sichtlinie angehalten, da sie andernfalls die bevorrechtigte Straße nicht habe einsehen können (Bl. 31 d. A.). Zu Unrecht habe das Landgericht insoweit den von den Beklagten benannten Zeugen W. nicht vernommen (Bl. 116 d. A.). Hieraus hätte sich eine Haftungsquote von zumindest 50 % auf Seiten der Klägerin ergeben (Bl. 117 d. A.). Auch sei der Beweisantrag der Beklagten auf Ortsbesichtigung bzw. Augenscheinseinnahme zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Daraus hätte sich ergeben, dass die Beklagte zu 1) wegen Sichthindernissen nicht hätte "recht flott" an die Einmündung heranfahren können, sondern habe an der Sichtlinie anhalten müssen (Bl. 117 d. A.).

Die Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen H. sei in sich widersprüchlich, da dessen Aussage im Ermittlungsverfahren nicht berücksichtigt worden sei, aus der sich ergebe, dass sich die Klägerin bei der Kollision in Bewegung befunden habe (Bl. 117 d. A.). Dass die Beklagte zu 1) angehalten habe, während sich die Klägerin in Bewegung befunden habe, ergebe sich auch aus einem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an die Staatsanwaltschaft (Bl. 132 u. 134 f d. A.). Dies folge ferner daraus, dass die Klägerin nach dem Zusammenprall zunächst auf der Motorhaube des Pkw's der Beklagten zu 1) liegen geblieben sei (Bl. 144 d. A.).

Das Landgericht hätte auch dem Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgeben müssen. Auch aus einem solchen hätte sich ergeben, dass sich die Klägerin beim Zusammenprall in Fahrt befunden habe (Bl. 118 d. A.).

Wenn ein Radfahrer verbotener Weise den linken Radweg benutze, habe er kein Vorfahrtrecht (Bl. 143 d. A.) und es ergebe sich regelmäßig eine Haftungsquote von 50 % (Bl. 31 u. 118 f u. 143 d. A.).

Die Klägerin beantragt dagegen, das angefochtene Urteil abzuändern und

1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin aus dem Unfall vom 12.06.2001 ein Schmerzensgeld ohne Berücksichtigung eines Mitverschuldens zu zahlen,

2. den Klageantrag zu 2) dem Grunde nach zu 100 % für gerechtfertigt zu erklären,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin weitere 12,58 EUR zu zahlen,

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin weitere 25 % des aus dem Unfall vom 12.06.2001 künftig noch entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen, soweit dieser nicht gemäß § 116 SGB X auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist,

5. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auch ihren künftigen immateriellen Schaden in Höhe von weiteren 25 % aus dem Unfall vom 12.06.2001 zu ersetzen und

6. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 2.591,08 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Sie ist der Auffassung, die Vernehmung des Zeugen W. und eine Ortsbesichtigung seien nicht erforderlich, da diese Beweismittel nicht zum Nachweis der von den Beklagten aufgestellten Behauptung hinsichtlich des Unfallhergangs geeignet seien (Bl. 152 d. A.). Das gleiche gelte bezüglich eines Sachverständigengutachtens (Bl. 153 d. A.). Die Aussage des Zeugen H. sei glaubhaft und die Beweiswürdigung des Landgerichts insoweit widerspruchsfrei (Bl. 152 f d. A.).

Sie ist ferner der Auffassung, das Landgericht sei zu Unrecht von einem 25-prozentigen Mitverschulden der Klägerin ausgegangen und habe daher zu Unrecht in diesem Umfang Zahlungs- und Feststellungsanträge zurückgewiesen (Bl. 126 d. A.). Die Klägerin habe dadurch, dass sie den Radweg in der falschen Richtung benutzt habe, ihre Vorfahrt nicht verloren (Bl. 126 d. A.). Verkehrsteilnehmer müssten mit Radfahrern rechnen, die Radwege vorschriftsmäßig benutzten und daher von rechts herankämen (Bl. 127 d. A.).

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 1) sei beim Abbiegen am Stoppschild vorbeigefahren, ohne anzuhalten (Bl. 126 d. A.). Sie habe sich lediglich nach links umgesehen, sei nach rechts auf den Gehweg abgekommen und habe die Klägerin dort erfasst. Sie selbst, die Klägerin, habe im Einmündungsbereich mit ihrem Fahrrad gestanden (Bl. 2 u. 126 d. A.).

Das Landgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die Klägerin angehalten und damit die äußerste Sorgfalt angewandt habe, so dass der Unfall für sie ein unabwendbares Ereignis darstelle (Bl. 127 d. A.). Auch sei es widersprüchlich, dass das Landgericht angenommen habe, die Bestimmung der Fahrtrichtung auf dem Radweg diene nicht dem Schutz des Querverkehrs, dann aber gleichwohl der Klägerin einen Mitverursachungsanteil auferlegt habe (Bl. 127 d. A.). Die Klägerin sei jedenfalls berechtigt gewesen, ihr Fahrrad entgegen der Fahrtrichtung zu schieben, und die Beklagte zu 1) habe auch auf von rechts kommende Fußgänger achten müssen (Bl. 127 d. A.). Daher trete ein etwaiges Verschulden der Klägerin jedenfalls gänzlich hinter das grobe Verschulden der Beklagten zu 1) zurück (Bl. 4 u. 127 d. A.).

Die Klägerin verlangt ein Schmerzensgeld von weiteren 10.000,-- EUR, Ersatz eines Haushaltsführungsschadens in Höhe von weiteren 8.514,-- EUR für den Zeitraum vom 12.06.2001 bis zum 31.08.2002, Zahlung von 50,31 EUR sowie Feststellung der Pflicht der Beklagten, ihr auch zukünftige Schäden zu ersetzen (Bl. 4 d. A.).

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen sowie des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 18.02.2003 (Bl. 59 d. A.) und des Senats vom 16.12.2003 (Bl. 159 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 04.04.2003 (Bl. 81 d. A.) und die Beiakten 62 Js 1293/01 (= 40 VRs 780/01) der Staatsanwaltschaft Saarbrücken Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Beide Berufungen sind zulässig.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, diejenige der Klägerin unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, d. h. einer Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.

1. Das Landgericht hat zulässigerweise ein Grund-, Teil- und Teilanerkenntnisurteil erlassen.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 Abs. 1 BGB sind gegeben. Es handelt sich bezüglich der Klageanträge zu 1) bis 3) um eine Klage auf Zahlung von Geld. Anspruchsgrund und -betrag sind bestritten, es kann eine Aufteilung der geltend gemachten Forderungen nach Grund und Höhe vorgenommen werden und der Rechtsstreit ist hinsichtlich des Grundes entscheidungsreif (vgl. MünchKomm(ZPO)-Musielak, 2. Auflage, § 304 ZPO, Rdnr. 6 ff m. w. N.).

Auch liegt ein wirksames Teilanerkenntnis gemäß § 307 ZPO vor.

Das Landgericht hat darüber hinaus zutreffend die Klage im Übrigen durch Teilurteil abgewiesen (vgl. BGH, VersR 1956, 768 (770); OLG Koblenz, VRS 68, 179 (182); Urteil des Senats v. 01.06.1999, Az. 4 U 159/99 - 137 -; MünchKomm(ZPO)-Musielak, 2. Auflage, § 304 Rdnr. 11; Zöller-Vollkommer, aaO., Rdnr. 18) und nicht nur durch Grundurteil über die Zahlungsanträge, sondern auch durch Teilurteil über den Feststellungsantrag entschieden (vgl. BGH NJW-RR NJW 1992, 511, (512); 1994, 379, (381); MDR 2001, 287; Urteil des Senats vom 14.03.2000 - 4 U 192/99).

2. Da sich der Unfall am 12.06.2001 ereignet hat, sind gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB die bis zum 31.07.2002 geltenden Vorschriften anwendbar.

3. Die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin gemäß § 7 Abs. 1 StVG gegen die Beklagte zu 1) liegen vor, da beim Betrieb eines Fahrzeugs, dessen Halter die Beklagte zu 1) war, der Körper und die Gesundheit der Klägerin verletzt wurden. Der Unfall stellte für die Beklagte zu 1) auch kein unabwendbares Ereignis gemäß § 7 Abs. 2 StVG a. F. dar. Dies haben die Beklagten nicht behauptet, sondern anerkannt bzw. unstreitig gestellt, dass die Beklagte zu 1) am Zustandekommen des Unfalls ein hälftiges Mitverschulden trifft.

4. Gegen die Beklagte zu 1) besteht darüber hinaus ein Anspruch sowohl aus § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG als auch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 8 Abs. 1 StVO bzw. § 1 Abs. 1 und 2 StVO und damit auch gemäß § 847 Abs. 1 BGB a. F. ein Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld.

a) Der Anspruch aus § 18 Abs. 1 StVG ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 1) zum Unfallzeitpunkt Fahrerin des Fahrzeugs war, durch dessen Betrieb der Unfall verursacht wurde und die Beklagten nicht behauptet haben, dass der Unfall gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG nicht durch ein Verschulden der Beklagten zu 1) verursacht wurde, sondern ein zu einer Haftung von mindestens 50 % führendes (Mit)verschulden der Beklagten zu 1) unstreitig gestellt haben. Ein solches Verschulden ist aber - unabhängig von der hierauf aufbauend gemäß § 9 StVG i. V. m. § 254 Abs. 1 BGB zu bestimmenden Haftungsquote - als Voraussetzung für eine Haftung aus § 18 StVG ausreichend.

b) Aus demselben Grund steht ein Verschulden der Beklagten zu 1) auch positiv fest, so dass auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 8 Abs. 1 StVO bzw. § 1 Abs. 1 und 2 StVO sowie § 847 BGB a. F. gegeben ist.

6. Das Landgericht ist von diesen Feststellungen ausgehend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte zu 1) den Schaden gemäß § 9 StVG i. V. m. § 254 Abs. 1 BGB zu 75 % zu tragen hat. Es bestehen konkrete Anhaltspunkte, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an dieser Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Denn auch wenn man den Vortrag der Klägerin zum Unfallhergang in vollem Umfang als zutreffend unterstellt, ergibt sich eine hälftige Haftungsverteilung und keine überwiegende Haftung der Beklagten.

a) Auf Seiten der Beklagten zu 1) ist zu bei der Bestimmung der Haftungsanteile zu berücksichtigen, dass diese gegen § 8 Abs. 1 StVO bzw. § 1 Abs. 1 und 2 StVO verstoßen hat, indem sie in die bevorrechtigte S. Straße eingebogen ist, ohne auf die von rechts herannahende Klägerin zu achten und diese hierdurch verletzt hat.

In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob das Vorfahrtsrecht der Klägerin dadurch entfallen ist, dass sie entgegen § 2 Abs. 4 Satz 2 u. 3 StVO den linksseitigen Radweg benutzt hat (so OLG Hamburg, VersR 1987, 106; OLG Celle, NJW 1986, 2065 (2066); OLG Bremen, VersR 1997, 765 (766); LG Hannover, NJW-RR 1988, 866; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Auflage, § 8 StVO, Rdnr. 30) oder ob ein solcher Verkehrsverstoß - anders als ein Befahren einer Einbahnstraße in falscher Richtung - das Vorfahrtsrecht unberührt lässt (so BGH, NJW 1986, 2651; OLG Hamm, zfs 1996, 284; OLG Düsseldorf, DAR 2001, 78; AG Köln, VersR 1987, 698 (699)). Denn auch dann, wenn man davon ausgeht, dass das Vorfahrtsrecht entfällt, muss der in die an sich bevorrechtigte Straße Einfahrende jedenfalls damit rechnen, dass Radfahrer den Radweg in falscher Richtung befahren. Wenn er sich hierauf nicht einstellt, handelt er schuldhaft, d. h. er verstößt gegen § 1 Abs. 1 u. 2 StVO (vgl. BGH, NJW 1982, 334; NJW 1986, 2651; OLG Hamm, zfs 1996, 284; OLG Bremen, VersR 1997, 765 (766); AG Köln, NJW 1982, 345 u. VersR 1987, 698 (699); Hentschel, aaO., § 8 StVO, Rdnr. 30 u. 52).

Entscheidend für die Haftung des aus der untergeordneten Straße Kommenden ist im Falle einer Kollision mit einem von rechts kommenden Radfahrer also nicht die formale Frage, ob dieser vorfahrtberechtigt war oder nicht. Vielmehr ist maßgeblich darauf abzustellen, ob er mit der hinreichenden Aufmerksamkeit den rechts von ihm gelegenen Radweg beobachtet und auf (verbotswidrig) herannahende Radfahrer geachtet hat oder nicht. Diese Verpflichtung besteht in gleichem Umfang sowohl, wenn man ein Vorfahrtrecht des Radfahrers annimmt, als auch, wenn man ein solches verneint. Daher kann die Frage der Vorfahrtberechtigung für die Frage der Haftung letztlich offen bleiben (so wohl auch OLG Hamm, VersR 1999, 1432).

b) Auf Seiten der Klägerin ist dagegen zu berücksichtigen, dass diese entgegen § 2 Abs. 4 Satz 2 u. 3 StVO in unerlaubter Weise den linksseitigen Radweg benutzt hat (vgl. OLG Hamm, VersR 1999, 1432; LG Hannover, NJW-RR 1988, 866; Hentschel, aaO., § 2 StVO, Rdnr. 67a u. 67b).

Dahinstehen kann es in diesem Zusammenhang, ob das Gebot des § 2 Abs. 4 Satz 2 u. 3 StVO, den rechten Radweg zu benutzen, lediglich den gleichgerichteten Verkehr schützen soll, wie es das Landgericht angenommen hat, oder auch den Querverkehr. Es geht nämlich vorliegend nicht um die Frage, ob die Klägerin ihrerseits der Beklagten zu 1) gegenüber schadensersatzpflichtig ist, sondern um ihr Mitverschulden. Insoweit reicht es jedoch aus, dass sie diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (vgl. BGHZ 9, 316; BGH, VersR 1979, 369; OLG Stuttgart, VRS 66, 92; Hentschel, aaO., § 9 StVG, Rdnr. 5).

Ein derartiges Verhalten ist vorliegend zu bejahen. Denn die Klägerin hat dadurch, dass sie nicht nur verbotswidrig auf dem linken Radweg gefahren ist, sondern auch derart in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, dass sie von einem - unvorsichtig - nach rechts abbiegenden Fahrzeug erfasst werden konnte, in ganz erheblicher Weise gegen die zu ihrem eigenen Schutz anzuwendende Sorgfalt verstoßen. Denn der Unfall hat auf der Fahrbahn der Beklagten zu 1), also nicht auf dem Bürgersteig, stattgefunden, was der Zeuge H. ausdrücklich bestätigt hat (Bl. 62 d. A.). Ein von rechts heranfahrender Radfahrer muss aber damit rechnen, dass ein wartepflichtiger, nach rechts abbiegender Pkw-Fahrer sein Augenmerk vornehmlich auf den von links herannahenden Verkehr richtet, da normalerweise nur aus dieser Richtung bevorrechtigte Fahrzeuge zu erwarten sind, die ihm gefährlich werden können (vgl. OLG Bremen, VersR 1997, 765; OLG Hamm, VersR 1999, 1432; OLG Düsseldorf, DAR 2001, 78 (79); LG Hannover, NJW-RR 1988, 866). Dies gilt auch beim Vorhandensein eines Radweges, da Radfahrer bei vorschriftsmäßiger Fahrt normalerweise aus Sicht des Einbiegenden ebenfalls nur von links auf die Kreuzung zufahren. Zwar darf dieser sich hierauf nicht im Sinne des Vertrauensgrundsatzes verlassen. Umgekehrt aber darf auch der vorschriftswidrig fahrende Radfahrer seinerseits nicht darauf vertrauen, dass der Wartepflichtige auch darauf achtet, ob Radfahrer von rechts kommen.

Das Landgericht hat daher zutreffend festgestellt, dass das Mitverschulden der Klägerin darin zu sehen ist, dass diese überhaupt in den Einmündungsbereich eingefahren ist und nicht schon so weit vor diesem Bereich angehalten hat, dass sie keinesfalls von einem abbiegenden Fahrzeug erfasst werden konnte. Sie hätte dies jedenfalls nicht in verbotswidriger Richtung auf dem Radweg tun dürfen, sondern vielmehr um die Ecke über den Bürgersteig zu Fuß nach Verkehr Ausschau halten müssen. Erst nachdem sie festgestellt hätte, dass nicht mit dem Herannahen eines Fahrzeugs zu rechnen und daher eine gefahrlose Überquerung des Einmündungsbereichs möglich war, hätte sie gegebenenfalls ihre Fahrt fortsetzen dürfen. Sie hätte jedenfalls anhalten und so weit vom Einmündungsbereich entfernt warten müssen, dass es ausgeschlossen war, dass sie von einem unaufmerksam nach rechts abbiegenden Kraftfahrer erfasst worden wäre (vgl. OLG Bremen, VersR 1997, 765). Die Klägerin hat jedoch diese Sorgfalt nicht angewandt, sondern sie ist in den Einmündungsbereich derart eingefahren, dass es zu einer Kollision kam.

c) Gemäß § 9 StVG i. V. m. § 254 Abs. 1 BGB trägt unter Berücksichtigung all dieser Umstände der Beklagte zu 1) nicht die Alleinverantwortung für das Zustandekommen des Unfalls.

Fährt ein Kraftfahrzeugführer in eine bevorrechtigte Straße mit Radweg ein, ohne auf Radfahrer zu achten, die sich ihm auf verbotswidrige Weise von rechts nähern, so ist im Regelfall eine Mithaftung beider Unfallbeteiligter gegeben (vgl. Hentschel, aaO., § 8 StVO, Rdnr. 52 m. w. N.). Deren Höhe ist nach dem Einzelfall zu bestimmen, wobei sowohl eine hälftige Haftungsverteilung (vgl. OLG Hamm, VersR 1999, 1432 (1433); AG Köln, VersR 1987, 698 (699)) als auch eine überwiegende Haftung des Führers des einbiegenden Kraftfahrzeugs (vgl. LG Hannover, NJW-RR 1988, 866 (2/3)) in Betracht kommt. In einigen Fällen wurde in der Rechtsprechung auch von einer überwiegenden Haftung des Radfahrers ausgegangen (vgl. OLG Bremen, VersR 1997, 765 (766) (3/5); OLG Düsseldorf, DAR 2001, 78 (79) (Alleinhaftung); LG Nürnberg-Fürth, DAR 1993, 265 (Alleinhaftung)).

Im vorliegenden Fall ist eine hälftige Haftung anzunehmen. Das Landgericht hat die hierfür ausschlaggebenden Tatsachen nicht hinreichend gewürdigt und daher das ihm zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Nicht hinreichend berücksichtigt hat das Landgericht den Umstand, dass die Klägerin nicht bedacht hat, dass wartepflichtige Fahrzeugführer ihr Augenmerk an der Kreuzung beim Rechtsabbiegen vornehmlich nach links richten, so dass die Möglichkeit besteht, dass diese von rechts herankommende Radfahrer übersehen (vgl. OLG Bremen, VersR 1997, 765; OLG Hamm, VersR 1999, 1432; OLG Düsseldorf, DAR 2001, 78 (79); LG, Hannover, NJW-RR 1988, 866). Die Klägerin hätte daher, wie bereits ausgeführt, besonders vorsichtig sein und es unter allen Umständen vermeiden müssen, in den Einmündungsbereich einzufahren. Dadurch dass sie dies nicht getan hat, sondern verkehrswidrig und sorglos so weit in den Einmündungsbereich gefahren ist, dass es zur Kollision kam, hat sie in grober Weise gegen ihre eigenen Interessen verstoßen und deshalb den Unfall objektiv in hohem Maße mitverursacht (vgl. OLG Bremen, VersR 1997, 765; LG Nürnberg-Fürth, DAR 1993, 265).

Darüber hinaus hat das Landgericht bei der Abwägung zu einseitig den Umstand in den Mittelpunkt gestellt, dass seiner Auffassung nach das Vorfahrtrecht der Klägerin durch das vorschriftswidrige Benutzen des linken Radwegs nicht entfallen war. Wie bereits ausgeführt, ist letztlich für die Verursachung des Unfalls nicht die Verletzung der Vorfahrt als solche maßgeblich, sondern die Unaufmerksamkeit der Beklagten zu 1) beim Einbiegen nach rechts. Die Beklagte zu 1) hätte - ob sie wartepflichtig war oder nicht - sorgfältig darauf achten müssen, ob sich ihr von rechts verbotswidrig ein Fahrrad näherte. Weil sie genau dies nicht getan hat, ist es zum Unfall gekommen. Diese Pflicht bestand also unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass das Vorfahrtrecht der Beklagten zu 1) entfallen war oder nicht.

Im Rahmen des § 9 StVG kommt es aber - ebenso wie gemäß § 17 StVG - in erster Linie auf das objektiv ursächliche Verhalten der Unfallbeteiligten und nicht auf den Grad des subjektiven Verschuldens an (vgl. BGH, NJW 1969, 790; NZV 1998, 148; Hentschel, aaO., § 9 StVG, Rdnr. 7). Das Verschulden ist lediglich insoweit relevant, als es ein die Betriebsgefahr erhöhender Faktor ist (vgl. BGH, MDR 1965, 878; Hentschel, aaO., § 9 StVG, Rdnr. 7). Der formale Aspekt der Vorfahrt ist aber im vorliegenden Fall allenfalls ein Maßstab dafür, wie hoch das subjektive Verschulden der Beklagten zu 1) zu gewichten ist. Der Abbiegevorgang als solcher stellt sich jedoch in beiden Fällen als gleich gefährlich dar.

Auf Grund der objektiven Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist daher unabhängig von der Frage der Vorfahrtverletzung von einer hälftigen Haftung auszugehen (so auch OLG Hamm, VersR 1999, 1432; AG Köln, VersR 1987, 698 (699), die trotz Annahme der Vorfahrt von einer hälftigen Mithaftung des Radfahrers ausgehen). Dies hat das Landgericht verkannt, indem es in den Mittelpunkt seiner Überlegungen die Vorfahrtverletzung der Beklagten zu 1) gestellt und diesbezüglich ausgeführt hat, sie habe im Verhältnis zum Vorfahrtberechtigten eine erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen und sie habe als Wartepflichtige vorsichtiger und misstrauischer sein müssen, so dass ihr Verschulden schwerer wiege als das der Klägerin. Das Landgericht hat also im Rahmen seiner Argumentation zentral auf die subjektive Seite abgestellt. Dasselbe gilt bezüglich des vom Landgericht herangezogenen Umstands, dass an der Kreuzung ein Stoppschild installiert war und die Beklagte zu 1) daher zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet war.

Ferner kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall - ebenso wie in der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (vgl. OLG Hamm, VersR 1999, 1432) - angesichts ihres konkreten Verhaltens nicht auf einen besonderen Vertrauensschutz auf Grund ihres eventuellen Vorfahrtrechts berufen, wenn auch aus anderen Gründen. Die Klägerin hat zwar nicht versucht, nach rechts auf die Fahrbahn auszuweichen, um noch vor einem Hindernis die Einmündung passieren zu können. Jedoch ist vorliegend zu berücksichtigen, dass unstreitig die Sicht beider Unfallbeteiligter in die jeweils andere Straße durch die Eckbebauung behindert war (Bl. 60 d. A.). Daher konnte die Klägerin nicht erwarten, dass ein heranfahrender Wartepflichtiger sie unschwer erkennen konnte und ihr Vorfahrtrecht achten würde. Sie musste vielmehr mit der Möglichkeit rechnen, dass sie nicht rechtzeitig gesehen wurde (so auch LG Nürnberg-Fürth, DAR 1993, 265, welches auf Grund dessen sogar zu einer Alleinhaftung des Radfahrers kommt).

Das Verschulden der Beklagten zu 1) hat nach alledem zwar die Betriebsgefahr ihres Pkw's erhöht, jedoch nicht so sehr, dass diese gegenüber dem den Unfall mit verursachenden Verschulden der Klägerin so weit überwiegen würde, dass eine Haftung der Beklagten von mehr als 50 % gerechtfertigt wäre.

d) Dahinstehen kann es schließlich, ob sich das Fahrzeug der Beklagten zu 1) im Fahren befand und ggf. "recht flott" fuhr oder ob die Beklagte zu 1) - entsprechend ihrer Behauptung - das Fahrzeug gerade angehalten hatte, um die bevorrechtigte Straße einzusehen. Ebenso kann es dahinstehen, ob sich die Kollision ereignete, als die Klägerin - nach ihrem Vortrag - stand, oder ob sich die Klägerin im Fahren befunden hatte.

In beiden Fällen trifft nämlich die beiden Unfallbeteiligten derselbe Verschuldensvorwurf. Hinsichtlich des Verhaltens der Beklagten zu 1) bleibt es auch dann, wenn diese vor der Kollision angehalten haben sollte, bei dem Vorwurf, dass diese so weit in den Einmündungsbereich vorgefahren war, dass sie eine Kollision mit einem verbotswidrig von rechts kommenden Radfahrer nicht ausschließen konnte. Es ist daher auch in diesem Fall ein Vorfahrtsverstoß oder zumindest ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot gegeben. Die Klägerin trifft umgekehrt auch dann der Vorwurf, den linken Radweg unerlaubt benutzt und dabei unter Missachtung der in eigenen Angelegenheiten erforderlichen Sorgfalt zu weit in den Einmündungsbereich eingefahren zu sein, wenn man davon ausgeht, dass sie bei der Kollision bereits gestanden hat. Der maßgebliche Vorwurf betrifft nämlich nicht das Fahren als solches, sondern das Einfahren in den Einmündungsbereich in verbotswidriger Richtung.

Schließlich kann es dahinstehen, ob sich die Klägerin selbst bei der Kollision auf dem Radweg oder, wie von ihr bei ihrer persönlichen Anhörung vorgetragen, auf dem Bürgersteig befand. Zumindest befand sich das Fahrrad der Klägerin derart auf der Fahrbahn bzw. dem Radweg, dass es von dem Fahrzeug der Beklagten zu 1) erfasst werden konnte, was dann den Sturz der Klägerin zur Folge hatte. Dass die Beklagte zu 1) auf den Bürgersteig gefahren wäre, ist jedenfalls durch die Aussage des Zeugen H. widerlegt (Bl. 62 d. A.).

Auch an dem Abwägungsmaßstab würde sich auf Grund des Fahrverhaltens des jeweiligen Unfallbeteiligten nichts ändern, da nicht dargelegt oder ersichtlich ist, dass hierdurch die Schwere der Verletzungen der Klägerin beeinflusst wurde.

Daher bedarf es weder der Vernehmung der von den Beklagten benannten weiteren Zeugen noch einer Ortsbesichtigung oder der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auch wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die von ihnen beantragte Beweiserhebung alle diesbezüglichen Behauptungen bestätigen würde, würde sich an dem gefundenen Ergebnis nichts ändern, dass das von den Beklagten ohnehin eingeräumte hälftige Mitverschulden auch auf Grund der unstreitigen Umstände bereits feststeht.

7. Gegen die Beklagte zu 2) besteht ein Anspruch aus § 3 Nr. 1 PflVG in Höhe des Anspruchs gegen die Beklagte zu 1). Die Beklagten haften gemäß § 840 Abs. 1 BGB und § 3 Nr. 2 PflVG als Gesamtschuldner.

8. Das Urteil des Landgerichts ist daher auf die Berufung der Beklagten abzuändern.

a) Die Zahlungsanträge bezüglich des Haushaltsführungsschadens sowie der Fahrtkosten sind - unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Betrages - jeweils in Höhe der Hälfte des insgesamt geforderten Betrages, also in Höhe von 5.157,-- EUR bzw. 25,16 EUR abzuweisen, da die Klage in diesem Umfang - unabhängig davon, welche Gesamtschadenshöhe sich im nachfolgenden Betragsverfahren ergeben wird - jedenfalls unbegründet ist. Bezüglich der Fahrtaufwendungen sind die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 25,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.09.2001 zu verurteilen.

b) Der Zinsanspruch ergibt sich dabei aus §§ 284, 288 BGB a. F. Da die Klägerin die Beklagte zu 2) unstreitig mit Schreiben vom 05.09.2001 unter Fristsetzung auf den 26.09.2001 zur Zahlung aufgefordert hat, ist Verzug am 27.09.2001 eingetreten. Abweichend von der allgemeinen Regel des § 425 Abs. 2 BGB ist dabei durch die Zahlungsaufforderung gegenüber der Beklagten zu 2) gemäß § 10 Abs. 5 AKB auch der Beklagte zu 1) in Verzug geraten.

Für die Höhe des Zinssatzes sind die ab dem 01.05.2000 geltenden Vorschriften maßgeblich. Dies folgt gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB daraus, dass die ab dem 01.05.2000 geltende Fassung der §§ 284 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB für Forderungen gilt, die ab dem 01.05.2000 fällig geworden sind, was auf die streitgegenständliche Forderung zutrifft, da diese aus einem Unfall am 12.06.2001 resultiert. Der Zinssatz beträgt daher gemäß § 288 BGB in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches. Mit Wirkung ab dem 01.01.2002 ist nach dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3137 ff) an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) der Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs getreten (§§ 247, 288 Abs. 1 BGB n. F. i.V. mit der Überleitungsvorschrift in Artikel 2 § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts = Art. 229 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB n. F.).

c) Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich des verbleibenden materiellen Schadens (Haushaltsführungsschaden) der Klägerin dem Grunde nach zu 50 % für gerechtfertigt zu erklären. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägern den künftigen materiellen Schaden zu 50 % zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist bzw. noch übergeht. Der Ausschluss allein der gemäß § 116 SGB X übergegangenen Forderungen, wie dies das Landgericht tenoriert hat, ist nicht ausreichend, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine cessio legis in der Zukunft nach anderen Vorschriften eintreten wird.

d) Des Weiteren ist festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin ein Schmerzensgeld unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % zu zahlen und dass sie auch verpflichtet sind, der Klägerin ihren künftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % zu ersetzen.

e) Bezüglich der Entscheidung über den Betrag des Haushaltsschadens und des Schmerzensgeldes ist der Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO auf Antrag der Beklagten an das Landgericht zurück zu verweisen. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind erfüllt, da der Streit bezüglich des Betrages des Anspruchs noch nicht zur Entscheidung reif ist, da sowohl die Höhe des Haushaltsführungsschadens als auch diejenige des Schmerzensgeldes noch nicht abschließend feststellbar ist. Zu dem Vortrag im Schriftsatz vom 21.03.2003 zur Höhe des Haushaltsführungsschadens haben die Beklagten bislang noch nicht Stellung nehmen können, so dass nicht auszuschließen ist, dass dieser bestritten wird und daher eine Beweisaufnahme erforderlich ist. Aus der ursprünglich erhobenen Verfahrensrüge der Beklagten im Rahmen der Berufungsbegründung bezüglich der unterbliebenen Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ergibt sich hierfür auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Der Umfang der fortbestehenden Beeinträchtigungen der Klägerin im Haushalt ist darüber hinaus auch für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht unerheblich, so dass hierüber ebenfalls erst nach einer eventuell erforderlichen Beweisaufnahme entschieden werden kann. Im Übrigen hat der Senat gemäß § 538 Abs. 2 Satz 2 ZPO sämtliche Rügen erledigt, insbesondere über jeden geltend gemachten Grund sowie gegen alle hiergegen erhobenen Einwände entschieden, so dass nur noch die Entscheidung über den Betrag bleibt (vgl. BGH, MDR 1997, 774; Baumbach-Albers, aaO., § 538 ZPO, Rdnr. 15).

9. Die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO n. F. die Nichtzulassungsbeschwerde für beide Parteien nicht zulässig ist, da die Beschwer der Klägerin im Berufungsverfahren 11.282,16 EUR, mithin mehr als 20.000,-- EUR beträgt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F.) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 11.282,16 EUR. Der Klageantrag zu 1) ist mit 10.000,-- EUR zu bewerten, der Klageantrag zu 2) mit 8.514,-- EUR, der Klageantrag zu 3) mit50,31 EUR und der Klageantrag zu 4) entsprechend der Streitwertangabe der Klägerin (Bl. 1 d. A.) mit 4.000,-- EUR. Daher beträgt der Gesamtwert der Klage 22.564,31 EUR. Da die Beklagten Herabsetzung der Haftungsquote um 25 % und die Klägerin Erhöhung um 25 % beantragten und sich beide Berufungen auf den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand beziehen, beläuft sich der Streitwert des Berufungsverfahrens auf die Hälfte des Streitwertes erster Instanz, also auf 11.282,16 EUR.

Ende der Entscheidung

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