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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.01.2003
Aktenzeichen: 3 U 292/02
Rechtsgebiete: StVG, BGB


Vorschriften:

StVG § 7 Abs. 1
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1 Satz 1
BGB § 249 S. 2
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 292/02

verkündet am 14.01.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes aus einem Verkehrsunfall

hat der 3. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17.12.2002 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Gaillard und die Richter am Oberlandesgericht Brach und Knerr

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.04.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - Az. 1 O 142/01 - wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte 10 % und der Kläger 90%.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadenersatz wegen der Beschädigung eines Lkw.

Das Landgericht hat festgestellt:

Der im Eigentum des Klägers stehende Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... wurde auf dem Firmengelände der ... AG auf einem Warteplatz beschädigt, als der Fahrer eines Lkw mit dem französischen Kennzeichen ... beim Zurückfahren trotz der Hilfe eines Einweisers gegen den Lkw des Klägers gestoßen ist. Der Kläger hat die Reparaturkosten entsprechend dem Ergebnis des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens des Sachverständigenbüros ... vom 12.10.2000 (Bl. 7 d.A.) auf 16.975,89 DM netto beziffert. Mit der vorliegenden Klage hat er diese Reparaturkosten sowie die Kosten des Gutachtens in Höhe von 1.219,80 DM netto (Bl. 48 d.A.) abzüglich einer Zahlung der von dem Beklagten mit der Regulierung beauftragten ... in Höhe von 5.062,08 DM mit der Behauptung geltend gemacht, dass der Lkw keine Vorschäden gehabt habe, sondern vor dem Unfall lediglich neu lackiert worden sei. Der Beklagte hat eingewandt, dass es nur zu einem geringfügigen Anstoß gekommen sei, dass sich der Kläger ein eigenes Mitverschulden von 50 % anrechnen lassen müsse (Bl. 57, 176 d.A.), dass sich der Schaden entsprechend dem von der ... eingeholten Gutachten des Sachverständigen ... vom 08.03.2002 (Bl. 58 ff d.A.) nur auf 5.062,08 DM netto belaufe und dass die Klage hinsichtlich der Kosten des Gutachtens des Sachverständigenbüros ... abzuweisen sei, weil dieses Gutachten völlig unbrauchbar sei.

Das Landgericht hat das Gutachten des Sachverständigen ... vom 02.01.2002 zur Schadenshöhe eingeholt (Bl. 108 ff d.A.). Es hat sodann durch das am 19.04.2002 verkündete Urteil - Az. 1 O 142/01 - der Klage unter Klageabweisung im Übrigen in Höhe von 1.186,25 € (= 2.320,11 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 03.04.2001 stattgegeben. Es ist dem Gutachten des Sachverständigen ... gefolgt und hat die erforderlichen Reparaturkosten mit 6.162,39 DM netto angenommen (Bl. 170 d.A.). Die Kosten des Gutachtens des Sachverständigenbüros ... hat es als erstattungsfähig angesehen, allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung möglicher Ansprüche gegen das Sachverständigenbüro ....

Gegen dieses Urteil wenden sich der Beklagte mit seiner Erstberufung und der Kläger mit seiner Zweitberufung. Der Beklagte akzeptiert das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Höhe der Reparaturkosten, möchte jedoch die Abweisung der Klage hinsichtlich der vom Landgericht zuerkannten Sachverständigenkosten erreichen. Er ist der Ansicht, dass das Landgericht die Klage insoweit hätte abweisen müssen, weil dieses Gutachten völlig unbrauchbar sei und deshalb - auch deliktsrechtlich - keinen Schadenersatzanspruch auslöse (Bl. 220 ff d.A.).

Der Kläger, der mit seiner Zweitberufung den Klageanspruch, soweit abgewiesen, weiterverfolgt und u.a. beanstandet hat, dass das Landgericht den Sachverständigen trotz seines diesbezüglichen Antrages nicht angehört hat (Bl. 229 ff d.A.), hat nach der vom Senat im Termin vom 17.12.2002 nachgeholten mündlichen Erläuterung des Gutachtens auf den Hinweis des Senats seine Berufung zurückgenommen (Bl. 253 d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II.

Nachdem der Kläger die von ihm eingelegte (Zweit-)Berufung in zulässiger Weise (§ 516 ZPO [n.F.]) zurückgenommen hat, war nur noch über die (Erst-)Berufung des Beklagten zu Entscheidung. Dessen Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte passivlegitimiert (vgl. hierzu Senatsurteil vom 24.04.2001, Az. 4 U 419/00 - 106 -; Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl. Kap. 43, Rdnrn. 56 f; Voigt, NJW 1976, 451) und dem Kläger dem Grunde nach zum vollen Schadenersatz verpflichtet ist, § 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB. Dies wird von dem Beklagten mit seiner Berufung nicht in Frage gestellt.

2. Umstritten in der Berufungsinstanz ist allein die Schadenshöhe. Die Rüge des Beklagten, dass das Landgericht die Kosten des Gutachtens des Sachverständigenbüros ... gemäß deren Rechnung vom 12.10.2000 (Bl. 48 d.A.) nicht hätte zuerkennen dürfen, weil dieses Gutachten unbrauchbar sei (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO [n.F.]), ist nicht begründet.

a. Der Geschädigte hat nach einer verkehrunfallbedingten Beschädigung seines Fahrzeugs grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Kosten eines zur Schadensfeststellung, insbesondere zur Schadenshöhe, eingeholten Sachverständigengutachtens. Dass im Streitfall die Einholung eines Gutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, was Voraussetzung der Ersatzfähigkeit ist (Urteil des Senats vom 27.11.1997, Az. 3 U 932/96 - 147 - = OLGRep 1998, 121; vgl. hierzu auch MünchKommBGB-Oetker, 4. Aufl., § 249 Rdnr. 367 m.w.N. in Fußnote 1221), wird von dem Beklagten nicht in Abrede gestellt.

b. In der Regel besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung derartiger Gutachterkosten. Insbesondere kann der Geschädigte nicht auf das (kostengünstigere) Kostenfestsetzungsverfahren verwiesen werden (OLG Köln, VersR 1985, 1166; OLG München, VersR 1988, 525; OLG Stuttgart, VersR 1997, 630 re. Sp.). Auch dies wird von dem Beklagten nicht bezweifelt.

c. Die Kosten für derartige Gutachten sind grundsätzlich auch dann zu ersetzen, wenn sich das Gutachten später - wie im vorliegenden Falle - als unrichtig erweist (Senatsurteil vom 04.06.1998, Az. 3 U 491/97 - 27 - = OLGRep 1998, 419 [420 m.w.N.]). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann gerechtfertigt, wenn dem Geschädigten bei der Auswahl eines geeigneten Sachverständigen ein Verschulden zu Last fällt (Senatsurteil vom 04.06.1998, Az. 3 U 491/97 - 27 - - OLGRep 1998, 419 [420 m.w.N.]), wenn unrichtige oder lückenhafte Auskünfte des Geschädigten zur Unbrauchbarkeit des Gutachtens führen (MünchKommBGB-Oetker, a.a.O., § 249 Rdnr. 367 m.w.N. in Fußnote 1224; Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., Kap. 4, Rdnr. 101) oder wenn der Geschädigte und der Sachverständige zum Nachteil des Schädigers bzw. des für ihn eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherers betrügerisch zusammenwirken.

Ein solcher Ausnahmetatbestand kann hier nicht festgestellt werden:

aa. Für ein Auswahlverschulden gibt es keine Anhaltspunkte. Zum Fachgebiet des Sachverständigen ..., der das Gutachten vom 12.10.2000 erstattet hat, gehören, wie sich aus dem Briefkopf ergibt, Kfz-Schäden und deren Bewertung (Bl. 7 d.A.). Der Kläger hat vorgetragen, keine Veranlassung gehabt zu haben, an der Seriosität des Sachverständigen zu zweifeln (Bl. 242 d.A.). Die Beklagten haben keine Tatsachen vorgetragen oder unter Beweis gestellt, die dies widerlegt hätten.

bb. Es ist auch nicht bewiesen, dass der Kläger gegenüber dem Sachverständigen ... unrichtige oder lückenhafte Angaben gemacht hat. Insoweit kommen nach dem Parteivortrag nur falsche Angaben zu etwaigen Vorschäden in Betracht. Der Kläger hat einen Vorschaden ausdrücklich und wiederholt bestritten und unter Beweisantritt behauptet, dass ihm der Lkw als unfallfrei verkauft worden sei und dass er an dessen A-Säule keine Instandsetzungsarbeiten ausgeführt habe. Der Lkw sei zwar umlackiert worden, aber nicht wegen eines Schadens, sondern damit er farblich in die Fahrzeugflotte des Klägers gepasst habe (Bl. 90 d.A.). Dass dieser Vortrag falsch ist bzw. dass dem Kläger ein Vorschaden bekannt war, ist weder behauptet noch unter Beweis gestellt worden. Insbesondere gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Schweißnaht auf Veranlassung des Klägers bzw. in dessen Besitzzeit angebracht worden ist. Es ist deshalb nicht bewiesen, dass der Kläger hinsichtlich etwaiger Vorbeschädigungen vorwerfbar falsche oder lückenhafte Angaben gemacht hat.

cc. Für ein betrügerisches Zusammenwirken des Klägers und des Sachverständigen zu Lasten des Beklagten, das der Beklagte vermutet (Bl. 221 ff d.A.), der Kläger jedoch als ungeheuerliche Verleumdung zurückgewiesen hat (Bl. 242 d.A.), gibt es ebenfalls weder hinreichende Anhaltspunkte noch entsprechende Beweise. Die Größenordnung der Schadensdifferenz zwischen dem Gutachten des Sachverständigen einerseits ... (16.975,89 DM netto, Bl. 7 d.A.) und den Gutachten der Sachverständigen ... (5.062,08 DM netto, Bl. 66 d.A.) und ... (6.162,39 DM netto, Bl. 170 d.A.) andererseits rechtfertigt zwar einen gewissen Anfangsverdacht in die von dem Beklagten vermuteten Richtung. Ein entsprechender Nachweis ist jedoch nicht geführt.

dd. Im Übrigen teilt der Senat aus den dargelegten Gründen die Auffassung des Beklagten nicht, dass ein völlig unbrauchbares Gutachten - unabhängig vom Vorliegen eines der dargelegten Ausnahmetatbestände - einen Kostenanspruch nicht auslösen könne (Bl. 222 d.A.). Die von dem Beklagten hierzu zitierte Rechtsprechung betrifft andere Sachverhalte und ist nicht einschlägig. So hat das OLG Düsseldorf (VersR 1995, 107) eine Ersatzpflicht der vom Geschädigten aufgewendeten Sachverständigenkosten abgelehnt, weil der Geschädigte eine Nachbesichtigung des Fahrzeugs durch den Haftpflichtversicherer bewusst verhindert hat, so dass das von ihm vorgelegte Gutachten nicht mehr als neutrale Abrechnungsgrundlage angesehen werden konnte.

Das OLG Köln (VersR 1991, 695) hat einen Ersatzanspruch für die Kosten der Inanspruchnahme des "Instituts für Medizinschadensbegutachten" mit der Begründung verneint, dass die Einholung eines derartigen Gutachtens nicht notwendig im Sinne von § 249 S. 2 BGB gewesen sei, weil im Falle eines ärztlichen Kunstfehlers die "Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler" bei der Ärztekammer ein entsprechendes Gutachten kostenlos erstelle (a.a.O. S. 697). In dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall schließlich wurde die Klage hinsichtlich des Ersatzes der Kosten des Institutes für Kunstfehlerbegutachtung nur deshalb abgewiesen, weil kein Arzt durch seine Unterschrift die Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens übernommen hatte und das Gutachten deshalb nur als Parteivortrag gewertet werden konnte (VersR 1989, 852, 853 re. Sp.).

3. Die Berufung des Beklagten war deshalb zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Berufungsstreitwert wird auf 6.152,53 €, das sind 12.033,30 DM, festgesetzt (= 623,67 € hinsichtlich der Erstberufung [= 1.186,25 € - 562,58 €] zuzüglich 5.528,86 € hinsichtlich Zweitberufung [= 6.715,11 € - vom Landgericht zuerkannter 1.186,25 €]).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO (n.F.). Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 Abs. 1 ZPO nicht statthaft, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,- € nicht übersteigt, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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