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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.12.2004
Aktenzeichen: 3 U 630/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
Zur Verkehrssicherungspflicht einer Bauunternehmung hinsichtlich eines zur Sicherung der Baustelle aufgestellten Bauzauns.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 26.9.2003 - 10 O 136/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I. Die Klägerin nimmt die beklagte Bauunternehmung im vorliegenden Rechtsstreit auf Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Kraftfahrzeugs unter dem rechtlichen Aspekt der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten hinsichtlich eines Bauzauns in Anspruch.

Die Beklagte führte Bauarbeiten an einer Baustelle in der in I. durch und errichtete zur Absicherung der Baugrube einen Bauzaun. Die Rohbauarbeiten waren am 29.3.2001 beendet. Auch danach verblieb der Bauzaun an der Baustelle. Die Streithelferin wurde von der Gemeinde I. mit der Verlegung des für den Neubau bestimmten Kanalanschlusses beauftragt. Zu diesem Zweck hob sie auf dem Bürgersteig des Anwesens eine Baugrube aus.

Am 25.04.2001 ereignete sich in I. ein Verkehrsunfall. Die Klägerin hat behauptet, ein Element des zur Absicherung der Baustelle aufgestellten Bauzauns sei umgefallen und auf ihr vorbeifahrendes Fahrzeug gestürzt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.687,81 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat eine eigene Verantwortlichkeit mit der Behauptung in Abrede gestellt, den Bauzaun fachgerecht und standsicher aufgestellt zu haben. Nach Beendigung der Rohbauarbeiten habe sie den Bauzaun auf ausdrücklichen Wunsch der Bauherrin stehen lassen, weshalb sie, die Beklagte, für einen durch Änderung bzw. Versetzung des Bauzaunes entstandenen Schaden nicht verantwortlich sei. Die Streithelferin habe den Bauzaun ohne Absprache mit der Bauherrin oder dem Beklagten zur Absicherung der von ihr ausgehobenen Baugrube in den öffentlichen Bereich versetzt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zwar fest, dass der Bauzaun auf das Fahrzeug der Klägerin gefallen sei und dieses beschädigt habe. Durch die Aufstellung des Bauzaunes sei die Beklagte auch verkehrssicherungspflichtig geworden. Obwohl sie nicht bewiesen habe, die Verkehrssicherungspflicht an den Bauzaun auf andere übertragen zu haben, könne ihr jedoch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vorgeworfen werden, weil sie die Baustelle in verkehrssicherem Zustand verlassen habe. Eine Versetzung des Bauzaunes durch Dritte sei für sie nicht vorhersehbar gewesen. Hierfür habe sie deshalb nicht einzustehen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die abgewiesenen Ansprüche weiterverfolgt. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte verkehrsicherungspflichtig geworden sei, weil sie den Bauzaun in den Verkehr gebracht habe. Die ihr somit obliegende Verkehrssicherungspflicht habe sie nicht nachweislich auf einen anderen übertragen. Ob der Zaun von Dritten nach vorne, d.h. zum Bürgersteig hin, versetzt worden sei, könne dahinstehen. Außerdem sei der Bauzaum im Betonsockel nicht ausreichend stabil verankert gewesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.687,81 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2001 zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2004 (Bl. 249 ff.) verwiesen.

Die Ordnungswidrigkeitenakten des Landkreises N. (künftig BA) sind zu Informationszwecken beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden (Bl. 250 d.A.).

Entscheidungsgründe:

II. A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zu: Die Klägerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beim Aufstellen des Bauzaunes nicht bewiesen (1.). Die Frage, ob die Beklagte nach Verlassen der Baustelle Überwachungspflichten hinsichtlich des verkehrssicheren Zustandes des Bauzaunes besaß, denen sie in gewissenhafter Weise nachgekommen ist, kann im Ergebnis dahinstehen, da die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis dafür, dass der Unfall bei ordnungsgemäßer Kontrolle vermieden worden wäre, nicht führen konnte (2.).

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist nicht bewiesen, dass die Beklagte den Zaun verkehrsunsicher aufgestellt bzw. beim Verlassen der Baustelle in verkehrswidrigem Zustand zurückgelassen hat. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist frei von Rechtsfehlern und hält den Angriffen der Berufung stand.

Die Berufung wendet sich nicht gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen P.. Dieser Zeuge hat bekundet, er habe zusammen mit dem Zeugen P1 den Bauzaun zu Beginn der Rohbauarbeiten errichtet. Die Betonfüße, in denen die Bauzaunelemente gestanden hätten, habe er zusätzlich auf der Innenseite mit Gewichten beschwert, damit sie nicht zur Straße hin hätten umfallen können. Untereinander habe man die Bauzäune mit Haken, Ösen und Draht verbunden.

Die Aussage ist glaubhaft. Anhaltspunkte, die Zweifel an ihrer Richtigkeit wecken, sind nicht ersichtlich. Insbesondere steht es der Aussage des Zeugen nicht entgegen, dass die Bauzaunelemente jedenfalls am Unfalltag - wie das Schadensereignis zeigt - nicht mehr verkehrssicher aufgestellt waren, da das Zaunelement nach den Feststellungen des Landgerichts offensichtlich den Einwirkungen des Windes nicht mehr standhielt. Selbst die Berufung hält es durchaus möglich, dass dieser Zustand darauf zurückzuführen ist, dass die Streitverkündete oder dritte Personen die Lage der von der Beklagten aufgestellten Zaunelemente entweder zur Absicherung der Baugrube auf dem Bürgersteig oder zum erleichterten Zugang zur Baustelle nachträglich veränderten. Ein solches Verhalten muss sich die Beklagte nicht zurechnen lassen, da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte für das Handeln dieser Personen nach Maßgabe des § 831 BGB einstehen muss.

2. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin auch nach dem Verlassen der Baustelle weiterhin in Form von Überwachungspflichten zur regelmäßigen Kontrolle des Zaunes verpflichtet war. Eine solche Verpflichtung bestand jedenfalls, solange der ursprüngliche Standort nicht grundlegend verändert wurde. Auf die Frage, ob die Klägerin diesen Sicherungspflichten in ausreichendem Maße nachkam, kommt es im Ergebnis nicht an. Denn der Gläubiger trägt die Beweislast dafür, dass die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für den Eintritt des Schadens kausal geworden ist (MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rdn. 313; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 823 Rdn. 26). Mithin muss der Gläubiger den Beweis dafür führen, dass - bezogen auf die vorliegend zu untersuchende Untersuchungs- und Kontrollpflicht - der verkehrsunsichere Zustand bei einer zumutbaren Überwachung des Zaunes rechtzeitig vor dem Unfallereignis entdeckt worden wäre. Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht:

Es kann offen bleiben, in welchen Zeitintervallen die Beklagte zur Kontrolle des Zaunes angehalten war. Ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Zaun in einem erheblichen Umfang bewegt werden würde, war der Beklagten keine engmaschige oder gar tägliche Kontrolle des Zaunes anzusinnen. Im vorliegenden Fall bleibt nach der Beweisaufnahme völlig offen, wodurch und wann und der verkehrsunsichere Zustand hervorgerufen wurde. So konnte nicht geklärt werden, ob das umgefallene Zaunelement zum Unfallzeitpunkt um die im Bürgersteig aufgeworfene Baugrube aufgestellt war oder ob sich das Zaunelement noch immer oder gar erneut an der Grundstücksgrenze befand. Bleiben diese Umstände jedoch im Dunkeln, so verbietet sich der Schluss, dass eine zumutbare Kontrolle des Zaunes den verkehrswidrigen Zustand zuverlässig entdeckt hätte.

Diese Beweisschwierigkeiten können nicht mit den Beweiserleichterungen des Anscheinsbeweises überwunden werden. Zwar entspricht es anerkannten Rechtsgrundsätzen, dass der Anscheinsbeweis für die Kausalitätsvermutung bei nachgewiesener Verkehrssicherungspflichtverletzung dann in Betracht zu ziehen ist, wenn das Schadensereignis eine typische Folge der Pflichtverletzung darstellt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder gar eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht (BGH, Urt. vom 4.3.2004 - III ZR 225/03, NJW 2004, 1381; Urt. vom 3.3.1993 - III 34/82, NJW 1983, 2241, 2242). Diese Einschränkung der Beweisanforderungen beruht auf der Erwägung, dass der Ersatzanspruch bei nachgewiesenem Pflichtverstoß nicht daran scheitern soll, dass die Möglichkeit eines atypischen Kausalverlaufs nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl., § 823 Rdn. E 72). Demgegenüber bleibt für den Anscheinsbeweis kein Raum, wenn der Eintritt des konkreten Schadens selbst bei Beachtung der Verkehrssicherungspflicht nicht zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Dieser Schluss ist im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt:

Nach der Lebenserfahrung ist es zumindest gleichermaßen wahrscheinlich, dass der unsichere Zustand durch Veränderung der Zaunelemente von dritter Seite erst kurz vor dem Schadensereignis hervorgerufen wurde und der Beklagten bei einer zumutbaren Kontrolle des Zaunes nicht aufgefallen wäre. Es spricht nichts dafür, dass sich ein verkehrsunsicherer Zustand eines im Verkehrsraum aufgestellten Zaunelementes erst nach Verstreichen einer erheblichen Zeitspanne manifestiert. Insbesondere ist nicht nachgewiesen, dass die Windstärke, die nach der Aussage der Zeugin S. Ursache des Unfalls war, ein singuläres Ereignis dargestellt hätte. Dagegen spricht, dass sich in der Verkehrsunfallanzeige vom 25.4.2001 (Bl. 1 f. BA) kein Hinweis auf widrige Witterungsverhältnisse findet und sich die Unfalldarstellung auf die schlichte Angabe beschränkt, der Bauzaun sei infolge ungenügender Sicherung umgefallen.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

B. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97, § 101 Abs. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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