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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 4 U 248/07
Rechtsgebiete: InsO, ZPO, AVBEtV, AVBGasV


Vorschriften:

InsO § 17
InsO § 17 Abs. 2
InsO § 18 Abs. 2
InsO § 129 Abs. 1
InsO § 130
InsO § 131
InsO § 133
InsO § 133 Abs. 1
InsO § 133 Abs. 1 S. 1
InsO § 133 Abs. 1 S. 2
InsO § 140
InsO § 143
InsO § 143 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 286
ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 529
ZPO § 531
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 546
AVBEtV § 33
AVBGasV § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL

4 U 248/07

Verkündet am 18.09.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Schmidt als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr und die Richterin am Landgericht Gerard- Morguet

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 27. März 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - Az. 11 O 53/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 20.091,50 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger nimmt die Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. D. A. GmbH unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr von Zahlungen zur Insolvenzmasse in Anspruch.

Das Insolvenzverfahren wurde auf Antrag der Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin vom 5.8.2004 durch Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20.4.2005 eröffnet ( Az. 106 IN 53 / 04 ; Bl. 9, 10 d.A.).

Die Beklagte belieferte die Gemeinschuldnerin bis zur Einstellung des Betriebes im Sommer 2003 mit Strom, Wasser und Gas. Die Energieentnahme fand - zunächst ohne Wissen der Beklagten - ab dem 1.9.2001 statt. Nachdem die Beklagte hiervon bei einer Turnusablesung am 21.8.2002 Kenntnis erlangt hatte, kam es zum Abschluss eines Versorgungsvertrages. Wegen der bis dahin angefallenen Verbrauchsrückstände von 29.066,50 EUR wurde Ende November 2002 eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen ( Bl. 54 d.A. ).

Da die Gemeinschuldnerin Zahlungen nicht wie vereinbart leistete, beauftragte die Beklagte ihren Sperrkassierer, den Zeugen T., mit der Forderungsbeitreibung. Der Zeuge erreichte unter Androhung einer Liefersperre weitere Zahlungen, die teilweise aus dem Privatvermögen der Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin, der Zeugin E. H., sowie von ihrem Ehemann, dem Zeugen W. H., bei dem es sich um den Betriebsleiter handelte, geleistet wurden. Ob und in welchem Umfang der Zeuge T. von den Eheleuten H. über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin informiert wurde, ist streitig.

Mit der Behauptung, die Gemeinschuldnerin sei bereits im Jahr 1999 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen, die Beklagte habe am 28.1.2003 einen Betrag von 20.091 EUR und am 13.3.2003 weitere 3.200 EUR per Scheck in Kenntnis drohender Zahlungsunfähigkeit von der Gemeinschuldnerin vereinnahmt, hat der Kläger die Beklagte auf Rückerstattung der von ihm angefochtenen Rechtshandlungen in Anspruch genommen. Er hat vorgetragen, die Eheleute H. hätten den Sperrkassierer der Beklagten wiederholt darauf hingewiesen, dass es weitere Gläubiger gebe, dass die Gemeinschuldnerin ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen könne und dass andere Gläubiger bereits Pfändungen gegen die Gemeinschuldnerin ausgebracht hätten. Die streitgegenständlichen Zahlungen habe die Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin in einer der Beklagten bekannten Gläubigerbenachteiligungsabsicht erbracht. Die Beklagte habe anhand der ihrem Sperrkassierer erteilten Informationen gewusst, dass die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin zumindest gedroht habe, weshalb die streitgegenständlichen Zahlungen gemäß den §§ 133,143 InsO zur Insolvenzmasse zurückzugewähren seien.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.291,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 9.6.2005 zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Inanspruchnahme und den Kosten der Rechtsanwälte XXX für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung in Höhe von 465,90 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Erhalt der Zahlung von 3.200 EUR in Abrede gestellt und geltend gemacht, es fehle bereits an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Die Fortsetzung der Belieferung der Gemeinschuldnerin mit Strom, Gas und Wasser habe letztlich den Interessen aller Gläubiger gedient, da die Gemeinschuldnerin nur so weiter Erträge habe erwirtschaften können. Von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit habe sie, die Beklagte, keine Kenntnis gehabt. Ihr Sperrkassierer T. sei nicht konkret auf weitere Gläubiger und / oder Pfändungsmaßnahmen hingewiesen worden. Auch der Umfang der Schulden der Gemeinschuldnerin sei ihr nicht bekannt gewesen. Die Androhung einer Liefersperre sei bei Zahlungsrückständen üblich und unter den Voraussetzungen der §§ 33 AVBEtV bzw. 33 AVBGasV rechtens.

Durch das nunmehr angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die Scheckzahlung über 3.200 EUR vom 13.3.2003 sei beweislos geblieben, weshalb die Klage insoweit von vorne herein nicht begründet sei. Wegen des Betrages von 20.091,50 EUR könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder festgestellt werden, dass die Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin die Zahlung in Gläubigerbenachteiligungsabsicht geleistet habe, noch sei Beweis dafür erbracht, dass die Beklagte von einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gemeinschuldnerin oder einer bei dieser vorhandenen Gläubigerbenachteiligungsabsicht Kenntnis hatte.

Gegen dieses Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs.1 S.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Klägers. Der Kläger strebt mit seinem Rechtsmittel nur noch die Rückerstattung der unstreitig gezahlten 20.091,50 EUR an. Er greift die Beweiswürdigung an und meint, das Landgericht habe den Inhalt der Aussagen der Zeugen Eheleute H. nicht hinreichend berücksichtigt. Dass die Zeugen auf gezielte Frage des Gerichts in Abrede stellen würden, die streitgegenständliche Zahlung in Gläubigerbenachteiligungsabsicht geleistet zu haben, sei klar gewesen. Entsprechende verbale Beteuerungen hätten keinen relevanten Erkenntniswert. Halte man sich den gesamten Inhalt der Zeugenaussagen vor Augen, werde deutlich, dass die Zahlung unter massivem Druck geleistet wurde, und führe kein Weg an der Feststellung vorbei, dass auf Seiten der Verantwortlichen der Gemeinschuldnerin Gläubigerbenachteiligungsabsicht bestanden habe. Bei dem sich der Beklagten und ihrem Sperrkassierer bietenden Informationsstand seien der Beklagten Tatsachen bekannt gewesen , die den Schluss auf eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin nahe legten, weshalb nach der Rechtsprechung vermutet werde, dass die Beklagte auch von der drohenden Zahlungsunfähigkeit als solcher Kenntnis hatte. Die bei der Beklagten bestehenden Zahlungsrückstände seien mit rund 30.000 EUR verhältnismäßig hoch gewesen. Wenn dem Gläubiger bekannt sei, dass ein Schuldner wesentliche Teile - d.h. etwa 5 % und mehr - der ihm gegenüber ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten in einem Zeitraum von ca. drei Wochen nicht wird tilgen können, habe er Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit. Der Kläger beruft sich in dem Zusammenhang auch auf die Kenntnisvermutung des § 133 Abs.1 S.2 InsO.

Der Kläger beantragt ( Bl. 135, 144 , 178 d.A. ),

das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Beklagte zur Zahlung von 20.091,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent-Punkten über dem Basissatz seit dem 9. Juni 2005 verurteilt wird.

Die Beklagte beantragt ( Bl. 132 ,178 d.A. ),

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Berufungsvorbringen entgegen. Sie beanstandet, der Sachvortrag des Klägers sei zweitinstanzlich in Teilaspekten neu und - da von ihr bestritten - nach § 531 Abs.2 ZPO nicht zuzulassen. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 4. September 2007 ( Bl. 177,178 d. A. ) Bezug genommen.

B.

Die Berufung des Klägers ist statthaft, form - und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet worden und daher gemäß den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässig.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch erfolglos. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht dahin entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Rückgewähranspruch zur Masse nach den §§ 143 Abs.1,133 Abs.1 InsO zusteht.

Das angefochtene Urteil beruht in dem Umfang, in dem es zur Berufung angefallen ist, im Endergebnis weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach den §§ 529,531 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine dem Kläger günstigere Entscheidung.

Die Voraussetzungen einer allein in Betracht kommenden Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung gemäß § 133 Abs.1 S.1 InsO - die berufungsgegenständliche Zahlung liegt außerhalb der durch die §§ 130, 131 InsO abgedeckten Zeiträume - liegen nicht vor.

§ 133 Abs.1 InsO bestimmt, dass der Anfechtungsgegner zur Rückgewähr derjenigen Vermögensvorteile verpflichtet ist, die er aufgrund anfechtbarer Rechtshandlungen während eines Zeitraums von 10 Jahren vor Insolvenzantragstellung oder danach bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt hat.

1.

Dass die Beklagte durch die am 28.1.2003 erfolgte Zahlung von 20.091,50 EUR in dem in § 133 Abs.1 InsO genannten Zeitraum Befriedigung erlangt hat, steht außer Streit. Die Zahlung stellt auch eine Rechtshandlung dar, die sich, was Voraussetzung für eine Insolvenzanfechtung ist, objektiv gläubigerbenachteiligend i.S.v. § 129 Abs.1 InsO ausgewirkt hat. Nach den von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Grundsätzen ist eine Gläubigerbenachteiligung, die im Falle des § 133 Abs.1 InsO lediglich mittelbarer Natur zu sein braucht, anzunehmen, wenn das Schuldnervermögen - auf welche Weise auch immer - verkürzt wurde. Hierbei kommt es weniger auf eine juristische als auf eine wirtschaftliche Betrachtung an. Maßgeblich ist allein die Schädigung der Masse ( Braun , InsO, 2. Aufl. Rn.23 ff. zu § 129 mwNw. ). Die berufungsgegenständliche Zahlung der Gemeinschuldnerin an die Beklagte hat die Aktivmasse im Insolvenzverfahren verkürzt, ohne dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Gesamtheit der anderen Insolvenzgläubiger hierdurch bei wirtschaftlicher Betrachtung in relevantem Umfang günstiger dargestellt haben ( BGH NJW 2003,3347 ). Hätte die Schuldnerin die Zahlung vom 28.1.2003 in Höhe von 20.091 EUR, durch die auch Verbrauchsrückstände abgegolten wurden, nicht geleistet, stünde der gezahlte Geldbetrag den anderen Insolvenzgläubigern zur Befriedigung zur Verfügung.

2.

Der Kläger hat, ohne dass die Beklagte dem substantiiert entgegengetreten ist, einsichtig dargelegt, dass die Schuldnerin im Zeitpunkt der angefochtenen Barzahlung, also Ende Januar 2003 - auch wenn die Insolvenzantragstellung erst wesentlich später erfolgt ist - nach den im Insolvenzverfahren 106 IN 53 / 04 des Amtsgerichts Saarbrücken gewonnenen Erkenntnissen ( Bl. 26 f. d.A. ) bereits überschuldet ( § 19 Abs.2 InsO ) und zahlungsunfähig im Sinne von § 17 InsO war .

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt ( § 19 Abs.2 InsO ). Zahlungsunfähigkeit ist nach der Legaldefinition des § 17 Abs.2 InsO anzunehmen, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Von Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen mehr als nur vorübergehend eingestellt hat. Ohne dass der Streitfall zu vertieften Erörterungen der verschiedenen Auffassungen darüber nötigt, ob und wie bestimmte Positionen beim zur Feststellung der Überschuldung gebotenen Überschuldungsstatus zu berücksichtigen sind , kann nach dem gemäß § 138 Abs.3 ZPO der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Prozessvorbringen im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung von einer Überschuldung und von mehr als nur temporären Liquiditätslücken und Zahlungsstockungen auf Seiten der Gemeinschuldnerin ausgegangen werden.

Die Gemeinschuldnerin musste ihren Geschäftsbetrieb, was die Zeugen H. in ihrer landgerichtlichen Vernehmung bestätigt haben, bereits Mitte 2003, also nur wenige Monate nach der streitgegenständlichen Zahlung, einstellen. Zu diesem Zeitpunkt bestanden nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers von mehr als 30 Gläubigern später zur Insolvenztabelle angemeldete Forderungen in einer Größenordnung von 390.000 EUR. Die Gemeinschuldnerin hatte per 31.12.2002 nach der von ihrem Steuerberater aufgestellten Jahresbilanz Kreditverbindlichkeiten im Gesamtvolumen von 588.450,46 EUR. In den Jahresabschlüssen für den Zeitraum 1999 bis 2002 sind jeweils nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge von mehr als 500.000 EUR ausgewiesen. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren weder Geldmittel, noch immaterielle Vermögensgegenstände noch offenstehende Forderungen vorhanden. Zwei Maschinen , die der Gemeinschuldnerin unter Eigentumsvorbehalt von der G. mbH überlassen worden waren, hatte die Gemeinschuldnerin im Januar 2003 zum Preis von 150.000 EUR veräußert. Der Veräußerungserlös war bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr existent. Die wenigen vom Insolvenzverwalter vorgefundenen Büromittel hatten keinen relevanten wirtschaftlichen Wert.

Da kein Grund zur Annahme besteht, dass die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen überwiegend unmittelbar vor der Betriebseinstellung im Sommer 2003 zur Entstehung gelangt und fällig geworden sind, muss sich die Vermögenslage der Gemeinschuldnerin Anfang 2003 bereits so desolat dargestellt haben, dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt überschuldet und zahlungsunfähig war. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17. Juli 2006 ( Bl. 58 f. d.A.) dargelegt, dass von den zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen Anfang 2003 bereits Außenstände in einer Größenordnung von mindestens 132.000 EUR zur Zahlung fällig waren. Nachdem der objektive Tatbestand des § 133 InsO denkbar weit ausgestaltet ist, ist es unmittelbar einleuchtend, dass die entscheidende Einschränkung über den subjektiven Tatbestand erfolgen muss.

3.

Der erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten der Schuldnerin liegt entgegen den Feststellungen des Landgerichts vor. Ist der Schuldner, wie hier, eine juristische Person, kommt es auf den Vorsatz der für diese nach außen verantwortlich Handelnden an ( BGH WM 1985,295,296; Kübler/Prütting, InsO , Rn. 10 zu § 133 ).

Auch wenn die Eheleute H. auf entsprechende Frage des Landgerichts ein Handeln in Gläubigerbenachteiligungsabsicht in Abrede gestellt und bekundet haben, man habe die berufungsgegenständliche Zahlung an die Beklagte trotz bestehender Liquiditätsprobleme in der Hoffnung geleistet, alle Gläubiger befriedigen zu können; man habe keinen Gläubiger bevorzugen oder benachteiligen wollen, hält die an die Angaben der Zeugen anknüpfende Feststellung des Landgerichts, ein Handeln der Schuldnerin in Gläubigerbenachteiligungsabsicht sei nach den Zeugenaussagen beweislos geblieben, berufungsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners liegt zwar beim Insolvenzverwalter ( Mü-Ko- Kirchhof § 133 Rn. 22 ; BGH ZIP 2003, 1799). Jedoch sind im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung ( § 286 ZPO ) die Beweggründe des Schuldners kritisch zu hinterfragen, was das Landgericht nicht in ausreichendem Maße getan hat. Ohne dass es auf Fragen der persönlichen Glaubwürdigkeit der Zeugen H. maßgeblich ankommt, spricht die Faktenlage eindeutig für ein Handeln in Gläubigerbenachteiligungsabsicht.

In dem Zusammenhang gilt, dass die Gläubigerbenachteiligung nicht das überwiegende oder gar das alleinige Ziel des Schuldnerhandelns zu sein braucht. Es genügt, wenn der Schuldner die Begünstigung des Anfechtungsgegners neben anderen Motiven im Auge hat und er sich unter billigender Inkaufnahme der möglichen Benachteiligung der anderen Gläubiger nicht von seinem Handeln abhalten lässt ( BGH WM 2004,1587,1588 ; NJW 1997,3175 ; Braun a.a.O. Rn.9 ; Uhlenbruck, InsO , 12. Aufl. Rn. 12 zu § 133 mwNw.).

Literatur und Judikatur haben die Gewährung einer inkongruenten Deckung als ein starkes Beweisanzeichen dafür gewertet, dass sich der Schuldner einer Benachteiligung seiner sonstigen Gläubiger bewusst war ( Uhlenbruck a.a.O. Rn. 15). Auch wenn der Gemeinschuldner ( nur ) unter dem Druck einer von der Beklagten in Aussicht gestellten Sperre der Versorgungsleistungen gezahlt hat , liegt kein Fall inkongruenter Deckung vor ( so auch OLG Köln RdE 3/2007 S. 82 f. ) . Die Frage bedarf in dem Zusammenhang jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Bundesgerichtshof hat dahin entschieden ( BGH ZIP 2003, 1799,1800 ), dass die tatsächliche Vermutung, dass es dem Schuldner vorrangig auf die Erfüllung seiner Zahlungspflicht ankommt, auch in Fällen kongruenter Deckung und durch andere Umstände als durch ein "unlauteres Zusammenwirken" mit einem bestimmten Gläubiger erschüttert werden kann, wobei beispielhaft ein zwar gesetzmäßiger, aber massiver Druck des sodann begünstigten Gläubigers genannt wird. Droht ein Energieversorgungsunternehmen, von dessen Lieferungen die Betriebsfortführung abhängt, der zahlungsunfähigen Gemeinschuldnerin für den Fall des Nichtausgleichs offenstehender Verbrauchsrückstände eine Liefersperre an, ergibt sich für deren Verantwortliche eine die Annahme von Gläubigerbenachteiligungsabsicht nahelegende Zwangslage. Die Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin und deren Ehemann haben in ihrer Vernehmung vor dem Landgericht erklärt, sie " hätten bei Erscheinen des Sperrkassierers der Beklagten regelrecht Angst gehabt ". Selbst wenn man den von der Beklagten ausgeübten zwar gesetzmäßigen, aber massiven Druck zur Bejahung eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes auf Seiten der Gemeinschuldnerin für sich allein nicht ausreichen lassen wollte, ist Folgendes zu bedenken:

Ein Handeln des Schuldners in Gläubigerbenachteiligungsabsicht ist nach der Rechtsprechung in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner die Rechtshandlung im Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommen hat. Das gilt zumindest dann, wenn die anzufechtende Rechtshandlung, wie hier, in einer Zahlung besteht. Weiß der Schuldner nämlich, dass er nicht mehr alle seine Gläubiger befriedigen kann und ist ihm klar, dass er infolge der Zahlung an einen bestimmten Gläubiger andere benachteiligt, ist im Regelfall die Annahme gerechtfertigt, dass es dem Schuldner nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung, sondern (jedenfalls auch) auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers ankommt ( BGH NJW 2006, 2701, 2702 ; WM 2004, 1588 ; NJW 2003, 3560, 3561 ). Die bloße Hoffnung, den Betrieb trotz Zahlungsunfähigkeit weiterführen und die Gläubiger befriedigen zu können, schließt den Benachteiligungsvorsatz nicht aus. Der Schuldner kann sich vom Vorwurf der Gläubigerbenachteiligung bei Barzahlung an einen bestimmten Gläubiger trotz Zahlungsunfähigkeit nur dadurch entlasten, dass er nachvollziehbar Fakten aufzeigt, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können ( BGHZ 138,291, 308 ; ZIP 1998,248,252). Hierzu bedarf es eines schlüssigen Sanierungskonzepts. Die nicht durch konkrete Tatsachen belegte allgemeine Sanierungshoffnung reicht nicht ( BGH NJW- RR 1993,238,241 ; ZIP 1999, 406,408).

Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, ist entgegen den Feststellungen des Landgerichts von einem Benachteiligungsvorsatz auf Seiten der Gemeinschuldnerin bei Vornahme der berufungsgegenständlichen Zahlung auszugehen. Der mit der desolaten wirtschaftlichen Lage der Gemeinschuldnerin vertrauten Geschäftsführerin H. war die Zahlungsunfähigkeit bekannt. Die Zeugen Eheleute H. haben keine Umstände mitgeteilt, welche die Annahme rechtfertigen, dass bei Zahlungsleistung Ende Januar 2003 eine konkrete Aussicht bestanden hat, alle Gesellschaftsgläubiger in vertretbarer Zeit befriedigen zu können. Es mag sein, dass ihr Handeln von der Vorstellung getragen war, durch die Fortsetzung des Betriebes Arbeitsplätze vielleicht doch noch erhalten und Gewinne erzielen zu können. Das ändert aber nichts daran, dass den Verantwortlichen der Gemeinschuldnerin klar war und dass sie jedenfalls billigend in Kauf nahmen, die Beklagte, auf deren Energielieferungen die Gemeinschuldnerin dringend angewiesen war, durch die in Rede stehende Zahlung und den damit verbundenen Verlust liquider Mittel zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Berücksichtigt man den gesamten Inhalt der Zeugenaussagen und nicht nur die im angefochtenen Urteil referierten Passagen, kann kein Zweifel bestehen, dass sich die Zeugen H. der Tatsache bewusst waren, die Beklagte gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigern, die nicht über das Druckmittel der Sperre der Energiezufuhr verfügten, zu bevorzugen.

4.

Nicht sicher festgestellt werden kann jedoch, dass die Beklagte bei Vornahme der Barzahlung Ende Januar 2003 ihrerseits positive Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten der Verantwortlichen der Gemeinschuldnerin hatte. Eines eigenen Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Beklagten bedurfte es hingegen nicht ( BGH NJW 1995, 2846; Uhlenbruck a.a.O. Rn. 25).

Die erforderliche positive Kenntnis, für die der Kläger als Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast trägt, setzt mindestens voraus, dass der Beklagten die Tatsachen bekannt waren, die bei objektiver Betrachtung die Annahme des Vorsatzes auf Seiten der Schuldnerin rechtfertigen ( Braun a.a.O. Rn. 21 bis 23 zu § 133 ). Nach § 133 Abs.1 S.2 InsO wird die Kenntnis des Anfechtungsgegners ( widerlegbar ) vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners i.S.d. § 18 Abs.2 InsO drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

a.

Im Streitfall kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass die Beklagte um die drohende Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin als Anknüpfungstatsache für gesetzliche Beweiserleichterungen nach § 133 Abs.1 S.2 InsO wusste. Zwar gilt - darin ist der Berufung zuzustimmen - der Grundsatz, dass von einem Gläubiger, der Umstände kennt, die zwingend auf eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, in der Regel zu vermuten ist, dass er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit als solche kennt ( BGH NJW 2006, 2701; 2005, 1121,1124 ; ZIP 2003, 1801 ; Uhlenbruck a.a.O.).

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme kann aber nicht mit dem nach § 286 ZPO erforderlichen Beweismaß festgestellt werden, dass die Beklagte Umstände kannte, die den hinreichend sicheren Schluss auf eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin i.S.v. § 18 Abs.2 InsO zuließen. Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit setzt das Wissen um Fakten voraus, aus denen sich ergibt, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung.

Zwar bedarf es auf Seiten des Anfechtungsgegners keiner genauen Kenntnis der rechtlichen Zusammenhänge. Auch würde man die Anforderungen an den vom Insolvenzverwalter zu erbringenden Nachweis überspannen, wollte man auf Seiten des begünstigten Gläubigers ein so detailliertes Wissen um die wirtschaftlichen Zusammenhänge verlangen, dass dieser im Einzelnen über sämtliche bereits bestehenden fälligen und fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen unterrichtet sein muss und dass er zu einer prognostischen Prüfung anhand eines Finanzstatus und eines darauf aufbauenden Liquiditätsplanes in der Lage ist.

Vielmehr genügt - darin ist der Berufung zuzustimmen -, dass der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen und dem Verhalten des Schuldners bei natürlicher Betrachtungsweise den zutreffenden Schluss ziehen kann, dass der Schuldner wesentliche Teile der ihm gegenüber ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten in einem vertretbaren Zeitraum nicht wird tilgen können. Richtig ist im Prinzip auch, dass wenn der spätere Leistungsempfänger ernsthaft seine Ansprüche einfordert und der Schuldner zur zeitnahen Befriedigung nicht in der Lage ist, allein darin schon ein ausreichender Hinweis auf eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit erblickt werden kann, sofern die entsprechende Schuld " verhältnismäßig hoch" ist ( BGH ZIP 1997, 1926 f. ).

Die Frage, ob ein Anspruch "verhältnismäßig hoch" ist, entzieht sich jedoch generalisierender Betrachtung. Ihre Beantwortung hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab. Außenstände von 30. bis 40.000 EUR können bei einem gewerblichen Schuldner "verhältnismäßig hoch" sein; sie müssen es aber nicht. Maßgeblich sind die Umsatz- und Ertragslage des Unternehmens und die ansonsten bestehenden Schulden. Dass die Beklagte Kenntnis vom Schuldenumfang der Gemeinschuldnerin hatte, ist nicht belegt. Daher musste sich ihr auch nicht zwangsläufig die Vorstellung aufdrängen, dass ihre Außenstände "verhältnismäßig hoch" waren und die Schwierigkeiten der Schuldnerin, die Forderung termingerecht zu erfüllen, als Indiz dafür werten, dass diese alsbald generell nicht mehr in der Lage sein wird, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Auch wenn am 21.11.2002 aus "Altlieferungen" Forderungen i.H.v. rund 29.000 EUR zur Zahlung offen standen und die Gemeinschuldnerin die neben den Vorauszahlungen auf den laufenden Bezug am 2.12.2002 und 1.1.2003 vereinbarten Ratenzahlungen von 7.000 und 3.000 EUR auf die Rückstände nicht termingerecht geleistet hat, folgt daraus allein noch keine Kenntnis der Beklagten von drohender Zahlungsunfähigkeit. Immerhin hatte die Gemeinschuldnerin am 21.11.2002 wie verabredet eine Zahlung von 5.000 EUR erbracht und war sie am 28.1.2003 , wenn auch unter dem Druck einer Liefersperre, zu einer Scheckzahlung in Höhe von 20.091 EUR in der Lage. In dem Zusammenhang ist zu bedenken, dass der Energielieferungsvertrag mit der Gemeinschuldnerin im September 2002 geschlossen wurde und dass die Vereinbarung über die ratenweise Begleichung der Verbrauchsrückstände erst Ende November 2002 zustande gekommen war. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte in dem relativ kurzen Zeitraum zwischen dem Abschluss des Versorgungsvertrages, der Rückzahlungsvereinbarung und der angefochtenen Zahlung von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, die ihr den hinreichend sicheren Schluss auf eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin gestatteten.

Dass die Zeugen Eheleute H. den Sperrkassierer der Beklagten über den allgemeinen Hinweis auf bestehende Zahlungsschwierigkeiten und auf die Existenz weiterer Gläubiger hinaus konkrete Informationen zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, den Außenständen, den vorhandenen Finanzmitteln sowie zum Umfang der Schulden erteilt haben, aufgrund derer die Beklagte mit einer drohenden Zahlungsunfähigkeit rechnen musste, lässt sich den Aussagen der Zeugen nicht entnehmen und wird vom Zeugen T. glaubhaft in Abrede gestellt. Eine ungeschönte Aufklärung des Sperrkassiers der Beklagten über die tatsächliche wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin wäre in hohem Maße unwahrscheinlich. Denn deren Verantwortlichen war an der Weiterbelieferung mit Energie gelegen. Hätten sie dem Zeugen T. Tatsachen mitgeteilt, die den hinreichend sicheren Schluss auf eine drohende oder gar eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit zuließen, würden die Zeugen H. das Gegenteil dessen bewirkt haben, was sie erreichen wollten.

Der Berufung ist einzuräumen, dass die Beklagte um die bei ihr bestehenden Schulden wusste und dass ihr, handelnd durch den Sperrkassierer, auch nicht verborgen geblieben ist, dass sich die Gemeinschuldnerin in Zahlungsschwierigkeiten befand und dass es außer der Beklagten noch andere Gläubiger gab. Konkrete Fakten, anhand derer für die Beklagte erkennbar war, dass es sich um mehr als nur temporäre Zahlungsstockungen handelte und dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher war als deren Vermeidung sind dem Sperrkassierer T. ausgehend von den Angaben der Zeugen H. aber nicht mitgeteilt worden.

Dass Gläubigerforderungen teilweise nicht aus Gesellschaftsmitteln befriedigt wurden und dass bei Liquiditätsengpässen Geschäftsführer und / oder Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen in Vorlage treten - wobei offen bleiben kann, ob dies zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt ( § 140 InsO ) schon der Fall war - ist kein belastungsfähiges Indiz für drohende Zahlungsunfähigkeit. Bei personal geprägten Gesellschaften findet eine strikte Trennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen nicht immer statt und kommt es des öfteren vor, dass Geschäftsführer und / oder Gesellschafter für Gesellschaftsschulden mit ihrem Privatvermögen in Vorlage treten. Auch dürfte es in der Geschäftspraxis der Beklagten keine Seltenheit sein, dass gewerbliche Kunden Verbrauchsrechnungen - aus welchen Gründen auch immer - nicht termingerecht bezahlen und dass die Beklagte zum Druckmittel der Liefersperre greifen muss, ohne dass dies stets als Indiz für eine unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit angesehen werden muss. Soweit es nach der streitgegenständlichen Zahlung vom 28.1.2003 zu Zahlungsschwierigkeiten gekommen ist, haben die sich insoweit ergebenden Erkenntnisse außer Betracht zu bleiben, da sie der Beklagten zu dem nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorlagen. Die Gemeinschuldnerin hat - wenn auch unter dem Druck einer Liefersperre - ihre Schulden bei der Beklagten bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs im Wesentlichen beglichen, weshalb die Beklagte lediglich eine Forderung in Höhe von rund 1.600 EUR gemäß Abrechnung vom 9.7.2003 zur Insolvenztabelle anmeldet hat. Auch dies spricht dagegen, dass sich der Beklagten die Einsicht aufdrängen musste, dass die Schuldnerin wesentliche Teile der ihr gegenüber ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht in vertretbarer Zeit würde tilgen können.

Der Hinweis der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf, dass die Rechtsprechung bei Banken einen strengen Maßstab anlege, vermag der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Es liegt auf der Hand, dass eine Hausbank , die einem Betrieb Kredit gewährt und die ihn in der Krise zwingt, Sicherheiten zu geben, bestehende Sicherheiten erheblich zu erweitern, oder die Kontokorrentverrechnungen vornimmt, wegen der Möglichkeit der Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen und des anhand der Konten gegebenen Überblicks über die Entwicklung der laufenden Geschäfte eine wesentlich "intimere" Kenntnis der wirtschaftlichen Situation ihres Schuldner hat und dass sie eine drohende Zahlungsunfähigkeit viel eher feststellen kann, als das bei der beklagten Energielieferantin der Fall ist, die nicht über vergleichbare Erkenntnisquellen verfügt.

Fraglich ist darüber hinaus, ob die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass die angefochtene Zahlung andere Gläubiger der Gemeinschuldnerin objektiv benachteiligte, was weitere Voraussetzung für Beweiserleichterungen zu Gunsten des Klägers wäre. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Weiterbelieferung jedenfalls auch von der Vorstellung der Beklagten getragen war, hierdurch einen Beitrag zur Betriebsfortführung und Aufrechterhaltung der Produktion zu leisten. Unternehmen, die sich wirtschaftlich am Markt betätigen, arbeiten regelmäßig in Gewinnerzielungsabsicht. Die Beklagte konnte daher annehmen, dass die Schuldnerin durch den weiteren Energiebezug und die hierdurch gewährleistete Betriebsfortführung ihre wirtschaftliche Situation zum Vorteil aller Gläubiger verbessern würde.

Hat der Kläger somit schon die Anknüpfungstatsachen für Beweiserleichterungen nach § 133 Abs.1 S.2 InsO nicht nachweisen können, brauchte die Beklagte ihrerseits die Vermutung auch nicht durch den Nachweis des Gegenteils zu widerlegen.

b.

Auch sonst gibt es keinen ausreichenden Grund zur Annahme, dass der Beklagten die Tatsachen bekannt waren, die bei objektiver Betrachtung die Annahme des Vorsatzes auf Seiten der Schuldnerin rechtfertigen. Wie bereits ausgeführt lieferte das erstinstanzliche Beweisergebnis keinen Anhalt dafür, dass die Beklagte Kenntnis von der Zahl der Gläubiger, dem gesamten Ausmaß der Schulden der Gemeinschuldnerin und dem Fehlen von Aktiva hatte. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass ihr positiv bekannt war, dass - und wenn ja welche - konkreten Pfändungsmaßnahmen gegen die Gemeinschuldnerin vorlagen. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass die Eheleute H. gegenüber dem Sperrkassierer der Beklagten aus verständlichen Gründen den Eindruck zu vermeiden versuchten, dass es sich um mehr als nur vorübergehende Zahlungsstockungen handelte.

Bei Geschäften, die der Betriebsfortführung dienen, bedarf die Frage, ob das beim Schuldner vorhandene Wissen um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auch auf Seiten des Anfechtungsgegners bejaht werden kann, genauer Prüfung. Bei einer zu großzügigen Sichtweise bestünde die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit verwischen und dass bereits bloße Zahlungsstockungen zum Zusammenbruch von Unternehmen führen könnten. Müssten deren maßgebliche Lieferanten nämlich stets damit rechnen, dass sie sich bei Fortsetzung der Lieferung in Kenntnis von Zahlungsschwierigkeiten, deren Umfang und Tragweite sie anders als die verantwortlich Handelnden auf Seiten der Schuldnerin nicht ohne weiteres beurteilen können, im Falle künftiger Insolvenz der Vorsatzanfechtung und Rückforderungsansprüchen des Insolvenzverwalters ausgesetzt sehen, könnten schon temporäre Liquiditätsengpässe zum wirtschaftlichen Aus von Unternehmen führen, weil deren Vertragspartner die Lieferungen sofort einstellen würden.

Die Berufung des Klägers erweist sich nach alldem nicht als begründet. Sie war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs.1 ZPO und Vollstreckbarkeitserklärung gemäß den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO zurückzuweisen.

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung ( § 543 Abs.1,2 Nr.1 ZPO). Da der Senat nicht von bewährten Rechtsprechungsgrundsätzen abweicht und weil die Umstände, die im Streitfall zur Verneinung einer Kenntnis der Beklagten von drohender Zahlungsunfähigkeit und vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Gemein -schuldnerin führen, nicht ohne weiteres zu verallgemeinern sind, erfordert auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts ( § 543 Abs.1 , 2 Nr. 2 ZPO ).

Ende der Entscheidung

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