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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: 4 U 424/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 775
Zur Bestimmung des Haftungsumfangs einer Bürgschaftserklärung
Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten zu 4) wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 13.7.2004 - 4 O 191/03 - abgeändert, soweit das Urteil eine Verurteilung des Beklagten zu 4) enthält, und die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) je ein 1/4 und die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 2/4 der Gerichtskosten. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4). Die Beklagte zu 1) trägt 1/4, die Beklagten zu 2) und 3) tragen als Gesamtschuldner 2/4 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zu 4) vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 220.992,92 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 4) aus einer Bürgschaft auf Freistellung in Anspruch.

Die Klägerin stand mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), der Y. U.-Center GmbH, in Geschäftsbeziehungen und übernahm mit Vertrag vom 26.9/17.10.1994 (Bl. 36 d. A.) die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Verpflichtung der Rechtsvorgängerin aus einem von der - Bank eG (im Folgenden: - Bank) gewährten Darlehen über 750.000 DM. Mit Vertrag 26.8.1994 (Bl. 97 ff. d. A.) übernahmen die Beklagten zur 2) bis 4) eine selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Ansprüche, die der Klägerin gegenüber der Y. U.-Center GmbH aus dem Vertrag vom 26.8.1994 zustehen.

Mit Bierlieferungsvertrag vom 30.10.1995 (Bl. 27 ff. d. A.) zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) verpflichtete sich die Klägerin, der Beklagten zu 1) ein Bankdarlehen in Höhe von 750.000 DM mit einer Laufzeit von fünf Jahren zu vermitteln und zur Absicherung des Darlehens gegenüber der Bank zu bürgen. Die Beklagten zu 2) bis 4) gaben am 30.10.1995 eine Bürgschaftserklärung ab. Die Bürgschaftserklärung (Bl. 4 d. A.) lautet im Auszug:

Wir, die Unterzeichner, übernehmen hiermit als Gesamtschuldner gegenüber der >Brauereiname> für alle Ansprüche, die dieser gegen die ...-GmbH GmbH zustehen, insbesondere für die Ansprüche aus dem zwischen der >Brauereiname> AG und der ...-GmbH abgeschlossenen Vertrag vom ... sowie etwaiger Ansprüche, die sich aus der Geschäftsverbindung ergeben, die selbstschuldnerische Bürgschaft.

Bürgschaftsbedingungen:

Die Bürgschaft wird zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten, Forderungen der >Brauereiname> AG gegen die Hauptschuldnerin, die ...-GmbH, aus dem Vertrag vom 30.10.1995 zwischen der >Brauereiname> AG und der ...-GmbH an Hauptsumme, Zinsen und Kosten als Gesamtschuldner übernommen.

Im August 1996 vereinbarte die - Bank mit der Beklagten zu 1) eine Ablösung des bestehenden Darlehensvertrages und gewährte der Beklagten zu 1) ein Darlehen i. H. v. 750.000 DM zum Zwecke der Ablösung der Verbindlichkeiten der Y. U.-Center GmbH (Darlehensnummer; Bl. 42 f. d. A.). Der Zinssatz wurde bis zum 30.10.1999 festgeschrieben, wobei der zu diesem Zeitpunkt verbleibende Restsaldo in einer Summe zur Rückzahlung fällig werden sollte. Die - Bank erklärte bei Vertragsabschluss ihre Bereitschaft, das Darlehen danach zu neu zu vereinbarenden Konditionen fortzuführen, die mit der Klägerin als Bürgin abzustimmen seien. Mit Bürgschaftserklärung vom 23.7.1996 verbürgte sich die Klägerin für die Rückführung dieses Darlehens selbstschuldnerisch bis zum Betrag von 750.000 DM (Bl. 38 f. d. A.).

Im Jahr 1999 wurde die Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) auf eine neue Grundlage gestellt: Die Parteien schlossen am 10.12.1999 (Bl. 108 ff. d. A.) einen weiteren Bierlieferungsvertrag ab und vereinbarten, dass die Klägerin für das der Beklagten zu 1) gewährte Darlehen, das zum 30.9.1999 noch mit 493.758,29 DM valutierte, für eine Laufzeit von weiteren fünf Jahren die Bürgschaft übernehmen werde.

Schließlich gewährte die - Bank der Beklagten zu 1) unter der Datumsangabe 7.2./7.3.2000 ein weiteres Darlehen über 475.000 DM (Darlehensnummer; Bl. 47 d. A.). Die Darlehenssumme wurde dem Darlehenskonto Nr. gutgeschrieben. Mit Bürgschaftserklärung vom 8.5.2000 (Bl. 51 ff. d. A.) übernahm die Klägerin zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen der - Bank gegen die Beklagte zu 1) aus dem Darlehen die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Betrag von 475.000 DM. Mit Erklärung vom Februar 2000 (Bl. 134 e d. A.) übernahmen die Beklagten zu 2) und 3) die Rückbürgschaft zu Gunsten der Klägerin für das Darlehen zuzüglich Zinsen und Nebenleistungen.

Am 14.5.2002 kündigte die - Bank das Darlehen, stellte die Restschuld in Höhe von 209.385,91 EUR zur sofortigen Rückzahlung fällig und nahm die Klägerin zum Ausgleich der offen stehenden Forderungen in Höhe von 220.992,92 EUR aus der Bürgschaft vom 8.5.2000 in Anspruch. Nach den Bedingungen der - Bank dienen alle Zahlungen des Bürgen bis zur vollständigen Befriedigung der Bank wegen ihrer durch die Bürgschaft gesicherten Ansprüche als Sicherheitsleistung.

Die Klägerin hat behauptet, dass sie seit April 2003 vereinbarungsgemäß monatliche Zahlungen in Höhe von 1.000 EUR an die - Bank leiste. Sie hat die Auffassung vertreten, dass auch der Beklagte zu 4) eine Rückbürgschaft für die Bürgschaft der Klägerin vom 8.5.2000 übernommen habe. Bei der Unterzeichnung der neuen Rückbürgschaftserklärung vom Februar 2000 sei die Klägerin davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 4) noch aus seiner Erklärung aus dem Jahr 1995 bis zum 31.10.2005 in der Haftung bleibe. Der neue Bierlieferungsvertrag habe deshalb abgeschlossen werden müssen, um wegen der nicht ordnungsgemäßen Rückführung des Darlehens durch die Beklagte zu 1) einen Gleichklang mit der Vertragslaufzeit herbeizuführen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagten, davon die Beklagten zu 2) bis 4) untereinander gesamtschuldnerisch haftend, zu verurteilen, die Klägerin von allen Zahlungsansprüchen der - Bank aus der Bürgschaft vom 8.5.2000 zu der Darlehens Kto.-Nr. freizustellen.

Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Der Beklagte zu 4) hat behauptet, er habe zwar ursprünglich in Geschäftsbeziehungen zu der Beklagten zu 1) gestanden und beabsichtigt, sich an dem Gastronomiebetrieb zu beteiligen. Nach kurzer Zeit habe er hiervon jedoch wieder Abstand genommen. Deshalb habe er zwar den Bürgschaftsvertrag vom 30.10.1995 unterzeichnet, aber mit dem weiteren Geschäftsbetrieb nichts mehr zu tun gehabt. Dies habe er dem Vorstand der Klägerin mitgeteilt und sei in der Folgezeit von keinem der Beteiligten über weitere Maßnahmen informiert worden.

Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zu 1) bis 3) beruht das Urteil auf einer Versäumnisfolge. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung erstrebt der Beklagte zu 4) die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage.

Der Beklagten zu 4) vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und vertritt die Auffassung, dass die Rückbürgschaft, die dieser mit der Bürgschaftserklärung vom 30.10.1995 abgegeben habe, durch die vollständige Begleichung des im Jahr 1995 gewährten Darlehens erloschen sei. An die Stelle des ursprünglichen Darlehensvertrages aus dem Jahre 1995 sei im Jahr 2000 ein neuer Darlehensvertrag getreten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei mit dem Abschluss dieses neuen Darlehensvertrages eine Schuldumschaffung verbunden gewesen, so dass eine Haftung der Klägerin und mithin eine Haftung des Beklagten zu 4) aus den ursprünglich abgegebenen Bürgschaftserklärungen entfallen sei. Das Landgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) im Jahr 1999 ein neuer Abnahmevertrag abgeschlossen worden sei, dessen einziger Zweck darin bestanden habe, die Laufzeit zu verlängern, um bei einem Verkauf an die <Brauereiname 2> einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Für die richtige Vertragsauslegung sei es schließlich von Bedeutung, dass die - Bank ebenso wie die Klägerin Veranlassung sahen, neue Bürgschaftserklärungen einzufordern, obwohl diese - die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Klägerin zur Reichweite der vom Beklagten zu 4) im Jahr 1995 abgegebenen Bürgschaft unterstellt - zum Erreichen des Sicherungszwecks überflüssig gewesen wären.

Der Beklagte zu 4) beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 4 O 191/03 - vom 13.7.2004 - die Klage gegen den Beklagten zu 4) abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zu 4) zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung (Bl. 207 ff. d. A.), die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 21.2.2005 (Bl. 242 ff. d. A.) und 13.4.2005 (Bl. 259 f. d. A.) sowie auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 24.1.2005 (Bl. 235 ff. d. A.) und 24.3.2005 (Bl. 257 f. d. A.) Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 267 ff. d. A.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

II. A. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Klägerin stehen keine Rechte aus der Bürgschaft des Beklagten zu 4) zu, der sich für die Erfüllung der Freistellungsverpflichtung der Beklagten zu 1), wegen deren Nichterfüllung die Klägerin den Beklagten zu 4) im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch nimmt, nicht verbürgt hat.

1. Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 4) aus der Bürgschaft vom 30.10.1995 in Anspruch. Als gesicherte Hauptforderung stützt sich die Klägerin auf den gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Freistellungsanspruch, den die Klägerin daraus herleitet, dass sie ihrerseits von der - Bank aus der am 8.5.2000 abgegebenen Bürgschaftserklärung in Anspruch genommen wird (Anlage A 3; Bl. 7 d. A.). Mithin ist der aus dieser Bürgschaft nach § 775 BGB resultierende Freistellungsanspruch die Hauptforderung, wegen deren Nichterfüllung die Klägerin nunmehr den Beklagten zu 4) als Rückbürgen in Anspruch nimmt. Die Erfüllung dieser Hauptforderung wird von der Bürgschaftserklärung vom 30.10.1995 nicht erfasst.

a) Der Wortlaut der Bürgschaftserklärung enthält widersprüchliche Aussagen zum Umfang der Bürgenschuld. Während im Eingangstext der Bürgschaftserklärung festgehalten wird, dass die Bürgschaft nicht nur Ansprüche aus einem nicht näher datierten Vertrag umfassen soll, sondern "etwaige Ansprüche, die sich aus der Geschäftsverbindung ergeben", einbezieht, wird die Bürgenhaftung im Text der unter Ziff. 1 hervorgehoben dargestellten Bürgschaftsbedingungen enger umschrieben: Nach dieser Formulierung wird die Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin aus dem Vertrag vom 30.10.1995 zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) an Hauptsumme, Zinsen und Kosten als Gesamtschuldner übernommen. Nur diese engere Beschreibung ist für das richtige Verständnis des Haftungsumfangs maßgeblich:

b) Die Auslegung einer Bürgschaftserklärung muss den Risiken Rechnung tragen, die der Bürge mit der Abgabe einer Bürgschaftserklärung übernimmt. Um das einseitig vom Bürgen übernommene Risiko einzugrenzen, muss die Hauptschuld, auf die sich die Bürgschaft bezieht, aus der Bürgschaftsurkunde klar ersichtlich sein. Das schließt zwar nicht aus, dass Zweifel über die Identität der Hauptschuld durch Auslegung der Bürgschaftsurkunde überwunden werden können. Dennoch gehen verbleibende Unklarheiten über den Umfang der vom Bürgen übernommenen Verpflichtung zu Lasten des Gläubigers (BGHZ 76, 187, 188; Urt. v. 5.1.1995 - IX ZR 101/94, NJW 1995, 959; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 765 Rdr. 6). Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf die Auslegung der Bürgschaftserklärung vom 30.10.1995 an, so führt die Auslegung der widersprüchlichen Beschreibung der gesicherten Hauptschuld zu dem Ergebnis, dass sich der Beklagte zu 4) nur hinsichtlich des aus seiner Sicht engeren Haftungsumfangs verbürgt hat.

Folglich hat der Beklagte zu 4) die Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) aus dem Vertrag vom 30.10.1995 übernommen. Zu diesen Forderungen gehört der gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Freistellungsanspruch nicht: Der entsprechende Bierlieferungsvertrag begründet in der Person der Beklagten zu 1) zunächst die in § 2 des Vertrages bezeichneten Verpflichtungen zum Getränkebezug. Darüber hinaus enthält § 5 des Bierlieferungsvertrags eine Vertragsstrafe, deren Zahlung die Beklagte zu 1) für den Fall verspricht, dass sie gegen ihre Bezugsverpflichtung verstößt. Weitergehende Verpflichtungen enthält das Vertragswerk nicht. Insbesondere wird die Freistellungsverpflichtung der Beklagten zu 1) im Bierbezugsvertrag nicht angesprochen. Vielmehr ist die Freistellungsverpflichtung der Beklagten zu 1) lediglich mittelbare, gesetzliche Folge der zunächst an die Adresse der Klägerin gerichteten Vertragspflicht, zur Absicherung eines zu vermittelnden Bankdarlehens eine Bürgschaft zu übernehmen. Entstehungsgrund der Freistellungsverpflichtung ist nicht der Bierlieferungsvertrag, sondern letztlich die Bürgschaftsabrede zwischen Klägerin und Gläubiger, an deren Zustandekommen das Gesetz in Gestalt des § 775 BGB die Freistellungsverpflichtung des Hauptschuldners knüpft. Dieser mittelbare Bezug reicht nicht aus, um den Schluss zu ziehen, dass der Beklagte zu 4) auch für die Nichterfüllung solcher gesetzlichen Verbindlichkeiten einstehen wollte, die an Vertragspflichten anknüpfen, die nicht die Hauptschuldnerin, sondern die Klägerin selbst betreffen.

Wird der Freistellungsanspruch nach diesem Verständnis von der Bürgschaftserklärung nicht erfasst, kann es dahinstehen, ob die Ausdehnung der Bürgenhaftung auf alle künftigen Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsbeziehung am Maßstab einer AGB-rechtlichen Kontrolle zu beanstanden ist mit der Folge, dass der Beklagte zu 4) im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur für diejenige Forderung aus dem Vertrag vom 30.10.1995 einzustehen hat, die Anlass der Bürgschaftsübernahme war (vgl. BGHZ 143, 95, 102; 137, 153, 157; 130, 19, 31).

2. Darüber hinaus ist der Klage - selbst dann, wenn man die Rechtsauffassung der Klägerin vom Inhalt der Bürgschaftserklärung teilt - deshalb ein Erfolg zu versagen, weil die Bürgschaft, aus der die Klägerin die Hauptschuld herleitet, nicht in Erfüllung einer Vertragspflicht aus dem ursprünglichen Bierlieferungsvertrag vom 30.10.1995 abgegeben wurde, sondern ihre Rechtsgrundlage in dem selbständigen Vertrag vom 10.12.1999 findet:

a) Nach dem Schreiben der - Bank vom 13.3.2003 (Bl. 3 d. A.) steht fest, dass die - Bank die Klägerin nicht aus der Bürgschaftserklärung vom 23.7.1996, sondern aus der Bürgschaftserklärung vom 8.5.2000 in Anspruch nimmt. Mithin resultiert auch die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Hauptforderung nicht aus der ursprünglichen Bürgschaftserklärung, sondern aus der Bürgschaftserklärung des Jahres 2000. Dieser Bürgschaftserklärung liegt selbst bei weitem Verständnis nicht der Bierlieferungsvertrag vom 30.10.1995, sondern der zweite Bierlieferungsvertrag vom 10.12.1999 zu Grunde, in dem die Klägerin die neue Verpflichtung übernahm, für eine Laufzeit von weiteren fünf Jahren zur Absicherung des Darlehens die Bürgschaft zu übernehmen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt dieser neue Bierlieferungsvertrag nicht lediglich eine identitätserhaltende Modifikation des ursprünglichen Vertragswerkes dar. Schon der Wortlaut und das äußere Erscheinungsbild des Vertragswerks lassen nur den Schluss zu, dass der Bierlieferungsvertrag vom 10.12.1999 eine eigenständige Vertragsgrundlage für die Vertragsbeziehungen schuf, dessen rechtliches Schicksal gerade nicht mit dem ursprünglichen Bierlieferungsvertrag verknüpft werden sollte. Überdies steht nur dieses Rechtsverständnis mit dem Grundsatz der interessengerechten Auslegung in Einklang, wonach es im Regelfall dem Vertragswillen der Parteien entspricht, eine Regelung zu schaffen, die das angestrebte Ziel in einer mit der Rechtsordnung in Einklang stehenden Weise erreicht und rechtliche Unwägbarkeiten vermeidet, die dem Erfolg der Regelung entgegenstehen:

b) Es entsprach dem erkennbaren Interesse der Vertragsparteien, die zeitliche Dauer der Bezugsverpflichtung im zweiten Vertrag neu zu regeln. So haben die Vertragsparteien in § 4 dieses Bierlieferungsvertrages vereinbart, dass die Verpflichtung zum ausschließlichen Getränkebezug beginnend mit dem 1.10.1999 zehn weitere Jahre gelten solle. Mit dieser langen Frist haben die Vertragsparteien den rechtlich unproblematisch zulässigen Zeitrahmen vollständig ausgeschöpft. Wäre demgegenüber die Zeit des bislang bestehenden ersten Bierbezugsvertrages seit 1995 in die Dauer der Bezugsverpflichtung einzubeziehen, so wäre es zweifelhaft, ob das von den Parteien gewünschte Ziel, bis zum 1.11.2009 eine Bezugsbindung zu erreichen, einer Rechtskontrolle standgehalten hätte. Mithin entspricht es dem wohlverstandenen Interesse der Vertragsparteien, den sicheren Weg zu gehen und ihre Rechtsbeziehungen auf die originäre Vertragsgrundlage des zweiten Bierbezugsvertrages zu stellen.

c) Soweit die Klägerin vorträgt, der neue Bierbezugsvertrag habe lediglich dazu gedient, der Beklagten zu 1) die Möglichkeit zu gewähren, das Darlehen in einem vernünftigen Zeitrahmen zurückzuführen, um einen Gleichklang zwischen Darlehensrückzahlung und Liefervertrag herbeizuführen, vermag die Argumentation der Klägerin nicht zu überzeugen: Mit der Ausdehnung der Bezugsverpflichtung haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu 1) und mithin ihre finanziellen Mittel zur Rückführung der Darlehensverpflichtung nicht gebessert. Demgemäß hätten sich die Aussichten zur erfolgreichen Darlehensrückführung in keiner Weise verschlechtert, wenn die Klägerin erst nach Ablauf der ursprünglichen Bezugsbindung einen neuen Vertrag abgeschlossen hätte. Im Ergebnis bestätigt der Vortrag der Berufungsbeklagten die Auffassung des Berufungsklägers: Nach der auf Seite 4 der Berufungserwiderung vorgetragenen Begründung (Bl. 238 d. A.) kam es der Klägerin im Kern darauf an, sich bereits im Jahr 1999 eine längere Bierbezugsverpflichtung zu sichern.

3. Letztlich kann aber auch diese Frage offen bleiben: Die Bürgenschuld ist jedenfalls deshalb erloschen, weil die Hauptschuld der Beklagten zu 1), für die sich die Klägerin im Oktober 1996 verbürgt hat, mit der Umschuldung des Jahres 2000 erloschen ist. Mit dem Erlöschen der Bürgschaft hat jedoch auch die Rückbürgschaft - sofern man den Argumenten der Klägerin zum Inhalt der Bürgschaftsabrede folgt - ihr Ende gefunden.

Zunächst ist es unbehelflich, dass die Klägerin die Tilgung des Darlehens aus dem Jahr 1996 in Abrede stellt. Auf der Vertragsurkunde Bl. 47 d. A. ergibt sich unmissverständlich, dass die Darlehenssumme des neuen Darlehens zu 100 % zugunsten des alten Darlehens ausgezahlt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Bank anders verfahren wäre, sind nicht ersichtlich.

Infolge ihrer Akzessorietät erlischt die Bürgschaft mit dem Erlöschen der Hauptschuld. Mithin kommt es darauf an, ob die Umschuldung der Kreditbeziehungen zwischen der - Bank und der Hauptschuldnerin im Jahr 2000 zu einer Novation der Schuld, in der Terminologie der landgerichtlichen Entscheidung also zu einer Schuldumschaffung führte, oder ob die neue Darlehensgewährung im Jahr 2000 mit den Argumenten des Landgerichts lediglich als eine die ursprüngliche Darlehensverpflichtung unangetastet lassende Schuldänderung aufgefasst werden muss.

Ob eine Umschuldung von Kreditverpflichtungen zur Erfüllung der ursprünglichen Darlehensschuld führt, lässt sich nicht generell beantworten. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass die Vertragsparteien bei Darlehensumschuldungen wegen der einschneidenden Folgen, die an eine Schuldumschaffung geknüpft werden, im Zweifel kein neues Schuldverhältnis begründen wollen (BGH, Urt. v. 30.9.1999 - IX ZR 287/98, NJW 1999, 3708, 3709; Urt. v. 6.4.2000 - IX ZR 2/98, NJW 2000, 2580, 2581; Urt. v. 1.10.2002 - IX ZR 443/00, NJW 2003, 59, 60 ; MünchKomm(BGB)/Habersack, 4. Aufl., § 767 Rdnr. 3). Dennoch darf sich die Rechtskontrolle mit diesen allgemein gehaltenen Überlegungen nicht begnügen. Vielmehr kommt es für die richtige Auslegung der zur Schaffung des neuen Schuldgrundes führenden Willenserklärungen auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an, welche Rechtsfolgen die Vertragsparteien mit der Umschuldung erzielen wollten.

Im zur Entscheidung stehenden Fall streiten die besseren Argumente für die Annahme einer Schuldumschaffung: Bereits im äußeren Erscheinungsbild der Vertragsurkunde findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der mit "Darlehensvertrag" bezeichnete Vertrag nicht für sich stehen, sondern gewissermaßen modifizierend an die Stelle des alten Vertrages treten sollte. Der Vertrag unterscheidet sich in keinem einzigen Punkt von der Vertragsurkunde, die bei einem originären Abschluss eines Darlehensvertrages abgefasst worden wäre. Insbesondere ist die vorliegende Konstellation nicht mit den vom Bundesgerichtshof judizierten Fällen zu vergleichen, in denen ein dem Hauptschuldner gewährter Kontokorrentkredit bankintern in ein Darlehen umgeschuldet wurde. Dass die Vertragsurkunde vom Februar/März 2000 die Rechtsbeziehungen eigenständig regeln sollte, ergibt sich auch daraus, dass der neue Vertrag eine neue und vom Ursprungsvertrag abweichende Zinsregelung enthält. Dem steht nicht entgegen, dass die - Bank in der Darlehensurkunde Nr. ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Fortführung des Darlehens zu dann neu zu vereinbarenden Bedingungen erklärt hat (Bl. 43). Aus dieser bloßen Absichtserklärung lässt sich für das Vertragsverständnis eines vier Jahre später abgeschlossenen Darlehensvertrages nichts Zwingendes herleiten. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass aus der untechnischen Formulierung, das Darlehen zu neuen Konditionen fortführen zu wollen, offen bleibt, ob die Fortführung in Form einer Novation oder einer Verlängerung des alten Darlehens erfolgen soll.

Das entscheidende Indiz dafür, dass die Vertragsparteien die Darlehensbeziehungen auf eine neue, eigenständige Grundlage stützen wollten, bildet die Tatsache, dass die - Bank Veranlassung sah, das neu gewährte Darlehen eigenständig zu besichern und auf der Abgabe einer neuen Bürgschaft der Klägerin zu bestehen. Auch die Klägerin ihrerseits hat Handlungsbedarf gesehen, um die Beklagten zu 2) und 3) noch einmal zur Abgabe von Rückbürgschaftserklärungen zu bewegen. Dieses Verhalten wäre nicht verständlich, wenn Bank und Klägerin davon ausgegangen wären, dass das alte Darlehen im neuen Gewand der im Jahr 2000 vereinbarten Bedingungen fortbestehe. Denn in diesem Falle hätten auch die bereits gewährten Bürgschaften fortbestanden. Dieses Indiz lässt sich nicht leichthin mit dem Hinweis entkräften, die Rückbürgschaften seien nur deshalb eingefordert worden, weil auch die - Bank eine neue Bürgschaft von der Klägerin eingefordert habe. Der gegenteilige Schluss liegt nahe: Gerade weil der ursprüngliche Darlehensvertrag durch Verrechnung erfüllt wurde, sind die ursprünglichen Sicherheiten erloschen. In dieser Situation besteht das nachvollziehbare Bedürfnis, dem Sicherungsinteresse von Bank und Klägerin durch neue, selbständige Bürgschaften Rechnung zu tragen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 92 I ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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