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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.03.2007
Aktenzeichen: 4 U 437/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 31
BGB § 247
BGB § 831
BGB § 831 Abs. 1
BGB § 831 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 529
Zu den Verkehrssicherungspflichten eines Zeltverleihers.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

4 U 437/06

Verkündet am 27.3.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Göler sowie die Richter am Oberlandesgericht Schmidt und Dr. Dörr auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7. Juli 2006 - 1 O 193/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.355,22 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt das klagende Energieunternehmen die Beklagten auf Schadensersatz wegen der Beschädigung eines 10 kV Stromkabels in Anspruch.

Der K. S. e.V. (im Folgenden: Veranstalter) veranstaltete in der Zeit vom 15. bis 18.8.2003 auf dem Marktplatz in S. einen so genannten "Sommerkarneval" und benötigte hierfür ein 20 mal 40 Meter großes Festzelt. Dieses Zelt stellte die frühere Beklagte zu 2) zur Verfügung, die im Gegenzug die Lieferrechte für die Getränke der Festveranstaltung erhielt. Die Beklagte zu 2) mietete aufgrund Vertrags vom 28.11.2002 ein entsprechendes Zelt von der Beklagten zu 1) an. Der Mietvertrag enthielt u. a. folgende Bestimmungen:

§ 1

...die Sicherung, Abschrankung und Beleuchtung der Baustelle sowie die Feststellung der Lage von Erd- und Freileitungen sind Sache des Mieters.

§ 4

...Auf- und Abbau des Zeltes sind Sache des Mieters, der die hierzu erforderlichen Hilfskräfte zur Verfügung zu stellen hat und ihren Arbeitseinsatz zu regeln hat.

Vor dem Aufstellen des Zeltes übergab der Zeuge T., ein Mitarbeiter der Klägerin, dem Veranstalter einen Kabelplan für das Gebiet des Marktplatzes. Mitarbeiter des Veranstalters markierten vor Aufstellung des Zeltes aufgrund der in diesem Plan enthaltenen Angaben den Verlauf der Stromleitungen.

Sodann wurde das Zelt am 13.8.2003 von ca. 15 bis 17 Mitgliedern des Veranstalters in Anwesenheit eines Zeltmeisters der Beklagten zu 1), dem Zeugen S., aufgebaut. Hierbei handelte sich um einen erfahrenen Mitarbeiter der Beklagten zu 1), der nach seiner ursprünglichen Ausbildung als Baumaschinist in diesem Beruf zirka vier Jahre gearbeitet und hierbei auch Fachkenntnisse im Tiefbau erworben hatte. Nach erfolgreicher Teilnahme an einem Richtmeisterlehrgang im Januar 1999 setzte die Beklagte zu 1) ihn als Richtmeister ein. Der Zeuge leitete zirka 30 bis 40 Festzeltaufbauten im Jahr. In der Zeit vom 10. bis 14.2.2003 nahm der Zeuge an einem Auffrischungslehrgang teil. Alle von ihm vor dem Schadensereignis geleiteten Zeltaufbauten verliefen ohne Beanstandungen.

Der Zeuge S. hatte den Kabelplan der Klägerin selbst nie gesehen. Zur Befestigung des Zeltes wurden Erdnägel in eine Tiefe von ca. 80 Zentimetern in die Erde getrieben, ohne zuvor eine Handschachtung auszuführen. Bereits beim Einbringen des ersten Nagels, der in einer Entfernung von ca. 1 Meter neben der eingezeichneten Lage des Kabels eingetrieben wurde, beschädigte der Zeuge N. ein in einer Tiefe von lediglich 50 Zentimetern verlegtes Kabel.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei vom Veranstalter bereits im Mai 2003 auf die Veranstaltung angesprochen worden. Daraufhin habe der Zeuge T. dem Zeugen N. einen Kabelplan ausgehändigt, der den Hinweis enthalten habe, dass Abweichungen von der tatsächlichen Kabelführung möglich seien. Zum damaligen Zeitpunkt seien weder der genaue Standort des Zeltes noch dessen Abmessungen bekannt gewesen. Der Zeuge T. habe den Zeugen noch darum gebeten, vor der Errichtung des Zeltes erneut Kontakt aufzunehmen, um eine örtliche Einweisung durchzuführen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Gerade in Innenstädten mit geringer Bautätigkeit seien Abweichungen des Kabelverlaufes nicht unüblich.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 6.355,22 EUR zu zahlen mit der Maßgabe, dass von der Beklagten zu 1) 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB seit dem 10.2.2004 und von der Beklagten zu 2) 5 Prozentpunkte Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB ab Zustellung der Klageerweiterungsschrift aus der Hauptsumme begehrt werden.

Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Die Beklagte zu 1) hat die Auffassung vertreten, dass bei dem Verlauf von Erdkabeln lediglich mit Abweichungen in einer Größenordnung bis zu etwa 30 Zentimetern gerechnet werden müsse. Darüber hinaus sei sie für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht passivlegitimiert, da für den Auf- und Abbau des Zeltes allein die Beklagte zu 2) verantwortlich gewesen sei. Sie habe lediglich einen Zeltmeister zur Verfügung gestellt, der mit Rat und Tat behilflich gewesen sei. Es sei nicht Aufgabe des Zeltmeisters gewesen, den Verlauf der Leitungen festzustellen. Auch liege kein Organisationsverschulden vor. Es seien keine bedeutsamen Funktionen oder Tätigkeiten, die normalerweise in den Aufgabenbereich eines Organs einer juristischen Person gehörten, einem Dritten übertragen worden. Allein aus dem Umstand, dass zur Unterstützung eines Zeltaufbaus ein Zeltmeister abgestellt werde, könne nicht geschlossen werden, dass diesem bedeutsame wesensmäßige Funktionen zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen worden seien.

Das Landgericht hat der Klage gegenüber der Beklagten zu 1) in vollem Umfang stattgegeben und die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) gerichtet hat. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung und der darin getroffenen Feststellungen wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstrebt die Beklagte zu 1) die Abweisung der Klage. Sie vertritt die Auffassung, es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grunde die Beklagte zu 1) als Vermieterin des Zeltes verpflichtet gewesen wäre, Erkundigungen über Lage und Verlauf der Kabel einzuholen. Die in § 1 des Mietvertrags enthaltene Regelung über die Festlegung der Lage von Erd- und Freileitungen stelle keine Übertragung originär bestehender Verkehrssicherungspflichten dar, sondern diene lediglich der Klarstellung gegenüber dem Vertragspartner, dass die Beklagte zu 1) derartige Verkehrssicherungspflichten nicht übernehme. Auch sei eine Verkehrssicherungspflicht nicht dadurch entstanden, dass sie ihren Zeltmeister zur Verfügung gestellt habe, um mit Rat und Tat behilflich zu sein. Diese Hilfestellung sei in erster Linie deshalb notwendig geworden, weil die Größe des Zeltes besondere Anforderungen an den Aufbau gestellt habe. Durch die sonstigen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den beiden Beklagten sei jedoch hinreichend klargestellt worden, dass es gerade nicht die Aufgabe des Zeltmeisters sein sollte, sich um die Lage der Erdleitungen zu kümmern. Die einzige Tätigkeit des Zeltmeisters im Zusammenhang mit den Erdleitungen habe darin bestanden, dass er einen rund 50 bis 70 Zentimeter größeren Sicherheitsabstand von der Kabelführung empfohlen habe als den, den die Mitglieder des Veranstalters zunächst hätten einhalten wollen. Diese Aufforderung habe jedoch keine Verpflichtung des Zeltmeisters begründet, sich trotz der anderweitigen vertraglichen Absprachen im Einzelnen davon zu vergewissern, ob der Kabelverlauf zutreffend eingezeichnet gewesen sei.

Darüber hinaus habe das Landgericht die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht überspannt. Denn die Rechtsgrundsätze über die Erkundigungs- und Prüfungspflichten von Tiefbauunternehmen seien auf die Errichtung eines Festzeltes nicht zu übertragen. Das Einbringen von Erdnägeln für einen Zeltaufbau könne Tiefbauarbeiten nicht gleichgesetzt werden. Deshalb gehe der Hinweis auf die Anordnung einer Handschachtung fehl.

Schließlich müsse sich die Beklagte zu 1) das Verhalten ihres Zeltmeisters nach den Grundsätzen des Organisationsverschuldens nicht zurechnen lassen. Organisationspflichten in Bezug auf Erdleitungen träfen die Beklagte zu 1) schon deshalb nicht, weil die Feststellung und Überprüfung der Lage von Erdleitungen nicht zum Aufgabengebiet der Beklagten zu 1) gehört habe.

Die Beklagte 1) beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 7.7.2006 - 1 O 193/04 - die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 12.10.2006 (GA II Bl. 203 ff.), der Berufungserwiderung vom 30.11.2006 (GA II Bl. 220 ff.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagtenvertreter vom 26.2.2007 (GA II Bl. 233 ff.) und des Klägervertreters 12.3.2007 (GA II Bl. 240 ff.) verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 6.2.2007 (GA II Bl. 229 ff.) Bezug genommen.

II.

A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da das angefochtene Urteil weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen ein anderes Ergebnis rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte zu 1) ist der Klägerin zur Erstattung des der Höhe nach unstreitigen Schadens unter dem rechtlichen Aspekt der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gem. § 831 Abs. 1 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet.

1. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist nachgewiesen, nachdem die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat sowohl die den Eigentumsübergang tragenden Tatsachen - den Eingliederungs- und Übertragungsvertrag vom 22.6.1999 (GA I Bl. 56, 57, 66) - als auch die Zahlung der Reparaturrechnung unstreitig gestellt haben.

2. Zutreffend ist das Landgericht weiterhin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte zu 1) Verkehrssicherungspflichten hinsichtlich des Zeltaufbaus trafen.

a) Dafür streiten zwei Erwägungen: Nach anerkannten Grundsätzen ist derjenige, der einen Verkehr eröffnet, für die Sicherung des Verkehrs verantwortlich (Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 823 Rdnr. 46; MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rdnr. 232; Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl., § 823 E 19). Diese Fallgruppe ist in der Person der Beklagten zu 1) verwirklicht. Denn die Beklagte zu 1) schuf mit ihrer Entscheidung, das Zelt zu vermieten, die wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Zelt am fraglichen Ort aufgeschlagen werden konnte. Mithin eröffnete die Beklagte zu 1) den Verkehr, in dessen Verlauf der Schadensfall entstand. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1) ein zerlegtes, noch nicht aufgebautes Zelt vermietete, von dem im zerlegten Zustand keine wesentlichen Gefahren ausgingen. Denn es steht nicht in Zweifel, dass die Beklagte zu 2) das Zelt bestimmungsgemäß deshalb anmietete, um es aufzuschlagen. Es liegt auf der Hand, dass sowohl der Aufbau des Zeltes der vorliegend zu beurteilenden Art als auch die bestimmungsgemäße Nutzung desselben mit nicht unerheblichen Gefahren verbunden ist.

Zwar ist die hier vertretene Rechtsauffassung nicht unbestritten. So hat das OLG Nürnberg (OLGR 2004, 169) die Auffassung vertreten, dass den Eigentümer eines Festzeltes, der das Zelt vermietet und einen Dritten mit dessen Aufstellung beauftragt, in eigener Person keine Überwachungs- bzw. Erkundigungspflichten hinsichtlich der Lage von Versorgungsleitungen träfen, wenn der Dritte seit Jahren unbeanstandet derartige Zelte gemietet und aufgestellt habe. Es kann dahinstehen, ob dieser Auffassung gefolgt werden kann. Im vorliegenden Fall liegen selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des OLG Nürnberg die Voraussetzungen für eine Haftungsbefreiung nicht vor: Es ist nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 2), die das Zelt anmietete und nach ihrem eigenen Sachvortrag gerade nicht für den Aufbau sorgen sollte, oder der den Zeltaufbau bewerkstelligende Veranstalter qualifizierte Erfahrungen mit dem Aufbau von Zeltanlagen der vorliegenden Art besaßen. In dieser Situation ist ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten zu 1), dass beim Aufbau des Zeltes eine Gefährdung von fremden Rechtsgütern ausgeschlossen war, nicht erkennbar. Im Ergebnis kann die vom OLG Nürnberg aufgeworfene Rechtsfrage aus einem weiteren Grund unentschieden bleiben. Denn die Verkehrssicherungspflicht folgt jedenfalls aus dem sogleich darzulegenden Aspekt:

b) Es entspricht ebenso anerkannten Grundsätzen, dass sich die Verkehrssicherungspflicht aus der Übernahme einer faktischen Tätigkeit ergeben kann, sofern diese mit objektiven Gefahren verbunden ist (Palandt/Sprau, aaO.; MünchKomm(BGB)/Wagner, aaO., Rdnr. 235; Staudinger/Hager, aaO., E. 21). Auch diese Voraussetzungen liegen vor. Denn der Zeltmeister der Beklagten zu 1) nahm nach den unangefochtenen Feststellungen des Landgerichts tatsächlich die Leitung des Zeltaufbaus wahr, der allein aufgrund der Größe des Zeltes mit nicht unerheblichen Gefahren verbunden war. Alle am Zeltaufbau beteiligten Personen leisteten seinen Weisungen Folge. Es steht außer Streit, dass das Zelt auf Anweisung des Zeltmeisters nicht an der ursprünglichen Stelle, sondern 1 m versetzt aufgebaut wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) kann es dahinstehen, ob die Mitwirkung des Zeltmeisters vordringlich deshalb geschah, um die notwendige Standfestigkeit des Zeltes zu gewährleisten. Denn diese Intention ändert nichts daran, dass der Zeltmeister mit seinem Rat, die Erdnägel versetzt einzuschlagen, den Zeltaufbau in tatsächlicher Hinsicht nicht nur unter statischen Aspekten leitete, sondern auch hinsichtlich des Leistungsrisikos die Verantwortung für den richtigen Standort übernahm.

c) Entgegen der Auffassung der Berufung handelt es sich bei beiden die Verkehrssicherungspflicht begründenden Aspekten um originäre Verkehrssicherungspflichten der Beklagten zu 1).

Die Frage, in welchem Umfang die Beklagte zu 1) Verkehrssicherungspflichten auf die Beklagte zu 2) übertragen konnte, besitzt für den Ausgang des Rechtsstreits keine rechtliche Relevanz: Wird die haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung daraus hergeleitet, dass der Verkehrssicherungspflichtige eine tatsächliche, positive Handlung wahrgenommen hat, so kann er sich seiner Verantwortung jedenfalls im Verhältnis zu dem gefährdeten Verkehr nicht mit dem Argument entlasten, dass er zu einer Übernahme der gefahrenträchtigen Handlung aus Rechtsgründen, die in einem vertraglichen Rechtsverhältnis wurzeln, nicht verpflichtet gewesen sei. Die Haftung beruht allein auf der faktischen Beherrschung des übernommenen Risikos. Überdies sind Verkehrssicherungspflichten allgemeine Rechtspflichten, die gegenüber jedermann zu wahren sind. Sie werden durch rechtliche Sonderbeziehungen im Grundsatz nicht tangiert.

3. Auch soweit es das Landgericht der Beklagten zu 1) in Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht auferlegt hat, vor dem Eintreiben der Zeltnägel spezifische Erkundigungen über die genaue Lage der Leitungen einzuholen, deren Unterlassen es geboten erscheinen ließ, eine Handschachtung vorzunehmen, hält das Urteil den Angriffen der Berufung stand.

a) Es entspricht anerkannten Rechtsgrundsätzen, dass derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Nicht jeder abstrakten Gefahr kann vorbeugend begegnet werden. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Vielmehr reicht es aus, diejenigen - zumutbaren - Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Entscheidend ist aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die nahe liegende Gefahr, dass fremde Rechtsgüter verletzt werden können (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.5.2006 - VI ZR 189/05, NJW 2006, 2326; Urt. v. 2.2.2006 - III ZR 159/05, VersR 2006, 803, Urt. v. 8.11.2005 - VI ZR 332/04, NJW 2006, 610).

b) Die Kasuistik beschäftigt sich mit den Sorgfaltsanforderungen bei der Durchführung von Tiefbau- bzw. Erdarbeiten. Hier gilt es als gesichert, dass Erdarbeiten in Bezug auf im Erdreich verborgene Leitungen für die angesprochenen Verkehrskreise ein erkennbares Risiko bergen. Dieses Risiko ist mit Blick darauf, dass mögliche Schäden an Leitungen nicht selten ein erhebliches Ausmaß annehmen, noch gesteigert und verlangt eine besondere Sorgfalt (BGH, Urt. v. 20.12.2005 - VI ZR 33/05, NJW-RR 2006, 829; OLGR Hamm 2003, 182). So muss der Tiefbauunternehmer, der mit dem Vorhandensein von Versorgungsleitungen rechnet, äußerste Vorsicht walten lassen. Er hat sich im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung die Kenntnis zu verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzt. An erster Stelle sind verlässliche Pläne zu bemühen. Sind im innerstädtischen Bereich die örtlichen Gegebenheiten nicht hinreichend durch Pläne zu klären, so müssen ergänzende Erkundungen durch Probebohrungen oder gar durch Ausschachtungen von Suchgräben erfolgen, die unter Verzicht auf den Einsatz schwerer Geräte gegebenenfalls durch Handschachtung vorzunehmen sind (BGH, NJW-RR 2006, 674; OLG Koblenz VersR 2003, 474; OLGR Bamberg 2003, 119; OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 22; OLGR Düsseldorf 2002, 326; OLG Köln NJW-RR 1992, 983).

c) Diese für Tiefbau- und Erdarbeiten anerkannten Rechtsgrundsätze sind mit wenigen Einschränkungen auf Zeltgründungsarbeiten zu übertragen. Werden - wie im vorliegenden Fall - Erdnägel mittels eines Rammgerätes ca. 80 Zentimeter in die Erde eingetrieben, so birgt diese Arbeit die nicht fern liegende Gefahr, dass Leitungen zu Schaden kommen können. Diese Gefahren sind durchaus beträchtlich. Es ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, die Sorgfaltsanforderungen zum Nachteil des Leitungseigentümers abzusenken. Einschränkungen sind nur insoweit anzuerkennen, als die Verkehrssicherungspflichten der Einschlagtiefe und der Einschlagenergie Rechnung tragen müssen: Es kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht angesonnen werden, nach solchen Leitungen Ausschau zu halten, die erfahrungsgemäß in einer viel größeren Tiefe verlegt werden. Auch mag es stabile Leitungen - etwa Kanalrohre aus Beton - geben, die den Hammerschlägen standzuhalten vermögen. Jedoch besitzen diese Einschränkungen im vorliegenden Fall keine Relevanz.

d) Diesen Anforderungen wurde der Zeltmeister nicht gerecht. Er wusste, dass im Bereich des Marktplatzes Kabel verlegt waren. Wie seine eigene Anweisung zeigt, das Zelt in einem größeren als dem ursprünglich vorgesehenen Abstand zu errichten, war er sich durchaus im Klaren, dass die tatsächlichen Trassen mitunter von der zeichnerischen Darstellung abweichen. Demgegenüber ist ein Erfahrungssatz, dass der von ihm gewählte Abstand von zirka einem Meter eine Beschädigung der Kabel sicher vermeidet, nicht anerkannt. Auch der Umstand, dass Stromkabel im Regelfall in einer Tiefe von mindestens einem Meter verlegt zu werden pflegen, entlastet den Zeltmeister nicht. Bereits seine eigene Weisung, sicherheitshalber einen Meter Abstand zu halten, zeigt, dass die Möglichkeit einer Kabelverlegung in geringerer Höhe nach seiner eigenen Anschauung nicht fern lag. Mithin war er gehalten, entweder die Verlässlichkeit der anhand des Kabelplanes gefertigten Markierungen an geeigneter Stelle exemplarisch zu überprüfen oder aber die Gründungsarbeiten anstatt mit einem pneumatischen Gerät im Handbetrieb zu realisieren. Stattdessen ließ er die Mitglieder des Vereins gewähren, obwohl er wusste, dass diese gewissermaßen blindlings auf die Richtigkeit des Kabelplanes vertrauten.

4. Nicht frei von Bedenken erscheint es jedoch, die Versäumnisse des Zeltmeisters der Beklagten zu 1) gem. § 31 BGB zuzurechnen.

a) Gemäß § 31 BGB ist der Verein - § 31 BGB gilt für alle juristischen Personen (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 31 Rdnr. 3) - für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter durch eine in Ausübung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Zeugen S. nicht vor. Denn unstreitig war der Zeltmeister kein satzungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten zu 1).

b) Allerdings hat § 31 BGB insoweit eine analoge Rechtsanwendung erfahren, als die Repräsentantenhaftung nicht notwendig in der Satzung verankert sein muss. Vielmehr haftet der Verein, wenn dem Vertreter durch allgemeine Betriebsregelung oder Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass der Vertreter die juristische Person auf diese Weise repräsentiert (BGHZ 43, 19, 21; MünchKomm(BGB)/Reuter, § 31 Rdnr. 5; Staudinger/Weick, BGB, 13. Aufl., § 31 Rdnr. 33, 36). In der Kasuistik werden diese Voraussetzungen bei Filialleitern größerer Unternehmen, aber auch bei Chefärzten in Krankenhäusern, allgemein wohl immer dann anerkannt, wenn der Repräsentant zu den leitenden Angestellten der juristischen Personen zählt (MünchKomm(BGB)/Reuter, aaO., Rdnr. 20 f.; Palandt/Heinrichs, aaO., Rdnr. 7 ff.).

c) Gleichwohl überzeugt es nicht, dass auch der Zeltmeister im vorliegenden Fall zu diesem Personenkreis gehört. Es erschließt sich nicht hinreichend, welche Größe das Unternehmen der Beklagten zu 1) hat. Mithin kann nicht nachvollzogen werden, ob sich die faktische Notwendigkeit stellte, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person außerhalb der Geschäftsleitung zu vergeben. In jedem Fall wird das Aufgabenfeld des Zeltmeisters von der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin nicht hinreichend genau beschrieben. Ob der Zeltmeister tatsächlich die Stellung eines leitenden Angestellten besaß, bleibt offen.

d) Auch der Auffassung des Landgerichts, die Zurechnung nach § 31 BGB sei deshalb gerechtfertigt, weil es die Beklagte zu 1) unterlassen habe, ihren Geschäftsbetrieb so zu organisieren, als wäre der tatsächlich eingesetzte Vertreter ein satzungsmäßig berufener Vertreter, vermag sich der Senat nicht anzuschließen: Wenn die Tätigkeit des Zeltmeisters nach den vorstehenden Erwägungen tatsächlich keine leitenden Funktionen beinhaltete, kann der Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen werden, die Funktion des Zeltmeisters nicht satzungsmäßig abgesichert zu haben.

e) Schließlich ist im Rahmen der Prüfung des § 31 BGB nicht ersichtlich, dass die Geschäftsführung der Beklagten zu 1) selbst ein Verschulden träfe, weil sie es unterlassen hätte, Regeln über die Verkehrssicherung von Zelten aufzustellen und deren Einhaltung zu überwachen (vgl. BGHZ 27, 278; 32, 352). Ein derartiges Defizit hat die insoweit im Rahmen des § 31 BGB darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht aufgezeigt. Vielmehr ist im Rahmen der Prüfung des § 31 BGB davon auszugehen, dass die Verkehrsicherung einer sachkundigen Person anvertraut wurde.

5) Letztlich kann die Frage nach der richtigen Anwendung des § 31 BGB im Ergebnis unentschieden bleiben, da eine Zurechnung jedenfalls nach § 831 BGB erfolgen kann. Bei dem Zeugen S. handelte sich um einen Verrichtungsgehilfen im Sinne der genannten Vorschrift. Die Weisungsbefugnis der Beklagten zu 1) und die erforderliche Abhängigkeit des Dienstverhältnisses stehen außer Streit.

Auch kann die Beklagte den Entlastungsbeweis gem. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht führen. Denn nach richtiger Auffassung ist neben der sorgfältigen Auswahl der mit der Verrichtung betrauten Person die fortgesetzte Prüfung erforderlich, ob der Angestellte zu den Verrichtungen befähigt ist. Art und Ausmaß der Überwachung richten sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Gefährlichkeit der Tätigkeit, der Persönlichkeit des Gehilfen und seiner bisherigen Bewährung (Palandt/Sprau, aaO., § 831 Rdnr. 14). Besonders strenge Maßstäbe sind anzulegen, wenn die Tätigkeit für die öffentliche Sicherheit mit Gefahren oder mit gravierenden Risiken für Leben und Gesundheit oder Eigentum Dritter verbunden ist (BGH, Urt. v. 25.9.2002 - VIII ZR 253/99, NJW 2003, 288, 289).

Diese Voraussetzungen wurden im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Denn die Beklagte zu 1) hat im nachgelassenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.2.2007 vorgetragen, dass sie ihrem Zeltmeister keinerlei Weisung an die Hand gegeben hat, um beim Aufbau des Zeltes und den hierfür unerlässlichen Zeltgründungsarbeiten Leistungsschäden zu vermeiden.

5. Die Auffassung des Landgerichts zum fehlenden Mitverschulden der Klägerin lässt keine Rechtsfehler erkennen und wird von der Berufung nicht entkräftet. Schließlich steht die Schadenshöhe im Berufungsverfahren außer Streit.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten zu 1) liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung nicht vor: Grundsätzliche Bedeutung besitzt eine Rechtssache nicht bereits dann, wenn sich eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage stellt, die in der höchstrichterlichen Rechtssprechung noch nicht entschieden wurde. Vielmehr kommt einer Rechtssache nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 152, 182, 190; Beschlüsse vom 10.12.2003 - IV ZR 319/02, NJW-RR 2004, 476; 27.3.2003 - V ZR 291/02, NJW 2003, 1943; XI ZR 71/02, NJW 2003, 1943; ebenso Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 543 Rdnr. 11; Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 543 Rdnr. 5) erst dann Grundsatzbedeutung zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Hierbei muss erkennbar werden, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist und dass die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits nicht nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind.

Jedenfalls die letztgenannte Voraussetzung liegt nicht vor: Es ist nicht erkennbar, in welchem Umfang die von der Berufung für grundsätzlich erachtete Rechtsfrage nach den Sorgfaltsanforderungen bei der Zeltgründung in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert wird. Selbst eine von der Rechtsauffassung des Senats abweichende Publikation der Verkehrskreise zeigt die Berufung nicht auf.

Ende der Entscheidung

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