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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.05.2004
Aktenzeichen: 4 U 589/03
Rechtsgebiete: HOAI
Vorschriften:
HOAI § 15 I Nr. 1 | |
HOAI § 15 I Nr. 2 | |
HOAI § 15 I Nr. 3 | |
HOAI § 15 I Nr. 4 | |
HOAI § 15 I Nr. 5 | |
HOAI § 15 I Nr. 6 | |
HOAI § 15 I Nr. 7 | |
HOAI § 15 I Nr. 8 | |
HOAI § 15 I Nr. 9 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 25.05.2004
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11.05.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Gaillard sowie die Richter am Oberlandesgericht Göler und Dr. Knerr
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 05.08.2003 - 14 O 480/97 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird, soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als 12.314,52 EUR nebst 12 % Zinsen seit dem 18.11.1995 und 5,11 EUR vorgerichtlichen Mahnkosten verurteilt worden ist.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 125 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
I.
Der Kläger hat für einen Autohaus-Neubau des Beklagten Architektenleistungen erbracht und nach Abzug gezahlter 53.145 DM ein Resthonorar von 32.666,32 DM = 16.701,97 EUR nebst Zinsen und Mahnkosten eingeklagt. Nach dem zwischen ihnen geschlossenen Architektenvertrag vom 17.11.1991 (Bl. 6 ff. d.A.) war für die übertragenen Grundleistungen des § 15 I Nr. 1-9 HOAI ein Pauschalhonorar von 51.000 DM + 14 % MwSt vereinbart worden. Diesem legten die Parteien eine Bausumme von 1,3 Mio. DM zugrunde, deren Veränderung um bis zu 10 % keinen Einfluss auf das Honorar haben sollte. Bei höheren Veränderungen sollte sich auch das Honorar um 4.000 DM pro 100.000 DM der Mehr- oder Minderkosten erhöhen oder ermäßigen. Unstreitig beliefen die Baukosten sich auf 2,14 Mio. DM.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Widerklage auf Zahlung von 363.017,24 EUR nebst Zinsen erhoben. Er hat u.a. eingewandt, mit dem Kläger eine Höchstbausumme von 1,3 Mio. DM vereinbart zu haben, aus deren Überschreitung dieser kein Honorar beanspruchen könne. Zudem habe der Kläger geschuldete Leistungen nicht erbracht, weshalb sein Honoraranspruch sich entsprechend vermindere. Außerdem hätten die vertragswidrige Bausummenüberschreitung und Unterlassung der geschuldeten Kostenermittlungen andernfalls vermiedene höhere Baukosten und Finanzierungsmehraufwendungen verursacht, die der Gebäudewert nur teilweise ausgleiche.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil der Beklagte weder die Vereinbarung des geltend gemachten Kostenlimits noch nachgewiesen habe, dass der Kläger pflichtwidrig höhere Baukosten verursacht habe; auch soweit er Teilleistungen nicht erbracht habe, sei das vereinbarte Pauschalhonorar angesichts des eingetretenen Erfolges nicht zu kürzen. Die Widerklage hat das Landgericht zum einen deshalb abgewiesen, weil dem Beklagten durch höhere Baukosten kein Schaden entstanden sei, die ebenso wie ein Teil des Finanzierungsmehraufwands durch den höheren Gebäudewert ausgeglichen seien, den der Beklagte sich als Vorteil anrechnen lassen müsse; im Übrigen sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger den geltend gemachten Finanzierungsmehraufwand pflichtwidrig verursacht habe.
Gegen dieses ihm am 09.09.2003 zugestellte Urteil vom 05.08.2003 hat der Beklagte am 08.10.2003 Berufung eingelegt, die er binnen der ihm verlängerten Frist begründet hat.
Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungs- sowie sein auf 145.118,95 EUR nebst Zinsen ermäßigtes Widerklagebegehren weiter. In dieser Höhe hätten er und seine Ehefrau auf Gehaltsansprüche gegen die Mieterin des streitgegenständlichen Autohauses verzichtet, um ihr die Zahlung der vereinbarten Miete zu ermöglichen, womit der Finanzierungsmehraufwand erwirtschaftet worden sei, den der Kläger durch seine pflichtwidrige Kostenüberschreitung sowie dadurch verursacht habe, dass er deren Vermeidung durch die unterlassenen Kostenermittlungen verhindert habe.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern, die Klage abzuweisen und den Kläger auf die Widerklage zur Zahlung von 145.116,40 EUR nebst 6,92 % Zinsen ab Zustellung der Widerklage zu verurteilen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil ebenfalls unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil, die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Akten 12 O 113/93 und 4 O 134/93 des Landgerichts Saarbrücken Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO) ist lediglich insoweit begründet, als das zuerkannte Architektenhonorar wegen teilweise nicht ausgeführter Architektenleistungen entsprechend zu kürzen war. Im Übrigen ist sie nicht begründet, da das angefochtene Urteil insoweit weder auf einer Rechtsverletzung zum Nachteil des Beklagten beruht noch die zugrunde zu legenden Tatsachen eine ihm günstigere Entscheidung rechtfertigen (§§ 513 I, 529 I, 546 ZPO).
1. Die von seinem zutreffend gewürdigten Verhandlungs- und Beweisergebnis getragene Feststellung des Landgerichts, der Beklagte habe die Vereinbarung einer Höchstbausumme nicht nachgewiesen, lässt weder einen Rechtsfehler (§§ 513 I, 546 ZPO) noch konkrete Zweifel an ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit erkennen (§ 529 I ZPO). Gegen eine solche Vereinbarung spricht eindeutig der von beiden Parteien unterzeichnete Architektenvertrag, dem auch als Privatkunde gemäß § 416 ZPO die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit zukommt mit der Folge, dass die Beweislast für hiervon abweichende Erklärungen oder sonstige außerhalb der Urkunde liegende Umstände diejenige Partei trifft, die sich hierauf beruft (BGH NJW 1999, 1702, (1703(; Senat, Urteil vom 25.03.2003 - 4 U 955/00-237; Zöller/Geimer, ZPO, 21. Aufl., § 416 Rn 10). Dieser schriftliche Vertrag beinhaltet auch nicht andeutungsweise die Vereinbarung eines Kostenlimits, das als Beschaffenheitsvereinbarung der in Auftrag gegebenen Architektenleistungen (BGH, NJW-RR 1997, 850; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Einl. Rn. 106) nach eigenem Sachvortrag des Beklagten von so wesentlicher Bedeutung war, dass nichts näher gelegen hätte, als diesen essentiellen Vertragsbestandteil bei entsprechender Vereinbarung auch in den Vertrag aufzunehmen. Statt dessen ist - sogar auf Initiative des Beklagten - ausdrücklich eine Veränderung der lediglich dem Pauschalhonorar zugrunde gelegten Bausumme bedacht und das Architektenhonorar für den Fall ihrer Veränderung um mehr als 10 % detailliert geregelt worden (§ 15 des Architektenvertrages, Rückseite Bl. 13 d.A.). Hinzu kommt, dass Änderungen, Ergänzungen oder Nebenabreden nach § 9 des Architektenvertrages schriftlich erfolgen sollten. Angesichts dieser beweiskräftig dokumentierten vertraglichen Vereinbarungen ist die vom Landgericht festgestellte Beweisfälligkeit des Beklagten hinsichtlich der von ihm behaupteten Vereinbarung einer Höchstbausumme aus den in Bezug genommenen zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Urteils nicht zu beanstanden. Diese entscheidungserhebliche Feststellung lässt weder eine Rechtsverletzung (§§ 513 I, 546 ZPO) noch konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit (§ 529 I Nr. 1 ZPO) erkennen. Auch wenn nach dem gesamten Verhandlungs- und Beweisergebnis davon auszugehen sein sollte, dass der Beklagte ursprünglich nicht die Absicht hatte, eine ihm vorschwebende Größenordnung der Bausumme zu überschreiten, ist nicht erwiesen, dass er mit dem Kläger eine entsprechende Höchstbausumme als Beschaffenheitsvereinbarung der in Auftrag gegebenen Architektenleistungen in verbindlicher Weise vereinbart hätte. Eine solche Vereinbarung haben die vernommenen Zeugen nicht hinreichend bestätigt. Sie ergibt sich auch nicht aus dem schriftlichen Architektenvertrag, der im Gegenteil keine derartige Höchstbausumme beinhaltet und angesichts der Vermutung seiner Vollständigkeit und Richtigkeit hinreichend im Sinne des § 286 I ZPO dafür spricht, dass die Parteien eine solche nicht vereinbart haben.
2. Dass unterlassene Kostenermittlungen des Klägers höhere Baukosten und Finanzierungsmehraufwendungen verursacht hätten, die andernfalls vermieden worden wären, hat der Beklagte nach zutreffender Feststellung des angefochtenen Urteils ebenfalls nicht nachgewiesen. Die Beweislast für die Schadensursächlichkeit dieser Pflichtwidrigkeit trägt der Beklagte, der diese Ursächlichkeit nicht nur spezifiziert vorzutragen, sondern auch nachzuweisen hat, wobei ihm Beweiserleichterungen wie etwa die Vermutung eines aufklärungsgerechten Verhaltens nicht zugute kommen (BGH, NJW-RR 1997, 850 (852(). Denn wie ein Bauherr sich verhält, der von seinem Architekten über die Höhe der zu erwartenden Baukosten pflichtgemäß aufgeklärt wird, entzieht sich jeder typisierenden Betrachtung und hängt so sehr von seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen sowie seinen finanziellen Möglichkeiten und sonstigen Umständen ab, dass sich ein Erfahrungsurteil als Grundlage einer Vermutung verbietet (BGH, a.a.O.; OLG Braunschweig, BauR 2003, 1066 (1068 f.(). Wie der Beklagte auf eine vertragsgerechte Kostenermittlung und Mitteilung des Klägers reagiert hätte, hat er noch nicht einmal substantiiert vorgetragen. Welche weiteren Kosteneinsparungen nach allen bereits erfolgten erheblichen Reduzierungen des Baukörpers und der Außenanlagen überhaupt noch in Betracht gekommen wären, ist weder dargetan noch ersichtlich. Dass der Beklagte gänzlich von seinem Bauvorhaben Abstand genommen hätte, steht ebenfalls nicht hinreichend fest. Hiergegen sprechen bereits die geltend gemachten erheblichen freiwilligen Einkommensverzichte, um das Autohaus auf eigenem Grund und Boden zu erhalten (Seite 28 der Berufungsbegründung, Bl. 566 d.A.). Dass solche Opfer bei früherer Kostenmitteilung nicht in Kauf genommen worden wären, ist nicht plausibel dargetan.
3. Nach unbestritten gebliebenem Sachvortrag des Beklagten hat der Kläger die Kostenermittlungen der Leistungsphasen 2, 3 und 7 des § 15 HOAI ebenso wenig erbracht wie die gesamte Leistungsphase 9. Da letztere gänzlich entfiel und die Kostenermittlungen der vorgenannten Phasen zu deren zentralen Leistungen gehören, hat der Kläger so wesentliche Teile der von ihm geschuldeten Architektenleistungen nicht erbracht, dass zur Wahrung des Synallagmas zwischen Leistung und Gegenleistung auch sein Honoraranspruch entsprechend zu kürzen war (OLG Braunschweig, BauR 2003, 1066 f.; OLG Düsseldorf, BauR 2000, 290 (292(; OLG Hamm, BauR 1994, 793 (794(; Locher/Koeble/Frik, a.a.O., § 5 Rn 12 und 20-21 m.w.Nachw.). Da diese gemäß § 287 ZPO zu schätzende Kürzung des vereinbarten Architektenhonorars einerseits die gesetzliche Bewertung der Honoraranteile des § 15 I HOAI, andererseits aber auch das erkennbar gewordene erhebliche Interesse des Beklagten an den Kostenermittlungen zu berücksichtigen hat, hält der Senat eine Kürzung des vereinbarten Pauschalhonorars um insgesamt 10 % für angemessen. Da der Kläger ausweislich seiner Klageberechnung insgesamt lediglich 85.811,22 DM beansprucht, waren ihm daher nach Abzug dieser Kürzung sowie der erfolgten Zahlungen von 53.145 DM nur noch 24.085,10 DM = 12.314,52 EUR zuzusprechen, deren Verzinsung und Mahnkosten sich aus §§ 284, 286 BGB a.F., Art. 229 § 5 EGBGB ergeben.
4. Soweit der Beklagte hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils begehrt, sind deren Voraussetzungen weder dargetan noch ersichtlich (§ 538 II ZPO).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II Nr. 1 ZPO, die Vollstreckbarerklärung aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Nichtzulassung der Revision aus § 543 II ZPO.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 161.818,37 EUR (§§ 12, 14, 19 I 1, 25 II GKG).
Ende der Entscheidung
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