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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 4 U 659/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, HGB
Vorschriften:
BGB § 135 | |
BGB § 136 | |
BGB § 242 | |
BGB § 677 | |
BGB § 683 | |
ZPO § 529 | |
ZPO § 829 Abs. 1 Satz 2 | |
HGB § 17 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 07.03.2006
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Göler sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr und Dr. Knerr auf die mündliche Verhandlung vom 31.1.2006
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. November 2004 - 4 O 382/03 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 130.630,46 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Das klagende Land nimmt die Beklagte aus gepfändetem Recht des J. T. (im Folgenden: Schuldner) auf Zahlung in Anspruch.
Der Schuldner betreibt unter den Namen L. (im Folgenden: L.) ein Unternehmen für gewerbliche Finanzierungen und Leasing. Er verwendet hierbei Briefköpfe, die keinen Gesellschaftszusatz tragen; in der Fußzeile der entsprechenden Briefbögen findet sich die Eintragung, dass J. T. als Geschäftsführer fungiert und das Unternehmen unter einer näher bezeichneten Angabe im Handelsregister eingetragen ist.
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 12.2.2003 (Bl. 11 d. A.) pfändete das klagende Land wegen Steuerschulden des Schuldners im Gesamtbetrag von 130.630,46 EUR "Forderungen, die dem Vollstreckungsschuldner gegen Sie (gemeint ist die Beklagte) aus Kaufverträgen und Provisionen zustehen und künftig zustehen werden." Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde der Beklagten am 14. oder 15.2.2003 zugestellt. Unter der Datumsangabe 25.2.2003 hat die Beklagte in der Drittschuldnererklärung (Bl. 13 d. A.) angegeben, dass keine Forderungen des "Herrn J. T." gegen die G. GmbH bestünden.
An 26./27.2.2003 verkaufte die Firma L. der Beklagten mehrere LKWs, die sie ihrerseits von einer Firma G1 gekauft hatte. Unter der Datumsangabe 27.2.2003 wurden die einzelnen Kaufverträge insgesamt in vier Rechnungen fakturiert (Bl. 14 bis 18 d. A.). Absprachegemäß beglich die Beklagte die Rechnungen durch eine am 6.3.2003 (Bl. 30 d. A.) veranlasste direkte Überweisung in Höhe von 206.680 EUR an die Firma G1, die sich gegen Zahlung des Kaufpreises zur Übergabe der Kfz-Briefe bereiterklärt hatte. Der Kaufpreis der Rechnung Nr. in Höhe von 13.920 EUR wurde durch Überweisung an die Lebensgefährtin des Gemeinschuldners beglichen, die nach dem Vortrag der Beklagten im Besitz des Briefes für den Sattelauflieger gewesen sei und nur gegen Zahlung des Kaufpreises bereit gewesen sei, den Brief herauszugeben.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagten sei bekannt gewesen, dass es sich bei der Firma L. um ein Einzelunternehmen des Inhabers J. T. gehandelt habe. Dieser Sachverhalt werde dadurch belegt, dass der Geschäftsführer der Beklagten mit dem Gemeinschuldner persönliche Kontakte gepflegt habe, was z. B. durch einen Bewirtungskostenbeleg vom 26.10.2002 nachgewiesen werde.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 130.630,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 6.6.2003 zu zahlen.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte behauptet, ihr sei zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen, dass der Gemeinschuldner Inhaber der Firma L. gewesen sei; sie sei davon ausgegangen, dass es sich um eine Gesellschaft gehandelt habe, deren Geschäftsführer der Schuldner gewesen sei. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch des Klägers bereits deshalb nicht bestehe, weil dem Schuldner keine Zahlungsansprüche zugestanden hätten: Nach dem Inhalt der getroffenen Absprache habe die Zahlung unmittelbar an die Firma G1 bzw. an die Lebensgefährtin des Schuldners erfolgen sollen. In jedem Falle stünden der Beklagten Aufwendungserstattungsansprüche zu, die daraus resultierten, dass der Beklagten bis zur Übergabe der Kfz-Briefe durch die Firma G1 ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden hätte und sie die Kaufpreise dafür habe verwenden müssen, dass sie das Eigentum an den Kraftfahrzeugen erhalten habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).
Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die gepfändete Forderung ausreichend bezeichnet gewesen sei. Im vorliegenden Fall hätte es ausgereicht, entweder die normale Kunden- und Lieferantenkartei der Beklagten auf den Namen des Schuldners zu durchsuchen, um den Schuldner zu identifizieren. Der Umstand, dass der Schuldner auf dem Briefkopf der Firma L. als Geschäftsführer bezeichnet sei, sei unschädlich, da sich aus dem Briefkopf insgesamt ergebe, dass die Firma keine juristische Person sei. Im Wege der Interpretation hätte die Beklagte unschwer feststellen müssen, dass es sich insoweit um den Inhaber der Firma handele. Da die Firma L. ein Einmannbetrieb sei, seien alle Kontakte zur Beklagten - sei es über den Geschäftsführer oder den Prokuristen - einzig und allein über den Schuldner persönlich erfolgt. Es liege daher auf der Hand, dass die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter den Namen des Schuldners kannten und ohne Schwierigkeiten mit der Firma L. in Verbindung bringen mussten, zumal die Beklagte nicht mit einer unüberschaubar großen Anzahl von Personen Kaufverträge abgeschlossen habe, aus denen die gepfändeten Ansprüche resultieren konnten. Etwaige Unklarheiten hätten durch Einsicht in das Handelsregister vermieden werden können. Da der letzte Vertragsabschluss mit einer Differenz von lediglich ein oder zwei Tagen zur Drittschuldnererklärung erfolgt sei, hätte es dem Prokuristen bei Abgabe der Drittschuldnererklärung auffallen müssen, dass der Schuldner und die Firma L. in Verbindung stünden. Zumindest in dieser Situation hätte Veranlassung bestanden nachzurecherchieren, welche Bewandtnis es damit habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 4 O 382/03 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 130.630,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % - Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.6.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie macht geltend:
Schon seit 2001 habe die Beklagte mehrfach Fahrzeuge von der Firma L. gekauft. Hierbei seien die Kaufvertragsverhandlungen jeweils telefonisch erfolgt. Nach Abschluss der telefonischen Kaufverträge habe die Firma L. der Beklagten jeweils Verkaufsrechnungen übersandt, die von der Beklagten nach Übernahme der Fahrzeuge und Erhalt der Fahrzeugbriefe auch ausgeglichen worden seien. Aufgrund der Angaben, die sich auf den Rechnungen der Firma L. befunden hätten, sei der Prokurist der Beklagten davon ausgegangen, dass es sich bei dem Schuldner um den Geschäftsführer der Firma L. handele. Auf die Idee, es könne sich um den Inhaber der Firma handeln, sei der Prokurist nicht gekommen. Auch anhand der Kundenkartei der Beklagten habe der Prokurist nicht erkennen können, dass der Schuldner Inhaber der Firma sei. Als Kunde der Beklagten sei der Schuldner in der Kartei nicht bezeichnet gewesen.
Nach Auffassung der Beklagten ist die gepfändete Forderung in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes nicht hinreichend bestimmt, da weder die Firma L. erwähnt noch ein Hinweis darauf enthalten sei, dass der Schuldner Inhaber dieser Firma sei. Eines solchen Hinweises hätte es bedurft, da es nur dann der Beklagten wie jedem anderen Dritten möglich gewesen wäre, die gepfändete Forderung zuzuordnen. Darüber hinaus könne die Pfändungs- und Einziehungsverfügung die hier fraglichen Kaufpreisforderungen schon deshalb nicht umfassen, da zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht absehbar gewesen sei, dass ein weiterer Vertrag zwischen der Firma L. und der Beklagten abgeschlossen werden würde. Die in den Jahren 2001 und 2002 getätigten Geschäfte hätten ausschließlich auf individuellen, nur das jeweilige Geschäft treffenden Kaufvertragsverhandlungen beruht. Eine Absprache des Inhalts, dass die Firma L. der Beklagten regelmäßig Fahrzeuge anzubieten habe und diese von der Beklagten abzunehmen seien, sei nicht getroffen worden. Im Hinblick darauf habe die Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung der Einziehungsverfügung nicht damit rechnen können, dass die Firma aufgrund eines noch abzuschließenden Kaufvertrages eine Forderung gegen sie erwerben würde.
Überdies sei die Klage deshalb nicht begründet, weil das Finanzamt aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung keinen Zahlungsanspruch erworben habe, da der Firma L. nur ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises an die Firma G1 zugestanden habe. Einen etwa gepfändeten Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises an G1 bzw. die Frau N. habe die Beklagte durch Zahlung erfüllt.
Selbst dann, wenn ein etwaiger, dem Kläger durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zustehender Anspruch des Schuldners nicht durch Zahlungen der Beklagten erloschen wäre, wäre der geltend gemachte Anspruch nicht begründet, da der Kläger sich zurechnen lassen müsse, dass die Beklagte in Unkenntnis der Pfändung gezahlt habe. Eine von dem Schuldner in Unkenntnis der Pfändung vorgenommene Zahlung befreie diesen.
Hilfsweise rechnet sie auf: Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass ihr bis zur Verschaffung des Eigentums an den Fahrzeugen und bis zur Übergabe der Fahrzeugbriefe gegenüber einem durch das Finanzamt geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden hätte. Dieses Zurückbehaltungsrecht sei nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte den Kaufpreis an die Firma G1 und Frau N. gezahlt habe. Dies habe zur Folge, dass der Pfändungsgläubiger lediglich verlangen könne, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Drittschuldner nicht an den Schuldner oder den von diesem bestimmten Dritten gezahlt hätte. Mit Rücksicht auf das der Beklagten zustehende Zurückbehaltungsrecht, von dem die Beklagte Gebrauch gemacht hätte, hätte das Finanzamt die Zahlung des Kaufpreises nur verlangen können, wenn es der Beklagten im Gegenzug die Übertragung des Eigentums an den verkauften Fahrzeugen und die Übergabe der Fahrzeugbriefe angeboten hätte. Hierzu wäre das Finanzamt nur in der Lage gewesen, wenn es zuvor 206.480 EUR an die Firma G1 und 13.920 EUR an Frau N. gezahlt hätte. Indem die Beklagte diese Zahlungen geleistet habe, habe sie Leistungen erbracht, die vom Finanzamt als Pfändungspfandgläubigerin zu erbringen gewesen wären, um Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen zu können. Sie habe somit im Interesse des Finanzamtes gehandelt mit der Folge, dass sie gemäß § 683 BGB vom Kläger Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen könne.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 31.1.2005 (Bl. 140 ff. d. A.) sowie auf die Berufungserwiderung vom 15.3.2005 (Bl. 158 ff. d. A.) Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
II.
A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da die angefochtene Entscheidung weder einen Rechtsfehler zu erkennen gibt, noch die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine für die Berufung günstigere Entscheidung rechtfertigen. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht die Sachbefugnis des Klägers zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche verneint, weil die Pfändung der Kaufpreisforderungen nicht wirksam war: Die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen auch künftige Forderungen der Pfändungswirkung unterliegen, die zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbeschlusses noch nicht entstanden sind, liegen nicht vor (1.). Darüber hinaus waren die zu pfändenden Forderungen aus Sicht der Beklagten deshalb nicht hinreichend bestimmt gezeichnet, weil der Schuldner im Geschäftsverkehr zur Beklagten unter seiner Firma L. auftrat (2.). Schließlich ist es dem Kläger aus Treu und Glauben verwehrt, die Klageforderung geltend zu machen (3.).
1. Die streitgegenständlichen Kaufpreisforderungen sind erst nach der Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung entstanden. Es handelte sich mithin aus der zeitlichen Sicht des Pfändungsbeschlusses um künftige Forderungen, deren Pfändbarkeit nur unter qualifizierten Voraussetzungen möglich ist.
a) Künftige Forderungen sind pfändbar, wenn schon eine Rechtsbeziehung besteht, aus der die spätere Forderung nach ihrem Inhalt und der Person des Drittschuldners bestimmt werden kann (BGHZ 53, 29, 32; 147, 193, 195; Beschl. v. 31.10.2003 - IXa ZB 2000/03; MünchKomm(ZPO)/Smid, § 829 Rdnr. 29; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 829 Rdnr. 7; Musielak/Becker, ZPO, 4. Aufl., § 829 Rdnr. 6). Eine die künftige Forderung hinreichend individualisierende Rechtsbeziehung liegt vor, wenn ein zum Zeitpunkt der Pfändung existentes Rechtsverhältnis die Forderung dem Grunde nach bereits anlegt. Das ist beispielsweise bei der Pfändung künftiger Ansprüche auf Saldoausgleich eines Kontokorrentkontos der Fall. Ebenso unproblematisch ist die Pfändung künftiger Provisionsansprüche aus einem zum Zeitpunkt der Pfändung bereits existenten Handelsvertretervertrag.
Diese Rechtsgrundsätze verhelfen der Berufung nicht zum Erfolg: Denn die aus den Kaufverträgen resultierenden Kaufpreisforderungen leiten ihre Rechtswirkungen ausschließlich aus einem Lebenssachverhalt her, der zeitlich nach der Pfändung geschah.
b) Nach einer weiteren, spezifisch auf die Pfändbarkeit von Warenlieferungen und Dienstleistungen bezogenen Rechtsauffassung sollen künftige Forderungen dann pfändbar sein, wenn ihnen bestimmte Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Drittschuldner zu Grunde liegen (MünchKomm(ZPO)/Smid, aaO., § 829 Rdnr. 12; Stein/Jonas/Brehm, aaO., § 829 Rdnr. 7). Demnach hängt die Wirksamkeit einer Pfändung künftiger Kaufpreisansprüche aus Warenlieferungen davon ab, ob sich die entsprechenden Warenlieferungen im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung bewegen, die beispielsweise in Gestalt von Abnahme- oder Rabattvereinbarungen oder in anderen Sonderkonditionen ein engeres Band zwischen den Parteien knüpfen, welches den Schluss erlaubt, dass der Schuldner mit Wahrscheinlichkeit auch über den Zeitpunkt der Pfändung hinaus Warenlieferungen vornehmen wird. In einer solchen Konstellation ist das Entstehen der künftigen Forderung nicht nur bloße Exspektanz, sondern bereits hinreichend konkret, so dass der Drittschuldner zum Zeitpunkt der Pfändung keinen ernsthaften Zweifeln über die Identität der künftigen Forderung aus der präsenten Geschäftsbeziehung unterliegt.
Auch diese Voraussetzungen liegen im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht vor. Denn obwohl die Beklagte in Jahr 2001 drei und im Jahr 2002 insgesamt zehn Fahrzeuge von L. erwarb, ist nicht nachgewiesen, ob allein aus diesen Einzelgeschäften eine hinreichend feste Geschäftsbeziehung zwischen dem Beklagten und L. geknüpft wurde, die aus Sicht der Beklagten zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung den Schluss erlaubte, dass über den Abschluss des zeitlich letzten Geschäfts hinaus auch künftig mit hinreichender Sicherheit weitere Lieferverträge zu erwarten waren.
Die Beklagte trägt vor, dass die in den Jahren 2001 und 2002 getätigten Geschäfte ausschließlich auf individuellen, nur das jeweilige Geschäft betreffenden Kaufvertragsverhandlungen beruht hätten. Der Kaufvertragsabschluss sei jeweils dadurch zustande gekommen, dass die Beklagte auf in Medien veröffentlichte Verkaufsangebote von L. geantwortet habe. Eine Absprache, dass L. regelmäßig Fahrzeuge zum Kauf anbieten solle, sei nicht getroffen worden. Auch habe die Beklagte nicht regelmäßig bei L. vorgesprochen, um sich Fahrzeuge anzusehen. Die Quintessenz dieses Vortrags lautet, dass der Abschluss künftiger Geschäfte davon abhängig gewesen sei, dass L. auch künftig in allgemein zugänglichen Medien Angebote offeriert hätte, die für Kunden der Beklagten interessant gewesen wären. Beide Umstände seien zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht abschätzbar gewesen. Diesem Sachvortrag ist der Kläger nicht entgegengetreten. Ist mithin der Sachvortrag der Beklagten zum Zustandekommen der einzelnen Geschäfte und zum Fehlen einer die Einzelbestellungen überwölbenden geschäftlichen Verbindung unstreitig geblieben, so erlaubt allein die Faktizität der getätigten Geschäftsabschlüsse den Rückschluss noch nicht, dass die Beklagte mit einer bestimmten Berechtigung erwarten durfte, auch künftig mit L. Geschäfte abzuschließen. Anhaltspunkte dafür, dass das mit L. in der Vergangenheit erzielte Geschäftsvolumen aus Sicht der Beklagten einen Umfang erreicht hatte, der zwingend auf einen die Einzelgeschäfte flankierenden Geschäftskontakt hindeuten würde, werden nicht vorgetragen.
Entgegen der Auffassung der Berufung rechtfertigt die Tatsache, dass die streitgegenständlichen Kaufverträge nur in einem sehr kurzen Abstand zur Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung abgeschlossen wurden, keine abweichende Beurteilung: Die entscheidende Frage lautet, ob die Pfändung zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung wirksam war. War der Abschluss künftiger Erwerbsgeschäfts zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen, so ändert sich an dieser Einschätzung selbst dann nichts, wenn aus der vagen Aussicht auf künftige Geschäftsabschlüsse nur wenige Tage später Gewissheit wurde.
2. Darüber hinaus ist die im Pfändungsbeschluss bezeichnete Forderung auch deshalb nicht hinreichend bestimmt, weil zumindest aus Sicht der Beklagten eine klare Zuordnung der gepfändeten Forderungen nicht erfolgen konnte.
a) Die gepfändete Forderung muss im Pfändungsbeschluss aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit so genau bezeichnet werden, dass ihre Identität klar festgestellt werden kann. Es muss nicht nur für alle unmittelbar Beteiligten, sondern auch für Dritte bei verständiger Auslegung unmissverständlich feststehen, welche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner gepfändet werden soll (BGHZ 93, 82, 83; vgl. BGHZ 13, 42 f.; Stein/Jonas/Brehm, § 829 Rdnr. 40; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 829 Rdnr. 8). Hierzu ist der Rechtsgrund der gepfändeten Forderung in aller Regel zumindest in allgemeinen Umrissen anzugeben. Zwar sind übermäßige Anforderungen bei der Bezeichnung der Forderung, die gepfändet werden soll, nicht zu stellen. Dennoch sind Ungenauigkeiten nur dann zu tolerieren, wenn sie keinen Anlass zu Zweifeln geben, welche Forderung gemeint ist (BGH, Urt. v. 26.1.1983 - VIII ZR 258/81, NJW 1983, 886; Urt. v. 21.11.1985 - VII ZR 305/84, NJW 1986, 997; OLG Karlsruhe, NJW 1998, 459; strenger: Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rdnr. 461). Die Bezeichnung muss umso genauer sein, wenn dem Schuldner gegenüber dem Drittschuldner mehrere gleichartige Forderungen zustehen (OLG Köln, MDR 1970, 150).
b) Das Finanzamt wählte bei der Formulierung "Ansprüche aus Kaufverträgen" eine selbst im Regelfall gerade noch hinreichend konkrete Bezeichnung: Nach wohl allgemeiner Meinung sind Pfändungen von Forderungen "aus jedem Rechtsgrund" (BGH, NJW 1954, 881) oder aus "Verträgen oder sonstigen Rechtsgründen" (RGZ 157, 321) unzureichend.
Im vorliegenden Fall kommt jedoch als Besonderheit hinzu, dass der Schuldner im Rechtsverkehr gegenüber der Beklagten nicht unter seinem bürgerlichen Namen, sondern unter der Firmenbezeichnung L. in Erscheinung trat. Es ist durchaus zweifelhaft, ob die vom Finanzamt gewählte Bezeichnung der Forderung (Ansprüche des Vollstreckungsschuldners J. T.) aus Sicht der Beklagten die zu pfändenden Forderungen hinreichend genau individualisierte. Hierbei hilft die Erkenntnis nicht weiter, dass die Firma eines Kaufmanns gem. § 17 HGB lediglich der Name ist, unter dem der Kaufmann im Rechtsverkehr auftritt: Im Grundsatz kann die Pfändung der unter dem bürgerlichen Namen des Kaufmanns bezeichneten Forderungen auch diejenigen Forderungen des Kaufmanns erfassen, die er unter seiner Handelsfirma begründet hat. Dies setzt jedoch voraus, dass der Drittschuldner die Handelsfirma in eindeutiger Weise dem Kaufmann zuordnen kann. Gerade dies stellt die Beklagte in Abrede:
Die Beklagte hat unbestritten vorgetragen, in ihrer Kundenkartei lediglich die Firmenbezeichnung L. geführt zu haben. Mithin musste die Beklagte den Pfändungsbeschluss nur dann auf die in der Kartei präsenten Forderungen der L. beziehen, wenn die Beklagte bei verständiger Würdigung die auf die Firmenbezeichnung lautenden Bestellungen dem Einzelkaufmann J. T. zuordnen musste. Dieser Schluss kann nur dann gezogen werden, wenn dem Prokuristen der Beklagten der Name des Schuldners geläufig war und ihm zugleich bewusst war, dass es sich bei der Firmenbezeichnung L. um den Handelsnamen des Einzelkaufmanns J. T. handelte.
Zumindest die zweite Erkenntnis musste sich der Beklagten nicht erschließen: Wie selbst der Kläger zugesteht, ist der Briefkopf des Schuldners auslegungsbedürftig: Die Geschäftsführerangabe deutet ebenso gut wie die Firmenbezeichnung selbst darauf hin, dass das Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person betrieben wurde. Selbst wenn die Beklagte aus dem Fehlen eines Gesellschaftszusatzes in Betracht ziehen musste, mit einer natürlichen Person Geschäfte zu machen, die im Geschäftsverkehr unter der Firma L. auftrat, musste sie keineswegs davon ausgehen, dass sich der Schuldner hinter der Firmenbezeichnung L. verbarg. Da sich der Schuldner ausdrücklich auf den Briefbögen als Geschäftsführer, nicht als Inhaber bezeichnete, lag es aus Sicht der Beklagten ebenso nahe, dass die Firma einem nicht namentlich genannten Dritten gehört.
War eine eindeutige Zuordnung der streitgegenständlichen Forderungen durch die gewählte Bezeichnung zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbeschlusses nicht möglich, so konnten die Zweifel nicht dadurch überwunden werden, dass sich die Beklagte durch Einsicht in das Handelsregister, Rückfrage beim Finanzamt oder Rückfragen beim Schuldner Klarheit über die wahren Rechtsverhältnisse hätte verschaffen können. Nach richtiger Auffassung dürfen Umstände, die außerhalb des Beschlusses liegen, bei der Auslegung des Beschlusses nicht herangezogen werden (Stein/Jonas/Brehm, aaO., § 829 Rdnr. 40; Wieczorek/W. Lüke, 3. Aufl., § 829 Rdnr. 58; OLG Karlsruhe, NJW 1998, 549). Der Beschluss muss aus sich heraus verständlich sein.
3. Letztlich scheitert die Klage auch an folgender Erwägung: Die Beklagte weist mit Recht darauf hin, dass das klagende Finanzamt durch die Pfändung der Forderung keine bessere Rechtsstellung erlangen kann, als sie dem Schuldner vor der Pfändung zustand. Die Rechtsstellung des Drittschuldners erfährt durch die Pfändung keine Verschlechterung; vielmehr können alle Einreden und Einwendungen auch gegenüber dem Pfändungsgläubiger erhoben werden (Zöller/Stöber, aaO., § 829 Rdnr. 20). Ebenso ist es dem Rechtsinstitut der Pfändung wesenseigen, dass der Pfändungspfandgläubiger durch die Pfändung die wirtschaftliche Werthaltigkeit der gepfändeten Forderung nicht steigern kann. Folglich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Forderung zum Zeitpunkt ihres Bestehens für den Schuldner im Grunde wertlos war: Sie resultierte aus dem Verkauf von Sachen, die weder dem Schuldner gehörten, noch vom Schuldner bezahlt waren. Zur Realisierung der Forderung hätte das Finanzamt seinerseits einen die Hauptforderung übersteigenden Betrag aufwenden müssen, um den Eigentümer der verkauften Sachen zu einer Übereignung zu bewegen.
Nach der Fallgruppe des institutionellen Rechtsmissbrauchs (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 242 Rdnr. 40) darf die Ausübung eines individuellen Rechts dem Grundgedanken des Rechtsinstituts, dem das Recht seine Entstehung verdankt, nicht zuwiderlaufen. Die Rechtsausübung darf nicht zu untragbaren Ergebnissen führen, die die Rechtsordnung nach Sinn und Zweck des Rechtsinstituts nicht billigen kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2000 - I ZR 93/98, GRUR 2001, 242 - Classe E; Urt. v. 9.10.1997 - I ZR 95/95, GRUR 1998, 412, 414 - Analgin; BGHZ 29, 10, 12). Diese Wertung steht der Klage entgegen: Es ist mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, dem klagenden Land einen wirtschaftlichen Vollstreckungserfolg zu gewähren, den der Drittschuldner erst nach der Pfändung durch eigene Vermögensleistungen geschaffen hat.
Ist die Geltendmachung der Klageforderung bereits aus den vorstehenden Erwägungen nach § 242 BGB ausgeschlossen, so kann es im Ergebnis dahinstehen, ob der Beklagten in Höhe des an G1 gezahlten Kaufpreises unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des auch fremden Geschäfts ein wertgleicher Anspruch aus §§ 677, 683 BGB zusteht, der der Klageforderung entgegengehalten werden kann.
Dem steht nicht entgegen, dass der Drittschuldner nach wirksamer Pfändung einer Forderung gem. § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO, §§ 135, 136 BGB nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Schuldner leisten kann (Zöller/Stöber, aaO., § 829 Rdnr. 19). Die mit der Verstrickung eingetretene Sicherstellung der Forderung will verhindern, dass der Schuldner den Vollstreckungserfolg gefährdet, indem er dem Vollstreckungsgläubiger den zum Zeitpunkt der Pfändung vorhandenen Wert nachträglich wieder entzieht. Diese Wirkung konnte die Zahlung an G1 im vorliegenden Fall nicht entfalten, da die Kaufpreisforderung aus den dargelegten Erwägungen aufgrund des bestehenden Zurückbehaltungsrechts für den Kläger nicht verwertbar war.
Schließlich kann der Kläger aus der in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Behauptung, die Zahlung an die Lebensgefährtin des Klägers sei ohne Rechtsgrund erfolgt, kein günstigeres Ergebnis herleiten: Die Zahlungen der Beklagten an G1 übersteigen den Wert der gepfändeten Forderungen bei weitem.
Nach alledem gebot der am 6.3.2006 eingegangene Schriftsatz des Klägers keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 525, 156 ZPO).
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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