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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: 4 U 685/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, StGB


Vorschriften:

BGB § 819 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 3
BGB § 822
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
ZPO § 286
ZPO § 511 Abs. 2 Ziff. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 246
StGB § 263
StGB § 266
Zu den Beweisanforderungen für eine bedingt vorsätzliche Schädigung i.S. des § 826 BGB.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 31.10.2003 - 17 O 20/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 102.315,53 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

I. Die Klägerin, eine gemeinnützige GmbH, unterhält in ein Berufsbildungswerk, bei dem die Schwester der Beklagten, die Zeugin W., als Buchhalterin beschäftigt war. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung veruntreuter Gelder in Anspruch.

Die Zeugin W. unterschlug über einen Zeitraum von zirka zehn Jahren Gelder der Klägerin in Höhe von insgesamt 4.823.225,37 DM. Sie gab sich hierbei in blanko unterschriebenen Schecks der Klägerin selbst als Empfängerin an und reichte diese Schecks zur Gutschrift auf ihrem eigenen Konto bei der *Bankbezeichnung* ein. Nach Entdeckung der Straftat gab die Zeugin W. gegenüber der Klägerin ein notarielles Schuldanerkenntnis ab; sie wurde rechtskräftig wegen Untreue in 50 Fällen und Betrugs in 5 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt (Urt. des LG Saarbrücken vom 20.11.2001 - Bl. 153 ff. BA).

Seit Mitte des Jahres 1994 bis Oktober 2000 transferierte die Zeugin W. in insgesamt 84 Einzelvorgängen Geldbeträge durch Überweisung oder Scheckeinreichung auf das Konto der Beklagten. Die Schecks waren auf das Konto der Zeugin W. bei der *Bankbezeichnung* bezogen und wurden von der Beklagten zur Gutschrift auf das eigene Konto vorgelegt. Die Summe der auf das Konto der Beklagten transferierten Geldbeträge beläuft sich auf 546.300 DM (Einzelheiten siehe Anlage K1; Bl. 11 ff. Anlageband). Sodann hob die Beklagte die Geldbeträge von ihrem Konto ab und übergab sie jedenfalls zum überwiegenden Teil der Zeugin W.. Weiterhin hat die Beklagte Barauszahlungen im Wert von insgesamt 54.000 DM vom Konto der Zeugin W. erhalten (Einzelheiten siehe Anlage K2; Bl. 14 Anlageband). Auch dieses Geld händigte die Beklagte jedenfalls zum überwiegenden Teil der Zeugin W. aus. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass alle Geldbeträge in vollem Umfang aus dem unterschlagenen Vermögen der Klägerin stammten.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte bewusst zum Nachteil der Klägerin gehandelt habe. Selbst wenn die Beklagte keine positive Kenntnis vom strafbaren Handeln der Zeugin W. gehabt habe, hafte Sie deshalb, weil sie sich aufgrund der starken Verdachtsmomente für ein rechtswidriges Verhalten bewusst besserer Erkenntnis verschlossen habe.

Die Beklagte wurde wegen Beihilfe zur Untreue angeklagt und von diesem Strafvorwurf mit Urteil des AG - Schöffengericht - Neunkirchen vom 22.10.2002, AZ.: Ls10-65/02 (Bl. 240 ff. BA), freigesprochen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung 306.946,60 Euro nebst Zinsen zu zahlen.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat bestritten, davon gewusst zu haben, dass die Zeugin W. an ihrer Arbeitsstelle Geld unterschlagen habe. Sie hat behauptet, sie habe sämtliche von ihr abgehobene Beträge an die Zeugin W. weitergegeben. Sie habe keine Verdachtsmomente für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Schwester gehabt. Das praktizierte Verfahren sei deshalb gewählt worden, weil die Zeugin W. aufgrund ungünstiger Arbeitszeiten selbst nicht in der Lage gewesen sei, Barabhebungen vorzunehmen. Zu Anfang habe sie lediglich relativ geringfügige Beträge für die Zeugin abgehoben. Aufgrund der guten Stellung ihrer Schwester habe sie damals keinen Verdacht schöpfen müssen. Später habe die Zeugin sowohl gegenüber ihr selbst als auch gegenüber der Familie aus eigenem Antrieb erklärt, sie habe zweimal erhebliche Beträge in der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL) gewonnen. Dieser Erklärung habe die Beklagte Glauben geschenkt.

Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen und hierzu ausgeführt: Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen sei, dass sich die Beklagte bewusst der Kenntnis der haftungsbegründenden Umstände verschlossen habe, obwohl starke Verdachtsmomente für ein kriminelles Verhalten der Zeugin W. vorgelegen hätten.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren lediglich in Höhe eines Teilbetrages von 102.312,53 Euro weiterverfolgt.

Die Berufung wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Berufung rügt, das Landgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass die Zeugin W. im Verwandtenkreis zumindest sinngemäß mitgeteilt habe, sie habe insgesamt zweimal im Lotto oder in der Lotterie gewonnen und hierbei Gewinne von ca. 100.000 DM genannt. Zwar sei nicht zu klären, ob die Beklagte nach der Höhe des Gewinnes gefragt habe. Hätte die Beklagte allerdings danach gefragt, so hätte sie spätestens im April/Mai 1997 erkennen können, dass die Angabe eines Gewinnes von 200.000 DM nicht zutreffen könne, nachdem zu diesem Zeitpunkt die Summe der ausgezahlten Beträge den genannten Betrag überstiegen habe. Hätte die Beklagte nicht nach der Höhe des Gewinnes gefragt, so würde allein das Unterlassen der Fragestellung den Schluss rechtfertigen, dass sich die Beklagte bewusst der Wahrheit habe verschließen wollen. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt nach der Herkunft des Geldes gefragt haben wolle.

Folgende Umstände hätten die Beklagte auf die rechtswidrige Herkunft des Geldes hinweisen müssen: Die Zeugin W. habe lediglich ein Monatsgehalt von ca. 5.000 DM netto bezogen. Davon habe sie zusammen mit ihrem Ehemann ein Darlehen für die Finanzierung des Hauses aufbringen müssen. Dennoch habe sie monatliche Ausgaben von durchschnittlich 40.000 DM getätigt und sowohl die Beklagte als auch die gesamte Verwandtschaft zu Urlaubsreisen eingeladen und mit Geschenken überhäuft. Obwohl sich die Höhe der beiden Lottogewinne auf maximal 200.000 DM belaufen haben solle, seien über die Beklagte Geldbeträge in einem Gesamtvolumen von ca. 600.000 DM geflossen. Schließlich sei bei der Würdigung des Beweisergebnisses zu beachten, dass die Beklagte wahrheitswidrig vorgetragen habe. So habe sie entgegen ihrer Behauptung nach der Aussage der Zeugin W. tatsächlich erhebliche Geldbeträge zwischen regelmäßig 1.000 DM und maximal. 4.000 DM erhalten. Dies entspreche bei 94 Vorgängen einem Betrag von 192.000 DM. In Wahrheit habe sie entgegen ihrer Behauptung nicht nach eventuellen Lotteriegewinnen gefragt.

Die Berufung vertritt die Auffassung, dass sich der streitgegenständliche Anspruch in jedem Fall aus § 822 BGB ergebe, da es diese Anspruchsgrundlage lediglich erfordere, dass die von der Zeugin W. unentgeltlich zugewendeten Beträge in vollem Umfange von der Beklagten an die Zeugin W. zurückgeflossen seien.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 31.10.2003 - 17 O 20/02 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung 102.315,53 Euro nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung (GA I Bl. 329 ff.) Bezug genommen. Der Senat hat die Strafakten 10 Js 1851/00 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken zu Beweiszwecken zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und die Beklagte persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 21.9.2004 (GA II Bl. 416 f.) und 30.11.2004 (GA II Bl. 427 ff.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II. A. Die gem. § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Zwar ist es der Klägerin auf Hinweis des Senats gelungen, den Streitgegenstand des auf der Basis eines Drittels der ursprünglichen Klageforderung berechneten Klageantrags im Schriftsatz vom 6.9.2004 (GA II Bl. 411 ff.) hinreichend zu konkretisieren. In der Sache stehen der Klägerin jedoch keine Ansprüche aus §§ 826, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 246, 263, 266 StGB zu, da sie den ihr obliegenden Beweis dafür, dass die Beklagte mit Vorsatz zum Nachteil der Klägerin gehandelt hat, nicht hat erbringen können (1, 2). Daneben kann die Klägerin aus § 822 BGB keine Zahlung beanspruchen, da sie den ihr obliegenden Beweis dafür, dass und in welcher Höhe die Beklagte die ihrem Konto gutgeschriebenen Gelder zur eigenen Verwendung zurückbehielt, nicht geführt hat (3).

1. Ein Anspruch aus § 826 BGB setzt voraus, dass der Schuldner dem Gläubiger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt.

a) Ohne Rechtsfehler - und im Berufungsverfahren unangegriffen - hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin einen Schaden im Sinne des § 826 BGB zugefügt hat, da die Beklagte durch ihre Handlung einen Beitrag dazu leistete, die veruntreuten Gelder auszugeben. Hierdurch wurde der mit der Gutschrift der veruntreuten Gelder auf dem Konto der Schwester bereits entstandene Schaden weiter vertieft und die Erfolgsaussichten der Klägerin, das veruntreute Geld wieder zu erlangen, nicht unwesentlich erschwert. Auch die Sittenwidrigkeit der Handlungsweise ist nicht zweifelhaft, da die Beklagte einen Beitrag dazu leistete, dass die Schwester die Früchte ihres kriminellen Handelns genießen konnte.

b) Hinsichtlich der subjektiven Tatbestandvoraussetzungen des § 826 BGB geht das Landgericht von zutreffenden Rechtsgrundsätzen aus:

aa) Für das Vorliegen des Schädigungsvorsatzes im Sinne des § 826 BGB ist das Bewusstsein erforderlich, dass das Handeln den schädigenden Erfolg haben wird. Zwar muss sich der Vorsatz nicht auf den genauen Kausalverlauf, insbesondere nicht auf die Person des Geschädigten beziehen. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr, dass der Vorsatz Richtung und Art des Schadens umfasst und der Ersatzpflichtige den dem Ersatzberechtigten entstandenen Schaden zumindest in Form des bedingten Vorsatzes zufügt (BGH, Urt. v. 14.6.2000 - VIII ZR 218/99, NJW 2000, 2896; Urt. v. 20.11.1990, BGHR BGB § 826 Schädigungsvorsatz 2; Urt. v. 15.9.1999 - I ZR 98/97, BGHR BGB § 826 Schädigungsvorsatz 7; BGH, Urt. v. 28.6.1966 - VI ZR 287/64, VersR 1966, 1032, 1034; Urt. v. 27.1.1994 - I ZR 326/91, ZIP 1994, 789, 792; MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 20). Davon ist auszugehen, wenn der Schädiger im Bewusstsein handelt, dass infolge seines Tuns der andere der Gefahr eines Schadens ausgesetzt wird, dessen Eintritt er - wenn auch unerwünscht - billigend in Kauf nimmt (BGHZ 147, 269, 271; BGH, Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 371/02, NJW 2004, 446; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 826 Rdn. 10)

bb) Soweit die Berufung die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift, ist dem Rechtsmittel im Ergebnis ein Erfolg zu versagen:

aaa) Zwar ist es der Berufung gelungen, mit Blick auf die dargestellten Indizien hinreichend konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen, die Zweifel gegen die Richtigkeit der Feststellungen wecken: In Anbetracht der Komplexität des Beweisstoffes und der Schwere der gegen die Beklagten streitenden Indizien, deren Gewichtung einer wertenden Betrachtung zugänglich ist, bestand im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht nur die theoretische, kaum je auszuschließende Möglichkeit, dass eine erneute tatrichterliche Befassung zu einem abweichenden Beweisergebnis führen kann. Vielmehr lag es aus den von der Berufung aufgezeigten Argumenten mit einer den Anforderungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entsprechenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht fern, dass die Beweiswürdigung einer erneuten tatrichterlichen Befassung nicht standhalten würde (BVerfG, Beschl. v. 12.6.2003 - 1 BvR 2285/02, NJW 2003, 2524; krit. Greger, NJW 2003, 2882, 2883; zum Maßstab der konkreten Anhaltspunkte: Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 3 mit weiterem Nachweis; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 529 Rdn. 2 ff.). In dieser prozessualen Situation war dem Senat trotz der verfahrensfehlerfreien und eingehenden Beweiswürdigung des Landgerichts der Weg zu einer eigenen Tatsachenfeststellung nicht versperrt.

bbb) Im Ergebnis bleibt das Rechtsmittel allerdings ohne Erfolg: Der Senat ist selbst auf der Grundlage der durch die persönliche Anhörung der Beklagten ergänzten Beweisaufnahme nicht mit einer allen vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietenden Sicherheit davon überzeugt, dass die Beklagte die Schädigung der Klägerin zumindest mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen hat.

aaaa) Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis dafür nicht hat erbringen können, dass die Beklagte in die kriminellen Machenschaften der Zeugin W. positiv eingeweiht war und sich mit direktem Vorsatz an der Straftat beteiligte:

Die Zeugin W. hat stets bestritten, der Beklagten gegenüber die wahre Herkunft der auf ihrem Konto gutgeschriebenen Gelder offen gelegt zu haben. Vielmehr hat die Zeugin W. ausgesagt, sie habe der Beklagten gegenüber angegeben, dass sie mehrere Male im Lotto gewonnen habe.

Die Glaubhaftigkeit dieser Aussage erscheint durchaus zweifelhaft: Der Sachvortrag ist auffallend detailarm. Er lässt insbesondere nachvollziehbare Angaben darüber vermissen, bei welcher Gelegenheit die Zeugin die Beklagte über die Gewinne im Lotto informiert haben will. Weiterhin liefert das Aussageverhalten der Zeugin im Strafverfahren Argumente gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage: Die Zeugin wurde in den Vernehmungen vom 28.2.2001 (Bl. 79 BA) und 2.3.2001 (Bl. 84, 85 BA) von den Vernehmungsbeamten aufgefordert, ihre Aussage hinsichtlich des Lottogewinns zu überdenken. Hierbei wurde sie nachdrücklich damit konfrontiert, dass die Vernehmungsbeamten ihre Version von den wiederholten Lottogewinnen nicht für glaubwürdig erachteten. Dennoch sah sich die Zeugin außer Stande, genauere Angaben zu machen; sie zog sich stattdessen darauf zurück, eine weitere Aussage zu verweigern.

Auch soweit die Beklagte selbst vorgetragen hat, ihre Schwester habe ihr zweimal davon berichtet, erhebliche Beträge bei der SKL gewonnen zu haben, bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Aussage. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass die Beklagte in Anbetracht der immensen Geldbeträge, die die Zeugin W. über den streitgegenständlichen Zeitraum ausgab, die genauen Umstände des Gelderwerbs nie mit Nachdruck zu erfahren suchte.

Wenngleich Zweifel gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin bestehen, sieht sich der Senat dennoch außer Stande, den von der Zeugin wiedergegebenen Sachvortrag mit einer für die volle Überzeugungsbildung gem. § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit auszuschließen und gewissermaßen den gegenteiligen Sachverhalt, d.h. die Kenntnis der Beklagten über die Unterschlagung, als bewiesen anzusehen: Die Beklagte hat wiederholt ausgesagt, dass die Zeugin W. eine dominante Stellung im Familienverband innegehabt habe, weshalb die Beklagte davon Abstand genommen habe, weiter in die Zeugin W. einzudringen. Diese Aussage wird zumindest insoweit auf objektive Tatsachen gestützt, als die Zeugin W. in der Familie aufgrund des erzielten Einkommens und ihrer beruflichen Funktion im Unternehmen der Klägerin durchaus eine Sonderstellung genoss. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es der Zeugin W. aufgrund dessen gelang, die Beklagte mit dem nicht näher erläuterten Hinweis auf einen Lottogewinn von Nachfragen nach der Herkunft des Geldes abzuhalten.

Die Zweifel des Senats an einer unmittelbaren Beteiligung der Beklagten werden auch nicht durch die Einlassung der Zeugin W. im Strafverfahren überwunden, die Beklagte habe regelmäßig höhere Geldbeträge von 1.000 bis 4.000 DM zurückerhalten. Denn der Senat ist von der Wahrheit dieser Aussage nicht überzeugt:

Die Zeugin W. hat ihre Aussage im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung vor dem Landgericht nicht in vollem Umfang aufrechterhalten, sondern dahingehend relativiert, die Beklagte habe sämtliche Beträge, die sie nach Gutschrift der Schecks abgehoben habe, stets an die Zeugin weitergegeben. Nie habe die Beklagte von den abgehobenen Geldbeträge etwas für sich einbehalten. Die Zeugin habe der Beklagten lediglich ab und zu schon mal einen höheren Betrag bis etwa 4.000 DM zugesteckt.

Neben den nicht unwesentlichen Abweichungen im Inhalt der Aussage zu Modus und Häufigkeit der Geldgeschenke darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Aussage der Zeugin W. durchaus von dem Bemühen getragen sein mochte, sich selbst vor einem Regress der Klägerin zu schützen, indem sie eine möglichst plausible Erklärung dafür vortrug, das ganze unterschlagene Geld restlos ausgegeben zu haben. Dieser Verdacht drängte sich insbesondere dem ermittelnden Polizeibeamten auf, der - vom Verteidiger der Zeugin W. nach Abschluss der umfangreichen Vernehmungen um eine vorläufige Einschätzung befragt - die Vermutung äußerte, die Zeugin W. habe die Aufzeichnungen über die Ausgabe der veruntreuten Geldbeträge in dem Bemühen gefertigt, dass der Gesamtbetrag der ausgegebenen Beträge in der Größenordnung des berechneten Vermögensschadens liege (Bl. 93 BA).

Dafür, dass die Beklagte von ihrer Schwester nicht in ihre kriminellen Handlung eingeweiht wurde, spricht schließlich folgende Überlegung: Hätte die Zeugin W. die Beklagte tatsächlich über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum hinweg zu einer vorsätzlichen Mitwirkung an ihren strafbaren Unterschlagungen veranlasst, so hätte sich die Beklagte dem Risiko der Strafverfolgung wohl nur gegen eine erhebliche Beteiligung an den Früchten der Straftat ausgesetzt. Eine solche Beteiligung ist nicht festgestellt. Die umfangreichen Ermittlungen ergaben keine belastbaren, objektiven Hinweise dafür, dass die Beklagte erhebliche Vermögenszuwendungen erhalten hatte: Bei der Hausdurchsuchung fand sich kein Hinweis dafür, dass die Beklagte über ihre Verhältnisse lebte. Auch die Prüfung der Bankkonten deckte keinen auffällig hohen Kontostand auf.

bbbb) Scheitert der Beweis für eine mit direktem Vorsatz erfolgte Beteiligung der Beklagten in das kriminelle Geschehen, so erlauben auch die weiteren Indizien selbst unter den erleichterten rechtlichen Anforderungen des bedingten Vorsatzes keinen eindeutigen Schluss auf die subjektive Kenntnis der Beklagten:

Zwar ist zuzugestehen, dass die von der Schwester gewünschte Art, sich Bargeld durch Gutschriften von Schecks über ein Konto der Beklagten zu beschaffen, im privaten Geldverkehr ungewöhnlich erscheinen musste. Wäre der Schwester tatsächlich nur daran gelegen gewesen, die Geschäftszeiten ihrer Bank zu umgehen, so hätte es völlig ausgereicht, Geldbeträge durch Überweisung auf das Konto der Beklagten zu transferieren. Demgegenüber wählte die Schwester mit der Ausstellung von Schecks einen recht umständlichen Weg, der überdies nicht risikolos war: Es bestand durchaus die Gefahr, dass die übergebenen Schecks unterwegs abhanden gehen konnten. Musste die von der Schwester gewählte Art der Bargeldbeschaffung bereits als singulärer Vorgang ungewöhnlich erscheinen, so ist dieser Schluss erst recht gerechtfertigt, wenn sich die Praxis über einen Zeitraum von sechs Jahren erstreckt und insgesamt 94 Einzelfälle umfasst.

Auffallend war nicht nur die gewählte Art der Bargeldbeschaffung selbst, sondern auch die Tatsache, dass die Schwester der Beklagten über den Zeitraum von sechs Jahren hinweg die beträchtliche Summe von ca. 600.000 DM Bargeld benötigte: Die Barzahlung tritt im privaten Geldverkehr zu Gunsten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs immer weiter zurück. Sie stellt vor allem dann die Ausnahme dar, wenn es um die Begleichung größerer Rechnungsbeträge geht. Der Vorteil des bargeldlosen Zahlungsverkehrs liegt hierbei nicht nur darin, das Verlustrisiko zu vermeiden. Daneben bietet der bargeldlose Zahlungsverkehr den weiteren Vorteil, dass der Kunde nicht an die Schalterstunden gebunden ist. Gerade darauf soll es der Schwester angekommen sein. Demgemäß wird die Barzahlung größerer Beträge vor allem deshalb vorgezogen, wenn der Zahler die Herkunft des Geldes nicht offen legen will.

Wenngleich diese Indizien aus Sicht der Beklagten den Schluss nahe legten, dass sich die Beklagte die auf ihrem Konto gutgeschriebenen Gelder nicht auf redlichem Wege zugeeignet haben mag, reicht diese Schlussfolgerung für sich genommen noch nicht aus, um die subjektiven Anforderungen an eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. des § 826 BGB zu erfüllen:

Die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes setzt nämlich voraus, dass der Schädiger zwar nicht die Person des Geschädigten, so doch zumindest Art und Richtung des eingetretenen Schadens kannte (BGH, Urt. v. 14.6.2000 - VIII ZR 218/99, NJW 2000, 2896; Urt. v. 20.11.1990, BGHR BGB § 826 Schädigungsvorsatz 2; Urt. v. 15.9.1999 - I ZR 98/97, BGHR BGB § 826 Schädigungsvorsatz 7; BGH, Urt. v. 28.6.1966 - VI ZR 287/64, VersR 1966, 1032, 1034; Urt. v. 27.1.1994 - I ZR 326/91, ZIP 1994, 789, 792; MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 20; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 826 Rdn. 10). Diese Einschränkung beruht auf der Wertung, dass der Schädiger einerseits nicht von den Zufälligkeiten der Schadensverteilung profitieren soll, er andererseits aber keine Haftung für solche Handlungen zu übernehmen braucht, deren Schadenspotential er nicht überschauen kann (Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Aufl., § 826 Rdn. 79).

Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt an, so hat die Beklagte allein mit der Vermutung um die Unredlichkeit des Gelderwerbs noch keine hinreichend konkreten Vorstellungen von Art und Richtung ihres schadensverursachenden Handlungsbeitrags gewonnen, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, der Beklagten eine deliktische Haftung aufzuerlegen. Denn anders als in dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (NJW-RR 1998, 1717) zu Grunde liegenden Fall findet sich auf den der Beklagten zur Gutschrift auf das eigene Konto übergebenen Schecks kein Hinweis auf die Person des Geschädigten. Die Möglichkeit, dass sich die Zeugin W. auf unredliche Weise bereichert hat, war aus Sicht der Beklagten keineswegs auf ein Handeln zum Nachteil der Klägerin verengt. Vielmehr zeigt die Lebenserfahrung, dass der Phantasie zum unredlichen bzw. kriminellen Vermögenserwerb nahezu keine Grenzen gesetzt sind. Mithin musste es sich der Beklagten, selbst wenn - was nicht bewiesen ist - sie der Version des Lottogewinns keinen Glauben schenkte, nicht zwangsläufig aufdrängen, mit ihrem Handeln einen positiven Beitrag dazu zu leisten, einen durch eine Straftat, geschweige denn eine durch Unterschlagung erlangten Vermögensvorteil zu vertiefen.

2. Aus den gleichen Gründen stehen der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 246, 263, 266 StGB keine Ansprüche zu. Auch diese Ansprüche scheitern daran, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für ein vorsätzliches Handeln nicht erbringen konnte.

3. Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung ist der Klageanspruch nicht aus § 822 BGB gerechtfertigt.

a) Ein Bereicherungsanspruch aus § 822 BGB setzt voraus, dass der Empfänger das Erlangte unentgeltlich einem Dritten zugewandt hat. Ist infolge dieser Zuwendung die bereicherungsrechtliche Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen, so ist der Dritte zur Herausgabe verpflichtet.

b) Mit der Klageforderung begehrt die Klägerin die anteilige Rückzahlung des von der Zeugin W. unterschlagenen Geldes. Hierbei sind hinsichtlich des Zahlungsflusses drei Erwerbsvorgänge zu unterscheiden: Das dem Konto der Zeugin W. gutgeschriebene Geld wurde zunächst durch Scheckeinreichung auf das Konto der Beklagten transferiert bzw. von der Beklagten vom Konto der Zeugin W. bar abgehoben. Sodann reichte die Beklagte unstreitig zumindest einen Großteil des Geldes an die Zeugin W. zurück. Schließlich behauptet die Klägerin, die Zeugin W. habe der Beklagten Teilbeträge des unterschlagenen Geldes geschenkt. Die Voraussetzungen des § 822 BGB liegen in keinem der in Betracht kommenden Erwerbstatbestände vor:

aa) Die Aushilfshaftung des Dritten gem. § 822 BGB tritt nur ein, wenn die Verpflichtung des ursprünglichen Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung infolge der unentgeltlichen Zuwendung des Erlangten an den Dritten aus Rechtsgründen, nicht lediglich aus tatsächlichen Gründen etwa wegen Insolvenz, ausgeschlossen ist. Mithin steht es der Inanspruchnahme des Dritten entgegen, wenn der ursprüngliche Bereicherungsschuldner aufgrund der verschärften Haftung aus § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 3 BGB selbst nach der Weggabe des Geldes weiterhin der bereicherungsrechtlichen Haftung unterliegt (BGH, Urt. v. 3.12.1998 - III ZR 288/96, WM 1999, 23, 26; Urt. v. 9.1.1969 - VII ZR 185/66, NJW 1969, 605, 606; Palandt/Sprau, aaO, § 822 Rdn. 8; Staudinger/Lorenz, aaO., § 822 Rdn. 10; Bamberger/Roth/Wendehorst, § 822 Rdn. 7; Erman/H. P. Westermann, BGB, 10. Aufl., § 822 Rdn. 4; krit. für den Fall der Insolvenz des Bereicherungsschuldners: MünchKomm(BGB)/Lieb, aaO., § 822 Rdn. 5). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen: Aufgrund ihrer eigenen Bösgläubigkeit kann sich die Zeugin W. gegenüber der bereicherungsrechtlichen Haftung unter dem Aspekt der Eingriffskondiktion nicht auf ihre Entreicherung berufen.

bb) Der Hinweis der Berufung darauf, es stehe der Anwendbarkeit des § 822 BGB nicht entgegen, wenn der Dritte das Erlangte seinerseits unentgeltlich einem Vierten weiterreicht (MünchKomm(BGB)/Lieb, aaO., § 822 Rdn. 7), hilft hier nicht weiter, da die Bereicherungshaftung der Zeugin W. außer Streit steht. Der Rechtssatz darf nicht so verstanden werden, dass der Dritte, der das Erlangte seinerseits unentgeltlich weiterreicht, nach der unentgeltlichen Zuwendung unabhängig vom Fortbestand der bereicherungsrechtlichen Haftung des Erstschuldners zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet bleibt.

cc) Soweit die Klägerin die bereicherungsrechtliche Haftung auf den Vortrag stützt, die Beklagte habe Zuwendungen aus dem unterschlagenen Geld erhalten, erscheint überdies fraglich, ob es der Klägerin gelungen ist, die Klageforderung unter diesem Aspekt schlüssig darzustellen:

Es fehlt ein detaillierter, durch Tatsachen belegter Vortrag dazu, wieviel Geld tatsächlich bei der Beklagten schenkweise verblieb bzw. an diese zurückfloss. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung einen Mittelzufluss von 192.000 DM behauptet, beruht der Sachvortrag - wie die Klägerin selbst erkennt - auf einer bloßen Mutmaßung. Er korrespondiert auf der im Strafverfahren dokumentierten Einlassung der Schwester, die Beklagten habe überwiegend 1.000 DM, manchmal 2.000 bis 3.000 oder 4.000 DM der abgehobenen Beträge für sich behalten (Bl. 42 BA). Ob aus dieser Aussage tatsächlich der Schluss gezogen werden kann, die Beklagte habe bei jedem einzelnen der 94 Vorgänge 1.000 DM schenkweise erhalten, erscheint zweifelhaft.

Letztlich kann die Frage nach der hinreichenden prozessualen Substantiierung jedoch offen bleiben, da die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für die Wahrheit der von der Zeugin W. aufgestellten Behauptung nicht erbringen konnte: Aus den unter Ziff. 1 a) aaa) dargestellten Gründen ist die Aussage der Zeugin W. nur eingeschränkt glaubhaft. Mithin konnte die Behauptung der Beklagten, sie habe lediglich diejenigen Geldbeträge zurückbehalten, die sie zuvor für die Zeugin vorauslagt gehabt habe, letztlich nicht zweifelsfrei widerlegt werden.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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