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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: 4 U 95/05
Rechtsgebiete: SGB X, SGB I, ZPO, SGB IV


Vorschriften:

SGB X § 44 Abs. 4
SGB I § 14
SGB I § 15
SGB I § 15 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1
SGB IV § 92
Keine Amtshaftung der Gemeinde für die Vollständigkeit einer vom Standesbeamten zu Rentenfragen erteilten Auskunft.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 20. Januar 2005 - 4 O 221/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 39.069 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die beklagte Gemeinde auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung wegen eines Beratungsfehlers im Zusammenhang mit der Stellung eines Antrags auf Erziehungsrente in Anspruch.

Die Klägerin war bis zur Scheidung im Jahr 1981 mit Herrn G. F. verheiratet, der am 14.10.1983 verstarb. Am 7.11.1983 ließ sich die Klägerin bei dem Standesbeamten der beklagten Gemeinde über die mit dem Tod ihres früheren Ehemannes verbundenen Rentenansprüche beraten. Sie stellte hierbei einen Antrag auf Gewährung einer Halbwaisenrente für die am 17.9.1980 geborene eheliche Tochter.

Am 25.7.2002 beantragte die Klägerin die Gewährung von Erziehungsrente für den Zeitraum vom 14.10.1983 bis zum 17.9.1998, der auf den Widerspruch der Klägerin für einen Zeitraum vom 1.1.1998 bis zum 30.9.1998 gewährt wurde. Für den davor liegenden Zeitraum wurde die beantragte Rente mit der Begründung versagt, dieser Anspruch sei gemäß § 44 Abs. 4 SGB X verjährt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Standesbeamte habe sie fehlerhaft über die Möglichkeiten der Beantragung von Erziehungsrente aufgeklärt. Im Rahmen seiner umfassenden Aufklärungspflicht sei er verpflichtet gewesen, die Klägerin auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Eine Beratungspflicht folge insbesondere aus §§ 14, 15 SGB I.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Klägerin für den Zeitraum vom 1.11.1983 bis 31.12.1991 kein Anspruch auf Erziehungsrente zustand, da die Klägerin ein über dem maßgeblichen Grenzwert liegendes Einkommen bezog. Für die Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.7.1997 berechnete die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aufgrund der Angaben der Klägerin einen fiktiven Rentenanspruch in Höhe von insgesamt 39.069 EUR, dessen Zahlung die Klägerin im erstinstanzlichen Rechtzug mit ihrem zuletzt gestellten Antrag begehrt hat.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren im Umfang des zuletzt gestellten Antrags weiter.

Die Klägerin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Auffassung, der zuständige Standesbeamte habe seine Pflicht zur Erteilung einer korrekten Auskunft fahrlässig verletzt, indem er weitere Ansprüche neben der Waisenrente verneint habe. Schutzzweck der verletzten Amtspflicht sei es nicht nur, dem Auskunftsberechtigten eine Information über die möglicherweise bestehende Erziehungsrente zu geben, sondern zugleich eine Grundlage zu vermitteln, damit sich der Auskunftsberechtigte darüber klar werden könne, unter welchen Bedingungen Erziehungsrentenansprüche bestünden. Die unvollständige Auskunft des Standesbeamten sei im vorliegenden Fall Grundlage für die Entscheidung der Klägerin gewesen, weiterhin zu arbeiten oder neben einer Berufstätigkeit Rente zu beziehen. Hätte die Klägerin von diesem Anspruch gewusst, hätte sie zum einen nicht vollschichtig gearbeitet und zum anderen sich regelmäßig darüber informiert, ob sich die Bemessungsgrenze zur Erlangung dieser Rente geändert hätte. Hätte die Klägerin gewusst, dass weiter gehende Ansprüche in der Hinterbliebenenversorgung in Betracht kämen, so hätte sie diese Ansprüche auch gestellt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 20.1.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 4 O 221/04 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 39.069 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Beklagte bestreitet, dass der Gemeindebeamte bei der Entgegennahme des Antrags vom 7.11.1983 einen Anspruch der Klägerin auf Erziehungsrente definitiv verneint habe. Die Beklagte verweist auf die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils, wonach über einen möglichen Antrag der Klägerin auf Erziehungsrente lediglich nicht gesprochen worden sei. Bei dem Beamten habe es sich nicht um einen Rentenberater gehandelt, vielmehr sei der Beamte nur zur Entgegennahme von Rentenanträgen zuständig gewesen. Nach Ansicht der Beklagten könne von einem Gemeindebeamten keine Belehrung dahingehend verlangt werden, in abstrakter Weise auf das Rechtsinstitut der Erziehungsrente hinzuweisen. Vielmehr bestehe eine abstrakte Belehrungspflicht nicht, wenn die konkreten Anspruchsvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt seien und erst nach langen Jahren eine Gesetzesänderung geschaffen würde.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

II. A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter dem allein in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG) nicht zu, da nicht feststeht, dass der für die Beklagte handelnde Beamte seine Amtspflichten durch Erteilung einer falschen Auskunft objektiv verletzte (1.). Zudem steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der geltend gemachte Rentenausfall adäquat kausal durch eine fehlerhafte Beratung hervorgerufen wurde (2.). Schließlich scheidet aus normativen Erwägungen eine Zurechnung des geltend gemachten Schadens aus (3.).

1. Bereits der objektive Tatbestand einer Amtspflichtverletzung - im vorliegenden Fall also die Erteilung einer falschen Auskunft - ist nicht erwiesen.

a) Im Grundsatz muss die von einem Amtsträger erteilte Auskunft richtig, klar, unmissverständlich und vollständig sein, damit der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann (st. Rspr. BGHZ 121, 65, 69; 117, 83, 87 f. mit umf. Nachweis; MünchKomm(BGB)/Papier, 4. Aufl., § 839 Rdnr. 219; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 839 Rdnr. 41). Gleichwohl dürfen diese Rechtsgrundsätze nicht dahingehend missverstanden werden, dass der auf Beratung in Anspruch genommene Amtsträger jeden auch nur entfernt mit dem Beratungsgegenstand gedanklich in Verbindung stehenden Aspekt beleuchten muss. Ein derart weitgehendes Verständnis vom Umfang der geschuldeten Beratung liefe auf eine nicht mehr interessengerechte Überdehnung der Verantwortlichkeit des Amtsträgers hinaus. Vielmehr ist der Umfang der geschuldeten Beratung in jedem Einzelfall vor dem Hintergrund der konkreten Auskunftssituation zu bestimmen (vgl. Bamberger/Roth/Reinert, BGB, § 839 Rdnr. 39; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 47; Soergel/Vinke, BGB, 13. Aufl., § 839 Rdnr. 122).

b) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin unterlag der Amtsträger der beklagten Gemeinde bei der Auskunftserteilung nicht der umfassenden sozialrechtlichen Auskunfts- und Beratungspflicht der §§ 14, 15 SGB I in der zum Beratungszeitpunkt geltenden Fassung (im Folgenden: SGB I a. F.; vgl. zum Umfang der sozialrechtlichen Auskunftspflicht: BGH, Urt. v. 6.2.1997 - III ZR 241/95, NVwZ 1997, 1243; Rinne/Schlick, NVwZ-Beilage II/2000, S. 15). Denn die Beklagte war nicht Adressat dieser sozialrechtlichen Norm: Die nach § 14 SGB I a.F. geschuldete Beratungspflicht oblag den Leistungsträgern der jeweiligen Sozialleistungen. Mithin richtete sich die aus § 14 SGB I a.F. resultierende Beratungspflicht im vorliegenden Fall unmittelbar an die BfA. Nach § 15 Abs. 1 SGB I a.F. waren die nach Landesrecht zuständigen Stellen sowie die Träger der gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten Auskunft zu erteilen. Auch diese Auskunftspflicht traf die Beklagte nicht, da der saarländische Landesgesetzgeber zum maßgeblichen Zeitpunkt in der Verordnung vom 1.7.1981, Abl. S. 473 von allen saarländischen Gemeinden lediglich die Gemeinde Beckingen zur zuständigen Stelle im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB I bestimmt hatte (vgl. auch: Aye/Bley u.a., Sozialgesetzbuch, SGB I § 15 S. 192/16). Auch die Funktion eines Versicherungsamtes i. S. des § 92 SGB IV kam der beklagten Gemeinde im Jahr 1983 nicht zu, da die Aufgabe des Versicherungsamtes dem Landkreis übertragen war (Bley/Gitter u.a., Sozialversicherung Anhang Nr. 3-1 zu SGB IV).

c) Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt an, so hat die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis für die fehlerhafte Auskunftserteilung nicht erbracht (zur Darlegungs- und Beweislast vgl.: OLGR Schleswig 1998, 109 f.):

Die Klägerin hat die Amtspflichtverletzung daraus hergeleitet, dass es der Standesbeamte unterlassen habe, die Klägerin auf die abstrakt in Betracht kommenden Anspruchsvoraussetzungen einer Erziehungsrente hingewiesen zu haben. Dieser unterlassene Hinweis war nur dann möglicherweise beratungsfehlerhaft und amtspflichtwidrig, wenn die Klägerin anlässlich der Antragstellung von Halbwaisenrente nicht nur die ihr in der konkreten Situation tatsächlich zustehenden Sozialleistungen erfragen wollte, sondern in einem umfassenden Sinne um Aufklärung über alle theoretisch in Betracht kommenden Sozialleistungen bat. Ein solcher Sachverhalt steht nicht fest:

aa) Im ersten Rechtszug hat die Klägerin vorgetragen, der Standesbeamte habe sie hinsichtlich der zu stellenden Anträge beraten; die Beratung habe zu einer Antragstellung auf Bewilligung von Halbwaisenrente geführt.

Dieser Sachvortrag belegt nicht, dass die Klägerin den Standesbeamten über alle - auch nur theoretisch in Betracht kommenden - Leistungen um Auskunft und Beratung bat. Konkreter Anlass der Beratung war der am 14.10.1983 eingetretene Tod ihres geschiedenen Ehemanns. Mithin liegt es nahe, dass die Klägerin den Standesbeamten zielgerichtet um Mithilfe zur Realisierung derjenigen Ansprüche bat, die ihr unter Berücksichtigung ihrer konkreten Situation, insbesondere ihrer damaligen Vermögensverhältnisse zustanden. Diese Beratung erbrachte der Standesbeamte vollständig und richtig, da der Klägerin zum Zeitpunkt der Beratung mit Ausnahme der beantragten Halbwaisenrente keine weitergehenden Ansprüche zustanden.

bb) Ein anderes Ergebnis wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die Klägerin im Beratungsgespräch in irgendeiner Weise ihrer Absicht Ausdruck verliehen hätte, zu Gunsten der Erziehung ihres Kindes den Umfang ihrer beruflichen Tätigkeit zu reduzieren. Denn im Grundsatz umfasst die Beratung auch solche Ansprüche, die der Auskunftssuchende zwar nicht konkret beantragt, aber vernünftigerweise bei richtiger Information mit Wahrscheinlichkeit wahrnehmen würde (OLGR Celle 1998, 354).

Die Klägerin hat nicht vorgetragen, anlässlich des Beratungsgesprächs die Frage nach einer Erziehungsrente in konkreter oder abstrakter Weise an den Standesbeamten herangetragen zu haben. Auch die äußeren Umstände ließen aus Sicht des Standesbeamten nicht erwarten, dass die Klägerin aufgrund des Sterbefalles an Stelle des erzielten Arbeitseinkommens Erziehungsrente in Anspruch nehmen wollte: Da die Klägerin bereits vor dem Tod ihres Ehemannes geschieden war, hatte die Klägerin die grundsätzliche Entscheidung, trotz der Anforderungen der Kindererziehung einer Arbeit nachzugehen, bereits zu Lebzeiten ihres Mannes getroffen. Sie wurde mithin nicht erst durch den Todesfall vor die Notwendigkeit gestellt, die Interessen ihres Kindes und die Notwendigkeit zum Erwerb zu einem angemessenen Ausgleich zu führen. Dass die Klägerin den Tod ihres Ehemannes zum Anlass nehmen würde, die bereits getroffene Entscheidung, nach der Trennung von ihrem Ehemann einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachzugehen, noch einmal zu überdenken, war für den Standesbeamten nicht ersichtlich.

cc) Soweit die Klägerin nunmehr - erstmals im Berufungsrechtszug - schärfer akzentuiert und vorträgt, der Standesbeamte habe weitergehende Ansprüche kategorisch abgelehnt (Bl. 85 d. A.), handelt es sich um einen neuen, im Berufungsrechtszug bestrittenen Sachvortrag, dessen Zulassung an den nicht gegebenen Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO scheitert.

2. Darüber hinaus ist es der Klägerin nicht gelungen, die Kausalität der Pflichtverletzung für den Eintritt des konkreten Schadens zu belegen.

Der streitgegenständliche Schaden besteht nicht in einem lediglich theoretischen Rentenausfall, der dadurch entstanden wäre, dass die Klägerin durch Reduzierung ihres Verdienstes in den Genuss von Rentenansprüchen gekommen wäre. Vielmehr stützt die Klägerin ihre Klageforderung allein auf den Ausfall der auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Verdienstes berechneten Rente, die der Klägerin erst ab dem Jahr 1992 zustand. Adäquat kausal war dieser Ausfall nur dann, wenn die Klägerin nachweist, im Fall einer korrekten Auskunft des Beamten ihre Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht zu haben.

Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht geführt. Denn hätte der Standesbeamte in abstrakter Weise im Jahr 1983 auf die theoretische Möglichkeit einer Erziehungsrente hingewiesen und zugleich dargelegt, dass der Klägerin auf der Grundlage ihrer damaligen Verdienstverhältnisse ein solcher Anspruch nicht zustehe, wäre die Klägerin mit dieser Auskunft allein noch nicht in der Lage gewesen, ihre Ansprüche zum 1.1.1992 geltend zu machen. Erst das Wissen um die im Jahr 1991 erfolgte Änderung der Hinzuverdienstgrenze hätte es der Klägerin ermöglicht, ihre Ansprüche anzumelden.

Offensichtlich hat die Klägerin erst im Laufe dieses Rechtsstreits von dieser anspruchsbegründenden Gesetzesänderung Kenntnis erlangt. Es erscheint nicht plausibel, dass die Klägerin durch einen abstrakten Hinweis auf die grundsätzliche Möglichkeit einer Erziehungsrente so stark sensibilisiert worden wäre, dass ihr die Gesetzesänderung des Jahres 1991 nicht verborgen geblieben wäre. Auch der allgemeine Erfahrungssatz, dass sich der Beratende beratungsrichtig verhalten hätte, hilft der Klägerin in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalles nicht weiter: Die Klägerin wurde mehr oder weniger zufällig erst im Jahr 2002 durch eine Broschüre über die Möglichkeit einer Erziehungsrente informiert. Dies zeigt, dass die Klägerin etwaige sozialrechtliche Leistungsansprüche keineswegs mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit verfolgte. Es spricht wenig dafür, dass die Aufmerksamkeit durch eine singuläre - im Ergebnis zum damaligen Zeitpunkt für die Klägerin wertlose - Auskunft im Jahr 1983 in relevanter Weise gesteigert worden wäre.

3. Schließlich erscheint es zweifelhaft, ob der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus normativen Erwägungen zugesprochen werden kann.

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Feststellung der Pflichtverletzung die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schadensersatzes nicht abschließend beschreibt. Vielmehr findet der aus dem rechtlichen Aspekt der Amtshaftung hergeleitete Schadensersatzanspruch dort seine Grenze, wenn die beanstandete Amtshandlung aus normativen Erwägungen nicht geeignet ist, ein schutzwürdiges Vertrauen als Grundlage für Vermögensdispositionen zu begründen (BGHZ 117, 83, 90, 134, 268, 283 f.). Auch im vorliegenden Fall kann bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise der seit dem Jahr 1992 entstandene Rentenausfall dem Verwaltungshandeln der Beklagten nicht mehr zugerechnet werden, da ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in die Richtigkeit der im Jahr 1983 erteilten Auskunft im maßgeblichen Zeitraum der Gesetzesänderung des Jahres 1991 nicht anerkannt werden kann:

Gerade das Sozialrecht unterliegt einer besonderen gesetzgeberischen Dynamik. Nicht erst die gegenwärtigen Bestrebungen des Gesetzgebers zur Reform aller Sozialsysteme zeigen, dass die Ausgestaltung der sozialrechtlichen Leistungsansprüche einem stetigen Gestaltungsprozess unterliegen. In Anbetracht dessen kann ein Bürger vernünftigerweise nicht erwarten, dass eine zu einem bestimmten Zeitpunkt erteilte Auskunft zur sozialrechtlichen Rechtslage für einen langen in die Zukunft gerichteten Zeitraum Richtigkeit beansprucht. Er ist vielmehr zur sinnvollen eigenverantwortlichen Wahrnehmung seiner sozialen Belange gehalten, die soziale Absicherung in vertretbaren Zeitintervallen einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Dieser gebotenen eigenverantwortlichen Wahrnehmung ihrer Interessen ist die Klägerin ersichtlich nicht nachgekommen, die sich vielmehr offensichtlich jahrzehntelang auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Jahr 1983 erteilten Auskunft verlassen hat. Mithin beruht bei wertender Betrachtung die unterlassene Geltendmachung der Rentenansprüche ab dem Jahr 1992 nicht auf der unzureichenden Auskunft des Standesbeamten im Jahr 1983, sondern darauf, dass die Klägerin ihre eigenen sozialen Belange nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit beobachtet hat.

B. Die Kostenfolge beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO)

Ende der Entscheidung

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