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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2008
Aktenzeichen: 4 W 4/08
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 278 Abs. 6 Satz 2
ZPO § 322 Abs. 2
GKG § 45 Abs. 3
GKG § 45 Abs. 4
GKG § 68 Abs. 1
Zur Berechnung des Gebührenstreitwerts bei vergleichsweiser Erledigung einer hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

4 W 4/08

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Göler, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr und die Richterin am Landgericht Gerard-Morguet

am 28.01.2008

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 7.11.2007 - 9 O 94/07 - in der Form des Abhilfebeschlusses vom 21.12.2007 wird zurückgewiesen.

2. Unter Abänderung der unter Ziff. 1. bezeichneten Beschlüsse wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren einheitlich auf 30.806,24 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung anwaltlichen Honorars aus einem Beratungsvertrag sowie aus der Erledigung zahlreicher Rechtsangelegenheiten in Anspruch genommen und die Klageforderung auf 5.924,16 EUR beziffert. Der Beklagte hat bezüglich aller Honoraransprüche die Einrede der Verjährung erhoben. Den Honorarforderungen aus den Rechnungen mit den Nummern ~57, 0400266 und ~05 ist der Beklagte mit der Einwendung entgegengetreten, der Kläger habe seine anwaltlichen Beratungspflichten verletzt. Weiterhin hat er vorgetragen, aus der Schlechterfüllung des der Rechnung Nr. ~57 zu Grunde liegenden Anwaltsvertrages stünde dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 22.822,08 EUR zu, mit dem er vorsorglich die Aufrechnung gegen die Honoraransprüche erklärt hat. Schließlich hat der Beklagte eingewandt, der Kläger sei wegen teilweiser Nichterfüllung des Beratungsvertrages in Höhe eines Betrages von mindestens 2.000 EUR zur Rückerstattung des bereits gezahlten Honorars verpflichtet. Auch mit dieser Gegenforderung hat der Beklagte die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung erklärt.

Mit Beschluss vom 5.10.2007 hat das Landgericht gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO festgestellt, dass die Parteien einen Vergleich geschlossen haben, in dem sich der Beklagte dazu verpflichtet, dem Kläger zur Abgeltung der Klageforderung einen Betrag von 4.000 EUR zu zahlen. Damit sollten alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien erledigt sein (Bl. 111 d. A.). Sodann hat das Landgericht mit Beschluss vom 7.11.2007 (Bl. 122 d. A.) den Streitwert einheitlich auf 13.848,32 EUR festgesetzt.

Gegen diese Streitwertfestsetzung wenden sich beide Parteien: Mit Schriftsatz vom 21.11.2007 (Bl. 124 d. A.) hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, den Streitwert lediglich in Höhe der Klageforderung festzusetzen. Mit Schriftsatz vom 7.12.2007 hat auch der Kläger Beschwerde gelegt. Der Kläger erstrebt, den Streitwert für den Vergleich mit 30.806,24 EUR festzusetzen.

Mit Beschluss vom 21.12.2007 (Bl. 142 d. A.) hat das Landgericht der Beschwerde des Klägers abgeholfen und den Streitwert für den Vergleich auf 30.806,24 EUR festgesetzt. Die Beschwerde des Beklagten hat das Landgericht dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

A. Die Beschwerde des Klägers ist nicht mehr zu bescheiden, nachdem das Landgericht der Beschwerde des Klägers in vollem Umfang abgeholfen hat. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Schriftsatz vom 21.11.2007 in einer den Anforderungen des § 68 Abs. 1 GKG entsprechenden Form Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung eingelegt hat, ist die Beschwerde als solche der vertretenen Partei, des Beklagten, anzusehen. Denn die Beschwerde erstrebt eine Erniedrigung des festgesetzten Wertes und dient mithin vordringlich dem Interesse der vom Prozessbevollmächtigten vertretenen Partei (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 68 GKG Rdnr. 5).

B. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, da die angefochtene Entscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten erkennen lässt. Dennoch war die Streitwertsetzung im Rahmen der durch die Einlegung der Beschwerde eröffneten umfassenden Prüfung zu korrigieren: Der Streitwert war für alle erstinstanzlichen Gebühren einheitlich auf 30.806,24 EUR festzusetzen, da § 45 Abs. 3, 4 GKG keine abgestufte Streitwertfestsetzung erlaubt.

1. Allerdings begegnet es keinen Bedenken, den Streitwert für den Vergleich auf 30.806,24 EUR festzusetzen:

a) Gemäß § 45 Abs. 3 GKG erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, sofern im Fall der Hilfsaufrechnung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. Für den Fall, dass der Rechtsstreit durch Vergleich eine Erledigung gefunden hat, ist entsprechend zu verfahren (§ 45 Abs. 4 GKG). Da der Vergleich selbst nicht der Rechtskraft fähig ist und auch keine der Rechtskraft ähnliche Wirkungen besitzt (BGHZ 86, 186, 188; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rdnr. 34; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 322 Rdnr. 2), führt die in § 45 Abs. 4 GKG angeordnete Analogie dann eine Streitwerterhöhung herbei, wenn die Parteien in ihrer materiellrechtlichen Einigung des Vergleichs zugleich Regelungen über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen getroffen haben (vgl. Hartmann, aaO., Rdnr. 50; KG, MDR 2004, 56).

b) Diese Rechtsgrundsätze rechtfertigen im vorliegenden Fall eine Streitwerterhöhung: Das Verteidigungsvorbringen des Beklagten ist dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte die Aufrechnung mit den beiden selbständigen Forderungen auf Schadensersatz und Rückerstattung überzahlten Beraterhonorars nur hilfsweise in die Erkenntnis des Gerichts stellen wollte. Denn in seiner Primärverteidigung wendet sich der Beklagte in Gestalt der Verjährungseinrede und mit seinen materiell-rechtlichen Einwendungen zu den Rechnungen mit den Nummern ~57, 0400266 und ~05 unmittelbar gegen die Berechtigung der Klageforderung. In der Vergleichsklausel 4 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass mit der Zahlung der Vergleichssumme alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien erledigt seien. Mithin haben die Parteien im Vergleichswege auch die zur Hilfsaufrechnung gestellten Ansprüche abgegolten. Beide Forderungen nehmen mit ihrem vollen Wert (2.000 EUR und 22.822,08 EUR) an der Wertfestsetzung teil.

2. Soweit das Landgericht allerdings in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG bei der Festsetzung der vor dem Vergleich verwirkten Gebührentatbestände offenbar in Anlehnung an die Regelung des § 322 Abs. 2 ZPO eine anteilige, jeweils auf die Höhe der Klageforderung begrenzte Anrechnung der Hilfsaufrechnung berücksichtigt hat, erscheint die Streitwertfestsetzung nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht verkennt, dass ein Weg zu § 322 Abs. 2 ZPO im Regelungsbereich des § 45 Abs. 4 GKG versperrt bleibt: Eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen im Sinne des § 322 Abs. 2 ZPO wird im Fall des Vergleichs gerade nicht getroffen. Damit fehlt eine tragfähige Basis, um die vor dem Vergleichsabschluss verwirkten Gebührentatbestände unter Rückgriff auf Regelungen zu bestimmen, die bei streitiger Entscheidung über die zur Hilfsaufrechung gestellten Forderungen Anwendung gefunden hätten. Nach dem klaren Wortlaut des § 45 Abs. 4 GKG erfasst die aus der vergleichsweisen Erledigung der zur Aufrechnung gestellten Forderung resultierende Streitwerterhöhung - ebenso wie eine in unmittelbarer Anwendung des § 45 Abs. 3, § 322 Abs. 2 ZPO erfolgte Wertfestsetzung - den gesamten Rechtsstreit. Für eine differenzierte Betrachtung einzelner Gebührentatbestände ist demnach kein Raum.

Das hier gefundene Ergebnis erscheint interessengerecht. Denn es trägt dem Umstand Rechnung, dass die zur Hilfsaufrechnung gestellten Forderungen als echtes Verteidigungsvorbringen spätestens seit der Klageerwiderung Gegen-stand des beiderseitigen Sach- und Streitstandes waren. Sie nahmen am Prozessprogramm teil, weshalb es sachgerecht erscheint, ihre volle Relevanz für die Gebührenfestsetzung anzuerkennen. Mit der umfassenden Einbeziehung der zur Hilfsaufrechnung gestellten Forderungen in den Vergleich gehen die materiellrechtlichen Wirkungen des Vergleichs über den in § 322 Abs. 2 ZPO für den Fall der streitigen Entscheidung gesteckten Rahmen hinaus. Dann fehlt jedoch für alle im Prozess entstandenen Gebührentatbestände ein innerer Grund dafür, die Wertberechnung der Hilfsaufrechnung auf die Höhe der Klageforderung zu begrenzen. Letztlich unterscheidet sich die vorliegende Prozesslage von dem Paradigma eines Vergleichsüberhangs: Ein Vergleichsüberhang ist regelmäßig dann festzusetzen, wenn sich die Parteien im Rahmen eines Vergleichs dazu entschließen, bislang prozessual nicht geltend gemachte Ansprüche abzugelten.

3. Der Senat ist an einer Änderung der Streitwertfestsetzung zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht gehindert. Denn das Verbot der so genannten reformatio in peius ist im Rahmen der Streitwertbeschwerde nicht zu beachten. Vielmehr ist das Rechtsmittelgericht im eröffneten Beschwerdeverfahren verpflichtet, den Streitwert von Amts wegen festzusetzen (OLGR Saarbrücken 2007, 430; OLG Celle, Besch. V. 13.5.2005 - 16 WF 46/05; OLG Brandenburg, JurBüro 1997,196; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 12. Auf., Rdnr. 4984).

Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG). Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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