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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 5 U 21/04
Rechtsgebiete: AHB, ZPO, AGBG, VVG


Vorschriften:

AHB § 4 Abs. 1
AHB § 4 Abs. 1 Nr. 5
AHB § 4 Abs. 1 Nr. 6
AHB § 4 Abs. 1 Ziff. 5
AHB § 4 Abs. 1 Ziff. 6
AHB § 5
AHB § 6
AHB § 7 Abs. 3
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
AGBG § 3
VVG § 62
VVG § 63
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

5 U 21/04

verkündet am 8.9.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. 07. 2004 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, des Richters am Oberlandesgericht Geib und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Fries

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.12.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Az.: 4 O 224/02) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 50.000 Euro.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin, Frau M. A., Ansprüche gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer geltend. Dem liegt ein Vertrag über eine Betriebshaftpflichtversicherung zugrunde, der auf Antrag der Versicherungsnehmerin vom 07. 03. 1988 geschlossen wurde. Über den Vertrag wurde am 22. 03. 1988 ein Versicherungsschein ausgestellt (Bl. 27). Ihm lagen jedenfalls die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) zugrunde (Bl. 28 ff), nach den Behauptungen der Beklagten überdies die Besonderen Bedingungen, Risikobeschreibungen und Erläuterungen (BRE, Bl. 32 ff) zur Haftpflichtversicherung für das Straßenverkehrsgewerbe.

Die Versicherungsnehmerin der Beklagten war Inhaberin eines kleinen Unternehmens, in welchem ihr Ehemann, Herr D. A., angestellt war. Dieser führte 1992 und 1993 Aufschüttungsarbeiten auf den Grundstücken der Herren R. F. und R. A. aus, welche in den Jahren 1993 und 1994 für Hangrutschungen in Richtung des tiefer gelegenen Grundstückes der Klägerin ursächlich waren. Hierdurch entstanden der Klägerin Schäden, zu deren Erstattung die Versicherungsnehmerin der Beklagten und ihr Ehemann als Gesamtschuldner rechtskräftig verurteilt wurden, und zwar dem Grunde nach durch Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 18. 04. 2000 (Az.: 7 U 325/01-73, Beiakte Bl.819 ff) und in Höhe eines bezifferten Betrages von 775.018,96 DM durch Teilversäumnis- und Schlussurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. 03. 2001 (Az.: 4 O 54/95, Beiakte Bl. 1032).

Die Versicherungsnehmerin der Beklagten hat ihre etwaigen Deckungsansprüche gegen die Beklagte am 21. 08. 2001 an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin hat in der von ihr auf 50.000 Euro begrenzten Teilklage geltend gemacht, der hier vorliegende Schadensfall sei von dem Versicherungsschutz der abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherung erfasst. In dem Versicherungsantrag vom 07. 03. 1988 (Bl. 7) ist in der Rubrik "Art des Betriebes" unstreitig eingetragen "Transporte und Baggerbetrieb". Der Versicherungsschein vom 22. 03. 1988 beziehe sich aber in diesem Punkt auf den Versicherungsantrag, so dass Baggerarbeiten mitversichert seien. Ein hiervon abweichender Versicherungsschein sei der Versicherungsnehmerin A. niemals zugegangen.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und sich insoweit auf das Abtretungsverbot des § 7 Abs. 3 AHB berufen. Sie hat die Auffassung vertreten, der hier eingetretene Schadensfall sei von dem Versicherungsschutz nicht erfasst. Die von der Versicherungsnehmerin geschuldete Prämie sei nur für einen reinen Fuhrbetrieb berechnet und auskömmlich, da beide Partner des Versicherungsvertrages von Anfang an einig gewesen seien, dass lediglich das Grundrisiko "Fuhrbetrieb" versichert werden sollte. Anlässlich des Wunsches der Versicherungsnehmerin nach weitergehendem Versicherungsschutz für ein konkretes Abbruchvorhaben seien auch Verhandlungen über eine Betriebshaftpflichtversicherung für das Baugewerbe mit risikogerechter Prämie geführt worden, welche aber gescheitert seien, da Frau A. die Prämie zu hoch gewesen sei. Das Betriebsrisiko des Baggers sei ohnehin über die hierfür bestehende Kfz.- Versicherung abgedeckt gewesen. Frau A. habe darauf bestanden, dies festzuhalten, weshalb am 16. 06. 1989 ein entsprechender Nachtrag zu dem Versicherungsschein erstellt worden (Bl. 41) und der Versicherungsnehmerin zeitnah zugegangen sei.

Dem Anspruch stünden überdies Ausschlussklauseln entgegen, nämlich einerseits § 4 Abs. 1 Ziff. 5 AHB, da der Schaden durch einen "Erdrutsch" eingetreten sei und andererseits die sogenannte "Benzinklausel" (Ziffer 1.5.1.2.1. BRE), da mittels eines LKW Material über die Böschungskrone abgeschüttet worden sei.

Die Versicherungsnehmerin habe überdies Obliegenheiten nach §§ 5, 6 AHB verletzt, da sie den Schadensfall erst am 18. 04. 1996 gemeldet habe. Zudem seien die Informationen fehlerhaft gewesen, da der Ehemann der Versicherungsnehmerin unzutreffend angegeben habe, dass lediglich 65 Kubikmeter Mutterboden und 25 Kubikmeter Schotter von ihm abgeladen worden und die Auffüllung im übrigen durch unbekannte Fahrzeuge erfolgt sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlich vorgetragenen Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Schaden durch einen Erdrutsch entstanden sei (§ 4 Abs. 1 Ziff. 5 AHB).

In der hiergegen gerichteten Berufung macht die Klägerin geltend, das Urteil des Landgerichts leide unter einem Verfahrensfehler. Noch in der mündlichen Verhandlung habe das Landgericht den Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1 Ziff 5 AHB verneint. Im Urteil habe es sodann eine andere Rechtsauffassung vertreten, ohne zuvor den insoweit gebotenen Hinweis auf die nunmehr abweichende Beurteilung der Rechtslage erteilt zu haben. Zudem habe das Landgericht unterlassen die Akten des Vorprozesses formal korrekt beizuziehen, diese aber gleichwohl verwendet.

Materiellrechtlich habe das Landgericht verkannt, dass der Haftungsausschluss nach § 4 Abs. 1 Ziff. 5 AHB unwirksam sei. Er stelle eine überraschende Klausel dar, da er ein bei der Versicherung von Baggern typisches Risiko aus dem Versicherungsschutz ausnehme. Es liege auch tatbestandlich keine Erdrutschung im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 5 AHB vor, da es sich um eine von Menschenhand geschaffene Aufschüttung gehandelt habe. Diese sei auch erst so kurz vorhanden gewesen, dass sie noch nicht durch Verbindung ein Bestandteil der natürlichen Erdkrume geworden sei, was wiederum Voraussetzung einer Erdrutschung sei. Ohnehin seien Folgeschäden, also Schäden, die nicht unmittelbar durch die Rutschung verursacht wurden, von dieser eng auszulegenden Klausel nicht erfasst. Hier handele es sich aber um derartige Folgeschäden, da der Schaden im Wesentlichen aus Kosten für Sicherungsmaßnahmen resultiere. Für § 4 Abs. 1 Ziff. 5 AHB gelte nichts anderes als für den Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1 Ziff. 6 AHB, für den höchstrichterlich entschieden sei, dass nur die unmittelbaren Sachschäden und nicht Folgeschäden ausgeschlossen seien.

Ohnehin liege ein Beratungsfehler vor, der über die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung zu einem Schadensersatzanspruch in Höhe des Versicherungsschutzes führe. Es sei evident gewesen, dass das Risiko von "Erdrutschungen" angesichts der Struktur des Betriebes, welche der Beklagten aufgrund von Äußerungen ihres Mitarbeiters bekannt gewesen sei, in den Versicherungsschutz einbezogen werden musste. Hierauf hätte die Beklagte ihre Versicherungsnehmerin hinweisen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10. 12. 2003 ( 4 O 224/02) aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen

sowie

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 50.000, 00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. 12. 2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren Vortrag.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg, da einem Anspruch der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag der Ausschlusstatbestand des § 4 I Nr. 5 AHB entgegensteht. Ob die in der Berufungsbegründung gerügten Fehler des landgerichtlichen Verfahrens gegeben sind kann dabei dahinstehen, da jedenfalls in dem Verfahren vor dem Senat der Klägerin hinreichend Gelegenheit zur Erörterung der Ausschlussklausel des § 4 I Nr. 5 AHB gewährt wurde und die Parteien übereinstimmend den Inhalt der Akten 4 O 54/95 zum Gegenstand ihres Vortrages gemacht haben. Damit ist die Sache entscheidungsreif.

1.

Allerdings wäre Inhaberin etwaiger versicherungsvertraglicher Ansprüche die Klägerin. Die am 21. 08. 2001 erfolgte Abtretung der Ansprüche ist wirksam und hätte - grundsätzlich - zur Folge, dass ein etwaiger Deckungsanspruch sich in einen Zahlungsanspruch umwandelt (Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 149 Rn. 3; OLG München RuS 2000, 58 <59>). § 7 Abs. 3 AHB steht der Wirksamkeit der Abtretung nicht entgegen. Zwar können nach dieser Klausel Versicherungsansprüche vor ihrer endgültigen Feststellung - an der es hier fehlt - ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen werden. Der Berufung der Beklagten auf dieses rechtsgeschäftliche Zessionsverbot (§ 399 BGB), steht hier allerdings der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Die obergerichtliche Rechtsprechung, welcher sich der Senat anschließt, nimmt dies in den Fällen an, in denen der Zessionar einen vollstreckbaren Titel in den Händen hält, aufgrund dessen er ohne weiteres in den Anspruch vollstrecken könnte (OLG Hamburg VersR 1972, 631; OLG Düsseldorf VersR 1983, 625 <626>; vgl. auch Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AHB Rn. 8). Das Abtretungsverbot steht der Pfändung und Überweisung der Ansprüche des Schädigers durch den geschädigten Dritten, durch welche er das gleiche Ergebnis erzielen kann, nämlich nicht entgegen (§ 851 Abs. 2 ZPO). Bei dieser Sachlage fehlt es an einem im Zweckbereich der Bestimmung liegenden Interesse des Versicherers an dem Abtretungsverbot (vgl. zu dem Erfordernis eines berechtigten Interesses: BGH Vers R 1983, 823 <824>; BGHZ 41, 327; ebenso der Senat VersR 2002, 351 <352>). 2.

Der hier vorliegende Schadensfall ist jedoch gem. § 4 I Nr. 5 AHB vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Diese Klausel lautet:

"Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf:

...

5. Haftpflichtansprüche aus Sachschaden, welcher entsteht durch allgemeine Einwirkung der Temperatur, von Gasen, Dämpfen oder Feuchtigkeit, von Niederschlägen (Rauch, Ruß, Staub u. dgl.), ferner durch Abwässer, Schwammbildung, Senkungen von Grundstücken (auch eines darauf errichteten Werkes oder eines Teiles eines solchen), durch Erdrutschungen, Erschütterungen infolge Rammarbeiten, durch Überschwemmungen stehender oder fließender Gewässer sowie aus Flurschaden durch Weidevieh und aus Wildschaden."

a)

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel bestehen nicht.

aa)

Zu Unrecht rügt die Klägerin, der Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1 Ziffer 5 AHB stelle eine überraschende Klausel im Sinne des § 3 AGBG dar, da ein typisches Risiko bei "einem Baggerbetrieb" ausgeschlossen sei. Überraschend ist eine Klausel, wenn sie objektiv ungewöhnlich ist und der Vertragspartner - aus der Sicht des Durchschnittskunden - nach den Umständen des Falles vernünftigerweise nicht mit ihr zu rechnen brauchte (vgl. allgemein Schmidt in Bamberger/Roth, BGB, § 305c Rn. 10, 11). Die hier in Rede stehende Klausel, die bereits mehrfach Gegenstand obergerichtlicher und höchstrichterlicher Entscheidungen war, ohne dass diesbezügliche Bedenken hierin angesprochen wurden (vgl. BGH VersR 1956, 789; VersR 1971, 457; OLG Hamm VersR 1960, 338; OLG München VersR 1962, 54; OLG Düsseldorf VersR 1968, 161; OLG Bamberg, VersR 1969, 916; OLG Koblenz VersR 2004, 724), ist objektiv nicht ungewöhnlich. Der Sinn und Zweck des § 4 I Nr. 5 AHB liegt neben der Absicherung vor tendenziell vorhandenen Beweisschwierigkeiten vor allem auch in der Möglichkeit von schwer oder unkalkulierbaren Katastrophenschäden (BGH VersR 1956, 789 <790>; Späte, Haftpflichtversicherung, § 4 Rn. 98). Dass Schadensfälle, die hinsichtlich ihrer Art und Entwicklung potentiell oder tatsächlich derart unberechenbar sind, dass sie nicht zu dem für gewöhnliche Haftpflichtgefahren kalkulierten Versicherungsbeitrag gedeckt werden können, wie dies für alle Risikotatbestände des § 4 Abs. I Nr. 5 AHB der Fall ist (OLG Koblenz VersR 2004, 724 <725> unter Hinweis auf BGH VersR 1951, 79, 1956, 789; 1962, 1049; 1968, 1080; 1970, 611), von dem allgemeinen Deckungsumfang der Haftpflichtversicherung ausgeschlossen sind, ist nicht ungewöhnlich. Auch der Gesichtspunkt, es handele sich um ein "typisches Risiko" eines "Baggerbetriebes" trägt nicht. Ein Versicherungsnehmer der - wie hier die Versicherungsnehmerin der Beklagten - einen Antrag unterzeichnet, der sich ausweislich der Überschrift auf eine "Haftpflichtversicherung für das Straßengewerbe" bezieht, wird regelmäßig nicht erwarten, dass die zugrunde liegenden AHB das hierfür außergewöhnliche Risiko der Verursachung von Erdrutschungen abdecken. Dies gilt auch dann, wenn in dem Antrag als "Art des Betriebes" bzw. "Branche" von "Transporte und Baggerbetrieb" die Rede ist, zumal - wie auch die Klägerin einräumt (Bl. 176) - selbst in der Betriebshaftpflichtversicherung für "Hochbau,- Tiefbau-, Straßenbau und Abbruchbetriebe" dieses Risiko nicht allgemein abgedeckt ist.

bb)

Die Klausel ist auch nicht unklar (§ 5 AGBG). Die Klägerin leitet entsprechende Bedenken daraus her, dass die Formulierung "durch Erdrutschungen, Erschütterungen infolge Rammarbeiten," dahingehend zu verstehen sein könnte, dass es sich um einen einheitlichen Tatbestand handelt, mit anderen Worten also nur Ansprüche ausgeschlossen wären, die "durch Erdrutschungen infolge Rammarbeiten" verursacht wurden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Auch wenn der Klägerin zuzugeben ist, dass in § 4 I Nr. 5 AHB teilweise die Abtrennung der einzelnen Tatbestände auch dadurch verstärkt wurde, dass das Wort "durch" zwischen die verschiedenen Tatbestände gesetzt wurde, was zwischen den hier in Rede stehenden Tatbeständen "Erdrutschungen" und "Erschütterungen" nicht der Fall ist, besteht für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer hier keine Unklarheit. Die Abtrennung der Tatbestände durch die Verwendung eines Kommas ist ausreichend, zumal die von der Klägerin genannte Auslegungsalternative erkennbar unsinnig ist. Soweit tatsächlich "Erdrutschungen" durch "Rammarbeiten" hervorgerufen werden, handelt es sich um nichts anderes als um mittelbare Auswirkungen der bei den Arbeiten verursachten "Erschütterungen", so dass ohnehin, auch ohne die Nennung der "Erdrutschungen" Leistungsfreiheit gegeben wäre. Dem Tatbestandsmerkmal "Erdrutschung" käme daher keinerlei Bedeutung zu, was ersichtlich nicht gewollt ist.

b)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 I Nr. 5 AHB liegen vor.

aa)

Eine Erdrutschung im Sinne des § 4 I Nr. 5 AHB liegt nach der seit den 50-er Jahren gebräuchlichen Definition (BGH, Urt. vom 19. 11. 1956, II ZU 217/55, VersR 1956, 789; vgl. zuletzt OLG Koblenz VersR 2004, 724) vor, wenn das Erdreich nicht in sich zusammensinkt, sondern sich ein Teil der Erdoberfläche aus seinem natürlichen Zusammenhang mit seiner Umgebung löst und in Bewegung übergeht.

bb)

Zu Unrecht bestreitet die Klägerin, dass es sich bei dem abgerutschten Gelände um einen "Teil der Erdoberfläche" gehandelt habe, welcher sich aus seiner "natürlichen Umgebung gelöst" hat. Eine für den vorliegenden Fall nutzbar zu machende Rechtsprechung besteht allerdings nicht. Die zu § 4 I Ziff. 5 AHB ergangene Rechtsprechung befasst sich soweit ersichtlich ausschließlich mit Fällen, in denen eine Baugrube (bzw. eine entsprechende Vertiefung) ausgehoben wurde (BGH NJW 1957, 140; VersR 1971, 457; OLG Hamm VersR 1960, 338; OLG München VersR 1962, 54; OLG Düsseldorf VersR 1968, 161; OLG Bamberg, VersR 1969, 916; OLG Koblenz VersR 2004, 724) oder aber ein durch Fundamentarbeiten erhöhter Bodendruck dazu geführt haben, dass Teile der Erdoberfläche "abgerutscht" sind (OLG Schleswig VersR 2003, 190). Hier liegt die Sachlage insoweit anders, als der Schadensfall durch das Abrutschen einer "Aufschüttung" verursacht wurde. Allerdings besteht in der Rechtslehre Einigkeit darüber, dass keine Erdrutschung vorliegt, wenn etwa aus einer Baugrube ausgebaggertes Erdreich neben der Baugrube hochgeschichtet ist und - aus welchem Grund auch immer - dieser aufgeschüttete Sandberg in Bewegung gerät und in die Baugrube hineinfällt (so das Beispiel von Wussow, AHB 1976, § 4 Rn. 25; ihm folgend: Späte, AHB, § 4 Rn. 101; Littbarski, AHB , § 4 Rn. 159; Voit/Knappmann in Prölss- Martin, 27. Aufl., § 4 AHB Rn. 32). Zur Begründung wird ausgeführt, dass diese aufgeschütteten Erdmassen noch (!) nicht die für den Begriff der "Erdrutschung" wesentliche feste Verbindung mit dem übrigen Erdreich gehabt habe (Wussow a.a.O.). Eine Erdrutschung könne begrifflich nur vorliegen, wenn die betreffenden Bodenmassen vorher auf Grund einer natürlichen Verwachsung gebunden waren. Diese Bodengebundenheit liege regelmäßig bei künstlichen Aufschüttungen erst nach einer gewissen Zeit vor. Es sei Tatfrage des Einzelfalles, ob die betreffende Erdmasse bereits eine entsprechend lange Dauer sich in der gleichen Lage befunden habe.(Wussow a.a.O.; Späte a.a.O.; Littbarski a.a.O.). Dabei weist Späte auf eine Belegstelle bei Kuwert (Haftpflichtversicherung, Rn. 4075) hin, wonach beachtlich sei, ob es sich um eine nur vorübergehende Lagerung von Aufschüttungsmaterial handele oder ob die Aufschüttung eine "auf Dauer gewollte" Umweltveränderung darstelle. Auch hier spiele allerdings - nach Auffassung von Späte - der Zeitfaktor "eine Rolle".

cc)

Der Senat geht davon aus, dass es entscheidend darauf ankommt, ob das abgerutschte Material aus der Sicht des durchschnittlichen Betrachters tatsächlich bereits einen Teil der Erdoberfläche darstellt. Dabei kann es allerdings nicht darauf ankommen, ob die Aushubmasse im Untergrund mit der ursprünglichen Bodenoberfläche "verwachsen" ist oder nicht, sondern nur darauf, ob der zu beobachtende Zustand dem Betrachter den Eindruck vermittelt, dass dies auf Dauer "so bleiben" soll. Gerade bei Aufschüttungen aus inhomogenen Materialien kann es selbst nach Jahren noch so sein, dass eine Verbindung zwischen dem aufgeschütteten Material und den "gewachsenen" Boden noch nicht besteht, obwohl der durchschnittliche Betrachter beispielsweise wegen des Vorhandenseins einer natürlich gewachsenen oder künstlich angelegten Bepflanzung keinerlei Zweifel daran hätte, dass es sich um die "Erdoberfläche" handelt. In einem solchen Fall eine "Erdrutschung" abzulehnen, weil es an einer geologischen Verbindung des Aufschüttungsmaterials mit dem natürlichen Boden fehlt, wäre nicht nachvollziehbar.

Stellt man auf den durchschnittlichen Betrachter ab, so ist auch das von Späte angesprochene subjektiven Element - ob es sich um eine dauerhafte Veränderung handeln soll oder nicht - von Bedeutung. Wird nämlich eine Aufschüttung zur Gestaltung der Erdoberfläche bewusst vorgenommen, so wird der durchschnittliche Betrachter ab dem Zeitpunkt, ab dem die diesbezüglichen Arbeiten erkennbar abgeschlossen sind, die neu geschaffene Kontur als Erdoberfläche ansehen. Das "Zeitelement" hat in diesen Fällen wenn überhaupt dann nur eine geringe Bedeutung und kommt eher in den Fällen zum Tragen, in denen eine als vorübergehend geplante Aufschüttung nach absehbarer Zeit nicht wieder rückgängig gemacht wird. Auch in diesen Fällen treten aber zu dem reinen Zeitelement noch weitere - wichtigere - Kriterien hinzu, beispielsweise die Entwicklung und das Vorhandensein von Bodenbewuchs.

dd)

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass ohne weiteres von einer "Erdrutschung" auszugehen ist, ohne dass es auf die "Verwachsung" des aufgeschütteten Materials mit der bisherigen Erdoberfläche ankommt. Die Intention der Aufschüttung war es ausdrücklich "Land zu gewinnen". Die diesbezüglichen Arbeiten waren auch abgeschlossen und haben sich - wie das Landgericht unbestritten festgestellt hat - durch Aufbringung einer Teerdecke für jedermann sichtbar manifestiert. Misst man dem zeitlichen Element hier überhaupt noch eine Bedeutung bei, so reicht auch dieses jedenfalls aus, da die haftungsbegründenden Arbeiten unstreitig im Herbst 1992 durchgeführt wurden und die erste Rutschung des Hanggeländes nach dem - hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen bindenden - Urteil des 7. Zivilsenates Anfang Januar 1993 erstmals begann (vgl. Beiakte Bl. 885), so dass mehrere Monate dazwischen lagen. Die von der Klägerin angeführte Literaturstelle bei Wussow (a.a.O.), in der eine "gewisse Zeit" gefordert wird, bis eine Aufschüttung Bestandteil der Erdoberfläche wird, wählt demgegenüber das Gegenbeispiel hierfür so, dass das Abrutschen der Aushubmasse "am gleichen Tag" erfolgt ist.

ee)

Selbst wenn man dem nicht folgt, bleibt es - auch unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung - immerhin dabei, dass auch Teile des bisherigen Hanges ins Rutschen gekommen sind. Diese Feststellung des Landgerichts stellt die Berufungsbegründung ausdrücklich nicht in Abrede (vgl. S. 8 der Berufungsbegründung, GA Bl. 178, wonach der "überwiegende Teil" (!) der ins Rutschen gekommenen Massen nicht "Teile der Erdoberfläche" waren). Insoweit ist die Situation jedoch nicht anders, als in den Fällen, in denen durch den Druck sonstiger Bauwerke (beispielsweise der Fundamentplatte, OLG Schleswig VersR 2003, 190) eine Erdrutschung verursacht wurde.

c)

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass nur aufgrund eines Beratungsfehlers die Einbeziehung von Schäden aus Erdrutschungen in den Versicherungsvertrag unterlassen worden sei. Zwar mag man - unter Zugrundelegung des Klägervortrages - davon ausgehen, dass bei zutreffender Beratung eine Haftpflichtversicherung für "Hochbau,- Tiefbau-, Straßenbau und Abbruchbetriebe" sachgerechter gewesen wäre, als eine Versicherung für das Transportgewerbe. Auch darin sind Erdrutschungen allerdings nicht per se mitversichert, sondern können lediglich durch entsprechende Besondere Bedingungen zusätzlich in die Versicherung mit einbezogen werden (vgl. Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 4 AHB Rn. 33). Dies erkennt auch die Klägerin an, welche ausführt, dass Erdrutschungen in der Baubranche "häufig" (Bl. 176), also gerade nicht immer und ohne weiteres mitversichert sind. Geht man hiervon aus, so ist allerdings nicht ersichtlich, dass der Versicherungsvermittler der Beklagten hätte erkennen müssen, dass in dem Betrieb nicht nur Bauarbeiten durchgeführt werden, sondern dass diese nach ihrer Eigenart darüber hinaus auch ein über den "normalen" Baubetrieb hinausgehendes Haftungsrisiko im Hinblick auf Erdrutschungen in den Versicherungsschutz erforderlich machen. Die Klägerin hat hierfür nichts dargetan. Die Beklagte musste ein entsprechendes Versicherungsbedürfnis auch nicht aus der Art des Betriebes entnehmen, nachdem die Klägerin anlässlich der Versicherung des eingesetzten Baggers erklärt hat, diesen "nur selten" für Erdarbeiten einzusetzen. Hieraus konnte die Beklagte ohne weiteres entnehmen, dass eher geringere Risiken bestehen, als bei einem "normalen" Baubetrieb. Für ein Beratungsverschulden gibt es daher keinen Anhaltspunkt.

d)

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass in vorliegendem Fall der Risikoausschluss des § 4 I Nr. 5 AHB deshalb nicht gegeben ist, weil es sich bei den zu ersetzenden Schadenspositionen um "Folgeschäden" handelt, welche von der Klausel nicht erfasst sind. Dies kommt von vornherein nicht in Betracht, soweit es sich um Aufwendungen zur Beseitigung des abgerutschten Bodens selbst sowie der Folgen für die Fahr-strecken der Klägerin handelt. Dass es sich bei aufgeschüttetem oder - wie hier - auf das Grundstück der Klägerin abgerutschtem Boden um einen "Sachschaden" handelt, ist nicht zweifelhaft (vgl. BGH VersR 1976, 477; Prölss-Martin, VVG, 27. Aufl., § 1 AHB Rn. 12). Der Ausschluss von Schäden durch "Erdrutschungen" aus der Haftpflichtdeckung erstreckt sich auch auf Rettungskosten zur Abwendung weiterer Schäden, da diese gem. §§ 62, 63 VVG das Bestehen bzw. unmittelbare Bevorstehen eines Versicherungsfalles voraussetzen (OLG Koblenz, RuS 2001, 453) und daher versicherungsvertraglich dessen Schicksal teilen.

Allerdings weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass jedenfalls teilweise auch Schäden vorliegen und im Haftungsprozess zugesprochen wurden, die als "Folgeschäden" einzuordnen wären. Dies betrifft beispielsweise die "Bertriebserschwerniskosten", welche "durch die Langsamfahrten im Bereich der Baustelle entstanden sind" (Klageschrift in dem Verfahren 4 O 54/94 S. 17, BA Bl. 16). Auch diese Schadenspositionen sind indes durch den Haftungsausschluss des § 4 I Nr. 5 AHB erfasst. Der darin vereinbarte Ausschluss umfasst nach herrschender Meinung auch die unmittelbaren und mittelbaren Folgeschäden einschließlich der unechten Vermögensschäden (vgl. Späte, AHB§ 4 Rn. 62). Der Senat teilt die Auffassung der Klägerin nicht, die dies unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 4 I Nr. 6 AHB in Abrede stellt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung schliesst § 4 I Nr. 6 AHB nur den unmittelbaren Sachschaden von der Leistungspflicht aus, nicht jedoch den Folgeschaden (grundlegend BGHZ 88, 229 <231>, vgl. auch BGH VersR 1998, 228 <229>; VersR 1999, 748 <749>). Dies ist auf § 4 I Nr. 5 AHB allerdings nicht übertragbar. Zwar leitet der Bundesgerichtshof dies aus allgemeinen Grundsätzen her, die grundsätzlich auch für § 4 I Nr. 5 fruchtbar zu machen sind. Er stellt darauf ab, dass Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss, so dass Risikoausschlussklauseln den Versicherungsschutz nicht weiter verkürzen dürfen, als der erkennbare Zweck der Klausel es gebietet (BGH VersR 1999, 749). Hieraus ergibt sich jedoch eine unterschiedlichen Wertung hinsichtlich des Umfangs des Ausschlusses in Nr. 5 und Nr. 6 des § 4 I AHB. Die Klägerin verkennt, dass gerade die besondere Bedeutung des Wortlauts der Klausel, welchen der BGH maßgeblich zur Argumentation heranzieht, hier unterschiedlich ist. Während § 4 I Nr. 6 AHB nämlich ausdrücklich "Schäden an fremden Sachen" ausschließt, ist dies bei § 4 I Nr. 5 AHB nicht der Fall. Hier genügt, dass sich die Haftpflichtansprüche allgemein aus dem Sachschaden ergeben (Späte a.a.O, § 4 Rn. 64).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 9, 711 S. 2 i.V. m. 709 S. 2 ZPO. Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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