Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.01.2008
Aktenzeichen: 5 U 281/07
Rechtsgebiete: AKB, VVG, ZPO, BGB


Vorschriften:

AKB § 7
AKB § 7 I Abs. 2 S. 3
AKB § 7 V Abs. 4
AKB § 7 V Nr. 4
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 6 Abs. 3 S. 1
VVG § 34
VVG § 34 Abs. 1
ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 529
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 546
BGB § 249 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 286
BGB §§ 305 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

5 U 281/07

Verkündet am 09.01.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2007 durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Knerr und die Richterin am Amtsgericht Dr. Eckstein-Puhl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 24.04.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 160/06 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Kaskoversicherungsvertrag wegen eines Autodiebstahls am 29.09.2005.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung für seinen PKW VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen XXX mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 500,- € (Bl. 3, 27 d. A). Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (im Folgenden: AKB) zu Grunde.

Etwa ein Jahr vor dem Diebstahl - Anfang November 2004 - hatte der Kläger einen Verkehrsunfall gehabt, infolge dessen es zu einem Rechtsstreit gegen das D. Büro G. K. e. V. vor dem Amtsgericht Hermeskeil kam (Az.: 1 C 138/05; Bl. 29 d. A.). Der Kraftfahrzeugsachverständige A. begutachtete den Schaden am 14.11.2004 und stellte einen Tachometerstand von 115.000 km fest (Bl. 72 d. A.). Der Kläger nahm das Fahrzeug ca. zwei Monate später wieder in Betrieb. Im Januar 2005 wurde der (defekte) Tachometer ausgetauscht. Im Juni 2005 ließ der Kläger beim D. e. V. die Hauptuntersuchung durchführen. Der Prüfbericht vom 28.06.2005 dokumentierte einen Kilometerstand von 108.853 km (Bl. 81 d. A.).

Im September 2005 reiste der Kläger nach P./Polen (Bl. 3 d. A.). Dort wurde der versicherte PKW in der Nacht auf den 29.09.2005 entwendet (Bl. 28, 35, 79 d. A.). Der Kläger meldete den Vorgang der zuständigen polnischen Polizeidienststelle (Bl. 3 d. A.). Auch bei der Landespolizeidirektion PI W.-Wache erstattete er Strafanzeige und bezifferte den Kilometerstand des Fahrzeugs auf 112.000 (Bl. 83 d. A.).

Nach Mitteilung des Schadensfalls erfragte die Beklagte in ihrem Schadensformular unter anderem die "Gesamtlaufleistung zurzeit des Diebstahls" und den "Tachometerstand" (Frage Nr. 9, Buchst. h und i des Formulars, Bl. 36 d. A.). Beides beantwortete der Kläger in unmittelbar aufeinander folgenden Zeilen mit "ca. 116.000 km". Die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs hatte damals indessen (mindestens) 130.000 km betragen (so die - unangefochtenen - Feststellungen des Landgerichts auf Seite 5 des erstinstanzlichen Urteils, Bl. 96, 97 d. A.; zum Einräumen einer Laufleistung in dieser Größenordnung vgl. den Schriftsatz des Klägers vom 11.08.2006, Bl. 63 und Bl. 64 d. A. unten).

Die Frage nach unreparierten Vorschäden (Nr. 11 Buchst. a, Bl. 36 d. A.) verneinte der Kläger, zu reparierten Vorschäden vermerkte er u. a.: "Vor diesem Ereignis hatte mein Fahrzeug reparierte Schäden vorne (Motorhaube, Stoßstange, Grill, Kotflügel links u. rechts, Scheinwerfer) gehabt, aber bis heute noch nicht reguliert. Versicherer: A. Versicherung AG Schaden Nr. ~8" (Bl. 41 i. V. m. Bl. 36 d. A.).

Im Schadensanzeigeformular fand sich über den für die Unterschriften vorgesehenen Zeilen - eingerahmt und unter der fett und vergrößert gedruckten Überschrift "Wichtiger Hinweis" - folgende Belehrung:

"Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann (§ 7 I 2 AKB). Dazu gehört auch die sorgfältige und genaue Beantwortung aller in dem vorliegenden Formular gestellten Fragen.

Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben führen, auch wenn uns hierdurch kein Schaden entsteht, zum Verlust des Versicherungsschutzes in voller Höhe (§ 7 V AKB). [...]" (Bl. 38 d. A.).

Die Beklagte erlangte im Rahmen ihrer Leistungsprüfung zu Vorschäden des gestohlenen PKW Kenntnis vom Schadensgutachten des Parteisachverständigen A. vom November 2004 (Bl. 29 d. A.). Mit Schreiben vom 03.02.2006 lehnte sie die Erbringung von Leistungen aus der Vollkaskoversicherung mit der Begründung ab, dass "ein in der Kaskoversicherung gedeckter Diebstahlsschaden nicht vorlieg[e]" (Bl. 42 d. A.). Daraufhin offenbarte der Kläger erstmals die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs (Bl. 28 d. A.).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die fehlerhafte Kilometerangabe in der Schadensanzeige sei ihm nicht vorzuwerfen. Er habe die Laufleistung naturgemäß schätzen müssen und dies mit dem Zusatz "ca." hinreichend offengelegt. Er habe - zumal als Halter mehrerer Fahrzeuge - den genauen Kilometerstand nicht gekannt. Er ist der Auffassung gewesen, 130.000 km im Verhältnis zu ca. 116.000 km seien jedenfalls keine relevante Abweichung (Bl. 62 f. d. A.).

Weiter hatte der Kläger in der Klageschrift zunächst behauptet, nach dem Unfall vom November 2004 habe sich herausgestellt, dass der Tachometer defekt gewesen sei; er sei auch nicht wieder repariert worden, so dass es "zu unvollständigen bzw. verwirrenden Angaben hinsichtlich der Laufleistung zum Zeitpunkt des Diebstahls gekommen" sei (Bl. 4 d. A.). Später hat er dann vorgetragen, er habe versucht, die genaue Laufleistung des Fahrzeugs zu rekonstruieren; dabei habe er "natürlich auch im Kopf [gehabt], dass unterdessen ein neuer Tacho [habe] installiert werden" müssen (Bl. 63 d. A.). Beim Einbau im Januar 2005 habe der neue Tachometer einen Kilometerstand von etwa 102.000 oder 103.000 km gehabt (Bl. 79 d. A.). Erst nachdem sich für ihn herausgestellt habe, "dass es auf diesen Punkt sicherlich in erheblicher Weise ankommen würde", habe er sein Gedächtnis in einer Weise bemüht, die man bei Abfassung eines Fragebogens für die Versicherung in der Regel nicht aufwende und auch nicht aufwenden müsse (Bl. 63 d. A.).

Auch habe er keine falschen Angaben zu etwaigen Vorschäden gemacht. Zur Zeit der Entwendung seien alle Unfallschäden repariert gewesen (Bl. 63 f. d. A.). Die Stoßstange seines Fahrzeugs habe nur einen kleinen Kratzer aufgewiesen. Insoweit sei die Übersetzung seiner Diebstahlsanzeige aus dem Polnischen, der zufolge er als besonderes Kennzeichen Risse in der Stoßstange angegeben habe, unzutreffend (Bl. 63 d. A.).

Der Kläger hat auf der Grundlage des Gutachtens zum Schadensfall 2004 den Wiederbeschaffungswert des entwendeten PKW auf 7.500,- € beziffert (Bl. 4 f. d. A.) und den nach Abzug seiner Selbstbeteiligung verbleibenden Betrag geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2006 zu zahlen,

2. ihn von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte, in Höhe von 305,96 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf Leistungsfreiheit gem. § 7 V Nr. 4 AKB i. V. m. §§ 34, 6 Abs. 3 VVG wegen Verstößen gegen Aufklärungsobliegenheiten berufen. Sie hat sich auf das Verschweigen der gegenüber der polnischen Polizei erwähnten Schäden in der Stoßstange (Bl. 29, 30 d. A.) und außerdem auf die unzutreffende Kilometerangabe im Schadensanzeigeformular gestützt (Bl. 28, 29 d. A.). Der erst nach Leistungsablehnung nach oben korrigierte Kilometerstand liegt nach ihrer Ansicht außerhalb tolerierbarer Schätzungsungenauigkeiten (Bl. 28 f., 72 d. A.). Eine präzisere Angabe sei unter Zuhilfenahme der eigenen Angaben im Verfahren vor dem AG Hermeskeil möglich gewesen. Jedenfalls habe der Kläger selbst bei einer Schätzung mit Hinblick auf den Defekt des ursprünglichen Tachometers unterschiedliche Angaben zum Tachometerstand einerseits und der Gesamtlaufleistung andererseits machen müssen. Zumindest hätte er den Tachowechsel offenlegen müssen (Bl. 72 d. A.).

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.04.2007 (Bl. 92 d. A.) abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.

Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt (Bl. 110 d. A.). Er bestreitet, die Fragen zu Tachometerstand und Gesamtlaufleistung vorsätzlich falsch beantwortet zu haben. Es könne ihm nicht abgesprochen werden, sich ernsthafte Gedanken gemacht und doch geirrt zu haben (Bl. 121 d. A.).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verurteilen,

1. an ihn 7.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2006 zu zahlen;

2. ihn von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte in Höhe von 603,93 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist insbesondere darauf, dass dem Kläger die Möglichkeit offen gestanden habe, bereits im Rahmen der Schadensanzeige darauf hinzuweisen, dass der Tachometerstand zwar 116.000 km betrage, dass aber wegen eines Tachometerdefekts von einer nicht unerheblichen Mehrleistung auszugehen sei (Bl. 129 d. A.).

Hinsichtlich des Sachvortrags und des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 20.03.2007 (Bl. 78 ff. d. A.), des Senats vom 21.11.2007 (Bl. 135 d. A.) und das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 24.07.2007 (Bl. 92 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 7.000,- € auf Grund der Entwendung seines PKW am 29.09.2005. Er hat durch vorsätzlich falsche Angaben zur Gesamtlaufleistung seines entwendeten Fahrzeugs eine relevante Obliegenheitsverletzung begangen, in deren Folge die Beklagte gemäß § 7 I Abs. 2 S. 3, V Abs. 4 AKB i. V. m. §§ 6 Abs. 3, 34 VVG von ihrer Leistungspflicht frei geworden ist.

a.

Gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 VVG i. V. m. § 7 V Abs. 4 AKB verliert der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz, wenn er eine nach Eintritt eines Unfalls zu erfüllende Obliegenheit verletzt, es sei denn, dies ist weder vorsätzlich noch grob fahrlässig geschehen.

b.

Die als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu betrachtenden Regelungen des § 7 AKB, welche dem Versicherungsnehmer auferlegen, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann (§ 7 I Abs. 2 S. 3 AKB), und an die Verletzung dieser Obliegenheit die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG knüpfen (§ 7 V Abs. 4 AKB) sind wirksamer Vertragsbestandteil des zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrags geworden. Sie sind weder unklar (§ 305 c BGB) noch intransparent (§ 307 BGB), noch halten sie aus sonstigen Gründen einer Inhaltskontrolle nicht stand (Senat, Urt. v. 20.04.2005 - 5 U 506/04-55 - ZfSch 2005, 446).

(1)

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die korrekte Beantwortung der vom Kaskoversicherer gestellten Frage nach den mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometern zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Entschädigung sachdienlich ist. Die Gesamtlaufleistung eines PKW ist nach der Verkehrsauffassung ein entscheidender Faktor für die Bemessung seines Werts (vgl. Senat, Urt. v. 20.04.2005 - 5 U 506/04-55 - ZfSch 2005, 446).

(2)

Die nach § 7 I Abs. 2 S. 3 AKB insoweit zu erfüllende Obliegenheit war auf der Grundlage der von der Beklagten im Schadensformular - "Schadenanzeige Kasko-Totalentwendung" (Bl. 35 d. A.) - gestellten Fragen hinreichend klar formuliert und deshalb auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer weder missverständlich noch mehrdeutig. Insbesondere ließ die Differenzierung zwischen der "Gesamtlaufleistung zurzeit des Diebstahls" und dem "Tachometerstand" keinerlei Zweifel daran, dass es der Beklagten nicht (nur) auf die - für den tatsächlichen Wert des PKW unerhebliche - vom Tachometer angezeigte Kilometerzahl ankam.

(3)

Auch § 7 V Abs. 4 AKB verstößt nicht gegen die §§ 305 ff. BGB. Die Folge, die § 7 V Nr. 4 AKB an die Verletzung von Obliegenheiten vor oder nach dem Versicherungsfall knüpft, entspricht der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 3 VVG und begegnet deshalb keinen rechtlichen Bedenken (BGH, Urt. v. 16.02.1967 - II ZR 73/65 - VersR 1967, 441; Senat, Urt. v. 20.04.2005 - 5 U 506/04-55 - ZfSch 2005, 446).

c.

Der Kläger hat objektiv seine Obliegenheit gemäß § 34 Abs. 1 VVG i. V. m. § 7 I. Abs. 2 S. 3 AKB verletzt, wonach der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Unstreitig hat er die für die Wertbemessung relevante Frage nach der Laufleistung falsch beantwortet, indem er in das Schadensanzeigeformular anstelle der (jedenfalls) zurückgelegten 130.000 km lediglich 116.000 km eingetragen hat. Die Bewertung dieser Angabe als falsch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger sie durch das hinzugefügte "ca." relativierte. Die Abweichung von 14.000 km hält sich nicht mehr im Rahmen dessen, was als Schätzungsunwägbarkeit anzusehen wäre. Aus einer als ungefähr deklarierten Angabe kann der Erklärungs-empfänger schließen, dass die mitgeteilte Zahl entweder mangels genauer Kenntnis geschätzt wird oder zur Vereinfachung gerundet ist. In beiden Fällen bestimmt sich die zu erwartende Fehlertoleranz aber aus der Präzision der angegebenen Bezugszahl. So legt die Angabe 116.000 km nahe, dass die tatsächliche Zahl allenfalls zwischen 115.000 und 117.000 liegt.

(1)

Gemäß § 7 V Abs. 4 AKB, § 6 Abs. 3 VVG führt eine Obliegenheitsverletzung, die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen war, nach der sog. Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urt. v. 24.06.1981 - IVa ZR 133/80 - VersR 1982, 182), welcher der Senat folgt, selbst dann, wenn sie für den Versicherer folgenlos geblieben ist, zum Beispiel weil er sie rechtzeitig entdeckt hat, zur völligen Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn nicht der Versicherungsnehmer beweisen kann, dass die Verletzung nicht vorsätzlich erfolgt ist (a), sie nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen (b), oder ihn kein erhebliches Verschulden trifft (c).

Diesen Nachweis hat der Kläger nicht zu führen vermocht

(a)

Aus der Formulierung von § 6 Abs. 3 VVG ergibt sich eine gesetzliche Vorsatzvermutung. Der Kläger hat sie nicht widerlegt.

Soweit er geltend macht, er habe sich beim Ausfüllen des Formulars schlichtweg geirrt, überzeugt er den Senat nicht. Insbesondere kann das Zustandekommen der Falschangabe nicht mit mangelnder Sorgfalt erklärt werden, etwa weil der Kläger in besonderer Eile gewesen wäre (hierzu Senat, Urt. v. 22.11.2006 - 5 U 269/06-43 - VersR 2007, 977). Immerhin hat er in anderem Zusammenhang in der Schadensanzeige detaillierte Angaben gemacht hat, die ohne Rechercheaufwand nicht möglich gewesen wären. So führte er unter Frage 12 betreffend mitentwendete Ausstattungsgegenstände einen "CD-Tuner KD-LH 2000 R JVC" auf, nannte als Tag der Anschaffung den 03.01.2004 und bezifferte den Kaufpreis auf 299,- €; die Rechnung hatte er offenbar herausgesucht und beigelegt. Des Weiteren erwähnte der Kläger eine am 28.02.2001 zu einem Kaufpreis von 446,- DM erworbene Anhängerkupplung (Bl. 36 d. A.). In der Anlage zu Frage 11 des Formulars (Bl. 41 d. A.) bezeichnete er zu einem reparierten Vorschaden an der Fahrertür die genaue Schadensnummer der S. Versicherung, zu einem anderen Vorschaden an Motorhaube etc. die Schadensnummer der A. Versicherung AG. Demnach hat der Kläger die Schadensanzeige keineswegs auf die Schnelle und nur anhand aus dem Gedächtnis abgerufener Informationen ausgefüllt, sondern auf Belege und sonstige Unterlagen zurückgegriffen. Warum dies ausgerechnet im Hinblick auf die Laufleistung unterblieben ist, vermag er nicht überzeugend darzutun.

Ebensowenig kann das identische Beantworten der eindeutig differenzierten Fragen nach Tachometerstand und tatsächlicher Laufleistung plausibel mit einem Irrtum erklärt werden. Der Kläger selbst hat vorgetragen, im Januar 2005 - also nur etwa acht Monate vor dem Schadensfall - den Kilometerzähler ausgetauscht zu haben. Der neu eingebaute Tachometer habe bei circa 102.000 oder 103.000 km gestanden (Bl. 79 d. A.). Da dem Kläger zum Zeitpunkt des Wechsels der Stand des alten Zählers ohne weiteres erkennbar war und dort unstreitig bereits im November 2004 vom Sachverständigen A. 115.000 km abgelesen worden waren, war völlig klar, dass die tatsächliche Laufleistung und die auf dem Ersatztachometer abzulesende Kilometeranzeige auseinanderfielen. Dem Erklärungsversuch des Klägers, man könne ihm "nicht einfach absprechen, dass er sich bei den Angaben zur Laufleistung ernsthaft Gedanken gemacht und doch geirrt" habe (Bl. 121 d. A.), ist entgegenzuhalten: Im Hinblick auf das Unfallereignis des Vorjahres, dessentwegen ein Rechtsstreit anhängig und ein Sachverständigengutachten erstellt worden war, existierten für denjenigen, der sich ernsthafte Gedanken macht, ohne weiteres greifbare Anhaltspunkte, um die tatsächliche Laufleistung - wie später dann ja auch geschehen - jedenfalls annähernd zu eruieren. Dem Kläger war das einen Kilometerstand von bereits 115.000 Kilometern feststellende Sachverständigengutachten A. bekannt und zugänglich. Dessen ungeachtet ist die Vorsatzvermutung nicht schon dann widerlegt, wenn ein Irrtum lediglich nicht ausgeschlossen werden kann.

Bemerkenswert ist auch, dass der Kläger unter Frage 11 Buchst. a mitteilte, sieben Monate vor dem Diebstahl - also im Februar 2005 - seien bei einem Kilometerstand von 109.000 km die Bremsanlage und der Kältemittelkondensator repariert worden (Bl. 36 d. A.). Es ist unverständlich, warum der Kläger hierauf hinwies, gerade das Installieren eines neuen Kilometerzählers - nur einen Monat zuvor - jedoch verschwieg.

Die wissentliche Falschangabe wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Kläger sie später berichtigte. Eine solche Richtigstellung kann zwar als Indiz zur Entkräftung der Vorsatzvermutung beitragen, wenn eine Gesamtbetrachtung des Verhalten des Versicherungsnehmers letztlich den Schluss auf einen bloß irrtumsbedingten Fehler zulässt (BGH, Urteil vom 5.12.2001 - IV ZR 25/00 - VersR 2002, 173). Unter den oben dargelegten Umständen - Kenntnis vom Austausch des Tachometers, übereinstimmende Einträge zu Tachometerstand und Laufleistung trotz differierender Stände des alten und des neu eingebauten Tachometers, kein Zurückgreifen auf verfügbare Unterlagen zur Überprüfung der Laufleistung trotz anderweitiger Recherchen zu detaillierten Angaben in der Schadensanzeige - zieht der Senat einen solchen Schluss nicht.

Nach alldem ist das Vorbringen des Klägers insgesamt nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung des § 6 Abs. 3 VVG zu widerlegen.

(b)

Die Obliegenheitsverletzung war geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden. Falsche Angaben über die Laufleistung eines Fahrzeugs berühren die Interessen des Versicherers dann, wenn die Abweichung als erheblich anzusehen ist. Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes (§ 13 AKB) ist die Laufleistung ein wesentlicher Bewertungsfaktor. Durch falsche Angaben des Versicherungsnehmers wird dem Versicherer die Ermittlung des konkreten Werts unmöglich gemacht. In Entwendungsfällen ist er in besonderer Weise auf zuverlässige und zutreffende Angaben des Versicherungsnehmers angewiesen, weil das Fahrzeug für eine Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht mehr zur Verfügung steht. Mit Blick auf den wertbildenden Faktor der Laufleistung sind Abweichungen um mehr als 10 % generell geeignet, die berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden; denn es liegt auf der Hand, dass sich eine solche Kilometerdifferenz nicht nur marginal auf den Kaufpreis auswirkt (Senat, Urt. v. 20.04.2005 - 5 U 506/04-55 - ZfSch 2005, 446; OLG Rostock, RuS 1996, 432; OLG Köln, Schaden-Praxis 2001, 424).

Im Streitfall beträgt die Abweichung 14.000 km und damit 12 %. Selbst wenn man dem Kläger aufgrund der "ca."-Angabe einen gewissen Spielraum einräumen und eine auf den nächsten Tausender aufgerundete Laufleistung als der Beklagten mitgeteilt ansehen würde, betrüge die Differenz immer noch 13.000 km, was einer Überschreitung um 11 % entspräche.

(c)

Den Kläger trifft ein erhebliches Verschulden im Sinne der Relevanzrechtsprechung. Der Versicherungsnehmer muss in diesem Zusammenhang beweisen, dass nur ein geringes Verschulden gegeben ist. Dies ist bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung nur dann anzunehmen, wenn es sich um ein Fehlverhalten handelt, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 6 Rdnr. 82). Hiervon ist nicht auszugehen. Der Kläger hat unter Zurückgreifen auf Rechnungsunterlagen Sonderausstattungen mitgeteilt, die geeignet sind, seinen Zahlungsanspruch zu erhöhen. Im Gegensatz dazu hat er eine zu geringe Laufleistung ohne Bezugnahme etwa auf das Gutachten A. angegeben und damit eine Anspruchsminderung zu umgehen versucht. Bei dieser Sachlage sind Umstände, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, nicht ersichtlich.

(2)

Schließlich wurde der Kläger in dem Schadensformular hinreichend und umfassend über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung belehrt.

(a)

Nach den Grundsätzen der Relevanzrechtsprechung verliert der Versicherungsnehmer, der vorsätzlich seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, grundsätzlich auch dann jeden Anspruch auf Versicherungsschutz, wenn sein Verhalten dem Versicherer keinen Nachteil gebracht hat. Da diese weitreichenden Rechtsfolgen, wie sie u.a. in den AKB formuliert sind, der Masse der Versicherten im Einzelnen nicht geläufig sind, muss der Versicherer für eine entsprechende Belehrung des Versicherungsnehmers sorgen (Senat, Urt. v. 20.04.2005 - 5 U 506/04-55 - ZfSch 2005, 446; vgl. BGH, Urt. v. 29.10.1969 - IV ZR 640/68 - VersR 1970, 26; Senat, Urt. v. 22.11.2006 - 5 U 269/06-43 - VersR 2007, 977). Das hat die Beklagte durch den drucktechnisch hervorgehobenen (vgl. Prölss/Martin-Prölss, VVG, 27. Aufl. 2004, § 34 VVG, Rdnr. 22) Hinweis am Ende des Schadensmeldungsformulars getan. Dort heißt es u.a. (Bl. 38 d. A.), "bewusst unwahre oder unvollständige Angaben führen, auch wenn uns hierdurch kein Schaden entsteht, zum Verlust des Versicherungsschutzes in voller Höhe (§ 7 V AKB)". In der Regel knüpfen in der Rechtsprechung als wirksam erachtete Belehrungen der Versicherer allerdings nicht an den Begriff des "Schadens", sondern den des "Nachteils" an. Gleichwohl ist die vorliegende Belehrung nicht unwirksam. Schaden und Nachteil meinen im hier in Rede stehenden Zusammenhang aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers dasselbe. Er kann in beiden Fällen erkennen, dass unzutreffende oder unvollständige Angaben seinen Versicherungsschutz auch dann entfallen lassen, wenn der Versicherer durch sie nicht schlechter gestellt wird. Da es im Versicherungsvertragsverhältnis im Ergebnis immer darum geht, ob und in welchem Umfang vermögensmäßige Leistungen erbracht werden müssen, bedeutet die Verwendung des Begriffs des Schadens keine Irreführung gegenüber dem Begriff des Nachteils (in diesem Sinne auch OLG Köln, NVersZ 2001, 562, und Schaden-Praxis 2003, 142; siehe auch BGH, Urt. v. 21.04.1993 - IV ZR 34/92 - VersR 1993, 828, zu einer - als ausreichend erachteten - eine Belehrung, in welcher von "für die Schadensfeststellung folgenlos geblieben" Angaben die Rede war).

(3)

Die später erfolgte Berichtigung der Kilometerangaben führt nicht dazu, dass die Beklagte sich unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 Abs. 1 BGB) nicht (mehr) auf ihre Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung berufen könnte.

(a)

Die Bestimmungen über die Aufklärungsobliegenheiten tragen dem Gedanken Rechnung, dass der Versicherer, um sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Mitteilungen des Versicherungsnehmer verlassen muss und dass der drohende Verlust des Anspruchs geeignet ist, den Versicherungsnehmer zu wahrheitsgemäßen Angaben anzuhalten (BGH, Urteil vom 5.12.2001 - IV ZR 25/00 - VersR 2002, 173). Diesem Zweck der Aufklärungsobliegenheit widerspräche es, wenn es dem Versicherungsnehmer von vornherein abgeschnitten wäre, die Sanktion der Leistungsfreiheit durch eine Korrektur seiner Angaben zu vermeiden. Hat er aber die Vermögensinteressen des Versicherers durch falsche Angaben bereits gefährdet, kann er dem drohenden Anspruchsverlust nur dann entgehen, wenn er den wahren Sachverhalt aus eigenem Antrieb vollständig und unmissverständlich offenbart und nichts verschleiert oder zurückhält. Dass dies geschehen ist, hat er darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Versicherer bereits ein Nachteil entstanden ist oder dass der Versicherungsnehmer nicht freiwillig berichtigt hat, bleibt es bei der Leistungsfreiheit (BGH, Urteil vom 05.12.2001 - IV ZR 25/00 - VersR 2002, 173).

(b)

Der Kläger hat eine diesen Kriterien entsprechende freiwillige Berichtigung nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Erst nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 03.02.2006 die Erbringung von Leistungen aus der Vollkaskoversicherung abgelehnt hatte, wurden die Angaben korrigiert. Der Kläger hat insoweit selbst vorgetragen, es habe sich - wodurch auch immer - herausgestellt, dass es auf die Angaben zur Laufleistung "sicherlich in erheblicher Weise ankommen würde" (Bl. 63 d. A.), so dass er nunmehr sein Gedächtnis bemüht habe. Dies ist im Zusammenhang zu sehen mit den ebenfalls im Streit stehenden Vorschäden. Im Zuge der diesbezüglichen Leistungsprüfung der Beklagten hatte der Kläger zu gewärtigen, dass der Beklagten das Sachverständigengutachten A. und der darin manifestierte Kilometerstand von damals bereits 115.000 km zur Kenntnis gelangen würden. Dem Kläger ist es nicht gelungen, plausibel zu machen, warum seine Möglichkeiten, den tatsächlichen Kilometerstand herauszufinden, vor der Leistungsprüfung der Beklagten und der Auseinandersetzung über die Vorschäden weniger erfolgversprechend gewesen sein sollten als danach.

Einer unmissverständlichen und rückhaltlosen Aufklärung steht ferner entgegen, dass der Sachvortrag des Klägers im Laufe des Rechtsstreits nicht konsistent geblieben ist. So hieß es in der Klageschrift zunächst, nach dem Unfall vom November 2004 habe sich der Tachometer als defekt herausgestellt und sei nicht wieder repariert worden, so dass es "zu unvollständigen bzw. verwirrenden Angaben hinsichtlich der Laufleistung zum Zeitpunkt des Diebstahls gekommen" sei (Bl. 4 d. A.). Später wurde dann vorgetragen, der Kläger habe im Januar 2005 einen neuen Tachometer mit einem Kilometerstand von etwa 102.000 oder 103.000 km eingebaut (Bl. 79 d. A.).

2.

Mit der Zurückweisung der Hauptforderung ist zugleich die Grundlage für den als Nebenforderung geltend gemachten Anspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 249 Abs. 1 BGB auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen anwaltlichen Gebührenforderungen entfallen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, liegen unzweifelhaft nicht vor. Die Revision ist nicht zugelassen und eine Nichtzulassungsbeschwerde ist für jede der Parteien unzulässig, da die Beschwer keiner der Parteien die Grenze von 20.000,- € übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).

Der Streitwert ist entsprechend dem Hauptsachebegehren des Klägers auf 7.000 € festzusetzen (§§ 3, 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO).

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück