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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 02.06.1999
Aktenzeichen: 5 U 40/99
Rechtsgebiete: AKB, StVG, PflVersG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AKB § 10
AKB § 11 Nr. 2
AKB § 10 Abs. 2 c
StVG § 7
StVG § 7 Abs. 2
StVG § 8
StVG § 9
StVG § 8 2. Alt.
StVG § 18
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 12 Abs. 1 Nr. 3
PflVersG § 1
PflVersG § 3
PflVersG § 3 Nr. 1
BGB § 166
BGB § 278
BGB § 831
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 249
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT GRUND- URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

5 U 40/99 16 O 161/98

Verkündet am 2.6.1999

gez. Neumüller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

wegen Forderung aus Pflichtversicherungsgesetz

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28.4.1999 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, die Richterin am Oberlandesgericht Gaillard und den Richter am Oberlandesgericht Becker

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 1.12.1998 - 16 O 161/98 - abgeändert:

Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Schadens, der am 29.8.1997 infolge des Brandes des PKW Ford Escort, amtl. Kennzeichen: an der unterirdischen Abstellhalle in Schmelz, Saarbrücker Straße, entstanden ist, ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 120.353,45 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Autohaus, das auch Reparaturarbeiten ausführt, begehrt von der Beklagten, dem Haftpflichtversicherer des PKW des Halters S Schadensersatz wegen eines Brandschadens.

Der PKW des S erlitt am 29.8.1997 einen Unfall, bei dem das Heck des Wagens beschädigt wurde. Das Fahrzeug wurde zum Gelände der Klägerin abgeschleppt, um den Unfallschaden dort reparieren zu lassen. Ein Mitarbeiter der Klägerin, B fuhr den PKW auf Weisung eines anderen Mitarbeiters in eine Tiefgarage der Klägerin, den sogenannten "Bunker", in dem auch andere Fahrzeuge abgestellt waren. Dort geriet der PKW des S in Brand. Brandursache war der Masseschluß eines spannungsführenden Kabels beziehungsweise die daraus resultierende Überhitzung der elektrischen Leitungen und des Kabelstranges. Dieser Masseschluß war verursacht worden, als eine Kabelleitung der rechten Rückleuchteneinheit durch die aus dem Heckanstoß resultierenden Deformationen gequetscht und beschädigt wurden. Hierbei war stoßbedingt die Isolierung eines Kabels zur rechten Schlußleuchteneinheit zerstört worden. Nachdem das Fahrzeug von dem Mitarbeiter der Klägerin zu dem Abstellplatz in der Tiefgarage gefahren worden war, war es beim Einschalten des Fahrlichts, beim Betätigen der Bremsen oder beim Einlegen des Rückwärtsganges zum Fließen eines Kurzschlußstromes im Bereich der Heckleuchtenverkabelung und - durch den zuvor hergestellten Masseschluß - zu einer thermischen Überlastung in der elektrischen Leitung gekommen. Diese hatte zunächst zu einem Kabelschmorbrand, dann zu dem Brand des gesamten Fahrzeugs geführt. Das Feuer breitete sich aus, an der Halle und an dem Inventar entstand erheblicher Sachschaden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für den entstandenen Schaden gemäß § 10 AKB und § 7 StVG i.V.m. mit den §§ 1, 3 PflVersG. Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 120.353,45 DM nebst 11 % Zinsen seit 13.6.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Haftung sei jedenfalls gemäß §§ 7 Abs. 2, 8, 9 StVG ausgeschlossen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, ein Anspruch aus §§ 7 StVG, 1, 3 PflVersG scheitere jedenfalls an § 8, 2. Alt. StVG, da vorliegend der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig gewesen sei. Ein Mitarbeiter der Klägerin habe den PKW in die Tiefgarage gefahren, so dass das Tatbestandsmerkmal "beim Betrieb" erfüllt sei. Dieses Handeln des Mitarbeiters B müsse die Klägerin sich entsprechend §§ 166, 278, 831 BGB zurechnen lassen. Im übrigen treffe die Klägerin ein ganz erhebliches Mitverschulden an ihrem Schaden. Denn die Klägerin habe versäumt, die Verkabelung in der Schadzone des PKW zu überprüfen. Dieses Versäumnis habe dazu geführt, dass die drohende Gefahr nicht erkannt worden sei.

Das Urteil vom 1.12.1998 wurde der Klägerin am 11.12.1998 zugestellt. Die Klägerin hat dagegen am 11.1.1999 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 8.3.1999 begründet.

Die Klägerin macht geltend, ein Haftungsausschluß nach § 8 StVG könne nicht angenommen werden. Die Vorschrift sei eng auszulegen und erfasse nur ein rein tatsächliches Verhalten des Verletzten selbst. Der Normzweck sei nicht erfüllt, wenn sich der Verletzte der Hilfe Dritter bediene.

Im übrigen stehe ihr jedenfalls ein Anspruch aus der Fahrerhaftung zu. Ihr Mitarbeiter B sei ihr nach § 18 StVG schadensersatzpflichtig. Da dieser zu den mitversicherten Personen gehöre, sei die Beklagte deckungspflichtig.

Ein Mitverschulden sei ihr nicht anzulasten. Es sei allerdings - so die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28.4.1999 - richtig, dass ihr Fahrer Burg den drohenden Kabelschmorbrand bei einer Überprüfung der Verkabelung hätte erkennen können.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 120.353,45 DM nebst 11 % Zinsen seit dem 13.3.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, die Klägerin müsse sich das Handeln ihres Mitarbeiters im Rahmen des § 8 StVG zurechnen lassen. Im übrigen sei der Schaden an der Tiefgarage nicht beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG verursacht worden. Denn der Brand sei erst ausgebrochen, nachdem der Mitarbeiter der Klägerin nach dem Abstellen des Fahrzeugs die Tiefgarage verlassen habe. Ein Direktanspruch gegen, sie scheide aus, soweit der Fahrer nach § 18 StVG schadensersatzpflichtig sei. Die Klägerin treffe ein - weit überwiegendes - Mitverschulden, da die drohende Gefahr vorhersehbar und verhinderbar gewesen sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 18 StVG, 3 Nr. 1 PflVersG, 249 BGB zu.

1. Das Landgericht hat allerdings im Ergebnis zu Recht eine Einstandspflicht der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Halterhaftung (§ 7 StVG) verneint. Der Schaden der Klägerin ist zwar bei dem Betrieb des PKW entstanden, so dass die Halterhaftung grundsätzlich eingreift. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Hinblick auf den Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" weit zu fassen. Es ist erfüllt, wenn das Schadensgeschehen durch die von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr mitgeprägt worden ist (BGH NJW-RR 1995, 215, 216; NJW 1989, 2616, 2618, jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall: Der Brandschaden in der Abstell- und Lagerhalle ist dadurch entstanden, dass der Mitarbeiter der Klägerin das Fahrzeug des S von dem Freiplatz auf dem Gelände der Klägerin zu dem Abstellplatz in der Tiefgarage gefahren hat. Dadurch, dass er das Fahrlicht einschaltete, die Bremse betätigte oder den Rückwärtsgang einlegte, kam es im Bereich der beschädigten Heckleuchtenverkabelung zu einem Spannungsfluß, der zu einer thermischen Überlastung der elektrischen Leitung und schließlich zu dem Brand führte. Das Schadensgeschehen stand somit in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des durch den vorangegangenen Unfall in seinen Betriebseinrichtungen beeinträchtigten PKW. Er war die Folge einer Verwirklichung der Gefahr, die von dem Unfallfahrzeug ausging. Dass das Fahrzeug nicht auf einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßenfläche, sondern auf dem Privatgelände der Klägerin in Gang gesetzt worden war, steht einem "Betrieb" im Sinne des § 7 StVG nicht entgegen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 215, 216).

Halter des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Brandausbruchs war nach wie vor der Versicherungsnehmer der Beklagten, S, so dass die Beklagte grundsätzlich für den durch den PKW herbeigeführten Schaden einzustehen hat (§ 3 Nr. 1 PflVersG). Denn durch die Übergabe eines Fahrzeugs zur Reparatur geht die Haltereigenschaft nicht verloren, da die Verfügungsgewalt des Halters dadurch nicht auf das Reparaturunternehmen übergeht (vgl. RGZ 150, 134, 136 f; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 7 Rdn. 14). Auch ein Ausschluß der Haftung nach § 11 Nr. 2 AKB kommt deshalb nicht in Betracht.

Ein Anspruch aus der Halterhaftung scheitert jedoch daran, dass in der Geltendmachung dieses Anspruchs aus § 7 StVG eine unzulässige Rechtsausübung liegt (§ 242 BGB): Die Klägerin war als Werkunternehmer gegenüber dem Besteller S verpflichtet, sich so zu verhalten, dass dem Besteller durch den Gebrauch des Fahrzeugs kein Schaden, insbesondere keine Belastung mit Schadensersatzpflichten entstand, die sich aus § 7 StVG ergaben (BGH NJW 1972, 440 unter I.; BGH NJW 1992, 900, 901 unter II. 1. b). Diese Sorgfaltspflicht hat sie verletzt, weil ihr Mitarbeiter B der das Fahrzeug von dem Freiplatz in die Tiefgarage gefahren hat, die Beschädigung am Heck nicht überprüft und die drohende Gefahr eines Kurzschlusses deshalb nicht erkannt hat. Dieses fahrlässige Verhalten ihres Erfüllungsgehilfen muß sich die Klägerin nach § 278 BGB dem S gegenüber zurechnen lassen. Das hat zur Folge, dass die Klägerin aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung von vornherein daran gehindert ist, Schadensersatzansprüche gegen den Besteller geltend zu machen. Damit entfällt zugleich die Einstandspflicht der Beklagten im Zusammenhang mit der Halterhaftung des S.

2. Die Klägerin kann den an der Halle entstandenen Schaden von der Beklagten jedoch aus dem Gesichtspunkt der Fahrerhaftung ersetzt verlangen (§ 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVersG).

Der Mitarbeiter der Klägerin, B hat "bei dem Betrieb" des Fahrzeugs den Brandschaden verursacht. Da der Fahrer nach § 10 Abs. 2 c AKB zu den mitversicherten Personen gehört, hat die Beklagte ihm für Schäden, die er der Klägerin schuldhaft zugefügt hat, Deckung zu gewähren. Da der Fahrer E unstreitig bei einer entsprechenden Überprüfung hätte erkennen können, dass die Bewegung des Fahrzeugs mittels Motorkraft zu dem Kabelschmorschaden und dem anschließenden Brand führen konnte, ist die gesetzliche Verschuldensvermutung des § 18 StVG nicht widerlegt.

Die Haftung des Fahrers B ist nicht nach § 8 StVG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift soll derjenige den Schutz der Haftung aus dem Straßenverkehrsgesetz nicht in Anspruch nehmen können, der sich durch seine Tätigkeit beim Betrieb der von einem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefährdung besonders aussetzt (BGH NJW 1992, 900, 901). Das trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu: § 8 StVG setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass der Verletzte, zu dem auch der Eigentümer oder Besitzer einer beschädigten Sache gehört (BGH, aaO), bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. Die Klägerin - die Verletzte - war bei dem Betrieb jedoch nicht tätig; sie hat vielmehr lediglich veranlaßt, dass das Unfallfahrzeug in den Bunker gefahren wurde, und hat damit ihre Halle der von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr ausgesetzt. Das genügt für einen Haftungsausschluß nach § 8 StVG nicht. § 8 StVG ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Das beschriebene "Tätigwerden" bei dem Betrieb erfaßt (nur) ein rein tatsächliches Verhalten (BGH, aaO; Kunschert in: Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 22. Aufl., Kap. 25 Rdn. 204). Derjenige, der die Tätigkeit bei dem Betrieb veranlaßt, sich ihr aber nicht selbst aussetzt, ist in diesen Tätigkeitsbereich nicht einbezogen (BGH, aaO).

Auch ein versicherungsrechtlicher Deckungsausschluß nach § 11 Nr. 2 AKB kommt der Beklagten nicht zugute. Versicherungsschutz bestünde nach dieser Vorschrift nur dann nicht, wenn die Klägerin neben dem S Halter des zur Reparatur überlassenen Fahrzeugs geworden wäre. Das ist indessen, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall.

Auch die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei Arbeiten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden (vgl. dazu jetzt BAG NJW 1995, 210), führen nicht zum Wegfall der haftungsrechtlichen Grundlage für den Direktanspruch gegen die Beklagte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erübrigt sich nämlich der soziale Schutz des Arbeitnehmers dann, wenn der von ihm angerichtete Schaden durch einen Pflichtversicherer gedeckt ist (BGH NJW 1992, 900, 902; NJW 1972, 440 f). Das ist hier der Fall.

Die Verletzte - die Klägerin - trifft im Verhältnis zu dem Fahrer B kein Mitverschulden (§§ 9 StVG, 254 BGB). Nach dem Vortrag der insoweit beweisbelasteten Beklagten bestehen insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, die Klägerin habe schuldhaft einen Hinweis auf die von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr unterlassen. Denn aus der Behauptung der Beklagten, der Fahrer B hätte die drohende Gefahr selbst erkennen können, läßt sich ablesen, dass der Fahrer hinreichend fachkundig war, die Notwendigkeit eines Hinweises also nicht bestand.

3. Die Beklagte ist der Klägerin somit dem Grunde nach zum Ersatz des geltend gemachten Schadens verpflichtet. Ihre Haftung ist nicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 StVG beschränkt, da der Fahrer B nicht nur aufgrund vermuteten Verschuldens haftet, sondern - was inzwischen unstreitig ist - den Schaden schuldhaft herbeigeführt hat, so dass er gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB in vollem Umfang schadensersatzpflichtig ist. Dafür hat die Beklagte nach § 3 Nr. 1 PflVersG einzustehen.

Der Höhe nach ist der Schaden in vollem Umfang streitig. Da insoweit eine umfangreiche Beweisaufnahme stattfinden muß, hält der Senat es nicht für sachdienlich, eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Er macht deshalb von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache zur weiteren Verhandlung an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

Der Wert der Beschwer wurde gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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