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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.05.2000
Aktenzeichen: 5 U 531/99-35-
Rechtsgebiete: VVG, AUB 61, AUB 88, BGB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
VVG § 12 Abs. 3 Satz 1
AUB 61 § 11
AUB 61 § 13 Abs. 1 Satz 1
AUB 61 § 13 Abs. 3 Buchstabe a
AUB 61 § 12 I
AUB 88 § 11 Abs. 4 Satz 2
BGB § 288 Abs. 1 Satz 1
BGB § 291
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 Satz. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 531/99-35- 12 O 15/97 Landgericht Saarbrücken

Verkündet am 10.5.2000

gez. Munkes Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen eines Anspruchs aufgrund eines Unfallversicherungsvertrages

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2000 durch den Präsidenten des Saarländischen Oberlandesgerichts Prof Dr. Rixecker, die Richterin am Oberlandesgericht Gaillard und den Richter am Oberlandesgericht Dier

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.5.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (12 O 15/97) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der Beschwer der Beklagten aufgrund dieses Urteils wird - ebenso wie der Streitwert des Berufungsverfahrens - auf 46.900 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger hat mit der Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag geschlossen. Vertragsbestandteil wurden die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 1961 (AUB 61). Am 14.1.1994 erlitt der Kläger einen Unfall. Aufgrund einer orthopädischen Untersuchung des Klägers, die am 15.12.1995 stattfand, und aufgrund eines im Anschluss daran erstellten Gutachtens von Prof. Dr. S und Prof. Dr. M vom 10.1.1996 (Bl. 21 ff d.A.) zahlte die Beklagte an den Kläger eine Invaliditätsentschädigung von 117.250 DM. Bei der Berechnung der Entschädigung in ihrem Schreiben vom 23.1.1996 (Bl. 41 f d.A.) geht die Beklagte, dem Gutachten folgend, von einer Gebrauchsbeeinträchtigung des rechten Beines des Klägers von 1/7 und des linken Beines des Klägers von 3/14 aus.

Nach Telefonaten des Klägers mit Mitarbeitern der Beklagten, die von den Mitarbeitern der Beklagten in Gesprächsnotizen vom 25.1.1996 (Bl. 43 d.A.) und vom 9.2.1996 (Bl. 44 d.A.) festgehalten wurden, übersandte der Kläger der Beklagten ein am 14.2.1996 bei der Beklagten eingegangenes Schreiben (Bl. 45 d.A.). Darin verweist der Kläger auf ein dem Schreiben beigefügtes Gutachten des Chefarztes der orthopädischen Abteilung des St. Elisabeth-Krankenhauses in R vom 11.9.1995 (Bl. 46 ff. d.A.), das von dem von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M erstellten Gutachten erheblich abweiche; weiter führt der Kläger in dem Schreiben aus, er könne sich mit der von der Beklagten angebotenen Entschädigung nicht zufrieden geben, da sich der Zustand seiner beiden Knie bei normaler Belastung zusehends verschlechtere. Mit ihrem Schreiben vom 7.3.1996 (Bl. 60 d.A.) lehnte die Beklagte die Zahlung einer höheren Entschädigung ab; sie habe das von dem Kläger vorgelegte Gutachten von dem sie beratenden Arzt auswerten lassen, dieser halte eine höhere Entschädigung nicht für angemessen. In der Folge wandte sich der Kläger mit einem Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 11.4.1996 (Bl. 61 f d.A.) nochmals an die Beklagte. Darin befassen sich die Rechtsanwälte des Klägers zum einen ebenfalls mit der unterschiedlichen Bewertung der Unfallfolgen in den beiden Gutachten und regen an, ein Obergutachten einzuholen; daneben verweisen sie darauf, dass sich die unfallbedingten Schäden verschlimmerten. Darauf antwortete die Beklagte mit einem Schreiben vom 17.4.1996 (Bl. 63 d.A.), für eine weitere Begutachtung sehe sie keinen Anlass.

In einem weiteren Schreiben vom 6.9.1996 (Bl. 64 d.A.) teilten die Rechtsanwälte des Klägers der Beklagten mit, dass der Kläger im Hinblick auf die wesentliche Verschlimmerung der unfallbedingten Verletzungen stationär in die Luitpoldklinik in Bad G überwiesen worden sei; sie regen an, bei dem Leiter dieser Klinik eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zur dargestellten Verschlimmerung einzuholen. Das lehnte die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 10.9.1996 (Bl. 65 d.A.) ab. Zur Begründung verwies sie erneut darauf, dass die gezahlte Entschädigung ausreichend bemessen sei; im übrigen würden, so die Beklagte in dem Schreiben weiter, weitergehende Invaliditätsansprüche bereits deshalb ausscheiden, weil die in ihrem Schreiben vom 23.1.1996 gesetzte Klagefrist abgelaufen sei. An dieser Einschätzung hielt die Beklagte in ihrem weiteren Schreiben vom 23.12.1996 (Bl. 176 d.A.) auch fest, nachdem der Kläger mit dem Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 19.12.1996 (Bl. 171 d.A.), um seine Behauptung, eine Verschlimmerung der Unfallfolgen sei eingetreten, zu stützen, eine vom 17.12.1996 datierende schriftliche Stellungnahme von Prof. S, dem Leitenden Oberarzt der Orthopädischen Klinik der Universität des Saarlandes Bl. 173 f. d.A.), der auch das eingangs erwähnte Gutachten vom 10.1.1996 miterstellt hatte, vorgelegt hatte.

Daraufhin erhob der Kläger mit einem am 14.1.1997 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten (Bl. 1 ff. d.A.) Klage, mit der er die Zahlung weiterer 47.150 DM als Invaliditätsentschädigung beanspruchte. Gestützt wird dieser weitergehende Anspruch von dem Kläger auf eine Verschlimmerung der Unfallfolgen, die sich im Spätherbst des Jahres 1996 eingestellt habe. Diese Verschlimmerung könne er ungeachtet der in dem Schreiben der Beklagten vom 23.1.1996 gesetzten Klagefrist geltend machen, weil die Verschlimmerung erst nach der Entscheidung der Beklagten, die diese mit diesem Schreiben getroffen habe, eingetreten sei; abgesehen davon könne er heute nicht mehr sagen, ob er das Schreiben der Beklagten vom 23.1.1996 überhaupt erhalten habe und ob er, falls dies der Fall gewesen sein sollte, die Bedeutung des Schreibens angesichts seiner damaligen, auf einem anderen Unfall beruhenden gesundheitlichen Situation hätte erfassen können. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 47.150 DM und 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat, wie bereits vorprozessual, geltend gemacht, dem Kläger könnten weitergehende Invaliditätsansprüche schon deshalb nicht zustehen, weil er die ihm in dem Schreiben vom 23.1.1996 gesetzte Klagefrist versäumt habe. Jedenfalls aber sei durch die von ihr gezahlte Entschädigung die Gebrauchsbeeinträchtigung im Bereich der beiden Knie des Klägers angemessen abgegolten. Vorsorglich hat die Beklagte darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Anspruch des Klägers rechnerisch, auch wenn man der Auffassung des Klägers im übrigen folge, allenfalls auf 46.900 DM belaufen könne.

Mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 210 ff d.A.), auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht - nachdem es im Wege der Rechtshilfe zwei Mitarbeiter der Beklagten zu dem Inhalt der beiden Telefonate vom 25.1. und 9.2.1996 als Zeugen hatte vernehmen lassen (Bl. 95 f, 99, 99R d.A.) und nachdem es ein orthopädisches Sachverständigengutachten (Bl. 135 ff. d.A.) eingeholt hatte - die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger 46.900 DM und 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 29.1.1997 zu zahlen. Das Landgericht hat ausgeführt, aus dem von ihm eingeholten orthopädischen Gutachten ergebe sich, dass sich der Zustand der beiden Knie des Klägers - im Vergleich zu dem Zustand, der bei der Untersuchung vom 10.1.1996 vorgelegen habe - seit Herbst 1996 derart verschlimmert habe, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung nunmehr mit jeweils 1/4 zu bemessen sei. Das könne der Kläger trotz der Klagefrist, die ihm die Beklagte in dem Schreiben vom 23.1.1996 gesetzt habe, geltend machen. Es sei zwar aufgrund der Aussagen der beiden Mitarbeiter der Beklagten zu dem Inhalt der Telefonate vom 25.1. und 9.2.1996 davon auszugehen, dass der Kläger das Schreiben vom 23.1.1996 erhalten habe. Die Klagefrist von sechs Monaten, die in dem Schreiben gesetzt worden sei, könne aber, so das Landgericht weiter, nicht für Ansprüche maßgeblich sein, die darauf gestützt würden, dass eine Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustandes nach der Entscheidung der Beklagten vom 23.1.1996 eingetreten sei. Bei richtiger Berechnung belaufe sich der Anspruch des Klägers allerdings nur auf 46.900 DM, nicht auf 47.150 DM.

Mit ihrer Berufung will die Beklagte erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird. Sei meint, entgegen der Auffassung des Landgerichts habe der Kläger nicht fristgerecht Klage erhoben, die weitergehenden Ansprüche könnten ihm nachher nach § 12 Abs. 3 VVG nicht zustehen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass sich der gesundheitliche Zustand des Klägers nicht erst ab Herbst 1996 verschlimmert habe, sondern bereits im Frühjahr des selben Jahres, also noch während des Laufs der dem Kläger in dem Schreiben vom 23.1.1996 gesetzten Klagefrist. Der Kläger hätte daher, um sich seine Ansprüche zu erhalten, innerhalb der Frist Klage erheben müssen. Vorsorglich verweist die Beklagte darauf, dass sich aus dem vom Landgericht eingeholten orthopädischen Gutachten nicht ergebe, ob die Gebrauchsbeeinträchtigung von jeweils 1/4 bereits zum Ablauf des dritten Jahres nach dem Unfall vorgelegen habe, worauf es allein ankomme, oder ob sich diese erst in der Zeit danach eingestellt habe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Landgerichts für richtig. Das Landgericht habe der Klage mit zutreffender Begründung im wesentlichen stattgegeben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Der Senat hat Herrn A den leitenden Oberarzt der orthopädischen Klinik des Klinikums sein Gutachten, das er auf Veranlassung des Landgerichts in erster Instanz erstellt hatte, schriftlich ergänzen lassen (Bl. 203 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet, das Landgericht hat richtig entschieden.

1.

Darüber, dass der Kläger am 14.1.1994 einen Unfall erlitten hat, sind sich die Parteien einig.

2.

Unterschiedlicher Auffassung sind die Parteien nur hinsichtlich der Höhe des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung, der dem Kläger aufgrund des Unfalls zusteht.

a.

Im Anschluss an ihr an den Kläger gerichtetes Schreiben vom 23.1.1996 (Bl. 41 f d.A.) - davon, dass dem Kläger dieses Schreiben wirksam zugegangen ist, geht auch der Senat im Hinblick auf die Aussagen der beiden Mitarbeiter der Beklagten in erster Instanz aus hat die Beklagte an den Kläger, nachdem sie zuvor bereits einen Vorschuss von 100.000 DM geleistet hatte, noch weitere 17.250 DM ausgezahlt. Die Beklagte ging dabei, wie sich aus ihrem Schreiben ergibt, davon aus, dass im Bereich des rechten Beines des Klägers eine dauernde Gebrauchsbeeinträchtigung von 1/7 vorliege und im Bereich des linken Beines des Klägers eine Gebrauchsbeeinträchtigung von 3/14. Damit hat die Beklagte - etwas mehr als zwei Jahre nach dem Unfall - die Entschädigung im Sinne der §§ 11 und 13 Abs. 1 Satz 1 AUB 61 festgestellt. Diese Feststellung beruht auf einer Untersuchung des Klägers, die am 10.1.1996 in der orthopädischen Klinik der Universität des Saarlandes von Prof. S und Prof. M vorgenommen wurde. Dagegen, dass diese Feststellung - zum damaligen Zeitpunkt - zutreffend und die darauf beruhende Leistung einer Invaliditätsentschädigung von lediglich 117.250 DM gerechtfertigt gewesen ist, wendet sich der Kläger in dem Rechtsstreit, anders als noch vorprozessual, nicht mehr.

b.

Nach § 13 Abs. 3 Buchstabe a AUB 61 sind der Versicherer und der Versicherungsnehmer berechtigt, den Grad der dauernden Arbeitsunfähigkeit längstens bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Unfall neu feststellen zu lassen. Von diesem Recht hat der Kläger Gebrauch gemacht. Nachdem er selbst bereits mit seinem am 14.2.1996 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben (Bl. 45 d.A.) und seine Rechtsanwälte mit ihrem Schreiben vom 11.4.1996 (Bl. 61 f d.A.) eine Verschlimmerung der Unfallfolgen angesprochen hatten, haben seine Rechtsanwälte mit ihrem Schreiben vom 6.9.1996 (Bl. 64 d.A.) der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger im Hinblick auf eine wesentliche Verschlimmerung der unfallbedingten Verletzungen in die Luitpold-Klinik in Bad G eingewiesen worden sei; in dem selben Schreiben regen sie an, bei dem Leiter der Klinik eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zu der Verschlimmerung der unfallbedingten Verletzungen einzuholen. Spätestens mit diesem Schreiben haben die Rechtsanwälte des Klägers für diesen im Sinne von § 13 Abs. 3 Buchstabe a AUB 61 eine Neufeststellung der Entschädigung wegen einer Verschlimmerung der unfallbedingten Verletzungen beansprucht. Dieses Recht stand dem Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten weiterhin zu.

aa.

Anders als nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AUB 88 braucht sich der Versicherungsnehmer das Recht, eine Neufeststellung der Invaliditätsentschädigung zu verlangen, nach § 13 Abs. 3 a AUB 61 nicht - durch eine innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber dem Versicherer abzugebende besondere Erklärung - vorzubehalten (dazu etwa Knappmann, in: Prölls/Martin, VVG, 26. Aufl. 1998, Rdn. 4 zu § 13 AUB 61).

bb.

Die Parteien haben auch nicht individualvertraglich vereinbart, dass dem Kläger das Recht zur Neufeststellung der Invaliditätsentschädigung nicht mehr zustehen solle. Allerdings wird eine konkludente Vereinbarung dieses Inhalts - auch bei Geltung der AUB 61 - dann in Betracht gezogen, wenn der Versicherer eine sich aus seiner ersten Feststellung ergebende Invaliditätsentschädigung an den Versicherungsnehmer auszahlt und der Versicherungsnehmer die Zahlung vorbehaltlos entgegen nimmt (dazu OLG Köln, r+s 1989, 134, 135, und Wagner, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. 1978, 6. Bd., 1. Halbb., Anm. G 308). Ob dem gefolgt werden könnte, kann offen bleiben. Denn die Beklagte hat zwar in ihrem Schreiben vom 23.1.1996 (Bl. 41 f d.A.) erklärt, die Unfallbearbeitung sei mit dieser Gesamtleistung - gemeint war die Entschädigung in Höhe von 117.250 DM - abgeschlossen. Der Kläger hat jedoch bereits mit seinem am 14.2.1996 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben (B. 45 d.A.) erklärt, dass er sich mit der von der Beklagten angebotenen Entschädigung nicht zufrieden geben wolle, weil sich der Zustand seiner beiden Knie bei normaler Belastung zusehends verschlechtere.

cc.

Die Beklagte meint, der Versicherungsnehmer könne eine Neufeststellung der Invaliditätsentschädigung wegen einer Verschlimmerung der Unfallfolgen nicht mehr verlangen, wenn er nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit der ersten Feststellung der Invaliditätsentschädigung durch den Versicherer Klage einreiche, zumindest dann nicht, wenn eine Verschlimmerung innerhalb dieser sechs Monate eintrete. Sie beruft sich für ihre Auffassung auf Äußerungen von Wussow/Pürckhauer, AUB, 6. Aufl. 1988, Rdn. 47 zu § 11 AUB 88), von Grimm (Unfallversicherung, 2. Aufl. 1994, Rdn. 32 zu § 11 AUB 88) und von Knappmann (aaO, Rdn. 13 zu § 11 AUB 88). Diese führen aus, dass die im Anschluss an die erste Feststellung der Invaliditätsentschädigung laufende Klagefrist von sechs Monaten nicht dadurch unterbrochen werde, dass der Versicherungsnehmer von seinem Recht Gebrauch mache, eine Neufeststellung der Invaliditätsentschädigung zu verlangen. Ob damit gemeint sein soll, dass der Versicherungsnehmer auch seinen Anspruch auf Neufeststellung der Invaliditätsentschädigung wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlimmerung der Unfallfolgen verliere, wenn er nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten seit der ersten Feststellung der Invaliditätsentschädigung Klage erhebe, erscheint zweifelhaft. Einer solchen Auffassung könnte jedenfalls nicht gefolgt werden.

Für eine solche Auffassung lässt sich weder aus den von den Parteien getroffenen versicherungsvertraglichen Vereinbarungen noch aus § 12 Abs. 3 VVG, auf den sich die Beklagte beruft, etwas herleiten. Mit dem Recht des Versicherungsnehmers, eine Neufeststellung der Invaliditätsentschädigung zu beanspruchen, befasst sich, wie erwähnt, § 13 Abs. 3 Buchst. a AUB 61. Daraus ergibt sich, dass der Versicherungsnehmer dieses Recht längstens bis zum Ablauf von drei Jahren seit dem Unfall geltend machen kann. Weitergehende zeitliche Einschränkungen oder Fristen sind der Bestimmung nicht zu entnehmen. § 12 I AUB 61 knüpft, was die Klagefrist von sechs Monaten angeht, an den Zeitpunkt der Feststellung der Invaliditätsentschädigung durch den Versicherer nach § 11 AUB 61 an. Diese (erste) Feststellung der Invaliditätsentschädigung durch den Versicherer bezieht sich ausschließlich auf den gesundheitlichen Zustand des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt dieser ersten Feststellung der Invaliditätsentschädigung und auf die Prognose, die aufgrund dieses gesundheitlichen Zustandes hinsichtlich des Grades der dauernden Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Versicherungsnehmers gerechtfertigt erscheint (dazu etwa Wagner, aaO, Anm. G 308). Die im Anschluss an diese erste Feststellung der Invaliditätsentschädigung durch den Versicherer laufende sechsmonatige Klagefrist bezieht sich daher auch nur auf die Überprüfung dieser (ersten) Entscheidung des Versicherers. Macht der Versicherungsnehmer in der Zeit nach dieser ersten Entscheidung des Versicherers - innerhalb der nächsten sechs Monate oder auch später - geltend, die Unfallfolgen hätten sich verschlimmert, und beansprucht er mit dieser Begründung eine Neufeststellung der Invaliditätsentschädigung, so hat der Versicherer auf dieses Begehren des Versicherungsnehmers hin erneut eine (zweite) Erklärung nach § 11 AUB 61 darüber, ob er die (weitergehenden) Ansprüche des Versicherungsnehmers ganz oder teilweise anerkennt, abzugeben (davon ausgehend auch Wussow/Pürckhauer, aaO, Rdn. 33 zu § 11 AUB 88). Erst im Anschluss an diese zweite Erklärung des Versicherers nach § 11 AUB 61 kann daher wegen der von dem Versicherungsnehmer geltend gemachten weitergehenden Ansprüche eine neue Klagefrist nach § 12 I AUB 61 zu laufen beginnen. Aus § 12 Abs. 3 VVG, auf den sich die Beklagte beruft, ergibt sich nichts anderes. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird; die Frist beginnt erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen schriftlich abgelehnt hat (§ 12 Abs. 3 Satz 2 VVG). Auch nach dieser Vorschrift kann der Versicherungsnehmer demnach nur solche Ansprüche verlieren, die er bereits erhoben und über die der Versicherer bereits entschieden hat. Macht der Versicherungsnehmer in der Zeit nach der ersten Feststellung der Invaliditätsentschädigung durch den Versicherer geltend, sein gesundheitlicher Zustand habe sich verschlimmert und rechtfertige daher eine höhere Entschädigung, so macht er neue, weitergehende Ansprüche aufgrund dieses Sachverhalts erstmals geltend. So lange der Versicherer darüber nicht entschieden hat, kann hinsichtlich dieser Ansprüche keine neue Klagefrist zu laufen beginnen.

c.

Der Regelung in § 13 Abs. 3 Buchst. a AUB 61 liegt die Vorstellung zugrunde, dass nicht nur das Verlangen des Versicherungsnehmers nach einer Neufeststellung der Invaliditätsansprüche innerhalb der Frist von drei Jahren zu erfolgen hat, sondern dass auch noch die Neufeststellung der Invaliditätsansprüche innerhalb dieser Frist durchgeführt wird. Verlangt jedoch der Versicherungsnehmer die Neufeststellung so rechtzeitig vor Ablauf der Dreijahresfrist, dass die Neufeststellung - sie ist im Anschluss an eine von dem Versicherer zu veranlassende erneute ärztliche Untersuchung von dem Versicherer durchzuführen - noch rechtzeitig innerhalb der Dreijahresfrist hätte erfolgen können, so kann sich der Versicherer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht darauf berufen, dass die Neufeststellung nicht mehr innerhalb der Dreijahresfrist durchgeführt wurde (dazu auch OLG Hamm, VVGE Nr. 3 zu § 13 AUB, und Knappmann, aaO, Rdn. 9 zu § 11 AUB 88 m.w.N.). Spätestens mit dem Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 6.9.1996 (Bl. 64 d.A.) hat der Kläger eine Neufeststellung der Invaliditätsansprüche verlangt. Die Dreijahresfrist des § 13 Abs. 3 Buchst. a AUB 61 endete mit Ablauf des 14.1.1997. Die Beklagte hätte daher genügend Zeit gehabt, bis dahin eine Neufeststellung der Invaliditätsansprüche vorzunehmen.

d.

Der Sachverständige A hat in dem bereits in erster Instanz auf Veranlassung des Landgerichts erstellten Gutachten überzeugend dargelegt, dass sich der Zustand der beiden Knie des Klägers in der Zeit nach der am 10.1.1996 in der orthopädischen Klinik der Universität des Saarlandes durchgeführten Untersuchung erheblich verschlechtert hat. Die Instabilität der Seitenbänder habe zugenommen, gleiches gelte für die vorderen Kreuzbänder, dort hätten sich die Kreuzbandimplantate gelockert; des weiteren habe sich eine Sekundärarthrose entwickelt. Diese Verschlimmerung rechtfertige, so der Sachverständige weiter, die Annahme einer Gebrauchsbeeinträchtigung bei beiden Knien von jeweils 1/4.

Allerdings ergab sich aus dem in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten nicht eindeutig, ob diese dauernde Gebrauchsbeeinträchtigung bereits aufgrund des gesundheitlichen Zustandes, der drei Jahre nach dem Unfall, also am 14.1.1994, vorgelegen hat, prognostiziert werden konnte, worauf es ankommt (dazu etwa BGH, NJW-RR 1994, 1047, 1048). Dass das der Fall gewesen ist, hat der Sachverständige A in dem von dem Senat im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Gutachten ebenfalls überzeugend dargelegt. Dagegen hat die Beklagte auch keine Einwände mehr vorgebracht.

3.

Davon ausgehend ergibt sich, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, nach der vereinbarten Gliedertaxe ein Invaliditätsanspruch in Höhe von insgesamt 164.150 DM, auf den die Beklagte 117.250 DM gezahlt hat, so dass sie noch einen Betrag von 46.900 DM schuldet. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 291 BGB.

Die Berufung der Beklagten konnte danach keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entspricht den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Nach § 546 Abs. 2 Satz.1 ZPO war der Wert der Beschwer der Beklagten aufgrund dieses Urteils auf 46.900 DM festzusetzen. Das ist auch der Streitwert des Berufungsverfahrens.

Ende der Entscheidung

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