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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 5 U 582/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 713 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL
Verkündet am 15.01.2003
In dem Rechtsstreit
wegen Anspruchs aus einer Hausratversicherung
hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, der Richterin am Oberlandesgericht Hermanns und des Richters am Oberlandesgericht Geib auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2002
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 29.08.2002 - 12 O 63/00 - wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert beträgt 5.250,97 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Hausratversicherung, der die VHB 84 (Bl. 37 d.A.) zugrunde liegen. Am 05.06.1999 befand sie sich in einem Hotel in Palma de Mallorca. Gegen 16.00 Uhr verbarg sie ihren Schmuck im Wert von angeblich 10.270 DM in einem Brillenetui und versteckte ihn unter der Wäsche in einer - unverschlossenen - Kommode; den im Hotelzimmer zur Verfügung stehenden Safe hatte sie nicht in Anspruch genommen. Zugleich ließ sie ihr Handy zum Aufladen zurück, verließ das Hotel, schloß dessen Tür, ohne sie zu verschließen und begab sich zum Pool. Als sie zwischen 1 1/2 und 2 Stunden später in ihr Hotelzimmer zurückkehrte, stand die Balkontür offen. Ihr Bett war frisch bezogen. Die abgezogene Bettwäsche lag auf dem Boden. Handy, Schmuck und ein angebrochenes teures Parfüm aus dem Badezimmer waren entwendet.
Das Landgericht hat der auf Entschädigung wegen des Diebstahls gerichteten Klage durch Urteil vom 29.08.2002 stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung.
II.
Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch aus der bei der Beklagten bestehenden Hausratversicherung zu. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass ihr Schmuck und ihr Handy durch Einbruchdiebstahl (§ 3 Nr. 2, § 5 VHB 84) abhanden gekommen sind. Im Übrigen hat sie den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt (§ 61 VVG).
1. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sich eine versicherte Gefahr verwirklicht hat. Versicherungsfall ist nämlich das Abhandenkommen von versicherten Sachen durch Einbruchdiebstahl. Ein Einbruchdiebstahl liegt - soweit hier von Bedeutung - vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mit einem falschen Schlüssel oder anderen nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmten Werkzeugen eindringt (§ 5 Nr. 1a VHB 84). Allerdings kommen einem Versicherungsnehmer insoweit Beweiserleichterungen zugute. Sie gelten nicht nur für den Nachweis des Diebstahls, sondern auch für den Nachweis der - allein versicherten - qualifizierten Form seiner Begehung. Fehlen - wie hier - Spuren eines gewaltsamen Eindringens in den Raum, aus dem die versicherten Sachen entwendet worden sein sollen, so genügt es, wenn der Versicherungsnehmer Umstände beweist, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen versicherten Fall einer Entwendung schließen lassen (vgl. zum "Nachschlüsseldiebstahl" BGH 09.01.1991 IV ZR 15/90, NJW-RR 1991, 738; 07.02.1990 IV ZR 151/89, NJW-RR 1990, 607). Sind objektive Anzeichen für den von einem Dieb gewählten Weg zum Betreten des Raumes nicht vorhanden und kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht, die ihm den Zugang verschafft haben können, so muss der Versicherungsnehmer allerdings davon überzeugen, dass das Vorliegen einer nicht versicherten Gefahr unwahrscheinlich ist. Der Annahme des Landgerichts, das sei der Klägerin gelungen, kann nicht gefolgt werden.
Zwar ist es möglich, dass der Täter oder die Täterin über den Balkon durch die offene Balkontür in das Hotelzimmer eingestiegen ist. Allerdings liegt es nicht ohne Weiteres besonders nahe, dass ein Dieb nachmittags an der Fassade eines Hotels, die zwar von Bäumen verborgen sein mag, letztlich jedoch jederzeit beobachtet werden kann, über Balkone in Hotelzimmer klettert. Auch ist es möglich, dass der Täter oder die Täterin, wie der Direktor des Hotels vermutet hat, die unverschlossene Zimmertür mit einer Karte geöffnet und sich so Zutritt zu dem Raum verschafft hat. Von nicht geringerer Wahrscheinlichkeit ist es indessen, dass das Zimmermädchen - oder die für das Zimmermädchen möglicherweise an diesem Tag tätige unbekannte Aushilfskraft - den Schmuck an sich genommen hat. Ebenso möglich ist es, dass das Zimmermädchen oder seine Vertretung das Hotelzimmer während des Reinigungsvorgangs eine Zeit lang offen stehen ließ und sich entfernte, um fehlende Bedarfsgegenstände zu besorgen. Auch ist nicht auszuschließen, dass andere Angestellte des Hotels die Abwesenheit der Klägerin ausgenutzt haben, um mit einem richtigen Schlüssel das Zimmer zu betreten.
Die von der angefochtenen Entscheidung dagegen angeführten Gründe überzeugen nicht. Das gilt zunächst für die Erwägung, dass das Zimmermädchen, hätte es die Wertgegenstände entwendet, den Raum in einem möglichst unauffälligen Zustand verlassen und daher die auf dem Boden liegende Bettwäsche entfernt und die Balkontür geschlossen hätte. Zum einen steht nicht einmal fest, dass die regelmäßig zur Reinigung eingesetzte Person auch an dem Tag des Diebstahls das Hotelzimmer der Klägerin zu warten hatte. Die Klägerin selbst hat in ihrer Anhörung angegeben, nach ihren Recherchen sei an dem Tag des Diebstahls eine Vertreterin mit der Reinigung beauftragt gewesen, das Zimmermädchen habe auf Nachfrage verneint, in ihrem Zimmer gewesen zu sein. Wenn das zutrifft, kann nicht argumentiert werden, von einem Diebstahl durch das Zimmermädchen könne schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil es sich um eine Angestellte gehandelt habe, die ihre Entlassung wegen eines solchen Vorfalls nicht riskiert hätte und von deren Redlichkeit der Direktor des Hotels ausgegangen sei. Wenn aber das regelmäßig tätige Zimmermädchen den Raum gereinigt haben sollte, wäre die Verneinung der Frage der Klägerin eher ein gewichtiges Indiz für seine Täterschaft. Vor allem aber ist ohne Weiteres denkbar, dass abgezogene Bettwäsche und das Offenstehen einer Balkontür auch durch eine regelmäßig eingesetzte Reinigungskraft einmal vergessen werden, weil es einmal mit der Arbeit spät geworden oder kurzfristig eine andere Aufgabe dringlich erschienen ist.
Dass die Zimmertür bei Wiedereintreffen der Klägerin zugezogen war, spricht jedenfalls nicht dafür, dass das Zimmermädchen seine Arbeit als noch nicht abgeschlossen betrachtet hat. Denkbar ist schließlich, dass die Balkontür offen und die abgezogene Bettwäsche liegen gelassen wurde, weil der Täter oder die Täterin falsche Spuren legen wollte oder gar nur deshalb weil zunächst Beute in Sicherheit gebracht werden sollte.
Aus alledem ergibt sich, dass eine nicht versicherte Begehensweise keineswegs unwahrscheinlich ist, sondern sich als eine Möglichkeit unter mehreren gleichermaßen wahrscheinlichen darstellt. Das genügt zum Nachweis eines Versicherungsfalls nicht.
2. Im Übrigen hat die Klägerin den Versicherungsfall auch grob fahrlässig herbeigeführt. Die Beklagte ist daher leistungsfrei (§ 61 VVG, § 9 Nr. 1a VHB 84). Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein in objektiver Hinsicht schwerwiegender Verstoß gegen Sorgfaltsanforderungen rechtfertigt allerdings noch nicht allein die Annahme grober Fahrlässigkeit; vielmehr muss ein gesteigertes personales Verschulden des Versicherungsnehmers vorliegen. Sein Verhalten muss in subjektiver Hinsicht als schlechthin unentschuldbar betrachtet werden.
In der Rechtsprechung ist das Zurücklassen von Wertgegenständen in einem Hotelzimmer regelmäßig als grob fahrlässig betrachtet worden (OLG Frankfurt, VersR 1995, 207; LG Wuppertal, VersR 1982, 57; zum Zurücklassen von Schmuck in dem unverschlossenen Schrank eines Krankenhauszimmers OLG Karlsruhe, NVersZ 2002, 78).
Wertgegenstände in Hotelzimmern sind von vornherein einem höheren Entwendungsrisiko ausgesetzt als Wertgegenstände, die in der eigenen Wohnung verwahrt werden, weil ein Versicherungsnehmer das Risiko des Zutritts zu solchen Räumen - nicht nur durch unlauteres, sondern auch durch fahrlässiges Vorgehen des Hotelpersonals - von vornherein nicht beherrscht und keine Möglichkeiten der Kontrolle besitzt. Hotelzimmer werden darüber hinaus nicht nur von Gelegenheitsdieben, sondern auch von auf solche Entwendungen spezialisierten Tätern nach leichter Beute untersucht. Handelt es sich - wie hier - um, wie bei teuerem, leicht transportablem Schmuck, Gegenstände bedeutenden Werts, ist das Risiko besonders groß. Stehen einem Versicherungsnehmer in einem solchen Fall einfache Möglichkeiten der Sicherung zur Verfügung - ein Safe im Zimmer - und nimmt er sie nicht in Anspruch - so geht er das Risiko eines Versicherungsfalls gewissermaßen sehenden Auges ein. Gerade der geringere Sicherheitsstandard von Hotelzimmern, die fehlende eigene Beherrschbarkeit der Gefahr und die Bereithaltung von Schutzvorkehrungen zeigen, dass ein Versicherungsnehmer, der sich darauf nicht sachgerecht einstellt und Schmuck und ein teueres Handy unverschlossen zurücklässt, in besonders hohem Maße nachlässig mit seinen Sachen umgeht. Dass in der gegebenen Situation auch der Klägerin hätte einleuchten müssen, dass sie ein außergewöhnliches Risiko eingeht, zeigt ihr eigenes Verhalten. Wenn sie sich der Entwendungsgefahr gar nicht bewusst gewesen wäre, hätte keine Notwendigkeit bestanden, ihren Schmuck in ein Brillenetui zu legen und dieses Behältnis in einer Kommodenschublade zu verstecken. Wenn sie in einer solchen Lage ihr leicht zugängliche Möglichkeiten eines besseren Schutzes der versicherten Sachen nicht ergriffen hat, so ist dies auch subjektiv grob fahrlässig.
Durch das Verhalten der Klägerin ist die Entwendung ermöglicht worden.
Die Beklagte ist leistungsfrei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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