Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.08.2004
Aktenzeichen: 5 W 191/04
Rechtsgebiete: GVG, BGB, FGG


Vorschriften:

GVG § 159
GVG § 159 Abs. 1 Satz 1
GVG § 159 Abs. 2
BGB § 1945 Abs. 1
FGG § 72
FGG § 73 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 W 191/04

In dem Verfahren nach § 159 GVG

betreffend den Nachlass der J.K.

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts am 23.08.2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Amtsgerichts St. Goar gegen die Ablehnung seines Rechtshilfeersuchens durch das Amtsgericht Saarlouis wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Am 17.06.2004 erschien beim Amtsgericht - Nachlassgericht - Saarlouis Herr G.F., der in Saarlouis wohnt und erklärte, dass er die Erbschaft nach der am 09.06.2004 in Boppard verstorbenen und zuletzt auch dort wohnhaft gewesenen J.K., geb. S., geb. am 24.11.1924 ausschlage. Die Verstorbene sei seine Mutter gewesen, diese habe einen weiteren Sohn namens H.Kü., über den Nachlass sei ihm nichts näheres bekannt.

Der die Ausschlagung der Erbschaft aufnehmende Rechtspfleger übersandte sodann die Ausschlagungserklärung dem Amtsgericht St. Goar - Nachlassgericht - zur weiteren Verwendung, bei welchem der Vorgang am 22.06.2004 einging.

Der beim Amtsgericht St. Goar zuständige Rechtspfleger sandte den Vorgang mit Verfügung vom 02.07.2004 an das Amtsgericht Saarlouis zurück mit dem Bemerken, dass die Ausschlagungserklärung unwirksam sein dürfte, da sie vom nicht zuständigen Nachlassgericht aufgenommen worden sei und ein wirksames Ersuchen des zuständigen Nachlassgerichts nicht vorliege. Ein solches Ersuchen werde jedoch gleichzeitig an das Amtsgericht Saarlouis gestellt.

Mit Verfügung vom 15.07.2004 sandte das Amtsgericht Saarlouis wiederum die Akte an das Amtsgericht St. Goar - unter Ablehnung der Erledigung des Rechtshilfeersuchens - mit dem Hinweis, dass die auch von einem örtlich unzuständigen Nachlassgericht protokollierte Ausschlagungserklärung zumindest dann rechtswirksam sei, wenn diese - wie im vorliegenden Fall - vor Ablauf der Ausschlussfrist eingehe. Alles andere sei reiner Formalismus.

Das Amtsgericht St. Goar hat die Akte dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Ablehnung der Rechtshilfe vorgelegt.

II.

1.

Das Saarländische Oberlandesgericht ist zur Entscheidung des Rechtshilfestreits zuständig, da es sich bei dem Nachlassverfahren um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt und das ersuchte Gericht sich im Saarland befindet (§ 2 Satz 2 FGG, § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG).

2.

Die als Beschwerde gegen die Ablehnung der Rechtshilfe zu betrachtende (MünchKomm ZPO-Wolf, § 159 Rdn. 1, 10) Vorlage durch den Rechtspfleger des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - St. Goar ist zulässig. Eine Entscheidung des Richters (§ 11 RPflG) vor Durchführung des Verfahrens gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG ist nicht erforderlich, da ein Rechtspfleger in den ihm übertragenen Nachlasssachen zur eigenen Antragstellung nach § 159 Abs. 2 GVG befugt ist (allg. Meinung, vgl. nur BayObLG, FamRZ 1994, 103 m.w.N.).

3.

Das Amtsgericht Saarlouis hat das Rechtshilfeersuchen vom 02.07.2004 jedoch nicht auszuführen.

Zwar muss auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Gericht, das von einem anderen Gericht um Rechtshilfe ersucht wird, das Ersuchen grundsätzlich ausführen (§ 2 Satz 2 FGG, § 158 Abs. 1 GVG), selbst wenn es das von dem ersuchenden Gericht betriebene Verfahren für überflüssig oder unzweckmäßig hält (BayObLG, a.a.O.; OLG Düsseldorf, MDR 1996, 843). Eine Ausnahme sieht das Gesetz nur für den Fall vor, dass die vorzunehmende Handlung in dem betreffenden Verfahren nach dem Recht des ersuchten Gerichts generell verboten ist (§ 158 Abs. 2 Satz 1 GVG, BayObLG, FamRZ 2000, 1444 m.w.N.) oder wenn das Rechtshilfeersuchen offensichtlich willkürlich oder - beispielsweise, weil das ersuchende Gericht die Voraussetzungen der Rechtshilfe krass missdeutet oder sie in gravierender Weise ermessensfehlerhaft in Anspruch genommen hat - offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist (OLG Frankfurt, FamRZ 1984, 1030; Schleswig-Holsteinisches OLG, MDR 1995, 607; offen gelassen: BayObLG a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss v. 29.3.1994 - 3 Ws 161/94).

So liegt der Fall hier. Zwar handelt sich bei dem Ersuchen um Aufnahme der Ausschlagungserklärung um ein grundsätzlich zulässiges Rechtshilfeersuchen (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 61. Aufl., § 1945, Rn. 7).

Bei dem Ersuchen des Amtsgerichts St. Goar um Aufnahme der Ausschlagungserklärung im Wege der Rechtshilfe handelt es sich jedoch um ein offensichtlich rechtsmissbräuchliches und objektiv willkürliches Verlangen.

Denn Ausschlagungserklärung lag dem Amtsgericht St. Goar - Nachlassgericht - zum Zeitpunkt des Rechtshilfeersuchens bereits vor. Das Amtsgericht St. Goar hat verkannt, dass diese auch keineswegs unwirksam ist.

Zwar ist die Ausschlagung nach § 1945 Abs. 1 BGB ausschließlich vor dem Nachlassgericht zu erklären. Dies ist nach §§ 72, 73 Abs. 1 FGG das Amtsgericht, bei dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Hier hatte die Verstorbene nach den bisherigen Feststellungen ihren letzten Wohnsitz in Boppard, welches im Amtsgerichtsbezirk St. Goar liegt. Allerdings ist die durch ein örtlich unzuständiges Gericht erfolgte Aufnahme der Erklärung zur Niederschrift - wie hier durch den Rechtspfleger des Amtsgerichts Saarlouis - nach heute nahezu einhellig vertretener zutreffender Rechtsauffassung dann nicht unwirksam, wenn das unzuständige Gericht sie an das zuständige Gericht weiterleitet und die Erklärung dort vor Ablauf der Ausschlagungsfrist eingeht (allg. Meinung, vgl. MünchKomm/Leipold, BGB, 3. Aufl. 1997, § 1945, Rdn. 8; Staudinger-Otte-Marotzke, BGB, 12. Aufl., § 1945 Rdn. 10; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1945 Rdn. 10; Bamberger/Roth/Seidl, BGB, § 1945 Rdn. 5, AnwK-BGB/Ivs, § 1945 Rdn. 17; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 1945, Rn. 8, vgl. auch RGZ 71, 180).

Da folglich eine wirksame Ausschlagungserklärung vorliegt, handelt es sich bei dem Rechtshilfeersuchen des Amtsgerichts St. Goar um eine rechtlich völlig sinnlose und damit willkürliche Maßnahme, da hierdurch keine andere als die dem Amtsgericht St. Goar bereits vorliegende Ausschlagungserklärung erlangt werden kann, zumal eine erneute - rechtzeitige - Erklärung aufgrund des Zeitablaufs auch schwerlich rechtzeitig eingeholt werden kann (§ 1944 Abs. 1 BGB).

Ende der Entscheidung

Zurück