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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.04.2000
Aktenzeichen: 5 W 22/00-8
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 887
ZPO § 890
ZPO § 888
ZPO § 97
ZPO § 3
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

5 W 22/00-8 5 T 863/99 14 C 831/96 AG St. Wendel

Neumüller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 3.1.2000 - 5 T 863/99 -

am 6. April 2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 4.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 24.9.1998 - 11 S 313/97 -. Danach sind die Schuldner verurteilt worden

1. geeignete Maßnahmen zu treffen, durch welche die von dem Gebläse (Ventilator) in der rückseitigen Front ihres Anwesens ausgehende Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin, 1 durch Geruch verhindert wird, sowie

2. geeignete Maßnahmen zu treffend, durch welche die von dem Gebläse (Ventilator) in der rückwärtigen Front ihres Anwesens ausgehende Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin, durch Lärm zwischen 21.00 und 6.00 Uhr verhindert wird.

Dieses Urteil ist auf eine Klage der Gläubigerin hin ergangen, mit der sie die "Unterlassung" von Immissionen begehrt hatte, die aus einem Stallgebäude der Schuldner nach Fertigung eines Durchbruchs und Installation eines Ventilators gedrungen waren. Der Ventilator wird nach Angaben der Schuldner thermostatisch gesteuert, kann aber auch manuell bedient werden.

Das Amtsgericht St. Wendel hat durch Beschluss vom 23.11.1999 - 14 C 831/96 - auf Antrag der Gläubigerin gegen die Schuldner wegen eines Verstoßes gegen das Gebot aus dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 24.9.1998 die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen angedroht.

Auf die dagegen von den Schuldnern erhobene sofortige Beschwerde hat das Landgericht Saarbrücken durch Beschluss vom 3.1.2000 - 5 T 863/99 - unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts St. Wendel vom 23.11.1999 den Antrag der Gläubigerin auf Androhung eines Ordnungsgeldes zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht Saarbrücken ausgeführt, entgegen der Annahme des Amtsgerichts St. Wendel sei keine Verpflichtung zur Unterlassung sondern eine Verpflichtung zur Verhinderung oder Beseitigung von Einwirkungen auf das Grundstück der Gläubigerin tituliert, die Vollstreckung habe also, anders als beantragt, nach § 887 ZPO zu erfolgen. Gegen diesen ihr am 7.1.2000 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin am 10.1.2000 sofortige weitere Beschwerde erhoben, mit der sie sich - soweit das Vorbringen ihrer Verfahrensbevollmächtigten nachvollzogen werden kann - für die Zulässigkeit einer Vollstreckung nach § 890 ZPO ausspricht, sich zugleich aber mit der Abgrenzung "vertretbarer" und "unvertretbarer" Handlungen auseinandersetzt und die "Festsetzung eines Zwangsgeldes" als "tauglicheren" Weg der Zwangsvollstreckung bezeichnet.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig (§§ 793, 569, 577, 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO), jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht vertritt die angefochtene Entscheidung die Auffassung, dass der zu vollstreckende Titel die Schuldner nicht zu einer Unterlassung sondern zu einer Handlung verurteilt hat, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, dass sich die Zwangsvollstreckung also nach § 887 ZPO und nicht, wie die Gläubigerin - zumindest nach dem von ihren Verfahrensbevollmächtigten formulierten Antrag - verlangt, nach § 890 ZPO richtet.

Allerdings trifft es - entgegen der Meinung des Landgerichts - nicht zu, dass auf die Abwehr von Immissionen gerichtete Verurteilungen regelmäßig auf die Vornahme vertretbarer (oder unvertretbarer) Handlungen gerichtet, also nach § 887 ZPO (oder § 888 ZPO) und nicht nach § 890 ZPO zu vollstrecken sind. Das wird zwar in der Rechtslehre gelegentlich so gesehen (vgl. Wieczorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl. 1999, § 887 Rdn. 39) und findet eine gewisse Stütze in verschiedenen Erkenntnissen der Rechtsprechung (OLG Köln NJW-RR 1990 1087; OLG München OLGZ 82, 101; Senat, B. v. 30.6.1988 - 5 W 135/88 -). Das wird aber der von der Vielgestaltigkeit möglicher nachbarlicher Störungen des Eigentums gebotenen Differenzierung nicht gerecht.

Maßgebend für die Statthaftigkeit des von einem Gläubiger gewählten Vollstreckungsantrages nach §§ 887, 888 ZPO einerseits, § 890 ZPO andererseits ist, auch wenn von ihr zunächst auszugehen ist, nicht die positive oder negative Formulierung des Urteilsausspruchs, sondern ob - bei verständiger Auslegung des Titels - in der Sache ein Gebot zum Unterlassen oder ein Gebot zum Handeln ausgesprochen worden ist (vgl. Senat B. v. 26.1.2000 - 5 W 3/00-3-; B. v. 24.6.1999 - 5 W 138/99-38-; Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl., § 890 Rdn. 2).

Ausgangspunkt muss dabei sein, dass es sich bei dem dem Bemühen um Rechtsdurchsetzung zugrundeliegenden Anspruch materiell um einen Anspruch auf Unterlassung handelt, grundsätzlich also die Annahme der Erzwingung einer Unterlassung einer Handlung näher liegt als die Annahme der Erzwingung der Vornahme einer Handlung. Jedoch ist es anerkannt, dass der negatorische Anspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 auch die titulierbare Verpflichtung zu einem positiven Tun begründen kann, wenn sich die - regelmäßig von dem Zustand einer Sache des Störers - drohende Beeinträchtigung nur durch ein solches aktives Eingreifen des Störers oder eines Dritten abwehren lässt (vgl. Staudinger/Grunsky, BGB, 12. Aufl., § 1004 Rdn. 194 m.w.N.). Erweist sich in solchen Fällen der von einem Eigentümer erhobene Unterlassungsanspruch als begründet, so tituliert und vollstreckt die Rechtsprechung daher bei einer entsprechenden Formulierung des Antrags zu Recht die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung (vgl. u.a. OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1768; OLG Hamm MDR 1983, 850; Senat B. v. 8.2.1988 - 5 W 5/88). Anders ist es indessen dann, wenn - typischerweise in Fällen, in denen von dem Störer selbst verursachter Lärm abgewehrt werden soll - die "geeignete Maßnahme" zur Herstellung des Rechtsfriedens in der Beendigung und Nichtwiederholung des störenden Verhaltens besteht. Davon abgesehen sind Konstellationen denkbar, in denen von einem Gläubiger beanstandete Rechtsnachteile sowohl dadurch beendet werden können, dass der Schuldner sein konkretes Verhalten einstellt als auch dass er Maßnahmen trifft, die eine Einwirkung seines Verhaltens auf die Rechtssphäre des Gläubigers verhindern. In solchen Fällen hat es der Gläubiger in der Hand, ob er seinen Anspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB als Unterlassungs- oder als Handlungsgebot geltend macht. Wird dem von ihm verfolgten Begehren entsprochen, richtet sich auch die Zwangsvollstreckung nach dieser - im Tenor der Verurteilung zum Ausdruck kommenden - Wahl.

Die Gläubigerin hat - wenn auch auf der Grundlage eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB - von den Schuldnern beansprucht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die von ihr gerügte Störung ihres Eigentums künftig zu verhindern. Damit hat sie - vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigten - zunächst dem Wortlaut nach die Durchsetzung des von ihr behaupteten Rechts unter das Regime des § 887 ZPO gestellt. Das ist mit dem Sinn ihres Begehrens nicht unvereinbar. Denn sie sieht ihre Beeinträchtigung verursacht durch die Art und Weise, vor allem den Ort des Einbaus und die Funktionsweise des Ventilators im Stallgebäude der Schuldner, also in dem von den Schuldnern zu verantwortenden Zustand ihres Grundstücks. Der Ventilator arbeitet, einmal angeschlossen und programmiert, selbsttätig, ist aber auch manuell zu bedienen. Durch ihn verursachte Immissionen sind daher - jedenfalls zeitweise - nur mittelbar auf das Verhalten der Schuldner zurückzuführen und durch ihr schlichtes Untätigbleiben nicht unmittelbar abzustellen. Danach sind unterschiedliche Verhaltensweisen der Schuldner denkbar; durch die der von der Gläubigerin erstrebte Erfolg erreicht werden kann. Das hätte - im Erkenntnisverfahren - selbstverständlich nicht ausgeschlossen, auf Antrag der Gläubigerin eine Verpflichtung zur Unterlassung zu titulieren. Die Gläubigerin hat das jedoch nicht gewollt sondern eine Verpflichtung der Schuldner zur Vornahme einer Handlung eingeklagt. Daran ist sie nunmehr gebunden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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