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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 5 W 222/04
Rechtsgebiete: SStrG
Vorschriften:
SStrG § 21 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS
In Sachen
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Fries als Einzelrichterin am 8.9.2004
beschlossen:
Tenor:
1.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 29.7.2004, Az. 4 O 66/04, wird zurückgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 19.592,58 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von 55.777,73 Euro in Anspruch.
Zur Begründung ihres auf Zahlung gerichteten Anspruchs hat sie zunächst vorgetragen, dass zwischen den Parteien eine Vereinbarung zustande gekommen sei, wonach der Beklagte die Kosten für die Anlegung einer Linksabbiegerspur in der ~straße in-, die für die Erschließung der geplanten und auch realisierten -Ansiedlung notwendig gewesen sei, zu tragen habe. Zwischen den Parteien habe Einigkeit darüber bestanden, dass der Beklagte finanziell allein für die straßenverkehrsrechtliche Anbindung des Grundstücks zu sorgen habe und ihr durch die Ansiedlung des Betriebes keine Mehrkosten entstehen sollten, da sie, was unstreitig ist, mit den Kosten für die Modernisierung der im Bereich der streitbefangenen Parzellen gelegenen Bushaltestellen, die auch wegen der -näher beschriebenen- geplanten Ausgestaltung des in Rede stehenden Grundstücks hätten verschoben werden müssen (vgl. Bl. 3, 36 d.A.), belastet gewesen sei. Weder im Rahmen der Genehmigung des Bauantrages noch im Bauschein selbst, der unbestrittenermaßen als Bauherrn die Fa. GmbH ausweist, habe sie dem Beklagten Auflagen in Bezug auf die Anlegung der Linksabbiegerspur gemacht. Aus Kostengründen sei die komplette Baumaßnahme (Bushaltestellenumbau "Los 1", Linksabbiegerspur "Los 2") ausgeschrieben und ein Bieter gefunden worden. Da der Beklagte Los 2 nicht alsbald vergeben habe, habe sie, um die Kosten zu minimieren, den Angebotspreis halten zu können und die Zeit für Verkehrssicherungsmaßnahmen gering zu halten, die Komplettmaßnahme am 19.11.2001 in Auftrag gegeben. Die Übernahme der Kosten habe der Beklagte in einem Telefonat vom 2.7.2001 noch einmal bestätigt.
Der Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit gerügt, da es sich bei den Vereinbarungen um einen -formnichtigen- Erschließungsvertrag handele. Im Übrigen sei er nicht passivlegitimiert, weil er nicht Eigentümer des Grundstücks gewesen sei.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit für nicht gegeben erachtet und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht des Saarlandes verweisen. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung um einen Erschließungsvertrag im Sinne von § 124 BauGB handele. Dass es sich bei den in Rede stehenden Arbeiten -Anlegen einer Linksabbiegerspur- um Erschließungsmaßnahmen handele, ergebe sich unzweifelhaft aus dem Vorbringen der Klägerin. Erschließungsverträge seien jedoch öffentlich-rechtliche Verträge, so dass zur Durchsetzung der dort geregelten Ansprüche der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben sei.
Der von der Klägerin gegen diesen Beschluss vom 29..7.2004, ihr zugestellt am 4.8.2004, am 18.8.2004 eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen.
Die Klägerin macht mit der sofortigen Beschwerde geltend, dass die Voraussetzungen, unter denen das Landgericht die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit verneint und die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts angenommen habe, nicht vorlägen. Zum einen sei zwischen den Parteien kein Erschließungsvertrag zustande gekommen, weil unbestrittenermaßen die in Rede stehenden Baumaßnahmen an einer Landstraße 2. Ordnung (L.II.O 271)vorzunehmen gewesen seien, hinsichtlich derer ihr die Verfügungsbefugnis nicht zustehe; als Landstraße 2. Ordnung werde die Straße nicht von der ihr auferlegten Erschließungslast erfasst. Auch seien die von dem Beklagten zu finanzierenden Maßnahmen nicht als Erschließungsanlagen zu qualifizieren, weil das Grundstück bereits bis zur Baureife erschlossen gewesen sei und es sich im Übrigen um eine Einzelfallregelung handele. Zum anderen sei aber auch kein sonstiger öffentlich-rechtlicher Vertrag abgeschlossen worden. Denn wie sich aus ihrem Vorbescheid vom 12.4.1999 (Bl. 77 ff d.A.) ergebe, sei bereits bezüglich der Zufahrt und der Linksabbiegerspur auf die Zuständigkeit des Landesamtes für Straßenwesen verwiesen. Von daher habe sie bei Beantragung der Baumaßnahme davon ausgehen dürfen, dass die Änderungen mit dem Landesamt für Straßenwesen abgesprochen und genehmigt gewesen seien, so dass sie auf eine verkehrsrechtliche Erschließung in dem erteilten Bauschein nicht mehr habe eingehen müssen. Die Frage der Erschließung habe sich vor diesem Hintergrund auch nicht mehr gestellt. Soweit sie den Komplettauftrag vergeben habe und gegenüber der bauausführenden Firma hinsichtlich der dieser zustehenden Werklohnforderung in Vorlage getreten sei, habe der Beklagte am 2.7.2001 telefonisch die Übernahme der Kosten zugesichert.
II.
1.
Das Beschwerdegericht hat gemäß § 568 Abs. 1 ZPO durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden, weil auch die angefochtene Entscheidung durch den Einzelrichter getroffen wurde.
Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 567, 569 ZPO).
2.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Denn das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist, so dass der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zu verweisen war.
Dabei kann dahinstehen, ob zwischen den Parteien, wovon das Landgericht ausgeht, ein Erschließungsvertrag zustande gekommen ist. Soweit sich die Klägerin unter Bestreiten ihres Vorbringens in der Klageschrift, wonach innerhalb der Planungsverhandlungen eine Vereinbarung zwischen den Parteien über eine Kostenübernahme seitens des Beklagten hinsichtlich der in Rede stehenden Arbeiten getroffen worden sei (Bl. 3, 4, 8 d.A.), nunmehr nämlich ausschließlich darauf stützt, dass der Beklagte die Kostenübernahme anlässlich eines am 2.7.2001 - und damit zeitlich später geführten (vgl. Bl. 6 d.A.)- Telefonats bestätigt bzw. zugesichert habe, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, zu einer von der landgerichtlichen Entscheidung abweichenden Beurteilung zu führen. Auch bei dieser Sachlage ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Grundsätzlich haben bei Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen die Verwaltungsgerichte zu entscheiden. Maßgebend für die Frage nach der rechtlichen Qualifikation der getroffenen vertraglichen Regelungen ist die rechtliche Natur des Klageanspruchs, wie er sich nach dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei darstellt; insoweit muss das Klagevorbringen den behaupteten Rechtsweg schlüssig ergeben (vgl. Baumbach-Lauterbach- Albers, ZPO, 60. Aufl., GVG § 13, Rdnr. 11,12, m.w.N.; Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., GVG § 13, Rdnr. 11, m.w.N.; BGH Z 56, S. 365 ff, m.w.N.). Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe die Übernahme der auf die Einrichtung einer Linksabbiegerspur fallenden Kosten, die er ohnehin nach den Hinweisen in dem Vorbescheid zu tragen gehabt habe, zugesagt bzw. bestätigt. Ungeachtet der Frage, ob diese behauptete Zusage bzw. Bestätigung als Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis, Vergleich, Folgekostenvertrag oder Vertrag eigener Art zu qualifizieren ist, ist entscheidend, ob das durch die behauptete Zusage bzw. Bestätigung begründete Vertragsverhältnis nach dem Klagevortrag dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist. Im Streitfall ist auf der Grundlage des sich im Beschwerdeverfahren darstellenden Sach- und Streitstandes davon auszugehen, dass das Vertragsverhältnis dem öffentlichen Recht unterfällt.
Ob eine Vereinbarung dem öffentlichen oder privaten Recht zuzuordnen ist, entscheidet sich nach dem Gegenstand, den sie regelt. Öffentlich-rechtlicher Charakter ist der Vereinbarung insbesondere dann zuzusprechen, wenn der Vertrag sich auf einen nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätzen öffentlich-rechtlich geregelten Sachverhalt bezieht, also eine Vereinbarung enthält, die auf eine Ausgestaltung und Abänderung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen oder Berechtigungen abzielt, insbesondere Rechte und Pflichten in einem Über- und Unterordnungsverhältnis durch vertragliche Regelungen ersetzt, abändert, ergänzt oder näher bestimmt. Öffentlich-rechtlichen Charakter hat auch ein solcher Vertrag, der einen Verwaltungsakt ersetzt, aber auch ein solcher, der auf einer öffentlich-rechtlichen "causa" beruht, die im Vertrag nicht ausdrücklich als Vertragsgegenstand genannt wird (vgl. BVerwG E 42, S. 331 ff; BGH Z 56, S. 365 ff, m.w.N.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 54, Rdnr. 27 ff, 33,34, m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt auch der von der Klägerin behaupteten Zusage/Bestätigung der Charakter eines öffentlich-rechtliches Vertrages zu.
Ausweislich des von der Klägerin im Beschwerdeverfahren zu den Akten gereichten Bauvorbescheids, den sie am 12.4.1999 erlassen und dem Beklagten zugestellt hat, war für die Bearbeitung der Bauantragsunterlagen die (endgültige) Stellungnahme des Landesamtes für Straßenwesen zu beachten und wurde u.a. zur Auflage gemacht, dass die Zufahrt zu dem Baugrundstück verkehrssicher zu befestigen und bis auf die Zufahrt entlang der L.II.O.271 geschlossen einzufrieden ist und bei Einreichung der endgültigen Planunterlagen Detailpläne in 3-facher Ausfertigung für das Anlegen der Linksabbiegerspur auf der L.II.O.271 zur Überprüfung und Abschluss einer straßenrechtlichen Vereinbarung vorzulegen ist; ferner wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Mehrkosten für den Bau und die Unterhaltung der Linksabbiegerspur gemäß § 21 Saarländisches Straßengesetz vom Antragsteller zu tragen sind (Bl. 78 d.A.). Die in Bezug genommene Vorschrift bestimmt, dass, wenn eine Straße wegen der Art des Gebrauchs durch einen anderen aufwändiger hergestellt oder ausgebaut werden muss, als es dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entspricht, der andere dem Träger der Straßenbaulast die Mehrkosten für den Bau und die Unterhaltung zu vergüten hat. Hieraus ergibt sich unzweifelhaft, dass sich im Streitfall sowohl die Notwendigkeit der Anlegung einer Linksabbiegerspur als auch die Kostenlast für die aufwändigere Herstellung oder den Ausbau der streitgegenständlichen Landesstraße 2. Ordnung nach öffentlich-rechtlichen Rechtsvorschriften richtet und insbesondere die Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Soweit der Beklagte die ihn nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften, nämlich gemäß § 21 Saarländisches Straßengesetz, auf den der Vorbescheid ausdrücklich verweist, treffende Kostenlast sodann in einem Telefonat mit der Klägerin zugesagt bzw. bestätigt hat, ist der hierauf beruhende Vertrag demzufolge auch als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren. Dass die Klägerin, so ihr Sachvortrag, in Bezug auf die Anlegung der Linksabbiegerspur (Zufahrt) weder einen Erschließungsvertrag noch einen sonstigen öffentlich-rechtlichen Vertrag hat abschließen können oder wollen, sie vielmehr eine entsprechende Absprache mit dem Landesamt für Straßenwesen vorausgesetzt habe (Bl. 74/75 d.A.), ist ohne Belang. Soweit sie, nach ihrem Sachvortrag auch ohne Träger der Straßenbaulast zu sein (vgl. §§ 46 ff SStrG), hinsichtlich der den Beklagten nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften treffenden Kosten wie ein Straßenbaulastträger gegenüber dem Werkunternehmer in Vorlage getreten ist und ihren Zahlungsanspruch sodann auf die behauptete Zusage/ Bestätigung vom 2.7.2001 stützt, besteht zwischen dieser Zusage /Bestätigung und der dem Beklagten nach der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 21 SStrG obliegenden Verpflichtung zur Kostenübernahme, worauf der Bauvorbescheid der Klägerin ausdrücklich verweist, ein enger unmittelbarer Zusammenhang; dass insoweit eine von der ursprünglichen Schuldgrundlage losgelöste selbständige Verpflichtung des Beklagten hätte begründet werden sollen, ist nicht ersichtlich. Von daher ist das Vertragsverhältnis dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Auch der Umstand, dass die Klägerin bei der vorliegenden Vertragsgestaltung als "Zahlstelle" des Trägers der Straßenbaulast gehandelt hat, vermag an der rechtlichen Einordnung des Vertrages als öffentlich-rechtlicher Vertrag demnach nichts zu ändern.
Handelt es sich somit um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, ist nicht der Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Von daher hat die sofortige Beschwerde der Klägerin keinen Erfolg und ist diese zurückzuweisen..
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., GVG § 17 b, Rdnr. 4; Baumbach-Lauterbach- Albers, ZPO, 60. Aufl., GVG § 17 b, Rdnr. 5, m.w.N.).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO; insoweit war der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 1/3 des Hauptsachestreitwertes festzusetzen (vgl. Zöller-Gummer, aaO, GVG § 17 a, Rdnr. 20, m.w.N.; Baumbach-Lauterbach-Albers, aaO, GVG § 17 a, Rdnr. 13, m.w.N.).
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gemäß § 574 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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