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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.02.2009
Aktenzeichen: 5 W 303/08
Rechtsgebiete: RVG
Vorschriften:
RVG § 11 Abs. 1 | |
RVG § 11 Abs. 5 |
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS
In Sachen
wegen Kostenfestsetzung gemäß § 11 RVG (hier: sofortige Beschwerde gegen Ablehnung der Festsetzung)
hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Eckstein-Puhl als Einzelrichterin
am 17.02.2009
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 16.05.2008 (11 O 100/07) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Beschwerdewert beträgt 419,48 €.
Gründe:
I.
Am 12.06.2007 hatte die - nicht anwaltlich vertretene - Antragsgegnerin beim Landgericht Saarbrücken eine Klage wegen Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss erhoben. Mit Verfügung vom 18.06.2007 wurde sie auf den am Landgericht bestehenden Anwaltszwang hingewiesen. Die Antragsgegnerin fragte an, ob der Anwaltszwang auch für die "eingereichte Zwangsvollstreckungsgegenklage" gelte (Bl. 103 d. A.). Das Landgericht teilte ihr hierauf mit Verfügung vom 18.07.2007 mit (Bl. 104 Rs. d. A.), für den Rechtsstreit sei eine anwaltliche Vertretung erforderlich und sie sei dessen ungeachtet mit ihren Einwendungen gemäß § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen; ihr wurde eine Klagerücknahme anheimgestellt. Die Antragsgegnerin reagierte mit Schriftsatz vom 10.08.2007, in welchem sie unter anderem ausführte, ob ein Anwaltszwang bestehe, könne dahinstehen, da sie jederzeit einen Anwalt beauftragen könne (Bl. 114 d. A.).
In dem auf den 13.09.2007 anberaumten Verhandlungstermin sie nicht. Es erging ein Versäumnisurteil (Bl. 156 d. A.), das ihr am 14.09.2007 zugestellt wurde (Bl. 159 d. A.). Mit Schriftsatz vom 12.09.2007 rügte sie, das Gericht hätte im Hinblick auf den angenommenen Anwaltszwang die Klage nicht zustellen und auch keinen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen dürfen (Bl. 160 d. A.).
Am 28.09.2007 - am letzten Tag der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil - beauftragte die Antragsgegnerin die Sozietät der Antragstellerin, durch welche am selben Tag Einspruch eingelegt wurde (Bl. 162 d. A.). Im Termin am 15.11.2007 wurde der für die Antragsgegnerin aufgetretene Rechtsanwalt W., der keine eigene Einspruchsbegründung gefertigt und sich auf das Vorbringen seiner Partei berufen hatte, auf die fehlende Erfolgsaussicht der Klage hingewiesen (S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 15.01.2007, Bl. 171 d. A.). Unter dem 28.11.2007 wandte sich die Antragsgegnerin an ihre Prozessbevollmächtigten und erklärte, sie könne sich nicht zu einer Rücknahme des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil entscheiden (Bl. 173 d. A.).
Mit Urteil vom 06.12.2007 hat das Landgericht das Versäumnisurteil unter Berufung auf die Vorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO aufrechterhalten.
Die antragstellende Sozietät begehrte mit Schriftsatz vom 31.03.2008, die von der Antragsgegnerin an sie zu zahlende Vergütung auf einen Bruttobetrag von 419,48 € (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Post- und Telekommunikationspauschale zuzüglich Umsatzsteuer) festzusetzen (Bl. 253 d. A.). Die Antragsgegnerin hat sich dem entgegengestellt und beantragt, das Kostenfestsetzungsgesuch zurückzuweisen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Landgericht habe die Klage als unzulässig abgewiesen und auf die Unschlüssigkeit des klägerischen Vorbringens hingewiesen. Sie habe aber von ihrem Anwalt erwarten können, dass dessen Vorbringen schlüssig sei und dass kein unzulässiges Klageverfahren geführt werde (Schriftsatz vom 02.05.2008, Bl. 256 d. A.).
Die Rechtspflegerin beim Landgericht Saarbrücken hat am 16.05.2008 den Antrag auf Festsetzung der Vergütung gemäß § 11 RVG zurückgewiesen mit der Begründung, die Antragsgegnerin mache nicht im Gebührenrecht begründete Einwendungen im Sinne des § 11 Abs. 5 RVG geltend (Bl. 257 d. A.).
Die Antragstellerin hat sich mit Schriftsatz vom 20.05.2008 darauf berufen, dass ihre Mandatierung erst am letzten Tag der Einspruchsfrist betreffend das ergangene Versäumnisurteil erfolgt sei, ohne dass man eine Prüfung habe vornehmen können. Am 26.05.2008 ist der Beschluss des Landgerichts vom 16.05.2008 der Antragstellerin zugestellt worden (Bl. 265 d. A.). Auf Anfrage von Seiten der Rechtspflegerin hat sie unter dem 29.05.2008 darum gebeten, das Schreiben vom 20.05.2008 als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.05.2008 zu werten (Bl. 310 d. A.).
Die Antragstellerin ist der Ansicht, schon bei oberflächlicher Prüfung nach Aktenlage ergebe sich die Haltlosigkeit der Einwendungen der Antragsgegnerin (Bl. 348 d. A.).
Die Rechtspflegerin beim Landgericht Saarbrücken hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Rechtsbehelfsführerin ist die Anwaltssozietät "S. Rechtsanwälte". Es handelt sich hierbei um eine nach außen am Rechtsverkehr teilnehmende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die als rechts- und parteifähig anzusehen ist (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 50 Rdnr. 18). Die Gesellschaft ist als solche berechtigt, die Festsetzung des anwaltlichen Gebührenanspruchs auf dem Weg des § 11 RVG zu betreiben (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, § 11 Rdnr. 16). 2.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Kostenfestsetzungsgesuchs vom 31.03.2008 durch Beschluss des Landgerichts vom 16.05.2008 ist gemäß § 11 Abs. 2 RVG i. V. m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO, §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG zulässig. Es kann dahinstehen, inwieweit im Schriftsatz vom 20.05.2008, welcher in Unkenntnis des bereits erlassenen, der Antragstellerin erst am 26.05.2008 zugestellten Beschlusses vom 16.05.2008 verfasst worden war, ein Rechtsbehelf hiergegen gesehen werden kann (vgl. - für die Umdeutung eines klageerwidernden Schriftsatzes in die Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil - einerseits OLG Braunschweig, FamRZ 1995, 237 [die Umdeutbarkeit bejahend], andererseits OLG Köln, NJW-RR 2002, 1231 [die Umdeutbarkeit verneinend]). Jedenfalls hat der Schriftsatz vom 29.05.2008 - in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 20.05.2008 - explizit eine sofortige Beschwerde gegen die den Festsetzungsantrag zurückweisende Entscheidung des Landgerichts zum Inhalt. Die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß § 569 Abs. 1 S. 1, S. 2 ZPO wurde gewahrt.
3.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat den Antrag der Antragstellerin vom 31.03.2008 auf Festsetzung der Vergütung gemäß § 11 RVG zu Recht unter Berufung auf § 11 Abs. 5 RVG zurückgewiesen.
a.
Gemäß § 11 Abs. 5 RVG ist die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass es grundsätzlich nicht dem Rechtspfleger obliegen soll, im formalisierten Verfahren der Kostenfestsetzung Einwände des Antragsgegners zu bewerten, deren Relevanz über das eigentliche Kostenfestsetzungsverfahren hinausgeht. Die Prüfung materiellrechtlicher Gegenrechte des Gebührenschuldners soll dem Prozessgericht vorbehalten bleiben (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, § 11 RVG Rdnr. 50).
b.
Hier hat die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 02.05.2008 vorgetragen, sie habe als Partei von ihrem Anwalt erwarten können, dass dessen Vorbringen im Rechtsstreit schlüssig sei und dass kein unzulässiges Klageverfahren geführt werde. Der Sache nach hat sie damit einen Beratungsfehler der Antragstellerin eingewandt, der eventuell geeignet sein könnte, Gegenrechte gegen den Vergütungsanspruch - nämlich einen auf Freistellung von Gebühren aus dem Anwaltsdienstvertrag gerichteten Schadensersatzanspruch gemäß §§ 675, 611, 280 BGB (OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2008, 99) oder den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB (Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, § 11 Rdnr. 186) - zu begründen. Dieser Einwand ist ein nicht gebührenrechtlicher.
c.
Allerdings handhabt die obergerichtliche Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 5 RVG differenziert und lässt auch bei nicht im Gebührenrecht gründenden Einwänden bisweilen eine Festsetzung nach § 11 Abs. 1 RVG zu.
(1)
Im Grundsatz hängt die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 5 RVG nicht davon ab, dass der Mandant seine Einwendung oder Einrede substantiiert hat (Bischof in: Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann, RVG, 2004, § 11 Rdnr. 28). Dennoch soll sein Vorbringen zumindest erkennen lassen, dass er sie aus einzelfallbezogenen, tatsächlichen Umständen herleitet und dass jedenfalls im Ansatz eine Möglichkeit denkbar ist, wonach der Anspruch des Rechtsanwalts aus materiellrechtlichen Gründen nicht bestehen könnte. Eine bloße Wiedergabe des Gesetzestexts ohne jeglichen Bezug zum konkreten Anspruch genügt ebenso wenig wie die allgemein in den Raum gestellte Behauptung des Antragsgegners, er fühle sich schlecht vertreten oder es werde Schlechterfüllung geltend gemacht (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, § 11 Rdnr. 139; KG, KGR Berlin 2007, 382). Lässt das Vorbringen des Gebührenschuldners schon jeden auch nur ansatzweise zur Begründung eines Einwands geeigneten Tatsachenkern vermissen oder liegt von vornherein auf der Hand, dass der Einwand und unter keinem denkbaren vernünftigen Gesichtspunkt Bestand haben kann, kann dies eine Anwendung des § 11 Abs. 5 RVG ausschließen (OLG Celle, OLGR Celle 2009, 40; OLG Schleswig-Holstein, OLGR Schleswig 2008, 802; OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2008, 99; OLG Brandenburg, RVGreport 2008, 418; OLG Naumburg, FamRZ 2008, 1969; MDR 2001, 114; BayVGH, NJW 2008, 2203).
(2)
Hier sind nach Ansicht des Senats die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls der vorgenannten Art nicht gegeben und es bleibt bei dem in § 11 Abs. 5 RVG normierten Grundsatz.
Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass das erfolglose Agieren der Antragsgegnerin im Prozess - jedenfalls zunächst - allein in deren Verantwortungsbereich fiel. Sie hat die Klage persönlich erhoben, den Rechtsstreit nach dem Hinweis des Landgerichts u. a. betreffend die Erfolglosigkeit des Klagebegehrens wegen § 767 Abs. 2 ZPO weiterbetrieben und die Antragstellerin erst zum Zweck der Einspruchseinlegung gegen das Versäumnisurteil in das Verfahren eingeschaltet. Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob der Einwand, es könne von einem Rechtsanwalt erwartet werden, in zulässiger Weise ein Klageverfahren zu betreiben und darin schlüssig vorzutragen, den Vergütungsanspruch ganz oder zum Teil in Frage stellen kann. Der Senat ist allerdings der Ansicht, dass die Beantwortung dieser Frage nicht derart offenkundig auf der Hand liegt, dass das Kostenfestsetzungsverfahren der geeignete prozessuale Rahmen für eine Überprüfung wäre. Insbesondere was die mit dem Kostenfestsetzungsgesuch geltend gemachte Terminsgebühr anbelangt, könnte die Sinnhaftigkeit der Wahrnehmung des Termins vom 15.11.2007 fraglich sein. Denn jedenfalls zwischen der Einspruchseinlegung am 28.09.2007 und der mündlichen Verhandlung über den Einspruch war genügend Zeit, die Sach- und Rechtslage zu überprüfen. Dessen ungeachtet hat die Antragstellerin davon abgesehen, eine eigene Einspruchsbegründung zu fertigen, und Rechtsanwalt W. hat sich im Verhandlungstermin das Vorbringen der Klägerin zueigen gemacht. Inwieweit die Antragstellerin möglicherweise zur Wahrnehmung des Termins trotz entsprechender Beratung explizit angehalten worden ist und welche Rechtsfolgen dies für den Vergütungsanspruch haben könnte, kann dahinstehen. Jedenfalls ist ein Kern an tatsächlichem Vorbringen vorhanden, auf dem eine Einwendung prinzipiell aufbauen könnte (vgl. OLG Celle, OLGR Celle 2009, 40). Dann ist es aber nicht Aufgabe des Rechtspflegers, im Kostenfestsetzungsverfahren der Frage nachzugehen, ob ein Auftraggeber seinem Prozessbevollmächtigten zu Recht Versäumnisse bei der Prozessvertretung vorwirft (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2008, 99; OLG Brandenburg, RVGreport 2008, 418).
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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