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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 5 W 67/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 321 a
ZPO § 568 Abs. 1
ZPO §§ 574 ff n.F.
ZPO § 574 Abs. 1
ZPO § 707 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 719 Abs. 1 S. 2
Gegen Beschlüsse über die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist das Rechtsmittel der sofortigen bzw. außerordentlichen Beschwerde seit Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes unzulässig.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 6.3.2006, 15 O 446/05, wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Gründe:

I. Der Kläger, der mit schriftlichem Pachtvertrag vom 23.2.2005 von der Beklagten eine Grundstücksteilfläche zur gewerblichen Nutzung (Flüssiggasabgabe/ Tankstelle) gepachtet hatte, nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 6.395 EUR wegen Nichtüberlassung der Grundstücksteilfläche in Anspruch.

Nachdem der Beklagten mit Verfügung vom 19.12.2005 die Klageschrift mit der Aufforderung, einen beim Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt zu bestellen, innerhalb von zwei Wochen Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen und binnen vier Wochen seit der Zustellung durch einen beim Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt eine Klageerwiderung einzureichen (LZ 22), mit Belehrung (LZ 13) am 21.12.2005 zugestellt worden war (Bl. 18, 19 d.A.), teilte der in der Klageschrift bezeichnete Rechtsanwalt mit, dass er die Beklagte nicht mehr vertrete (Bl. 20 d.A.). Am 9.1.2006 erging gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil, mit dem die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 6.395,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2005 zu zahlen (Bl. 21/22 d.A.). Das Versäumnisurteil wurde der Beklagten am 11.1.2006 zugestellt (Bl. 24 d.A.).

Mit am 12.1.2006 eingegangenem Schriftsatz legte die Beklagte gegen das Versäumnisurteil Einspruch ein (Bl. 31 d.A.). Mit Schriftsatz vom 22.2.2006 beantragte die Beklagte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil, notfalls gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.395,00 Euro (Bl. 49/50 d.A.).

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 6.3.2006 die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.300 Euro einstweilen eingestellt und der Beklagten gestattet, die Sicherheitsleistung auch in Form einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und unbefristeten Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse oder durch Hinterlegung von Geld zu erbringen; den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung hat es hingegen zurückgewiesen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien (Bl. 51/52 d.A.).

Gegen den ihr am 7.3.2006 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit am 10.3.2006 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil einstweilen ohne Sicherheitsleistung einzustellen. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen sei, weil die Klage, wie der Hinweis des Gerichts vom 6.2.2006 zeige, offenkundig unschlüssig sei.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. 1. Das Beschwerdegericht hat gemäß § 568 Abs. 1 ZPO durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden, weil die angefochtene Entscheidung durch den Einzelrichter getroffen wurde.

2. Die sofortige Beschwerde ist nicht zulässig.

Auf Beschlüsse über die Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 707, 719 Abs. 1 ZPO) findet seit Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes zum 1.1.2005 die Regelung des § 321 a ZPO Anwendung, weil es sich um rügefähige Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift handelt. Dies bedeutet, dass das Verfahren, gleichgültig, ob die Partei auf die befristete Gegenvorstellung oder auf § 321 a ZPO verwiesen wird, zur Selbstkontrolle in der Instanz verbleibt (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 707, Rdnr. 22; Thomas-Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 707, Rdnr. 17).

Das Rechtsmittel ist auch nicht als außerordentliche Beschwerde zulässig. Zwar hat die früher wohl herrschende Rechtsprechung die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen über Anträge auf Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 707, 719 Abs. 1 ZPO) trotz der eindeutigen und gegenteiligen Regelung in § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit ausnahmsweise zugelassen (Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Auflage, § 707 Rdnr. 13; Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 707 Rdnr. 22, jeweils m.w.N.). Diese Rechtsprechung ist jedoch angesichts der grundlegenden Neugestaltung des Verfahrensrechts durch das am 1.1.2002 in Kraft getretene Zivilreformgesetz und insbesondere nach Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes zum 1.1.2005 überholt, weil der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung praktizierte Ausnahmebeschwerde nicht in die Zivilprozessordnung übernommen hat. Mit dem Inkrafttreten der vorgenannten Neuregelungen muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Zulassung einer Ausnahmebeschwerde nicht (mehr) dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Dementsprechend hat schon der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dem sich auch andere Senate angeschlossen haben, mit Beschluss vom 07.03.2002 (Az. IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431) entschieden, dass nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz der Bundesgerichtshof gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden kann. Ein außerordentliches Rechtsmittel zum BGH sei, so der Bundesgerichtshof weiter, auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletze oder aus sonstigen Gründen "greifbar gesetzeswidrig" sei. In einem solchen Fall sei die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen habe, auf eine (fristgebundene) Gegenvorstellung hin zu korrigieren. Werde ein Verfassungsverstoß nicht beseitigt, komme allein eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Betracht, §§ 574 ff ZPO (n.F.).

Diese vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze, denen der Senat insbesondere mit Blick auf das zum 1.1.2005 in Kraft getretene Anhörungsrügengesetz folgt ( Senat, Beschl. v. 6.12.2005, 5 W 332/05-97), gelten sinngemäß für den vorliegenden Fall. Da ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse, die eine Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen oder entsprechende Anträge ablehnen, grundsätzlich unanfechtbar sind (§ 707 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO), ist eine sofortige Beschwerde auch nicht in Fällen einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit gegeben. Dies hat zur Folge, dass eine Korrektur selbst greifbar gesetzeswidriger Entscheidungen künftig nur noch im Wege der Gegenvorstellung oder der Verfassungsbeschwerde möglich ist (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.8.2004, 4 W 186/04-31; OLG Köln, OLGR 2004, 179; OLG Hamburg, OLGR Hamburg 2004, 563; für die inhaltlich gleich gelagerten Fälle der Unzulässigkeit von Rechtsmitteln nach § 769 ZPO, in denen nach überwiegender Rechtsprechung § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechend anzuwenden ist, vgl. ausdrücklich BGH, NJW 2004, 2224; OLG Frankfurt, NJW-RR 2003, 140; OLG Koblenz, OLGR 2003, 332; OLG Stuttgart, OLGR 2004, 168; OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 256; OLG Saarbrücken, OLGR 2004, 415; a.A. OLG Dresden, JurBüro 2003, 107; OLG Schleswig, OLGR 2004, 130).

3. Im Übrigen wäre die sofortige Beschwerde auch nicht begründet. Das Landgericht ist nämlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung nicht vorliegen.

Soweit gemäß § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung nicht in Betracht kommt, wenn das Versäumnisurteil nicht in gesetzmäßiger Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war, kann nicht festgestellt werden, dass diese Voraussetzungen gegeben sind.

Dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen sein soll (§§ 330 ff, 335 ZPO), ist nicht ersichtlich. Der Hinweis des Landgerichts vom 6.2.2006 ist erst auf das Bestreiten der Beklagten nach Erlass des Versäumnisurteils erfolgt. Anhaltspunkte dafür, dass die Säumnis unverschuldet war, liegen ebenfalls nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird mit 1/5 des Wertes der Hauptsache auf 1.660 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nicht vorliegen (§ 574 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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