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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 5 W 7/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406
ZPO § 406 Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 3
ZPO § 406 Abs. 5
ZPO § 567 Abs. 1
Ein Sachverständiger ist nicht bereits deshalb befangen, wenn er anlässlich eines Ortstermins Fotomaterial von einer verfahrenbeteiligten Partei entgegennimmt.
Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 15.12.2003 - 1 OH 3/02 - wird auf Kosten der Antragsgegner zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortige Beschwerde wird auf 18.917,80 Euro festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin erwarb mit notariellem Vertrag vom 29.12.2000 von den Antragsgegnern die Erdgeschosswohnung im Anwesen S.. Im vorliegenden selbstständigen Beweisverfahren will die Antragstellerin über den Umfang behaupteter Feuchtigkeitsschäden und die Frage, ob diese Feuchtigkeitsschäden bereits vor dem 29.12.2000 vorhanden waren, Beweis erheben.

Mit Beschluss vom 4.4.2002 (Bl. 10 d. A.) hat das Landgericht über die Behauptungen der Antragstellerin Beweis angeordnet und den Dipl. Ing. A. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt, dessen Gutachten am 5.11.2000 (Bl. 20 - 36 d. A.) vorgelegt wurde. Auf Seite 2 des Gutachtens findet sich der Vermerk, dass dem Sachverständigen von der Antragstellerin beim Ortstermin zwei Filme überreicht worden seien, die den Beginn der Nässeschäden im November 2001 und Februar 2002 zeigen sollten.

Zwischen den Parteien besteht Streit, ob dem Sachverständigen - so der Vortrag der Antragstellerin - Lichtbilder oder Filmrollen übergeben worden seien. Auch besteht Streit, ob die "Filme" in Kenntnis aller Anwesenden überreicht worden seien (so die Behauptung der Antragstellerin). Demgegenüber behaupten die Antragsgegner, weder sie selbst, noch ihr Verfahrensbevollmächtigter hätten das Überreichen von "Fotos, Bilder oder Ähnlichem " bemerkt.

In einem Ergänzungsgutachten vom 4.9.2003 (Bl. 56 ff. d. A.) beantwortete der Sachverständige die Frage Nr. 4, ob bei der unterstellten Feuchtigkeitsdurchdringung der Wände nicht ein erheblich über die Stockflecken hinausgehender Schimmelpilzbefall hätte festgestellt werden müssen, wie folgt:

"Der geringe Schadensumfang zeigt, dass die Antragsteller in mindestens angemessener Weise heizen und lüften. Der Schadensumfang ist unter diesen Voraussetzungen üblich. Die Fotos des Antragstellers (auf die im Gutachten selbst keinen Bezug genommen wurde) zeigen allerdings, soweit erinnerlich, auch temporär auftretende Nässeschäden größeren Ausmaßes. Durch die Beheizung der Räume und das Außenklima (insbesondere Wind, jedoch erst oberhalb des Sockelwaschputzes) wird der Wandquerschnitt ausgetrocknet und zwar trotz der von unten nachströmenden Feuchtigkeit."

Zum Verbleib der "Filme" trägt der Sachverständige vor, er habe die Bilder unmittelbar nach Fertigstellung des Gutachtens an die Antragstellerin zurückgesandt.

Mit Schriftsatz vom 9.10.2003 haben die Antragsgegner den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie haben die Auffassung vertreten, die Befangenheit des Sachverständigen ergebe sich daraus, dass er bei der Erstellung des Gutachtens "Filmrollen" verwendet habe, deren Inhalt er den Antragsgegnern nicht habe zugänglich machen wollen. Die Fotos seien zumindest bei der Beantwortung der Frage 4 des Ergänzungsgutachtens von Relevanz gewesen.

Mit Beschluss vom 15.12.2003 hat das Landgericht den Antrag der Antragsgegner, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Beschlusses (Bl. 86 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die am 29.12.2003 eingelegte Beschwerde. Die Antragsgegner vertreten die Auffassung, der Sachverständige habe sein Gutachten in Gestalt der "Filme" auf eine Grundlage gestützt, deren Kenntnisnahme er den Antragsgegnern verwehrt habe. Die Frage, welche Situation zum Zeitpunkt der Veräußerung des Grundstücks vorgelegen habe, sei das Kernthema des vorliegenden Verfahrens. Gerade zur Beantwortung dieser Frage habe er zumindest auch auf das Filmmaterial zurückgegriffen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Beschl. v. 5.1.2004).

II. A. Die gem. § 567 Abs. 1, § 406 Abs. 5 ZPO statthafte, form und fristgerecht eingelegte (§ 569 ZPO) sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Entscheidung über die Beschwerde ist dem Einzelrichter übertragen, da auch die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter getroffen worden ist (§ 568 ZPO). Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht bei der Nichtabhilfe in Kammerbesetzung entschieden hat: Denn im Fall der Nichtabhilfe richtet sich die Beschwerde allein gegen die angefochtene Entscheidung selbst. In der Sache bleibt der Beschwerde ein Erfolg versagt: Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht die Voraussetzungen einer Befangenheit verneint.

1. Gem. § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Demnach liegt eine zur Ablehnung berechtigende Befangenheit dann vor, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (BGH, Beschl. v.13. 1.1987 - X ZB 29/86 - BGHR ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1 Unparteilichkeit 1; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 406 Rd. 8; MünchKomm(ZPO)/Damrau, 2. Aufl. § 406 Rdn. 5). Ein solcher Zweifel besteht insbesondere dann, wenn das Verhalten des Sachverständigen den Anschein erweckt, der einen Partei Anknüpfungstatsachen für das erstellte Gutachten bewusst vorzuenthalten. Mit zutreffender Begründung gelangt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass ein solcher Sachverhalt hier jedoch nicht vorliegt.

2. Zunächst hat der Sachverständige seine Neutralitätspflicht nicht bereits mit der Entgegennahme des Filmmaterials verletzt. Denn ein Sachverständiger ist zur Vermeidung des Anscheins einer Befangenheit ausdrücklich dazu gehalten, substantiierten Parteivortrag zumindest zur Kenntnis zu nehmen (Bamberg MedR 1993, 351). Auch dem Wunsch, einen Ortstermin in Anwesenheit und in Auseinandersetzung mit einem technischen Berater einer Partei durchzuführen, darf sich der Sachverständige nicht ohne nachvollziehbaren Grund verschließen (vgl. Düsseldorf, MDR 1979, 409). Mithin kann die Entgegennahme von Material am Maßstab des § 406 ZPO nur dann zu beanstanden sein, wenn das Material gewissermaßen unter konspirativen Umständen entgegengenommen wurde oder seine Relevanz für das Ergebnis der Begutachtung verschleiert wird.

Einen solchen Sachverhalt haben die Antragsgegner - worauf das Landgericht mit Recht hinweist - nicht mit einer den Anforderungen des § 406 Abs. 3 ZPO entsprechenden Weise glaubhaft gemacht, da sowohl der Sachverständige als auch die Antragsstellerin ebenso bestimmt wie die Antragsgegner behaupten, dass das Material dem Sachverständigen in aller Öffentlichkeit und unter den Augen der Parteien übergeben worden sei. Gegen die Absicht des Sachverständigen, die Relevanz des Filmmaterial für das Beweisergebnis zu verschweigen, spricht mit Klarheit der Umstand, dass der Sachverständige die Übergabe des Filmmaterials in seinem schriftlichen Gutachten ausdrücklich erwähnt hat. Denn mit diesem Hinweis verfolgte der Sachverständige aus Sicht einer vernünftigen Partei gerade die Absicht, jeden Anschein von Parteilichkeit zu vermeiden.

3. Auch dadurch, dass der Sachverständige den Film nach Erstattung des Gutachtens wieder an die Antragstellerin zurückgesandte, hat der Sachverständige seine Neutralitätspflicht nicht verletzt. Denn dieses Verhalten wurde ersichtlich von der Überzeugung getragen, dass das Filmmaterial für die Beantwortung der Beweisfragen ohne substanzielle Bedeutung sei und das Gutachten stattdessen aus sich selbst heraus ohne weiteres nachvollzogen werden könne. An dieser Einschätzung ändert sich auch dadurch nichts, dass der Sachverständige bei der Beantwortung der Ergänzungsfrage Nr. 4 seine primär auf objektive bauphysikalische Umstände gestützte Aussage mit dem aus der Erinnerung heraus wiedergegebenen Erscheinungsbild der Lichtbilder bekräftigt. Denn der Sachverständige konnte zum Zeitpunkt der Rücksendung des übergebenen Materials vernünftigerweise nicht damit rechnen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner ergänzende Fragen stellen würde, zu deren Beantwortung er auf das Fotomaterial zurückgreifen müsste.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Gutachter die Fotos nicht zur Bekräftigung der von den Antragsgegnern bezeichneten "Kernfrage" des Rechtsstreits nach dem Zeitpunkt der aufgetretenen Feuchtigkeitsschäden heranzieht. Vielmehr beschäftigt sich die Ergänzungsfrage 4 damit, ob die in der Wohnung sichtbaren Feuchtigkeitsschäden angesichts der vom Sachverständigen festgestellten Baumängel nicht hätten gravierender ausfallen müssen. Mithin zielt die Ergänzungsfrage 4 auf die Plausibilität der vom Sachverständigen festgestellten Baumängel, deren tatsächliches Vorliegen mit Lichtbildern, die den Zustand der Räume zeigen, allenfalls indiziell bewiesen werden können. Demgegenüber beantwortet der Sachverständige die Frage nach dem Zeitpunkt des Auftretens der Feuchtigkeitsschäden unter Ziff. 5 seines Ergänzungsgutachtens und führt hierbei aus, dass der verheerende Zustand der Wandoberflächen an den Kellerwänden und die fortgeschrittene Korrosion an den Sturzträgern der Kellerfenster nicht in einem Zeitraum von nur zweieinhalb Jahren entstanden sein könnten. Die Frage, ob diese Schlussfolgerung in der Sache trägt, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu beantworten. Jedenfalls ist die nachvollziehbare Schlussfolgerung nicht geeignet, Zweifel an der Neutralität des Sachverständigen zu begründen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats war der Gegenstandswert auf ein Fünftel des Werts der Hauptsache festzusetzen. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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