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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 6 UF 29/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BErzGG, SGG II, UVG


Vorschriften:

BGB § 313
BGB § 1579 Nr. 1
BGB § 1579 Nr. 6
ZPO § 283
ZPO § 296 a
ZPO § 530
ZPO § 531
ZPO § 621 d
ZPO § 769
BErzGG § 9
SGG II § 33 Abs. 1
UVG § 7
a. Die Selbstbehaltsätze gegenüber Ehegatten sind grundsätzlich höher anzusetzen als gegenüber minderjährigen Kindern. Dabei ist von dem Betrag auszugehen, der in der Mitte zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt liegt.

b. Zur Frage der Mangelfallberechnung in diesen Fällen.


SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Im Namen des Volkes URTEIL

6 UF 29/06

Verkündet am 16.11.2006

In der Familiensache

wegen Abänderungsklage

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2006 durch den Richter am Oberlandesgerichts Sittenauer als Vorsitzenden sowie die Richterin am Oberlandesgericht Cronberger und den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Februar 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken - 2 F 341/05 UEUK - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der vor dem Amtsgericht - Familiengericht - am 4. Mai 2005 abgeschlossene Vergleich - 2 F 126/05 Uki/UE EA I - wird unter Abweisung der weitergehenden Klage für die Zeit ab dem 4. Januar 2006 dahingehend abgeändert, dass der Kläger verpflichtet ist, monatlich an die Beklagte Trennungsunterhalt in Höhe von 159 EUR und Kindesunterhalt in Höhe von 162 EUR für Januar 2006, 35 EUR für Februar 2006 bis November 2006 und 162 EUR ab Dezember 2006 sowie an die Unterhaltsvorschusskasse des Stadtverbandes Kindesunterhalt in Höhe von 127 EUR für Februar 2006 bis November 2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 2/5, die Beklagte 3/5; die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

und

Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien haben am 30. Dezember 2003 miteinander die Ehe geschlossen, aus der das am September 2004 geborene Kind F.-L. hervorgegangen ist. Seit Januar 2005 leben die Parteien voneinander getrennt. F.-L. wird von der Beklagten betreut. Diese hat den Kläger auf Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt in Anspruch genommen; am 4. Mai 2005 schlossen die Parteien vor dem Amtsgericht - Familiengericht - in Saarbrücken einen Vergleich - 2 F 126/05 UKi/UE EA I -, in dem sich der Kläger u. a. verpflichtete, an die Beklagte ab Juni 2005 monatlich Trennungsunterhalt in Höhe von 619 EUR und Kindesunterhalt in Höhe von 192 EUR zu zahlen.

Mit seiner am 16. August 2005 eingereichten, mit Schriftsatz vom 12. September 2005 modifizierten Klage, hat der Kläger zunächst die Abänderung des vorgenannten Vergleichs dahingehend begehrt, dass er ab dem 16. August 2005 monatlich nicht mehr als 299,02 EUR an Trennungsunterhalt und 107,18 EUR an Kindesunterhalt zu zahlen hat. Zuletzt hat der Kläger beantragt, den Vergleich dahin abzuändern, dass er ab dem 4. Januar 2006 weder Trennungs- noch Kindesunterhalt zu zahlen habe.

Der Kläger hat vorgetragen, dass sein früheres, zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestehendes Arbeitsverhältnis befristet gewesen und am 20. Juli 2005 beendet worden sei und er seitdem nur noch Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.471,20 EUR bezogen habe. Umfangreiche Erwerbsbemühungen seien zunächst erfolglos geblieben. Am 22. Dezember 2005 habe er einen Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft für P. mbH E. abgeschlossen, wonach er dort ab dem 2. Januar 2006 als Energieanlagenelektroniker vollschichtig zu einem Stundensatz von 9,04 EUR beschäftigt werde. Zudem seien weitere Belastungen zu berücksichtigen. Dementsprechend sei er zu Unterhaltszahlungen nicht in der Lage.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, die Klage als unzulässig abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Abänderung des Vergleichs vom 4. Mai 2005 dahingehend begehrt, dass festgestellt wird, dass der Kläger an die Beklagte vom 4. Januar 2006 bis 23. März 2006 weder Trennungs- noch Kindesunterhalt und ab dem 24. März 2006 Trennungsunterhalt nur in Höhe von monatlich 145,93 EUR und Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 52,31 EUR zahlen müsse. Der Kläger trägt vor, dass er zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses ein monatliches Nettoeinkommen von 2.166 EUR erzielt habe, das nach Abzug verschiedener Verbindlichkeiten und Belastungen in Höhe von 1.710 EUR in die Unterhaltsberechnung einbezogen worden sei. Dies sei auch die Vergleichsgrundlage gewesen, von der die Parteien ausgegangen seien, ohne dass dies eigens im Vergleichstext oder dem Sitzungsprotokoll festgehalten wurde. Der Kläger habe sich schon Anfang des Jahres 2005 um eine neue Arbeitsstelle bemüht. Es sei auch davon auszugehen, dass es ihm derzeit trotz hinreichender Bemühungen nicht möglich sei, auf dem Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden, bei der er Einkünfte in Höhe des bezogenen Arbeitslosengeldes, geschweige denn in Höhe seines früheren Einkommens erzielen könnte. Grundlage der Unterhaltsberechnung könne bis zum 23. März 2006 nur sein Einkommen bei der Firma E. in Höhe von monatlich 1.044 EUR netto sein, das noch um monatliche Fahrtkosten in Höhe von 339,17 EUR und Raten in Höhe von monatlich 90 EUR, die auf ehebedingte Verbindlichkeiten zu zahlen seien und auch weiter gezahlt würden, bereinigt werden müsse. Auf Grund eines Arbeitsvertrages vom 15. Februar 2006 mit der Firma F. E. GmbH, , verdiene er ab dem 23. März 2006 monatlich 2.100 EUR brutto bzw. 1.335,24 EUR netto. Die Fahrstrecke von seinem Wohnort zu seiner Arbeitstelle in belaufe sich auf 78,5 km, wobei er lediglich viermal monatlich nach Hause fahre, so dass berufsbedingte Auslagen in Höhe von monatlich 157 EUR anzusetzen seien.

Von einer Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit sei nicht auszugehen, außerdem seien die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 1 und Nr. 6 BGB erfüllt, weil sich die Klägerin von ihm grundlos abgewandt habe, nachdem sie sich habe schwängern lassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Kindesunterhalt für die Zeit von Februar 2006 bis November 2006 in Höhe von monatlich 127 EUR statt an die Beklagte an die Unterhaltsvorschusskasse des Stadtverbandes zu zahlen ist. Sie trägt vor, dass der Kläger mit seinem jetzigen Vorbringen präkludiert sei. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass sein monatliches Einkommen sich nur auf 2.100 EUR brutto belaufe und er ehebedingte Verbindlichkeiten in Höhe von monatlich 90 EUR bediene. Hinreichende Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle habe der Kläger nicht entfaltet. Die Fahrtstrecke zwischen seinem Wohnort und seinen beruflichen Einsatzort belaufe sich auf allenfalls 62 km.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger verlangt zu Recht in Abänderung des Vergleichs vom 4. Mai 2005 die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtungen in Bezug auf den Trennungs- und Kindesunterhalt in dem sich aus dem Urteilstenor ergebenden Umfang.

Die Abänderbarkeit eines Vergleichs beurteilt sich nach den Grundsätzen des Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB (vgl. BGH, FamRZ 1995, 665; FamRZ 2001, 1687; Senatsurteil vom 13. Mai 2004 - 6 UF 77/03; Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 8, Rz. 169 ff, m.w.N.). Danach ist die Frage, ob eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten ist, nach dem der Einigung zu Grunde gelegten Parteiwillen zu beurteilen. Eine Anpassung an veränderte Umstände ist dabei dann gerechtfertigt, wenn es einem Beteiligten nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, an der bisherigen Regelung festgehalten zu werden. Als Ausgangspunkt dieser Beurteilung sind zunächst die Grundlagen, die für den ursprünglichen Titel maßgebend waren, genau zu ermitteln und es ist zu prüfen, welche Änderungen zwischenzeitlich eingetreten sind und welche Auswirkungen sich daraus für die Unterhaltshöhe ergeben (BGH, FamRZ 1992, 539), wobei die Darlegungs- und Beweislast für den Wegfall der Geschäftsgrundlage der Abänderungskläger trägt (vgl. Wendl/Thalmann, a.a.O, Rz. 166). Dieser hat daher die wesentlichen Umstände, die für die Ersttitulierung maßgebend waren, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers zwar nicht in der ersten Instanz, wohl aber in der Berufungsinstanz gerecht. Denn der Kläger hat in der Berufungsbegründung - erstmals - in prozessual beachtlicher Form dargelegt, von welchen Verhältnissen die Parteien bei Abschluss des Vergleichs im Einzelnen ausgegangen sind und dass sich diesbezüglich wesentliche Änderungen ergeben haben. Mit diesem Vorbringen ist der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht präkludiert, da es unstreitig ist und nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt und die Regelung der §§ 530, 531 ZPO gemäß § 621 d ZPO hier nicht anzuwenden sind.

Die Abänderungsklage ist auch teilweise begründet, weil das Einkommen des Klägers gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses erheblich gesunken ist. Wie der Kläger unwidersprochen vorträgt, hatte er seinerzeit ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 1.710 EUR, auf dessen Grundlage der Unterhalt errechnet wurde. Dieses Einkommen steht dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum nicht mehr zur Verfügung, denn sein Arbeitsverhältnis zu seiner früheren Arbeitgeberin ist unstreitig beendet und er ist nunmehr bei der Firma F. E. GmbH beschäftigt, wo er nach seinem eigenen - jedenfalls nach Vorlage des Arbeitsvertrages und der Lohnbelege unwidersprochen gebliebenen - Sachvortrag monatlich 1.335,24 EUR verdient. Dieser Betrag ist auch der Unterhaltsberechnung im hier maßgeblichen Zeitraum zu Grunde zu legen, zumal sich aus den hierzu vorgelegten Unterlagen keine wesentlichen Abweichungen ergeben.

Von dem monatlichen Nettoeinkommen sind die berufsbedingten Fahrtkosten abzuziehen. Diese belaufen sich unter Zugrundelegung der kürzesten Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten auf 62 km, wie an Hand eines Routenplaners (www.viamichelin.de) festzustellen ist. Daraus ergeben sich bei vier monatlichen Heimfahrten und einem Kilometersatz von 0,25 EUR monatliche Fahrtkosten in Höhe von 124 EUR (= 62 km * 2 * 4 * 0,25 EUR).

Weitere Abzüge sind nicht vorzunehmen. Insbesondere können die behaupteten ehebedingten Verbindlichkeiten schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger nicht unter Beweis gestellt hat, dass er weiterhin auf ein zu ehebedingtes Darlehen monatliche Raten in Höhe von 90 EUR gezahlt hat bzw. zahlt, obwohl dies von der Beklagten zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten wird.

Die am Nachmittag des 2. November 2006 vom Kläger diesbezüglich vorgelegten Belege sind gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen, weil die mündliche Verhandlung schon geschlossen war und ihm kein Schriftsatznachlass gewährt worden ist. Auch besteht kein Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf Grund neuen, nicht gemäß § 283 ZPO nachgelassenen Vorbringens ist, von dem Sonderfall eines Wiederaufnahmegrundes abgesehen, nur dann geboten, wenn dieses Vorbringen ergibt, dass es auf Grund eines nicht prozessordnungsmäßigen Verhaltens des Gerichts, insbesondere einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist (vgl. BGHZ 30, 60; BGH, NJW 1993, 134; MDR 1999, 758; NJW 2000, 142, 143). Im Übrigen steht der Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung im freien Ermessen des Gerichts (vgl. BGH, NJW 1986, 1867). Dass der Kläger - ohne sein Verschulden - gehindert gewesen wäre, rechtzeitig zum Verhandlungstermin unter Beweis zu stellen bzw. nachzuweisen, dass er trotz seines verringerten Einkommens weiterhin tatsächlich Zahlungen auf ein ehebedingtes Darlehen leistet, ist im Streitfall nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht.

Dies geht zu Lasten des Klägers, da jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen letztlich die Leistungsfähigkeit in Rede steht (s.u.) ehebedingte Verbindlichkeiten nur dann berücksichtigt werden können, wenn und soweit sie auch tatsächlich zurückgeführt werden (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 639, m.w.N.).

Aus alledem ergibt sich ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen in Höhe von 1.211,24 EUR. Dieses ist für den gesamten hier maßgeblichen Klagezeitraum in Ansatz zu bringen, weil davon auszugehen ist, dass der Kläger sein jetziges Einkommen bei gehöriger Anstrengung auch schon ab Januar 2005 hätte erzielen können. Dass er alles Zumutbare unternommen hat, um eine entsprechend bezahlte Anstellung zu finden, ist, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, nicht hinreichend belegt, zumal entsprechende Bewerbungen weitgehend nur für die Monate September bis November 2005 vorgelegt worden sind, was insofern nicht ausreicht, als angesichts der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem minderjährigen Kind des Klägers intensive Bemühungen schon zu einem früheren Zeitpunkt, d.h. zumindest ab Mitte 2005 hätten einsetzen müssen, da sich damals das Ende des früheren Arbeitsverhältnisses abzeichnete.

Andererseits ist auch kein höheres Einkommen anzusetzen, weil eine diesbezügliche Verletzung der Erwerbsobliegenheit durch den Kläger schon mangels hinreichenden Sachvortrags hierzu nicht festgestellt werden kann; es ist unter den gegebenen Umständen vielmehr nicht auszuschließen, dass er trotz des zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses höheren Einkommens mit monatlich 2.100 EUR brutto seinen beruflichen Fähigkeiten und den Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt entsprechend entlohnt wird. Diese durchaus nahe liegende Möglichkeit verbietet es, dem Kläger weitergehende fiktive Einkünfte zuzurechnen, da dies eine unterhaltsrechtliche Leichtfertigkeit voraussetzte, von der hier nicht zweifelsfrei ausgegangen werden kann.

Auf Seiten der Beklagten ist kein Einkommen anzusetzen; dass sie ab August 2006 unstreitig monatlich 140 EUR verdient, wirkt sich angesichts der nur eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers (s.u.) letztlich nicht aus, zumal ohnehin lediglich ein Teil dieser Einkünfte unterhaltsrechtlich überhaupt relevant wäre, da sie auf überobligatorischer Anstrengung der Beklagte beruhen. Unerheblich ist auch, dass die Beklagte Erziehungsgeld bezogen hat, da dieses unter den gegebenen Umständen nach § 9 BErzGG bei der Beurteilung der Unterhaltsverpflichtungen des Klägers nicht zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 559).

Hieraus ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

 Einkommen 1.335,24 EUR
./. Fahrtkosten- 124,00 EUR
bereinigtes Einkommen 1.211,24 EUR
TU für F.-L. (D T 2005, I,1)- 204,00 EUR
prägendes Einkommen 1.007,24 EUR
maßgebliches Einkommen (6/7) 863,35 EUR
Bedarf der Klägerin (1/2) 431,68 EUR

Der Bedarf für F.-L. beläuft sich unter Berücksichtigung des anteiligen Kindergeldes somit auf 199 EUR (= 204 EUR - 5 EUR). Es liegt ein Mangelfall vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, FamRZ 2006, 683) die Selbstbehaltssätze gegenüber Ehegatten grundsätzlich höher anzusetzen sind, als gegenüber minderjährigen Kindern. Der Senat erachtet es für angemessen, insoweit von dem Betrag auszugehen, der in der Mitte zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt liegt (so auch Büttner, FamRZ 2006, 765). Nach den Leitlinien des Saarländischen Oberlandesgerichts ergibt sich daraus hier ein Selbstbehalt in Höhe von 995 EUR (= notwendiger Selbstbehalt: 890 EUR + 1/2 * < angemessener Selbstbehalt: 1.100 EUR - notwendiger Selbstbehalt: 890 EUR>). Es ist somit zunächst die Verteilungsmasse von 216,24 EUR (= bereinigtes Einkommen: 1.211,24 EUR - 995 EUR) unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung zur Mangelfallberechnung (vgl. FamRZ 2003, 363) aufzuteilen; die danach noch verbleibende Differenz zwischen dem angemessenen Selbstbehalt und dem notwendigen Selbstbehalt in Höhe von 105 EUR steht grundsätzlich dem unterhaltsberechtigten Kind zu (vgl. Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 4. Aufl., Rz. 3127; Soyka, FuR 2006, 269). Daraus ergibt sich vorliegend folgende Berechnung:

 bereinigtes Einkommen 1.211,24 EUR
./. Selbstbehalt- 995,00 EUR
Verteilungsmasse 216,24 EUR

zu befriedigender Bedarf (Existenzminimum nach BGH)

 Beklagte 770,00 EUR
F.-L. (Düsseldorfer Tabelle 2005, I, 6) 276,00 EUR
Gesamtbedarf 1.046,00 EUR
Anteil der Beklagten 73,61%
Anteil F.-L. 26,39%
es entfallen auf die Beklagte 159,18 EUR
es entfallen auf F.-L. 57,07 EUR

Damit hat die Beklagte einen Anspruch auf Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 159 EUR und der Kindesunterhalt beläuft sich auf monatlich rund 162 EUR (= 57,07 EUR + 105 EUR). Einer Korrektur dieser Beträge bedarf es nicht, weil keiner der Unterhaltsberechtigten in Folge der Mangelfallberechnung mehr erhält, als wenn kein Mangelfall vorläge.

Was den Trennungsunterhalt betrifft, so ist auch nicht die Aktivlegitimation der Beklagten teilweise entfallen, obwohl diese ab dem 9. Februar 2006 Leistungen nach dem SGB II erhält, da nach § 33 Abs. 1 SGG II auf den Leistungsträger übergegangene Ansprüche unstreitig durch Vertrag vom 12. Oktober 2006 (Bl. 82 d. A.) auf die Beklagte zur gerichtlichen Geltendmachung rückabgetreten worden sind.

Der Anspruch auf Trennungsunterhalt ist auch nicht verwirkt, denn der Kläger hat einen Verwirkungstatbestand nicht schlüssig dargetan. Insbesondere reicht die Behauptung nicht aus, die Beklagte habe nach der Geburt des gemeinsamen Kindes jegliche Intimität mit dem Kläger verweigert, denn dies allein kann noch keine unbillige Härte für die Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt begründen, zumal es vorliegend nur um relativ geringe, ohnehin nicht einmal das Existenzminimum abdeckende Beträge geht und zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte durch die Betreuung des Kindes der Parteien an einer hinreichenden Erwerbstätigkeit gehindert ist. Auf die Frage, wie es sich auswirkt, dass der behauptete Verwirkungstatbestand bereits bei Abschluss des Vergleichs vorgelegen hätte, kommt es somit nicht mehr an.

Im Hinblick darauf, dass die Beklagte für F.-L. seit Februar 2006 Unterhaltsvorschuss in Höhe von monatlich 127 EUR erhält und damit Unterhaltsansprüche in dieser Höhe nach § 7 UVG auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen sind, ist insoweit die Aktivlegitimation der Beklagten entfallen. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass entsprechend der Anregung der Beklagten der Vergleich teilweise dahingehend abgeändert wird, dass insoweit Zahlung an die Unterhaltsvorschusskasse zu leisten ist, wobei es auf die Frage, ob der Kläger an diese für den hier maßgeblichen Klagezeitraum Zahlungen erbracht hat, für die vorliegende Abänderungsklage ohne Belang ist, da es sich insoweit um einen gegebenenfalls mit der Vollstreckungsklage nach § 769 ZPO geltend zu machenden Erfüllungseinwand handelt.

Nach alledem hat die Berufung des Klägers einen Teilerfolg; entsprechend ist der Vergleich vom 4. Mai 2005 abzuändern.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind nach § 97 Abs. 2 ZPO trotz teilweisen Obsiegens dem Kläger insgesamt aufzuerlegen, weil die Berufung insoweit nur auf Grund neuen Vorbringens erfolgreich ist, das er bereits im ersten Rechtszug geltend zu machen im Stande war. Denn der Kläger hat trotz der eindeutigen Ausführungen im Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2005 - 6 WF 77/05 -, auf die das Familiengericht die Klageabweisung gestützt hat, zu den Vergleichsgrundlagen und den damaligen Verhältnissen erstinstanzlich nichts vorgetragen, wobei er ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden war, dass eine pauschale Bezugnahme auf das Ausgangsverfahren nicht zulässig sei. Diese Sichtweise ist nach Auffassung des Senats nach wie vor zutreffend. Die Kosten der ersten Instanz sind nach § 92 Abs. 1 ZPO entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen aufzuteilen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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